Historische Ausflüge in Dresdens Umgebung: Die Zschoner Mühle / Die Meixmühle

Das älteste Dresdner Stadtbuch Historische Ausflüge in Dresdens Umgebung: Die Zschoner Mühle / Die Meixmühle (1892) von Woldemar Lippert
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Das geistige Leben Dresdens am Ausgange des 18. Jahrhunderts
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Historische Ausflüge in Dresdens Umgebung.
von
Archivsekretär Dr. Woldemar Lippert.
I.
Die Zschoner Mühle.

In reichentwickeltem Maße ist dem Dresdner der Natursinn eigen, der ihn hinauslockt zu Ausflügen in die schöne Umgebung seiner Stadt. Von dem Wahlspruch: „Ueber Berg und Thal", den der Gebirgsverein für die Sächsisch-Böhmische Schweiz sich erkoren hat, bevorzugt freilich der echte Dresdner entschieden das Thal, und die vielen, so lauschig zwischen Wald und Wiese, Bach und Berg eingebetteten Mühlen gehören zu seinen Lieblingsorten. Wer kennte sie nicht, diese Thal- und Haidemühlen, die Zschoner Mühle, die Kepp- und Meixmühle, und wie sie alle heißen! Diese Vorliebe wollen wir uns zu nutze machen und ihm etwas von dem stattlichen Alter zweier solcher Orte erzählen. So mag der Natursinn dem historischen Sinne zu gute kommen!

Suchen wir zuerst den näher gelegenen Ort auf, die Zschoner Mühle. Benutzte man nicht das Dampfschiff bis Brießnitz oder Kemnitz, so war das früher schon ein leidlicher Ausflug. Heute ist’s freilich dem Besucher bequemer gemacht: er fährt mit der Berliner Eisenbahn nach Cotta oder Kemnitz, um erst dort seine Fußwanderung zu beginnen. In kurzer Frist ist dann das anmuthige Thal erreicht, das der Zschonebach durchrieselt und das deshalb der Zschonergrund oder im Volksmunde kurzweg selbst die „Zschone“ genannt wird, ein Wiesengrund, der auf der rechten Bachseite von einem dicht mit Bäumen und Buschwerk bewachsenen, ziemlich steil in den Bach abfallenden Berghang eingeschlossen ist. Auf der linken Seite bleibt neben dem Wasser ein schmaler Streifen für Wiesen und einige Feldstücke frei, die sich auch auf den sanft ansteigenden, abgeholzten Erdrücken hinaufziehen, der das Thal auf dieser Seite abgrenzt. Noch vor einigen Jahrzehnten war auch die linke Seite mehr bewachsen; allmählich sind diese Stellen fast alle dem gesteigerten Ausnützungsverlangen ihrer bäuerlichen Besitzer zum Opfer gefallen, so daß der Grund seit 20-30 Jahren manches von seinen landschaftlichen Reizen eingebüßt hat. Letztere Gepflogenheit der Landleute ist allerdings nichts neues, denn schon Kurfürst August hatte Anlaß sich darüber zu beklagen; aber während wir durch unsere modernen Begriffe von landschaftlicher Schönheit veranlaßt werden, die Abholzung zu bedauern, waren es beim Kurfürsten, einem der eifrigsten Jäger und Forstwirthe seiner Zeit, weidmännische Rücksichten, da durch das „Stauden und Räumen“ (Ausroden von Buschwerk und Gehölz) seine Wildbahn gemindert wurde. In einem Schreiben an den Rentmeister zu Dresden vom 26. November 1566 beschwert er sich hierüber und befiehlt Abstellung; in dem Schreiben aber geschieht unter Bezugnahme auf ein ihm eingereichtes Schriftstück auch der Zschoner Mühle Erwähnung, die, hiernach zu schließen, damals neu erbaut war und des Kurfürsten Mißfallen erregte, so daß er ihren Abbruch befahl. Gleichzeitig erließ er aber auch ein Schreiben an seinen Schösser zu Dresden, aus dem wir ersehen, daß er schon zuvor diesem Beamten den Befehl hatte zugehen lassen, die neuerbaute Mühle zu beseitigen. Er hält dem säumigen Schösser sehr nachdrücklich sein schlaffes und lässiges Verhalten gegenüber den Uebergriffen der Bauern vor, deren Anmaßung durch solche Nachsicht nur erhöht werde, während die berechtigten Klagen der kurfürstlichen Förster keine Berücksichtigung fänden. Diese Bemerkung läßt uns erkennen, auf wessen Anregung hin der Kurfürst einschritt. Der in dem Schriftstück erwähnte Memorialzettel war gewiß die Eingabe der Förster, worin jene Handlungen bäurischen „Muthwillens“ an höchster Stelle zur Anzeige gebracht wurden.

Welchen Verlauf die Angelegenheit weiter genommen hat, ist aus den betreffenden Akten nicht ersichtlich; wir entnehmen daraus jedoch die Thatsache, daß bereits im Jahre 1566 draußen in der Zschone eine Mühle stand. Daß es eine völlige Neugründung war, soll damit noch nicht gesagt werden, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich bloß um einen Neubau handelte, obwohl bei dem Unwillen des Kurfürsten die andere Annahme näher liegen dürfte. Der Grund des Verdrusses ist bei dem Fehlen jener Anzeigeschrift nicht bekannt; vermuthen läßt sich aber aus dem Inhalt der Erlasse, daß der Kurfürst auch von der neuen Ansiedlung, die so recht mitten hinein in das Waldthal gesetzt wurde, eine weitere Minderung der Jagdgründe befürchtete, da zur Mühle doch auch Felder und Wiesen gehören mußten.

Der Wortlaut der beiden kurfürstlichen Schreiben (Dresdner Hauptstaatsarchiv, Copial 321 fol. 157 b, 158 b) ist folgender:

Dem Rentmeister.
Lieber getreuer. Was an uns durch eine Memorial-Zettel undertheniglich gelangt wirdet, hast Du aus derselbigen inliegend zu ersehen. Nun ist uns die angezogene nawerpauete [WS 1] muhle in der Kospauder leitten und Zschon gelegen gar nicht leidelich; so tragen wie auch an unsers ambts Dresden underthanen furnemen, als das sie sich understehen, reinbeume abzuhauen und weitter, dan sie befugt, zw standen oder zw reumen, welchs unser wiltpan und den geholtzen schedlich, ein besonder ungnediges misfallen und befrembdet uns daneben, das inen unser Schosser uber der forstknechte erinnerung solchs also nachhenget, und begeren demnach, du wollest das einsehen haben, damit die muhle weggethan und

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das ander ernstlich abgeschaffet werde, wie wir dann deme genanten unserm schosser hiruber auch bevelch gethan. Was Hansen von Hartitzschen zw Dorf Kempnitz betrift, seind wir gnedigst zwfrieden, das du mit ime auf die furgeschlagene mittel, doch auf dein sonderlich ermessen handeln und uns, worauf du es richten wirdest, zu erkennen geben mogest. Hansen Tromlers halben haben wir unserm amptsvorwalter aufm Altenberge befelh gethan und vorsehen uns, er werde vleis haben, inen zw haften zu bringen; und geschicht hiran allenthalben unsere gefellige und gentzliche meinung. Datum Stolpen den 26. Novembris Anno 66.
Dem Schosser zw Dresden.
Lieber getreuer. Wir werden berichtet, das du auf unserevorige beschaffung die nawerpauete muhle in der Kospander leitten und Zschon nicht weggethan, sondern das du auch noch daruber unsers dir befolenen ambts underthanen nachhengen sollest, das sie reinbeume abhauen und weitter, dan sie befugt, stauden oder reumen mogen, dadurch also unsere geholtze und wiltpan vorhauen und vorengert werden; so sollest du auch auf dasjenige, so dir unsere forstere anzeigen, das der wiltpan nachteilig, nichts geben und die dinge also in den wint schlagen und die pauern dawider in allem mutwillen stercken, an welchem allem wir ein besonder ungnediges misfallen tragen, hetten uns auch dessen zw dir nicht vorsehen. Wir wollen es aber an seinen ort diesmals stellen und befelen dir nochmals ernstlich, das du ane allen fernern vorzug obberurte muhle wegschaffest und den pauern solchen mutwillen keinesweges hinfurder gestattest, sondern uber unser wiltpan, geholtzen und gerechtickeit mit treuem vleiß und ernst haltest und uns zw anderm einsehen, so wir hiebevor auch wider dich furnhemen mussen, nicht vorursachest. Daran geschicht unser gentzlicher wille und meinung. Datum ut supra (d. h. Stolpen den 26. novembris Anno 66).
II.
Die Meixmühle.

Wenden wir uns nach der entgegengesetzten Richtung, um einen gleichfalls beliebten Punkt zu besuchen: die Meixmühle, die in einigen Jahren das 500 jährige Jubelfest ihres Namens feiern kann. Selbstverständlich ist auch dieser Name älter, wir müssen uns aber, wie bei den meisten Oertlichkeiten, deren Gründungszeit selbst nicht genau überliefert ist, begnügen, ihr erstmaliges Auftreten in der Geschichte als ihren historischen Geburtstag zu betrachten. Für die Meixmühle ist dies der 5. August des Jahres 1403.

Damals war das in verschiedenen Gegenden unseres Landes begüterte Adelsgeschlecht der Karas in und um Pillnitz angesessen. Am 5. August 1403 verlieh nun Markgraf Wilhelm I. von Meißen (auch der Einäugige genannt) der Ehefrau des Heinrich Karas, der Femike (mittelalterliche Koseform für Euphemia) Güter in Pillnitz, Krieschendorf, Pohrsberg und auch den Meixgrund nebst Mühle und Wald als Leibgeding, d. h. er bestätigte die von ihrem Gemahle ihr gemachte Verschreibung dieser Güter zur Nutznießung für den Fall seines früheren Todes als Witthumsbesitz. In den zahlreichen Lehnsbriefen, Leibgedingsverschreibungen, Kaufurkunden, die wir für Mitglieder der Familien Carlowitz und Ziegler haben, in deren Händen sich Pillnitz und die umliegenden Ortschaften (Reitzendorf, Bonnewitz, Oberpoyritz, Graupe, Doberwitz, Zschachwitz, Hosterwitz, Wünschendorf) während der folgenden Jahrzehnte befanden, ist über die Zugehörigkeit der Meixmühle nichts erwähnt. Auf der Karte des unter dem Kurfürsten Christian I, thätigen Markscheiders Matthias Oeder (die S. Ruge als Wettiner Jubiläumswerk 1889 herausgegeben hat) ist leider die Pillnitzer Gegend zu kurz gekommen; infolgedessen ist auch die Meixmühle nicht auf ihr zu sehen. Ihr Name findet sich allerdings unter der Form „Mauxmil“, doch ist dieser Name der weiter nach Südosten gelegenen Dietzmühle am Wesenitzbache beim Dorfe Hinterjessen mit zugetheilt worden; denn hier lesen wir auf Blatt 4: „Steigk Berg (der jetzige Stitzberg bei Zatzschke) d. Mauxmil 3 geng und bretmil heist in der Dietzmil“, eine irrthümliche Zusammenwerfung zweier verschiedener Mühlen durch Oeder, dem die richtige Meixmühle fehlte und der deshalb ihren Namen mit bei der Dietzmühle unterbrachte.

Der betreffende Eintrag aus dem Jahre 1403 (im Copialbuch 30 fol. 154 des Hauptstaatsarchivs) lautet[1]:

Karas.
Item dominus contulit Femiken uxori legitime Heinrici Karas allodium, villam et curiam inferiorem et superiorem in Bilnicz cum piscatura, vinea, agris et nemoribus in Frundirsperge et vallem dictam Michcz cum molendino et nemore, villam Kribischindorff cum allodio et pertinenciis suis, et duos rusticos censuales in Boresperg in districtu Dresden sitos dotalicii titulo possidendos. Datum Dresden die dominica ante festum Donati anno domini Mo, CCCCo, tercio.

Auf deutsch:
In gleicher Weise (wie in den vorausgehenden Urkunden) hat der Herr (gemeint ist da stets Markgraf Wilhelm) der Femike, der Ehegattin des Heinrich Karas, das Erbgut, Dorf, den Unter- und Oberhof in Pillnitz nebst der Fischerei, dem Weinberg, den Aeckern und den Wäldern auf dem (oder in) Frundirsberg, den sogenannten Meixgrund mit der Mühle und dem Wald, das Dorf Krieschendorf mit dem Erbgut und seinem Zubehör, und zwei Zinsbauern zu Pohrsberg in der Dresdner Pflege, als Leibgedingsbesitz verliehen. Gegeben zu Dresden am Sonntag vor dem Fest des heiligen Donatus im Jahre des Herrn 1403.


  1. S. auch J. K. Seidemann, Ueberlieferungen zur Geschichte von Eschdorf, Dittersbach und Umgegend, Dresden 1860, S. 10; die Deutung von Michcz als Remigins erscheint mir aber (wie auch andere Namenserklärungen Seidemanns, so Karas=Polykarp u. a.) zu bedenklich, um ihr beipflichten zu können. Ueber die Carlowitz’schen Besitzungen s. O. R. von Carlowitz, Aus dem Archive der Familie von Carlowitz, Dresden 1875, S. 13, 15, 16.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nawerpanete - schlecht lesbar