Textdaten
Autor: Taras Schewtschenko
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Titel: Fragmente des Gedichtes «Häretiker» oder «Johann Hus»
Untertitel:
aus: Франко І. Твори. Т. 52., S. 758–761
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1882
Erscheinungsdatum: 2008
Verlag: Наукова думка
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Erscheinungsort:
Übersetzer: Iwan Franko
Originaltitel: Єретик
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[758]
Fragmente

des Gedichtes «Häretiker»
oder «Johann Hus»

Widmung des Gedichtes
an P. Joseph Šafárik

Des Nachbars neues, gutes Haus
Hat böser Nachbar angezündet,
Wärmt sich genug und legt sich schlafen
Und denkt bei sich: Nun ist es aus!

5
Doch er vergaß noch auszustreuen

Die graue Asche in den Wind;
Still liegt die Asche auf dem Brandplatz,
Und in der Asche glüht und glimmt
Ein Funke noch des großen Feuers,

10
Stirbt nicht, in der Verborgenheit

Harrt er auf einen neuen Zünder
Wie Rächer eine lange Zeit.
Und lange, lange glomm der Funke,
Aufflackernd leise dann und wann –

15
Doch tot und öde war die Stätte,

Und zu verlöschen fing er an.

So zündeten die deutschen Fürsten
Das große Haus des Slawentums,
So warfen sie den Brand der Zwietracht

20
Hinein in das Geschlecht des Ruhms.


Es floß das Blut in Strömen, löschend
Den Brand, und ruhig teilten dann
Die Deutschen unter sich die Stätte
Samt Waisen. Und so wuchs heran

25
Das Slawenvolk in schweren Ketten,

Unwissend in der Sklaverei,
Von wem es ist gekettet worden
Und was es soll und wer es sei.

[759]
Doch auf dem alten Brandplatz glomm
30
Ein Funke noch des Brudersinnes,

Verlöschend, lange Zeit schon wartend
Auf eine starke Hand, ein kühnes
Gemüt. Da kamst du. In der Asche
Entdeckt dein kühner Adlerblick,

35
Dein liebend Herz den guten Funken,

Gedrückt, erstickt vom Mißgeschick.

Du grubst hervor ihn und entfachtest
Zum hellen, hehren Freiheitsbrand,
Und die unsel’gen Slawenkinder

40
Im unterjochten Slawenland –

Du hast sie alle abgezählt
Nicht Slawen, sondern Slawenleichen.
Und auf dem großen Leichenfeld,
Dem Tränenfelde sondergleichen,

45
Standst du, ein zweiter Hesekiel,

Und sieh’! Die Toten lebten wieder
Und standen auf, umarmten sich
Und sprachen liebend: Brüder! Brüder!
Und die reichten sich die Hände

50
Zum Liebesbunde treu und hehr,

Und alle Slawenströme flossen
Von nun in ein gemeinsam Meer.

So sei dir Ruhm von allen Slawen,
Du Hort der Slawenbruderschaft,

55
Daß aus dem Abgrunde des Deutschtums

Du unser Recht emporgerafft.
Dein neues, freies Slawenmeer
Bald schwillt’s zu neuem Leben an,
Bald trägt’s breitsegelige Schiffe

60
Zum stillen Port auf sichrer Bahn.

So sei dir Ruhm, du großer Tscheche,
So sei dein Name hoch und hehr;
Du hast alle Slawenströme
Geführt in ein gemeinsam Meer.

[760]
65
Empfange denn in deinem Ruhme

Auch dies mein kunstlos, arm Gedicht,
Das von dem Märtyrer der Freiheit,
Vom großen Tschechenhelden spricht,
Vom Johann Hus. Empfang’s, o Vater,

70
Und ich will beten innig, treu,

Daß alle Slawen Brüder werden
Und Wahrheitssöhne ohne Scheu
Und ohne Wanken, wie der große
Häretiker dort in Konstanz,

75
Daß sie der Welt nur Frieden bringen

Und ew’gen, klaren Ruhmesglanz.


Der Anfang des Gedichtes

«Rings Unrecht, Druck und Sklaverei,
Die hartbedrückten Völker schweigen,
Auf dem Apostelthrone sitzt
Ein fetter Mönch, vor dem sich alle beugen.

5
Er schachert mit dem Menschenblut,

Verpachtet gar das Paradies…
O Gott, wo bleibt denn dein Gericht,
Wo bleibt dein Heil, das uns dein Sohn verhieß?

Dein Wort getreten in den Staub

10
Von Menschenfressern und von Räubern,

Dein Ruhm verhöhnt und deine Macht…
Willst du zum zweitenmal nicht deinen Tempel säubern?

In schweren Fesseln stöhnt die Welt,
Die Mutter stöhnt mit ihren Kindern,

15
Und niemand wagt’s, dem Feind sich kühn

Zu stellen und der Mutter Schmerz zu lindern.

Und niemand wagt’s, der Wahrheit Banner
Siegreich und stolz emporzutragen

[761]
Und zu verteidigen die Armen…
20
O Gott, wird es auch niemand wagen?


Und kommt denn nie der Strafe Zeit,
Ob auch so lang man hoff’ und harre?
Zerbrechen die drei Kronen nie
Wir auf der stolzen päpstlichen Tiare?

25
Ja, wir zerbrechen sie! O segne

Mich, Gott, doch nicht zu deinem Rächer!
Zum Zeugen nur! Denn schwach ist meine Kraft,
Und meine Hände sind noch schwächer.
So segne denn mein stilles Wort,

30
Daß sie es hören scharf und helle!»


So dachte einsam Johann Hus,
Der Wahrheitsfreund, in seiner stillen Zelle.
Befreien wollte er das Volk
Von schrecklichen uralten Ketten,

35
Ein großes Wunder wollt’ er tun,

Den Glauben von der Pfaffen Hand erretten.

«Auf denn zum Kampf! Es mag geschehn!
Gott wird die Wahrheit nicht verlassen!»
Und in die Bethlehemskapelle

40
Ging er, um im Gebet sich neue Kraft zu fassen.