Textdaten
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Autor: Carus Sterne
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Titel: Honigameisen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 176–178
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Honigameisen.

Ein Bericht von Carus Sterne. Mit Abbildungen nach den Tafeln des McCook’schen Werkes.

Die Ameisenstaaten mit ihren Anklängen an unsere eigenen gesellschaftlichen Einrichtungen, ihren geordneten Zuständen, ihrer entweder friedlichen, Ackerbau oder Viehzucht begünstigenden, oder kriegerischen Verfassung, bieten ein so anziehendes und ergiebiges Forschungsgebiet, daß sie, trotz der zahllosen Arbeiten auf demselben, immer von Neuem den Beobachter fesseln und ihn mit reicher Ausbeute lohnen.

Fig. 1.

Dem vor etwa Jahresfrist veröffentlichten Buche des Londoner Banquier Sir John Lubbock über seine langjährigen, besondere die Intelligenz unserer heimischen Ameisen betreffenden Studien ist rasch ein Werk des ausgezeichneten amerikanischen Ameisenforschers Henry C. McCook (“The Honey Ants of the Garden of the Gods and the Occident Ants of the American Plains. With thirteen plates.“ Philadelphia, 1882) gefolgt, welches uns mit ganz absonderlichen Entdeckungen aus dieser kleinen Welt bekannt macht, vollauf geeignet, das allgemeinste Interesse zu erwecken.

Fig. 2.

Fig. 4.

In diesem neuen Buche handelt es sich nämlich zuvörderst um Ameisen, die gleich ihren Gevattern, den Bienen, Honig eintragen, aber ihre Vorräthe nicht, wie diese, in kleinen selbsterbauten Zellen oder Töpfen, sondern in den kugelig aufschwellenden Leibern einer auserwählten Schaar ihrer Angehörigen aufspeichern, die dadurch zu wahrhaftigen lebenden Vorrathstöpfen ihrer Gemeinden werden.

Schon im Jahre 1832 hatte ein mexicanischer Naturfreund, Dr. Pablo de Llave, in einem mexicanischen Journale Nachricht von einer Ameisenart gegeben, deren erbsengroßer, kugelrunder Hinterleib durchscheinend wie eine kleine gelbe Weinbeere sei und den köstlichsten Honig enthalte, weshalb sie bei den ländlichen Festen der Eingeborenen als beliebtes Dessert auf den Tisch komme Alles, was er aber nach den Mittheilungen einer Dorfbewohnerin unweit Mexico über diese Busileras genannten Honigameisen berichten konnte, war, daß sie in besonderen Kammern des unterirdischen Nestes einer gewöhnlichen kleinen Ameise, wie Vorrathstöpfe an den Wänden und an der Decke aufgehängt, gefunden würden und daß die Kinder und Frauen der Gegend diese Nester wohl aufzufinden wüßten, obwohl sie über der Erde durch keine Hügel bezeichnet wären.

Fig. 3.

Diese Nachrichten blieben in Europa so gut wie unbekannt, obwohl später der belgische Gesandte Baron Norman seinem Landsmanne Wesmael Exemplare der mexicanischen Ameise mit der irrthümlichen Angabe zugesandt hatte, diese Thiere sammelten wie die Bienen Honig in besonderen Behältern. um ihn im Winter zur Ernährung der Colonie zu verwenden. Die Honigameise, welcher Wesmael, ohne die Arbeit von Dr. de Llave zu kennen, den Namen Myrmecocystus mexicanus beigelegt hatte, war inzwischen zur Mythe geworden, und im Jahre 1873 berichtete Henry Edwards, ebenfalls vom Hörensagen, daß bei Santa Fe in Neu-Mexico Ameisen vorkämen, die unter der Erde ein Zellennetz ähnlich einer Bienenwabe „webten“, und die einzelnen Zellen mit Honig füllten, welchen sie ebenso wie die Bienen aus Blumen sammelten. Man sieht, alle diese ersten Nachrichten stammten aus zweiter Hand, und keiner dieser Berichterstatter hatte einen Bau der Honigameise selbst untersucht; erst im Jahre 1875 kamen ausführlichere Nachrichten von Saunders, Löw, Kummeck und anderen Beobachtern, welche die Honigameisen in der letzterwähnten Gegend, unweit der Hauptstadt von Neu-Mexico studirt hatten, wobei aber noch sehr viele Punkte völlig dunkel blieben, wie denn z. B. Saunders glaubte, daß diese Ameisen ihren Honig aus Blättern bereiteten, die er sie in Menge eintragen sah.

Fig. 5.

Unter diesen Umständen beschloß der durch eine lange Reihe von trefflichen Abhandlungen und Werken über amerikanische Ameisen bekannte Entomologe McCook, ihr Leben und Treiben genauer zu studiren, und wollte zu diesem Zwecke im Juli 1879 nach Neu-Mexico reisen. Unterwegs, bei einem Aufenthalte zu Manitou (Colorado), besuchte er den dort gelegenen „Garten der Götter“, eine pittoreske Gegend, in welcher sich auf dem engen Bezirke von kaum einer halben Quadratmeile ein Miniaturgebirge erhebt, dessen in allen Richtungen sich durchkreuzende Hügelketten auf ihren Gipfeln hervortretende Zacken [177] von rothem Sandstein tragen, die wegen ihrer Aehnlichkeit mit grotesken Götzenbildern der Gegend jenen romantischen Namen gaben. Auf dem Rücken jener Hügelketten entdeckte McCook die niedrigen kegelförmigen Hügel einer Ameise, die er bald als eine nahe Verwandte der mexicanischen Honigameise erkannte, weshalb er seine Weiterreise aufgab und sein Beobachtungszelt in dieser anmuthigen Gegend aufschlug.

Die unterirdischen Nester dieser Myrmecocystus hortus deorum getauften Art waren abweichend von denen der mexicanischen Honigameise, über die sich gar kein Hügel erhebt, durch abgestutzte, niedrige Kegel aus grobem Kiessand von zwei bis drei Zoll Höhe bei sechs bis sieben Zoll Durchmesser an der Basis gekennzeichnet (Fig. 1), und sie befanden sich stets auf den Kämmen der Hügelketten, niemals in den zwischen ihnen befindlichen Schluchten, wahrscheinlich, um den Wasserfluthen zu entgehen, die sich bei Regengüssen dort hinabwälzen. Mitten auf dem Gipfel des kleinen Kegels findet sich eine trichterförmige Einsenkung, von welcher eine einfache, seltener doppelte Eingangsröhre in den Bau hinabführt. Aus dieser Pforte lugen beständig zahlreiche Schildwachen, welche die Ordnung an diesem Eingange aufrecht erhalten. Durch Oeffnung mehrerer solcher Hügel überzeugte sich McCook, daß die Eingangsröhre gewöhnlich nur ein kürzeres Stückchen senkrecht hinabsteigt, dann einen Winkel macht und in abschüssiger Richtung zu dem Labyrinthe von Gängen, Kammern und größeren Räumen führt, welches bis zu einer Tiefe von mehreren Fußen in dem weichen, zerreiblichen Sandsteinfelsen ausgehöhlt ist, der das Gerippe dieser Berglandschaft bildet.

Eins der von unserm Gewährsmann eröffneten Nester nahm beispielsweise einen Raum von acht Fuß Länge, drei Fuß Tiefe und anderthalb Fuß Breite in dem Felsboden ein, was eine beträchtliche Minirarbeit erfordert haben muß. In der inneren Architektur der einzelnen Nestabtheilungen zeigt sich ein bemerkenswerther Unterschied darin, daß die Wandungen der Gänge, Versammlungs- und Puppenräume, sowie des Königin-Gemaches ganz glatt und eben gehalten werden, während in den sogleich näher zu beschreibenden Honigkammern Wendungen und Wölbungen völlig rauh und ungeglättet geblieben sind, offenbar, um den Honigameisen das Festklammern an denselben zu erleichtern.

Diese Honigkammern oder Keller, von denen die obersten gewöhnlich schon wenige Zoll unter der Erdoberfläche angetroffen wurden, sind im Grundriß meist elliptisch, zwei bis drei Zoll lang bei dreiviertel bis ein Zoll Höhe und an ihren Wölbungen mit Häufchen von Honigameisen bedeckt, die sich mit ihren Füßen festgeklammert halten, während der honiggefüllte Hinterleib gerade herabhängt, sodaß sie in ihrer Zusammendrängung häufig den Anblick kleinbeeriger Weintrauben darbieten (Fig. 2).

Eine genauere Untersuchung dieser Thiere ergab, daß sie sich anatomisch in keinem wesentlichen Punkte von den gewöhnlichen Arbeitern, die in drei Größen vorhanden sind, unterscheiden, außer daß eben ihr Kropf oder Vormagen mit Honig derartig überfüllt ist, daß der eigentliche Magen und die Eingeweide in ein kleines Klümpchen nach unten und hinten gedrängt werden, weshalb sie von einigen Beobachtern ganz übersehen worden sind. Durch diese Ueberfüllung und Ausdehnung des Kropfes, welche man im Uebrigen auf allen Stufen der Entwickelung antrifft, werden die dunkleren Rückenbrustplatten, welche sonst ringförmig und dicht an einander schließend den Leib panzern, weit aus einander geschoben, während die sie verbindende zarte, durchscheinende Haut sich ausdehnt, emporwölbt und endlich den größten Theil des Umfangs ausmacht, auf welchem die sonst dichtstehenden dunkleren Platten nunmehr weitgetrennte hervortretende Streifen bilden. Ob die Honigträger ihren Platz an der Kammerwölbung ohne fremde Hülfe erreichen, oder ob sie dorthin von ihren behenderen Cameraden geschoben werden, konnte nicht festgestellt werden; ebenso bleibt es vor der Hand noch eine offene Frage, ob ihr Kropf ausschließlich von den anderen Arbeitern mit Honig angefüllt wird, oder ob sie in ihrer ersten marschfähigen Jugendperiode selbst Honig einsammeln und aufspeichern. Jedenfalls muß diese letzte Füllung ihres [178] Silenbauches[1] durch fremde Kräfte erfolgen, denn die Honigträger sind in den späteren Stadien ihres Körperumfanges nicht mehr im Stande, weitere Wege, geschweige bis zu den entfernten Honigquellen zurückzulegen.

Die nächste Frage war nun natürlich, woher die Ameisen ihre bedeutenden Honigvorräthe holen, und diese Frage war nicht ohne einige Umständlichkeit zu beantworten, da sie nächtliche Thiere sind, bei Tage ihr Nest gar nicht verlassen, ja sogar durch die Strahlen der heißen Augustsonne binnen wenigen Minuten getödtet wurden, als man sie denselben aussetzte. McCook mußte deshalb ein bestimmtes Nest Tag und Nacht überwachen und fand dann, daß der Auszug der Arbeiter bald nach Sonnenuntergang begann, sich geradenwegs nach dem über fünfzig Fuß von dem Neste entfernten Stamm einer niedrigen Eiche richtete, und denselben in circa siebenzehn Minuten erreichte. Diese Buscheiche, welche im „Garten der Götter“ vielfach kleine Bestände bildet, gehört einer Varietät von Quercus undulata an. Bei Laternenlicht sah er die Ameisen den Stamm ersteigen, von Zweig zu Zweig eilen und sich bei Gruppen von kleinen Gallen sammeln, die sie eifrig absuchten.

Es handelt sich dabei aber nicht, wie anfangs erwartet wurde, um die Ausbeutung etwa auf diesen Gallen lebender Blattlausheerden, sondern die jungen grünen Auswüchse zeigten sich vielmehr mit stecknadelkopfgroßen Ausschwitzungen von Zuckersaft bedeckt, welchen die Ameisen gierig aufleckten, während die älteren hart gewordenen, rothbräunlichen Gallen solche Ausschwitzungen nicht weiter darboten. Der Rückzug der ersten Ameisen von dem Erntefelde begann bereits kurz vor Mitternacht, aber es kam die vierte bis fünfte Morgenstunde heran, bevor die letzten Auszügler das Nest, in welchem sie sich dann den ganzen Tag verborgen hielten, wieder erreicht hatten. Höchst wahrscheinlich wird ein Theil des Tages damit zugebracht, den im Ueberflusse aufgenommenen Honig wieder emporzuwürgen, um theils die jungen, unentwickelten Larven, sowie die Königin damit zu füttern, theils die schon halbgefüllten Honigameisen damit vollends anzufüllen.

Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß der Zweck dieser Anfüllung lebendiger Behälter thatsächlich darauf hinausgeht, sich für die Zeiten des Mangels einen Zehrvorrath aufzuspeichern, der jeden Augenblick zur Verfügung steht; denn die Honigameise läßt, bei dem geringsten Druck ihres Leibes sofort ein kleines Tröpfchen Honig aus ihrem Munde hervortreten, den sie jederzeit bereit ist, ihren hungrigen Nestgenossen mitzutheilen (Fig. 3). Die Königin, die jungen Weibchen, die Männchen, die zahlreichen jungen Larven in den überfüllten Kinderstuben sind beständig auf die ihnen von den Arbeitern übermittelte Nahrung angewiesen. McCook hat dann auch einzelnen Nestern vier Monate lang alle Nahrungszufuhr mit Ausnahme von reinem Wasser abgeschnitten, und fand nach Verlauf dieser Zeit die Arbeiter alle sehr munter und wohlgenährt, die Honigträger zwar deutlich, wenn auch nicht in dem erwarteten Maße, ihres Inhalts beraubt.

Das Benehmen der Arbeiter ist den Honigträgern gegenüber für gewöhnlich sehr zärtlich, dennoch erfreuen sich die letzteren ihrer Hülfsbereitschaft nicht in dem Maße, wie man eigentlich erwarten möchte. Sie müssen sich in ihrer unbequemen hängenden Stellung den Körper mit den freien Vorderfüßen selbst reinigen, und von der Decke herabgefallene Exemplare, die sich nicht selbst wieder auf die Füße helfen konnten, blieben monatelang in ihrer hülflosen Lage. Während bei einer Störung der Nester die Ameisen aller anderen Arten ihren hülflosen Schutzbefohlenen, den Maden und Puppen, die größte Sorgfalt zu widmen pflegen, vernachlässigten die Arbeiter der in Rede stehenden Art die Honigträger bei solcher Veranlassung ganz und gar. Nur einmal sah McCook, wie ein Arbeiter eine Honigameise unterhalb einer künstlich gemachten Spalte emporzog (Fig. 4 b). Wurde ein ausgehobenes Nest an irgend einer Stelle ausgeschüttet, so beeilten sich die Arbeiter, neue Gänge anzulegen, wobei sie sich so wenig um die Honigträger kümmerten, daß sie diese beinahe unter der aufgewühlten Erde begruben. Wurden dagegen bei der Störung eines Nestes Honigameisen derartig verwundet, daß ihr Hinterleib von dem übrigen Körper getrennt war, so ließen die Arbeiter Larven und Puppen im Stiche und fielen mitten in dem allgemeinen Wirrwarr über die eröffnete Honigquelle her, um sie aufzulecken. In merkwürdigen Gegensatze hierzu stand ihr Benehmen den eines natürlichen Todes verstorbenen Honigträgern gegenüber. Sie trennten dann den runden Hinterleib des bequemeren Fortrollens wegen von den anderen Gliedmaßen, begruben aber beide sorgfältig auf dem gemeinschaftlichen Friedhofe, den sie gleich vielen anderen Ameisenarten außerhalb ihres Nestes unterhalten. Ob ein strenger Brauch der Unverletzlichkeit der Honigträger, ob Erfahrungen über die Schädlichkeit des Honigs solcher eines natürlichen Todes verstorbenen „Behälter“ sie zu diesem Thun veranlassen, muß natürlich unentschieden bleiben. Uebrigens haben sie auch die Gewohnheit, einen Honig, den sie als schädlich oder ekelhaft erkannt haben, z. B. einen mit Carmin gefärbten Honig, der zu Controlversuchen dienen sollte, mit Erde zu überschütten, anscheinend damit nicht andere, weniger erfahrene Mitglieder des Nestes davon genießen.

Von ihren sonstigen Gewohnheiten verdient noch hervorgehoben zu werden, daß die Königin, welche ungefähr die Länge einer Honigameise (ohne deren Leibesumfang) erreicht, wie bei anderen Ameisenarten beständig von einer Leibgarde aus zehn bis zwanzig Arbeitern umgeben ist, die sie mit großer Aufmerksamkeit bewachen (Fig. 4 a). Bei einer Gelegenheit, als sie aus ihrem großen, gewöhnlich am äußersten Ende des Nestes belegenen Staatsgemache entwischt war, um sich wieder einmal die Oberwelt anzusehen, beobachtete McCook, wie sie von einem großen Arbeiter mit Gewalt wieder in den Nesteingang hineingezerrt wurde.

Außer dem schon erwähnten Gebrauche der Honigträger als Dessert, preßt man ihre Leiber in verschiedenen Gegenden auch aus, um den so gewonnenen Honig zum Versüßen der Speisen, als äußerliches und innerliches Arzneimittel, ja sogar auch zur Bereitung eines berauschenden Getränkes durch Gährung (nach Art des aus Bienenhonig bereiteten Meth) zu gebrauchen.

In der That besitzt der Ameisenhonig fast denselben angenehmen Geschmack wie Bienenhonig, ja derselbe gewinnt sogar noch durch ein gewisses säuerliches Aroma an Wohlgeschmack. Er erscheint seiner Consistenz nach etwas dünner als Bienenhonig und ist nach Dr. Wetherell’s Analyse als eine Auflösung von reinem, unkrystallisirtem Traubenzucker in Wasser zu betrachten. Ein von Dr. Loew ausgegangener Vorschlag, die Honigameisen ebenso wie die Honigbienen zu züchten, verspricht jedoch nach McCook’s Erhebungen kaum einen lohnenden Erfolg. Er fand nämlich, daß selbst die größten Nester höchstens gegen sechshundert Honigameisen enthielten, während fast die doppelte Anzahl nöthig wäre, um ein einziges Pfund ausgelassenen Honig zu liefern. Außerdem dürfte den meisten Personen ein aus lebenden Insecten (und zumal aus Ameisen!) gepreßter Honig kaum als eine besonders verlockende Speise erscheinen. Den Indianern Mexicos, Neu-Mexicos und Colorados dürfte mithin das Monopol der Ameisenhoniggewinnung auch fernerhin ungeschmälert verbleiben.

Zum Schlusse haben wir noch zu erwähnen, daß vor etwa drei Jahren auch zu Adelaide in Australien eine Honigameise entdeckt worden ist, welche 1880 Sir John Lubbock von Gerald Waller zugesandt erhielt, worauf sie Camptonotus inflatus getauft wurde. In Fig. 5 sehen wir vergrößerte Bilder der nordamerikanischen und der australischen Art neben einander. Bei aller äußeren Aehnlichkeit sind sie indessen nicht näher mit einander verwandt, gehören vielmehr zu ganz verschiedenen Abtheilungen des Ameisengeschlechts. Es kann demnach kein Zweifel darüber bestehen, daß der Instinct derselben, einzelne unter ihnen durch Ueberfüllung mit Honig in lebendige Vorrathstöpfe zu verwandeln, bei beiden so weit von einander entfernt lebenden Arten unabhängig von einander entstanden sein muß. Die Art und Weise, wie dies geschehen sein kann, macht dem Begreifen wenig Schwierigkeiten, denn auch bei anderen Ameisen trifft man gelegentlich Arbeiter, die mit überfüllten Kröpfen von dem Melken ihrer Milchkühe (Blattläuse) zurückkehren, den Ueberschuß aber gewöhnlich unmittelbar zur Ernährung der Brut etc. verwenden. Bei den Honigameisen fände sich also nur der Unterschied, daß die größeren Arbeiter immer mehr Honig aufnehmen, der ihnen zuletzt von ihren Cameraden zugetragen wird, bis der Kropf kugelrund aufgeschwollen ist und die übrigen Eingeweide in einen kleinen Winkel zusammengedrängt hat. Mancher Süßschnabel möchte das Loos, sich auf diese Weise für das Wohlergehen seiner Mitbürger opfern zu können, wohl nicht gar zu sauer finden, zumal er bei jeder Fütterung der Anderen den Wohlgeschmack von Neuem mitkostet.

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Fig. 1. Sandkegel einer Honigameise, circa 1/3 der natürlichen Größe; darüber der Schildwachen besetzte Eingangstrichter in natürlicher Größe. – Fig. 2. Honigkeller mit den lebenden Behältern an der Decke. (Natürliche Größe.) – Fig. 3. Fütterung von Arbeitern durch die Honigameise.(Natürliche Größe.) – Fig. 4. a. Die Königin von ihrer Leibgarde umgeben. b. Honigträger von einem Arbeiter in einem Erdspalt emporgezogen. – Fig. 5. a. Die nordamerikanische Honigameise. b. Die australische Honigameise. Beide in dreifacher Vergrößerung.

  1. Silenus, der Erzieher und Begleiter des Weingottes Bacchus wird gewöhnlich mit dickem Bauch und kahlem Haupt auf einem Esel reitend abgebildet. Anm. d. Red.