Textdaten
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Autor: Hermann Marggraff
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Titel: Honorius und sein Hahn
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 525
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[525]
Honorius und sein Hahn.

Der Kaiser Roms, Honorius,
Der in Ravenna thronte,
Hatt’ einen Hahn zum Intimus,
Dem kaiserlich er lohnte.
Und weil das Thier so stolz gethan,
So nannt’ er „Rom“ den Gockelhahn,
Und wenn die Stadt nach Nahrung schrie,
So sprach er: „Speis’ ein And’rer sie –
      Ich muß den Gockel füttern!“

Gen Welschland zog Held Alarich,
Der Feldherr der Barbaren;
Das kleine Heer der Römer wich
Bestürzt vor seinen Schaaren.
„O Cäsar! Cäsar! Große Not!
Bald bleicht das stolze Purpurroth
Am Kaisermantel! Drum zum Streit!“
Der Kaiser sprach: „Noch ist es Zeit!
      Ich muß den Gockel füttern!“

Nicht lang’, und der Minister trat
Zum Kaiser sammt dem Hahne.
„O Fürst, der wilde Feind – er naht!
Ergreift des Reiches Fahne!“
Der Kaiser eilt zum Dach hinauf,
Bis zu des Thurmes goldnem Knauf.
Dann spricht er, ruhigen Gesichts:
„Was zagst Du, Freund? Ich sehe nichts! –
      Ich muß den Gockel füttern!“

Die Botschaft kam: „Bedrängt ist Rom
Durch Alarich’s Geschosse!
Schon führt der Feind zum Tiberstrom
Zur Tränke seine Rosse!“
„Genug des Wassers hat der Fluß,“
Sprach stolz gefaßt Honorius –
„Sie trinken doch den Strom nicht aus.
Mich aber, bitt’ ich, laßt zu Haus!
      Ich muß den Gockel füttern!“

Ganz zitternd naht ein Bote sich:
„O Herr! Rom ist genommen!“ –
„Wie? Rom, mein Hahn? O Alarich!
Das soll Dir schlecht bekommen!“ –
„Nein, Rom, die Stadt, das prächt’ge Rom
Ward gleichgemacht dem Tiberstrom!“ –
„Nichts weiter? Laßt es untergeh’n –
Es kann ja doch nicht ewig steh’n –
      Ich muß den Gockel füttern!“

Hermann Marggraff.