Das älteste Dresdner Stadtbuch
← Der erste Dresdner Buchhändler | Das älteste Dresdner Stadtbuch (1892) von Hubert Ermisch Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896) |
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Das Archiv der Stadt Dresden gehört zu den am vollständigsten erhaltenen sächsischen Stadtarchiven; ja in einer Hinsicht übertrifft es alle übrigen: Dresden ist die einzige Stadt, die sich des Besitzes einer größeren Anzahl mittelalterlicher Stadtrechnungen rühmen kann; denn gerade diese Klasse von Quellen, deren hohe Wichtigkeit für die städtische Geschichte heute Niemand mehr in Abrede stellt, sind in der Regel zu allererst der Papiermühle zum Opfer gefallen. In einer anderen Beziehung stand Dresden noch vor wenigen Jahren hinter vielen anderen Städten zurück: seine älteren Stadt- und Gerichtsbücher schienen sämmtlich verloren zu sein. Aber auch sie haben sich neuerdings wiedergefunden, und zwar an einem Orte, wo man sie von vorn herein vermuthen mußte, im Archiv des Dresdner Amtsgerichts, in das sie wegen ihres zum großen Theil privatrechtlichen Inhalts bei Uebergang der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat gelangt waren. Zuerst wurde hier im Jahre 1884 eine größere Anzahl von Dresdner Stadt- und Gerichtsbüchern entdeckt; eine Aufzählung und Beschreibung derselben enthält des Verfassers Aufsatz: „Die sächsischen Stadtbücher des Mittelalters“ (im Neuen Archiv f. Sächs. Geschichte und Altertumskunde Bd. X, S. 46 ff.), sowie O. Richter’s Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden I, S. 153 flg.; für dies letztere Werk haben die Bücher, die auf Verordnung des Königl. Justizministeriums an das Königl. Hauptstaatsarchiv abgegeben worden sind, mannigfache Ausbeute gewährt. Sie reichten, abgesehen von dem 1412 angelegten ältesten Stadtbuch von Altendresden, zurück bis zum Jahre 1437. Daß es aber auch früher schon Stadtbücher in Dresden gegeben habe, war von vorn herein wahrscheinlich und ließ sich auch urkundlich nachweisen; so enthält das Original einer Dresdner Mühlenordnung vom 24. November 1434, das sich im Hauptstaatsarchiv befindet, am unteren Rande den Vermerk: „Diser brief ist eynem stadtbuch eingeleibet“ (Cod. diplomat. Saxon. reg. II. 5, S. 161), und dieser Vermerk paßt auf keins der im Jahre 1884 gefundenen Bücher.
Bei der Einordnung einer größeren Anzahl von Amtsgerichtsakten, die dem Hauptstaatsarchiv zur ferneren Aufbewahrung überwiesen worden sind, glückte es nun dem Verfasser dieser Mittheilung, Ende August d. J. neben anderen für die Geschichte Dresdens wichtigen Akten und Büchern auch ein Stadtbuch zu finden, das früher angelegt worden als die oben erwähnten, das sogar allem Anschein nach das älteste Dresdner Stadtbuch ist, das jemals vorhanden gewesen, so daß die Reihe der mittelalterlichen Dresdner Stadtbücher jetzt lückenlos vorliegt. Bei dem hohen Interesse, das dieser Fund für jeden Freund der Geschichte Dresdens haben muß, dürfte eine eingehendere Besprechung dieses Stadtbuches den Lesern der „Geschichtsblätter“ nicht unwillkommen sein.
Ueber den Begriff eines „Stadtbuchs“ und über die geschichtliche Entwickelung, die dieses Institut gerade in den sächsischen Städten durchgemacht hat, habe ich in dem oben angeführten Aufsatz, der unter Benutzung sämmtlicher bis dahin bekannter Stadt- und Gerichtsbücher des Landes entstanden ist, eingehend gehandelt und kann mich daher hier auf wenige einleitende Bemerkungen beschränken. [46] Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts fingen die Städte Meißens an, in der socialen und wirthschaftlichen Geschichte unseres Volkes eine Rolle zu spielen; ihre Verfassung gestaltete sich damals so um, wie sie dann im Wesentlichen – freilich in späteren Jahrhunderten stark entartet – bis zur Einführung der Städteordnung geblieben ist. Die Verwaltung ruhte in den Händen eines jährlich wechselnden Raths mit einem Bürgermeister an der Spitze; dieser Rath brachte nach und nach auch die Rechtspflege in seine Hände, für welche, wenigstens in den bedeutenderen Städten, ein besonderes Schöffenkolleg gebildet und ein Stadtrichter vom Rathe ernannt wurde. So war es auch in Dresden. Der stets wachsende Umfang der städtischen Geschäfte bewirkte die Entstehung einer städtischen Kanzlei, deren Anfänge ebenfalls bis ins 13. Jahrhundert zurück verfolgt werden können. In Dresden begegnen wir erst im Jahre 1377 (vgl. Maternihospitalrechnung von 1377 im Rathsarchiv) einem Stadtschreiber, und wenn das auch auf einem Zufall beruhen kann, so deuten doch auch andere Umstände darauf hin, daß die Entwickelung des Verwaltungsapparats hier langsamer vor sich gegangen ist als an anderen Orten, was ja begreiflich ist, da Dresden noch im 15. Jahrhundert ein recht bescheidenes Gemeinwesen gewesen zu sein scheint.
Der Stadtschreiber hatte nun nicht allein die Urkunden der Stadt auszustellen und ihre Korrespondenz zu besorgen, sondern er mußte alles niederschreiben, was im allgemeinen Interesse vor der Vergessenheit bewahrt bleiben mußte: Polizeiverordnungen und sonstige Rathsbeschlüsse aller Art, Verträge der Stadt besonders vermögensrechtlicher Natur, verhängte Aechtungen, Stadtverweisungen und sonstige Strafen, die Namen der Rathsmitglieder wie der neu aufgenommenen Bürger und vieles andere. Insbesondere aber nahmen ihn auch Privatangelegenheiten der Bürger in Anspruch. Um sich bei Verträgen aller Art, die man damals in der Regel nicht schriftlich zu machen pflegte, den leichten Beweis durch „Gerichtszeugniß“ zu sichern, war es schon früh üblich geworden, Rechtsgeschäfte vor Gericht abzuschließen oder doch zu verlautbaren; in Städten aber galt, wie dies bei dem engen Verhältniß zwischen Rath und Gericht ja erklärlich ist, das Zeugniß des Rathes als gleichwerthig mit dem des Gerichts, und so fanden denn jene Vertragsabschlüsse bald vor Gericht bald vor dem Rathe statt. Da man unmöglich vom Richter oder vom Rathe erwarten konnte, daß er all diese Dinge, über die sein Zeugniß entscheidende Bedeutung haben sollte, im Gedächtniß behalten würde, so war es Sache des Stadt- bez. des Gerichtsschreibers sie aufzuzeichnen.
Für seine Niederschriften mag er anfangs einzelne Pergamentblätter oder vielleicht auch Wachstafeln verwandt haben; bald aber ging man dazu über, Bücher dafür anzulegen. Schon im Jahre 1292 wird eines liber civium der Stadt Leipzig gedacht; es hat sich nicht erhalten, und ebenso ist ein im Jahre 1321 angelegtes Oschatzer Stadtbuch, aus dem uns Hoffmann, der Geschichtsschreiber von Oschatz, und der Dresdner Chronist Hasche interessante Mittheilungen hinterlassen haben, seit etwa 1820 spurlos verschwunden. Ein Grimmaer Gerichtsbuch von 1346, ein Leipziger Stadtbuch von 1359, ein Freiberger Stadtbuch von 1378 und ein Stadtbuch von Plauen i/V. von 1388 sind die ältesten uns erhaltenen Quellen dieser Art und zugleich die einzigen, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Unter den im 15. Jahrhundert entstandenen Stadtbüchern aber ist neben einem in derselben Zeit angelegten Freiberger unser Dresdner Stadtbuch das älteste.
Betrachten wir uns dasselbe etwas näher. Es ist ein Heft von 57 Pergamentblättern, deren erstes als Umschlag dient und die Spuren starker Benutzung zeigt, so daß die darauf befindlichen Notizen theilweise kaum zu entziffern sind. Angeheftet sind mehrere Lagen starken Papiers; sie enthalten in offenbar gleichzeitigen Abschriften Reden und andere Schriftstücke, die sich auf die Verhandlungen des Basler Konzils im Jahre 1433 beziehen, und bedürfen noch der näheren Untersuchung; für uns sind sie nur deswegen von Interesse, weil sie zeigen, daß man jene Verhandlungen in Dresden aufmerksam verfolgte.
Ueber die Anlegung und den Zweck des Stadtbuches spricht sich eine einleitende Bemerkung (fol. 1) folgendermaßen aus:
- Sindmal der mensche von rechtir nature crank ist und mit der cziit vorgebt, so ist eine lere das (lies: des) wisin, was vor dem rate gehandilt wirt, da not an ist, das man das mit schriftlichir kuntschaft durch uncz der luthe in gedechtnis behalde. Darumbe wir burgere Hannus Czugczk burgermeister, Lorencz Busman, Hannus Buling, Nicolaus Hockindorff, Nicolaus Munczmeister, Mertin Kinast, Panil Goideler, Francze Lose, Hempel Helwig, Reinfrid Jockerym, Andr. Langciacoff und Andr. Vlman habin angesehen vorgessinheit eczlichir teding, die in czitin geschen sind, und habin gemacht diez buch durch nucz der gemeine uns und unsern nachkommendin, also was vor dem rate getedingit ist, das ingeschrebin wirt, das dicz buch uswisit, da sal nymand vorrichtin, umbe welchirleie das sie, und wer sine sache leßit inschribin, der sal dem schriber vier grosschin gebin und wer sich leßit usschribin, der sal dem schriber czwene grosschin gebin.
Mit keinem Worte wird hier angedeutet, daß schon früher ähnliche Bücher geführt worden seien; man wird deshalb annehmen dürfen, daß diese lange Einleitung auf eine neue Einrichtung deutet und daß der Stadtschreiber sich früher mit Zetteln oder Wachstafeln beholfen hat. Die offenbar irrige Angabe eines alten Archivrepertoriums über ein „alt Stadtbuch und Stadtrecht“, das angeblich 1291 abgeschlossen worden sein soll (Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 153), [47] kann diese Ansicht kaum erschüttern. – Der hier genannte Rath ist der von 1404, von dem uns bisher nur 6 Mitglieder bekannt waren (Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 405); das Buch wurde also 1404 und zwar im Anfange dieses Jahres angelegt, da der erste Eintrag vom 20. Februar 1404 datirt. Die Dresdner Rathslinie, die gerade in den Jahren 1404–1409 mehrere Lücken zeigte, wird auch für die Jahre 1405, 1408, 1409 durch unser Buch ergänzt, da der Stadtschreiber vielfach an die Spitze der Eintragungen eines neuen Amtsjahres den Namen des Bürgermeisters und der Rathsmitglieder gesetzt hat. Wir fügen hinzu, daß der Umschlag uns die Namen der Innungsmeister für die Jahre 1433 und 1437 überliefert und daß auch eine Lücke in der Stadtschreiberliste (s. Richter a. a. O. S. 378) sich aus unserem Buch ausfüllen läßt: im Jahre 1434 war Paul Koppel Stadtschreiber (fol. 43b), derselbe, der 1440 uns als Rektor der Stadtschule begegnet (vgl. Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Reformation S. 35). Was die übrigen, ihrem Namen nach bekannten Stadtschreiber anlangt, so können wir ihre wechselnden Handschriften ziemlich genau in dem Buche verfolgen; übrigens deutet das Vorkommen einzelner abweichender Hände darauf hin, daß schon damals der Stadtschreiber zuweilen sich durch einen Gehilfen vertreten ließ (während ein eigentlicher Unterstadtschreiber erst im Anfange des 16. Jahrhunderts angestellt wurde). Nicht ohne Interesse ist auch, was uns die Einleitung über das Honorar der Stadtschreiber für Eintragungen mittheilt.
Das Stadtbuch wurde bis zum Ende des Jahres 1436 (fol. 50b) fortgeführt. Die letzten 6 Blätter wie der Umschlag wurden vom Stadtschreiber für die Eintragung besonders wichtiger Notizen und Abschriften benutzt, auf deren Inhalt wir noch eingehen werden. Im Uebrigen ist, wie sich nach dem oben Gesagten leicht erklärt, der größte Theil des Buches den Verlautbarungen über Privatgeschäfte der Bürger gewidmet. Diese Einträge beschränken sich oft auf einen kurzen Vermerk der Thatsache; so lautet der älteste Eintrag (fol. 1):
- Anno XIIII0 quarto seria IIII0[WS 1] ante Petri kathedra(=20.Febr. 1404). Heckard Botther hat gesaczt sinen wingarten, den her von Winand Norinberge hat, vor XI. schog der erbir frouwin Elisabeth von Thubinheim.
Oft aber wird auch erwähnt, daß die Handlung „in unserm Rath“ geschehen oder daß die Parteien „gekommen seien vor den Rath“ u. ä. Doch auch Handlungen, die vor Gericht, „vor gehegter Bank“, vorgenommen worden waren, wurden gelegentlich in das Stadtbuch eingetragen, z. B. (fol. 27b):
- Wilde von Wigkerstete hat am dornstage vor gerichte und gehegitter bang yn der ratistuben geheigit das huß yn der kleynen brudirgassen gelegen mit dem rechte als is von synem bruder...an ym komen ist...dem Hans Noldener uffgelassen, dovon sal Noldener der jungen Schilynnen beczalen VII ß gr. ....ern Niclause vom Luban VII guldin unde den burgern II schog groschin.
Vermutlich waren es diese Einzelbestimmungen über die Zahlungen, die in diesem Falle die Eintragung der vor Gericht erfolgten Auflassung ins Stadtbuch veranlaßt haben; in der Regel hat wohl die Auflassung vor Gericht und die Eintragung in das (uns nicht erhaltene) Gerichtsbuch genügt, und dies erklärt es, wenn gerade Käufe und Verkäufe von Immobilien u. dgl. nicht so häufig in unserem Buche vorkommen, als man erwarten sollte.
Sonst ist der Inhalt der Einträge privatrechtlicher Natur ein sehr bunter: es finden sich Pachtverträge, Verpfändungen („Satzungen“), Schuldbekenntnisse und Bekenntnisse über geleistete Zahlung, Abfindungen von Kindern, Erbtheilungsverträge, Erklärungen über die Wahl eines Vormunds, Rechenschaftsberichte der Vormünder, Veräußerungen auf den Todesfall, letztwillige Verordnungen aller Art u. s. w.; Beispiele zu geben gestattet uns der Raum nicht. Dem kirchlichen Sinne des ausgehenden Mittelalters, der durch gute Werke das Heil der Seele zu erwerben strebte, entsprechen die zahlreichen „Seelgeräthstiftungen“ und sonstigen Zuwendungen zu frommen oder milden Zwecken. So giebt (Bl. 2)
- „Hempil Teygeburs wip ein halb firtil agkirs in das hus vor unser frouwin thore den armen luthin die darynne sin, das meister Petir Gerticz den armen luthin gebuwit hat,“
d. h. dem Maternihospital, dessen Gebäude bis zur Zerstörung durch die Hussiten vor dem Frauenthore lag, und (Bl. 38) Jocoff Boting auf den Todesfall ein Stück Acker bei der Weißeritz den „Siechen“, d. h. dem zur Aufnahme von Aussätzigen bestimmten Bartholomaeihospital. Im Jahre 1424
- „am dinstage an allir gotis heiligen abende ist Claws Begker bei den burgern gewest unde mit wolbedachtem muthe bie gesundem liebe hat her gegebin eyn virtil wyns zcum heiligen cruczen, dovon man zcur capellen uff dem ratishuse wyn zcu messen gebin sal, unde ein virtil wyn zcu Barfussen von dem wynberge, den her von Pauel Roubetassche uff eynen wedirkouff gekoufft hat“ u. s. w. (Bl. 22).
Diese Stiftung für die Kreuzkirche bez. die 1407 erbaute Rathhauskapelle und das Franciskanerkloster wurde übrigens 1454 wieder abgelöst. Andere Stiftungen fallen Altären oder frommen Brüderschaften oder den „Seelhäusern“, in denen arme Frauen Gott dienten und für das Seelenheil der Wohlthäter beteten, zu; z. B. (Bl. 37b):
- „Nota die Husschenynne hat am mittewochen nach dem sontage cantate [1432] yn guter vornumfft ymme rate benumet, bescheidin unde gegebin zcwey schock gr. den brudirschafften unser liebin frauwen unde des heiligen lichenams unde yn iczlichs selhuß 1 ß gr., das man das geld nach yrem tode uß yren gutern unde habe nemen sal.“–
[48] Eine ganz andere Seite des mittelalterlichen Lebens berühren Einträge wie der folgende (Bl. 9b):
- Caspar Mulner hat bekant, das her die besserunge ufgenomen hat von synes bruders wegen, der em abegemort ist von Hans Gertener, IX ß XV gr. Desselben geldis VI schock ist geantwort Mertin Schefers wybe seligen, dorumme sy ouch dem kinde eynen garten zcu gute gekouft haben oben an der Kaczpach gelegen.... Domitte syn sie gericht und entsaczt, das sich Haus Gertener vortmer keyner vorderunge durffe besorgen.“
Es ist dies eine sogenannte Todschlagsühne, ein Vergleich zwischen dem Mörder und der Familie des Erschlagenen, wonach diese ihre Ansprüche an jenen gegen eine Bußezahlung fallen ließ: eine übrigens bis weit über das Mittelalter hinaus fortdauernde Einrichtung, in der eine Erinnerung an die Blutrache der Urzeit und das Wergeld der alten Volksrechte fortlebte.
So gewähren diese privatrechtlichen Einträge eine Fülle von Einblicken in das Kultur- und Rechtsleben der Vorzeit. Daneben aber wird der Lokalforscher noch manche Notiz für die geschichtliche Topographie der Stadt, für die Geschichte einzelner Bürgerfamilien u. dgl. aus ihnen zu ziehen vermögen. –
Neben solchen Einträgen finden sich nur sehr spärlich Vermerke über Geschäfte der städtischen Verwaltung; so fol. 56 einige Notizen über die leihweise Aufnahme von Geldern durch den Rath, über die Verwaltung von Mündelgeldern u. dgl. Eine baupolizeiliche Konzession enthält der folgende Eintrag (Bl. 40):
- Lorencz Lubenicz der junger hat man irloubit ym rate am mittewoche des heiligen lichenams abunde syn czigildach hinder dem huse abeczunemen unde hat globit das ers yn eynem iare wider mit czigil zcudecken [wil].
Hans Kannegießer, der eine Scheune „vor der Ulingasse uff die lincke hant an der brugken“ besitzt, hat gelobt,
- „den grabin, da die schune uf sted, reyne zcu haldin und zcu fegin, den unflat zcu furne durch sinen hoff mit sinen pfennyngen, alz digke daz not geschiet, vor sich und syne kindern“ (Bl. 54b).
Als Beispiel der „Urfehde“ eines Raubritters mag folgendes dienen (Bl. 54b):
- Anno XIIIc quinto vigilia Georgii quam Nigkil von Cunradisdorff gesessen zcu Dytmardorff us dem gefengnis mit Nigkil Behemen sinem knechte und wart gefangin umbe name. Da hat vor yn globit Freder. von Rekenicz, Hannus von Cunradisdorff gesessen zcu Medegow, das er keine rache umbe die sache zcu der stad nach zcu den unsern in keinewis habin sulle. Ouch hat er dorobir gesworn.
Wichtiger noch sind die (meist auf den letzten Blättern vereinigten) Einträge allgemeineren Inhalts. Zwar sind die Urkunden, die sich hier in Abschriften finden, uns größtentheils schon nach den Originalen bekannt; so sind der auf dem vorderen Umschlag stehende Erbhuldigungsrevers der Stadt Dresden vom 29. August 1410 gedruckt im Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 124 (während der ebenda befindliche Revers, den die Landesherren am 27. August 1410 ihren Unterthanen ausstellten, noch unbekannt zu sein scheint), das Stadtrechtsprivileg für Altendresden vom 21. Dezember 1403, sowie die Mühlenordnung vom 24. November 1434 ebenda S. 110, 159, das Privileg des Kurfürsten Friedrich II. und des Herzogs Sigismund für die Landstände vom 9. April 1428 (die Abschrift fol. 51b hat kein Datum) in Hasches Magazin Bd. IV, S. 371 ff.
Weitere Stücke sind dagegen bisher unbekannt. So vor allem die wichtigste Eintragung, die unser Stadtbuch enthält: die auf Bl. 51 befindliche Schulordnung der Kreuzschule von circa 1413, die älteste sächsische Schulordnung, die uns überliefert ist, und unzweifelhaft das wichtigste Dokument zur mittelalterlichen Schulgeschichte Dresdens; ihren Wortlaut habe ich im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. Bd. XIII, S. 347 mitgetheilt. Ferner finden wir auf Bl. 32b eine etwa zwischen 1414 und 1424 niedergeschriebene Ordnung über das Mälzen und Brauen der Bürger, ausführlicher als die in der ältesten Rathswillkür enthaltenen Satzungen (Richter 1, S. 314, vgl. II, S. 250 ff.); Bl. 54 Rathswillküren über die Innungsordnungen der Schuster und Schneider, sowie Bl. 55b der Böttcher, wohl aus der Zeit von 1424–1428; Bl. 54b ein Schreiben der Städte Budissin, Görlitz, Zittau, Löbau und Lauban an den Dresdner Rath wegen der Zollstraßen vom 30. April 1415 und im Anschlusse daran (Bl. 55) von etwas späterer Hand einen sehr ausführlichen Zolltarif; Bl. 56 die älteste bekannte Dresdner Achtsformel (eine spätere vom Jahre 1512 s. im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. Bd. XIII, S. 11, N. 40); Bl. 56b Willküren über die Taxe der Rathswaage, über das Geschoß, über den Lohn der 3 „Bläser“. Diese letzte Notiz lautet folgendermaßen:
- Nota man gebit den blesern yrre dryen iczlichem alle iar XVI gr., das sie der großen orgeln mit flise warten sullen, und blasen zcu desin nachgeschrebin festen: nativitatis domini III tag, circumcisionis, epiphanie, purisicacionis Marie, annunciacionis, pasche III tage, invencionis crucis, ascensionis, penthecostes III tage, trinitatis, corporis Christi, Johannis, dedicacionis, visitacionis Marie, Jacobi, assumpcionis, nativitatis Marie, exaltacionis sancte crucis, Michaelis, omnium sanctorum, concepcionis Marie, Nicolai, Barbare.
Neben dem liturgischen Interesse, das diese Nachricht gewährt, ist sie auch deshalb beachtenswerth, weil sie beweist, daß es im Mittelalter bereits Stadtmusikanten in Dresden gegeben hat, was bisher bezweifelt wurde (vgl. Richter I, S. 143).
So bietet das Dresdner Stadtbuch von 1404 der lokalen Geschichtsforschung eine ganze Reihe willkommener Nachrichten, die sich bei genauerer Durchsicht wahrscheinlich noch vermehren werden.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Zahl nicht eindeutig lesbar