Havelland (Fontane)
(Statt eines Vorwortes zu dem 3. Band „Wanderungen“ 1873.)[1]
Grüß Gott Dich, Heimath! … Nach langem Säumen
In Deinem Schatten wieder zu träumen,
Erfüllt in dieser Maienlust
Eine tiefe Sehnsucht mir die Brust.
Ihr Ufer der Somme, der Seine, Loire,[2]
Nach Krieges- und fremder Wässer Lauf,
Nimm, heimische Havel, mich wieder auf.
Es spiegeln sich in Deinem Strome
Der Julius-Thurm[3], den Märchen und Sagen
Bis Römerzeiten rückwärts tragen,
Das Schildhorn[4], wo, bezwungen im Streite,
Fürst Jazko[5] dem Christengott sich weihte,
Weitschauend trug unsre erste Kapelle,
Das Plauer Schloß[7], wo fröstelnd am Morgen
Hans Quitzow[8] steckte, im Röhricht verborgen,
Die Pfaueninsel[9], in deren Dunkel
Schloß Babelsberg und „Schlößchen Tegel“,[11]
Nymphäen, Schwäne, blinkende Segel, –
Ob rothe Ziegel, ob steinernes Grau,
Du verklärst es, Havel, in Deinem Blau.
Und neue an Deinem Bande reihten,
Wie schön erst, was fürsorglich längst
Mit liebendem Arme Du umfängst.
Jetzt Wasser, drauf Elsenbüsche[12] schwanken,
Nun kommt die Sonne, nun kommt der Mai,
Mit der Wasser-Herrschaft ist es vorbei.
Wo Sumpf und Lache jüngst gebrodelt,
Ist alles in Teppich umgemodelt, –
Viele Meilen im Geviert.
Tausendschönchen, gelbe Ranunkel,
Zittergräser, hell und dunkel,
Und mitteninne (wie das lacht!)
Ziehbrunnen über die Wiese zerstreut,
Trog um Trog zu trinken beut,
Und zwischen den Trögen und den Halmen,
Unter nährendem Käuen und Zermalmen,
Ein Luftzug das Läuten herüberbringt.
Und an dieses Teppichs blühendem Saum
Die lachenden Dörfer, ich zähle sie kaum:
Linow, Lindow,
Beetz und Gatow,
Dreetz und Flatow,
Bamme, Damme, Kriele, Krielow,
Petzow, Retzow, Ferch am Schwilow,
Marquardt an der stillen Schlänitz,
Lietzow, Tietzow und Rekahne,
Und zum Schluß in dem leuchtenden Kranz:
Und an Deinen Ufern und an Deinen Seen,
Was, stille Havel, sahst all Du geschehn?!
Aus der Tiefe herauf die Unken klingen, –
Hunderttausend Wenden[14] hier untergingen;
„Das ist Waldemar,“ sie flüstern und sagen;
Im Torfmoor, neben dem Cremmer-Damme[15],
(Wo Hohenloh[16] fiel) was will die Flamme?
Ist’s blos ein Irrlicht? … Nun klärt sich das Wetter,
Derfflinger[17] greift an, die Schweden fliehn,
Grüß Gott Dich Tag von Fehrbellin[18].
Grüß Gott Dich Tag, Du Preußen-Wiege,
Geburtstag und Ahnherr unsrer Siege,
Geliebte Heimath, Havelland!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Fontanes Werk Wanderungen durch die Mark Brandenburg, in fünf Bänden, ab 1862 erschienen.
- ↑ Fontane war 1870 in Frankreich auf Reisen.
- ↑ Der Juliusturm der Zitadelle Spandau.
- ↑ Schildhorn, Landzunge an der Havel im Berliner Ortsteil Grunewald.
- ↑ Jaxa von Köpenick, Fürst der Sprewanen Mitte des 12. Jahrhunderts.
- ↑ Harlungerberg, Erhebung nahe der Altstadt von Brandenburg.
- ↑ Plaue (Havel), seit 1952 Teil der Stadt Brandenburg an der Havel.
- ↑ Johann von Quitzow (1370–1437), gefürchteter „Raubritter“.
- ↑ Pfaueninsel, Insel in der Havel bei Potsdam.
- ↑ Johannes Kunckel (1630–1703), Alchimist und Glasmacher.
- ↑ Schloss Babelsberg liegt im gleichnamigen Stadtteil von Potsdam. Schloss Tegel, erbaut 1558, liegt im Berliner Stadtteil Tegel.
- ↑ Else, gebräuchlicher Name der Schwarz-Erle.
- ↑ Häufige Landschaftsformen entlang der Havel: Luch (versumpfte Niederung), Bruch (sumpfige Wiese), Horst (erhöhte Stelle in feuchter Umgebung) und Lanke (Namensteil von Gewässern: Krumme Lanke, Scharfe Lanke, Glienecker La(n)ke, Klare Lanke, Sacrower Lanke, Kleine und Große Steinlanke, Jürgenlanke).
- ↑ Wenden, alte Bezeichnung für Slawen, siehe auch Wendenkreuzzug.
- ↑ Kremmer Damm, Schauplatz zweier Schlachten.
- ↑ Johannes von Hohenlohe (1370–1412), auf der Seite Brandenburgs gefallen in der Schlacht vom 24. Oktober 1412.
- ↑ Georg von Derfflinger (1606–1695), Generalfeldmarschall von Brandenburg-Preußen.
- ↑ Schlacht bei Fehrbellin 28. Juni 1675.