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Autor: Schmidt-Weißenfels
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Titel: Gut verwendete Millionen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 603–604
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Gut verwendete Millionen.

Eine Mahnung zur Linderung sozialer Noth.

In keinem Zeitalter hat es so viele und so vielfache Millionäre gegeben wie in dem unsrigen. Sie sind eine neuzeitliche Gesellschaftserscheinung geworden und sowohl durch ihre Art wie durch ihre verhältnißmäßige Menge wohl von den durch Erbschaft Reichen der früheren Zeit zu unterscheiden. Im allgemeinen sind sie als rührige praktisch strebende Menschen durch die neuen Hilfsmittel der Industrie, durch die vielfältigen Erfindungen, den weiter erschlossenen und mächtig geförderten Weltverkehr und durch die damit wachsenden Bedürfnisse des öffentlichen wie des privaten Lebens schnell – oftmals aus Niedrigkeit und Armuth – zu außerordentlichem Kapitalreichthum gelangt.

Ist nun damit zugleich der Gegensatz von arm und reich, der allerdings immer bestanden hat und immer bestehen wird, ein größerer und härterer geworden, so ist doch auch die Zahl jener Millionäre gewachsen, welche diesem Gegensatz seine Bitterkeit zu nehmen suchten, welche für ihr äußeres Glück sich in hervorragenden Werken der Wohlthätigkeit und Gemeinnützigkeit dankbar erwiesen und sich damit Ehrendenkmäler gesetzt haben, die zugleich stolze Marksteine einer in der Richtung auf das Gute fortschreitenden Kultur bedeuten.

Viel gefeiert wurden ihrer Zeit die Stiftungen des 1869 in London als Bankier gestorbenen Amerikaners Georg Peabody. Er schenkte der Stadt Baltimore und dem Staate Maryland nach und nach 21/2 Millionen Mark zur Gründung und Unterhaltung einer Volksbildungsanstalt und erbaute für dieselbe ein prächtiges Heim. Er stiftete ferner für öffentliche Schulen in den südlichen Staaten Nordamerikas mit ihrer zahlreichen, früher von der Bildung gänzlich ferngehaltenen Negerbevölkerung 14 Millionen Mark und 10 weitere für Arbeiterwohnungen in London, der Großstadt auch hinsichtlich des proletarischen Elends. Es seien diese Millionenschenkungen deshalb wieder hervorgehoben, weil sie ein Beispiel sind für die Eigenart, welche diese Großthaten des Gemeinsinns von seiten der heutigen Industriemillionäre fast durchweg tragen. Es sind keine Almosen, keine Geldvertheilungen an die „Klasse der Enterbten“; sondern es sind Stiftungen, welche die sittliche und wirthschaftliche Hebung des Volkes durch Förderung seiner Bildung zu erreichen streben. Peabody war aus der Armuth heraus zu seinem riesigen Vermögen gelangt; er betrachtete sein äußeres Glück wie eine Schuld, die er an die Armen abzutragen habe. Der letzte Zweck seines Lebens war, als ein Menschenfreund dem Stand der Besitzlosen und Arbeitsamen dauernde Wohlthaten zu erweisen, um „Gott vor ihnen zu rechtfertigen.“

Peabody steht nicht allein da mit solcher Gesinnung, und er ist weder der erste noch der letzte, der die Welt mit seiner Freigebigkeit für Werke der allgemeinen Wohlfahrt in Erstaunen setzte. Der Amerikaner, welcher vermöge der eigenthümlichen Kulturentwicklung der neuen Welt leichter als der Angehörige irgend eines anderen Volkes in den Besitz von Millionen gelangt, zeigt fast immer einen Wohlthätigkeitssinn, der sich mit vollbewußter Absicht auf Gründungen von bleibender Nützlichkeit und auf die geistige Förderung der vermögenslosen Klassen seines Vaterlandes richtet.

Eine hervorragende Stelle unter diesen Männern, wenigstens durch die Größe seiner Schenkungen, nimmt Stephan Girard in Philadelphia ein, der sich im Anfang dieses Jahrhunderts durch kühne Handelsunternehmungen in der Kriegszeit von 1811 und 1812 ein solches Vermögen erwarb, daß er in der großen Republik der reichste Mann seiner Zeit wurde. Er war zu Périgueux in Frankreich geboren und von Jugend auf von dem Streben beseelt, sich Reichthümer zu erwerben. Als alter Mann gab er geradezu all sein Erworbenes für die Bedürftigen her und gründete mit 8 Millionen das Waisenhaus in Philadelphia, in dem er sich ein bescheidenes Gemach vorbehielt, um dort in fast dürftiger Einfachheit seine letzten Tage zu verbringen. Er starb, ein Einundachtzigjähriger, im Jahre 1831.

In neuerer Zeit haben sich unter den amerikanischen Millionären besonders Astor, Smith und Vanderbilt durch die Großartigkeit ihrer Gaben ausgezeichnet.

John Astor besaß durch seine Landspekulationen soviel an Vermögen, daß es in Zahlen schwer anzugeben war. Man schätzte seine jährlichen Einkünfte auf 12 Millionen. Er gab mit vollen Händen und mit einer förmlichen Verachtung des Geldes, wenn er einzelnen dazu verhelfen konnte und wollte, Unternehmungen auszuführen und es damit gleichfalls zu Reichthum zu bringen. Als einmal ein Freund, der allerdings auch einer der glücklichsten Landspekulanten in New-York war, bei Astor anfragte, ob ihm dieser 250 Millionen Dollars, also über tausend Millionen Mark, leihen könne, da antwortete Astor damit, daß er am nächsten Tage die Bankanweisungen über die geforderte Summe vor den Bittenden hinlegte. Dieser große Schuldner Astors war Peter Smith, ein Millionär, der in wenigen Jahren das Vorgestreckte bar zurückzahlen konnte. Alle beide klagten sich dabei die Noth, die sie mit ihrem Reichthum hatten.

„Der meine,“ sagte Astor, „bereitet mir gar keine Freude. Andere Leute haben nur Behagen und Genuß davon. Ich selbst kann nicht mehr als das brauchen, was mir zum Leben nöthig ist, und das ist wenig. Mein Geld macht mir Schererei und haftet an mir wie mit Krallen, die mich Tag und Nacht keine Ruhe finden lassen.“

Und Peter Smith, erkenntlicher für sein äußeres Glück im Hinblick auf den Segen, den er damit bereiten konnte, äußerte zu dem Freunde: „Seit Jahren bin ich ein Landkäufer. Ich meine, jeder Mensch habe ein Recht auf ein Stück Erde, um eine Farm betreiben zu können. Mehr braucht er nicht, um sich weiter zu bringen. Da kann ich wenigstens mit meinem Gelde Gutes stiften.“

Dem entsprechend schenkte Smith Farmen in Unmasse. Geschah das nicht unmittelbar aus seinen erworbenen Ländereien, so gewährte er Geldbeträge für Landankauf. Zunächst erhielt jede Witwe und jede alte Jungfer, die es im Staate New-York gab, 200 Mark für diesen Zweck. Nach dem Bürgerkriege überwies er dreitausend Farmen im Gebietsumfang von je 15 bis 75 Acres (1 Acre = 401/2 Ar) an ebensoviele durch den Krieg heimgesuchte oder ihres Ernährers beraubte Familien. Für gewöhnlich vertheilte er außerdem noch hunderttausend Dollars im Jahre an milde Stiftungen. 1874 starb er und hatte in der angegebenen Weise den größten Theil seiner Millionen wieder hergegeben, zweckbewußt, um die Ansiedlungen in seinem Vaterlande zu fördern, der Kultur neue Wege zu bahnen und vielen Armen einen festen Grund für ihr Fortkommen zu bieten.

Es scheint diesen Millionären ein inneres Bedürfniß zu sein, zur ausgleichenden Gerechtigkeit einen Theil von ihrem irdischen Ueberfluß zu opfern, um zur Verringerung des sozialen Elends nach ihren Kräften beizutragen. Auch der große Eisenbahnkönig Cornelius Vanderbilt, der als Stifter eines in seinem Vermögen gar nicht abzuschätzenden Millionärgeschlechts vor vierzehn Jahren starb, folgte diesem Zuge des Guten und Schönen im Menschen. Er muß als einer der verdienstvollsten Vorkämpfer der Civilisation in Nordamerika geehrt werden, und als er sich wirklich den reichsten Mann der Welt nennen durfte, sagte er sich wie zum Trost: „Habe ich in jedem Jahre seit meiner Geburt durchschnittlich eine Million Dollars verdient, so befriedigt es mich noch mehr, daß ich jedes Jahr dreimal so viel meine Mitbürger verdienen lassen konnte.“ Er hinterließ seinem ältesten Sohne 400 Millionen Mark und vermachte, ungerechnet alle anderen Stiftungen, noch 60 Millionen für verschiedene gemeinnützige Zwecke. Als nicht lange danach sein Sohn ebenfalls starb, hinterließ dieser die fabelhafte Summe von 400 Millionen Mark für wohlthätige Stiftungen und eine gleiche Summe seinen beiden Söhnen. New-York betrauerte diesen großartigen Menschenfreund in gebührender Weise. Niemals hatte in der That ein Privatmann solch ein Vermächtniß gemacht; die Phantasie verwirrte sich fast vor dem Strom von Gold, der hier zur Linderung und Beseitigung der Noth sich ergoß.

Wesentlich amerikanisch kann man die Größe dieser Werke der Menschenliebe von seiten industrieller Geldfürsten nennen. Allein England hat sich in solchen Leistungen nicht viel weniger ruhmwürdig gemacht, ja es ist hierin Amerika vorangegangen, wie denn wohl in dem wohlthätigen Amerikanerthum ein englischer Charakterzug sich äußert.

Jedediah Strutt erfand im vorigen Jahrhundert den Webstuhl für gerippte Strümpfe und legte damit den Grund zu einem großen Vermögen. Wie er, so suchten auch seine immer wohlhabender werdenden Nachkommen die sittliche und gesellschaftliche Stellung der Arbeiter in ihrer Fabrik zu verbessern und sich für edle Zwecke jederzeit freigebig zu zeigen. Joseph Strutt schenkte [604] seiner Vaterstadt Derby einen herrlichen Park mit den Worten: „Da das Glück mir mein Leben lang günstig gewesen, so wäre es undankbar von mir, wollte ich nicht einen Theil meines Vermögens dazu verwenden, das Wohlbefinden meiner Mitbürger zu fördern, durch deren Fleiß ich im Erwerben so sehr unterstützt worden bin.“

Robert Barclay, der 1830 starb, war der Gründer eines großen Hauses in London, das hauptsächlich mit Amerika Handel trieb. Als er sich vom Geschäft zurückzog, geschah es nur, um durch erneute Thätigkeit sich seinen Nebenmenschen nützlich zu machen. Er fühlte sich verpflichtet, mit seinen reichen Mitteln der Gesellschaft ein gutes Beispiel zu geben. In der Nähe seines Wohnsitzes gründete er ein Arbeitshaus und unterhielt es mehrere Jahre lang mit großen Kosten, bis es ihm endlich gelang, auf diese Weise ordentlichen, aber armen Familien der Umgegend eine unabhängigere und sorgenfreiere Existenz zu schaffen. Solche zielbewußte Wohlthätigkeit ist eine Großthat der Menschenliebe, die dauernden Segen bewirkt und höher zu werthen ist als ein allgemeines Almosen, welches flüchtige und oft zweifelhafte Bedeutung hat. Barclay war es auch, der, nachdem ihm eine Erbschaft in Jamaica zugefallen war, sofort allen Sklaven auf seinen dortigen Gütern die Freiheit schenkte, obwohl ihn das um etwa 10 000 Pfund oder 200 000 Mark jährlicher Einkünfte brachte. Er ließ die Neger außerdem auf eigenem Schiff nach einem der freien Staaten Nordamerikas schaffen, wo sie eine besondere Gemeinde bilden sollten. In der That gelang es seiner Fürsorge, die Niederlassung der Neger zu gedeihlicher Entwicklung zu bringen. Bei der Vertheilung seines großen Vermögens machte er sich selbst zum Testamentsvollstrecker und gewährte seinen Verwandten schon bei seinen Lebzeiten großartige Unterstützungen, statt sie ihnen erst nach seinem Tode durch Erbschaft zukommen zu lassen. So sorgte er durch Rath und That für ihr Fortkommen und begründete dadurch nicht nur einige der größten und blühendsten Geschäfte Londons, sondern erlebte noch persönlich die gesegnete Wirkung seiner Wohlthätigkeit.

William Baß war der Ausfahrer einer Brauerei zu Burton. Mit seinem Ersparten fing er dann selber eine Brauerei an, die sich zu einer der ersten und berühmtesten Englands aufschwang und unter seinem Sohne Michael Thomas einen ungeheuren Absatz auch im Ausland erlangte; heute versendet sie etwa hundert Millionen Flaschen. Als Michael Thomas Baß achtzig Jahre alt geworden war, übergab er – im Jahre 1880 – sein Riesengeschäft einer Gesellschaft und widmete den kurzen Rest seines Lebens dem Wohlthun in großem Stile. Er stattete seine Geburtsstadt mit öffentlichen Anlagen und gemeinnützigen Anstalten aus, die eines Peabody würdig waren: mit einem Museum, einer Bibliothek, mit öffentlichen Bädern und dergleichen mehr. Seinem Beispiel folgte ein anderer reicher Brauer, Edward Guinneß in Dublin, der nicht weniger als 250 000 Pfund Sterling (5 Millionen Mark) für Errichtung von Arbeiterwohnungen in Dublin und London stiftete.

Wir haben bisher ausschließlich verweilt bei jenen Bethätigungen einer großartigen Opferwilligkeit für das allgemeine Wohl, welche in Amerika und England zutage getreten sind. Es geschah das nicht deshalb, weil andere Länder, Deutschland besonders, arm sind an Männern, welche die geistige und materielle Hebung der weniger oder gar nicht mit Glücksgütern Gesegneten durch Schenkungen und Vermächtnisse sich angelegen sein ließen. Welche Summen sind nicht in Belgien, in Frankreich, in Oesterreich und Deutschland von einzelnen aufgewendet worden, um ihren Arbeitern ein sorgenfreies Dasein zu verschaffen als gerechten Lohn für deren Mithilfe an ihren Unternehmungen; wie ist nicht in der Schweiz die Stadt Genf überreich mit Millionen zu öffentlichen Zwecken bedacht worden: erst kürzlich hat ihr der in Kairo verstorbene Professor Gustav Revillod sein Museum in der Nähe von Genf vermacht, das einen Werth von vier Millionen Franken darstellt, ferner sein Landgut im Werth von 600 000 Franken und eine Million in Werthpapieren. Allein bei dem weitaus größeren Reichthum Amerikas und Englands vermag sich naturgemäß auch die Wohlthätigkeit dort in größeren Bahnen zu bewegen als in anderen Staaten, und die Beispiele, die man von dorther nehmen kann und durch deren Anführung wir gern eine gesteigerte Nachahmung hervorrufen möchten – sie sind schlagender und boten sich so für unseren Zweck in erster Linie dar.

Zum Schlusse nun seien einige von jenen Stiftungen und Veranstaltungen erwähnt, in welchen deutsche Menschenfreundlichkeit nicht weniger sich ein hervorragendes Denkmal gesetzt hat; wir können sie nicht alle erwähnen, nur da und dort einen Fall herausgreifen.

In Kippenheim bei Lahr in Baden steht das Denkmal eines Mannes, das ihm zum Dank für seine große Wohlthätigkeit seine Landsleute errichtet haben; es gilt dem Gedächtniß des Schneidermeisters Georg Stulz, der in London sein Glück machte und 1832 in Hyères bei Toulon starb. Er hatte in seiner kleinen Geburtsstadt ein Hospital und eine Kirche bauen lassen, dem polytechnischen Institut in Karlsruhe, dem Schullehrerseminar und anderen Stiftungen daselbst, ferner dem Kloster Lichtenthal bei Baden-Baden Hunderttausende gegeben. Um dieser fortgesetzten Ehrenthaten willen verlieh ihm der Großherzog von Baden einen altadeligen Stammsitz im Lande, nach dem er sich Ritter von Ortenberg nennen durfte.

Würdig neben die Gründungen von Stulz stellen sich die großartigen Krankenhausstiftungen des Bankiers Salomon Heine und neuerdings des Kaufmanns van Danner in Hamburg, die Leipziger Stiftungen des Rentiers Grassi im Betrag von über zwei Millionen und die des Buchhändlers Tauchnitz im Betrag von vier Millionen.

In Köln bewirkte 1855 der reichgewordene Lederhändler Johann Heinrich Richartz aus eigenen Mitteln den Aufbau eines Museums für seine Vaterstadt und bot auch 100 000 Thaler für den Bau eines neuen Theaters an; eine gleiche Summe vermachte er zur Errichtung einer Irrenanstalt, außerdem bedeutende Geldstiftungen für die Musikschule und den Ankauf von Gemälden für die städtische Sammlung. „Köln hat schon große Männer zu seinen Mitbürgern gezählt,“ sagte einmal der Oberbürgermeister zu den Stadtverordneten, „einen Richartz hatte es bisher noch nicht.“

Der Berliner Maschinenbauer Borsig hinterließ dreißig Millionen Thaler; bei Lebzeiten war er der Vater seiner Arbeiter, die nach Tausenden zählten. Nicht weniger hervorragend sind die nach Millionen zählenden Stiftungen, welche Alfred Krupp in Essen und nach dessen Tod sein Sohn und Nachfolger zur Errichtung von gesunden Arbeiterwohnungen und von öffentlichen Anlagen zum Besten ihrer Angestellten aufgewendet haben. Ein berühmter Vorgänger in dieser Beziehung ist der große Fabrikant Dollfus in Mülhausen im Elsaß; er hat tausend von einem Garten umgebene Häuschen – jedes für eine Arbeiterfamilie – gebaut und die Sache so eingerichtet, daß alle schon längst durch bloßes Miethebezahlen zum Eigenthum der Arbeiter geworden sind. Hier sei auch noch der allgemeinen Uhrmacherschule in Glashütte im sächsischen Erzgebirge gedacht, welche Adolf Lange begründete und womit er, wie durch die ganze Einrichtung seiner groß gewordenen Uhrenindustrie, für diesen einst fast gänzlich verarmten Landbezirk zum größten Segen wurde. Es ist dies in der „Gartenlaube“ schon 1879 von Karl Bruhns des Näheren geschildert worden.

Endlich hat der Schluß des vorigen Jahres noch die Nachricht von einem großherzigen Vermächtniß gebracht, das der verstorbene Oekonomierat Gustav Dippe in seinem Testament der Stadt Quedlinburg bestimmt hat. Neben verschiedenen anderen Legaten zu gemeinnützigen Zwecken setzte er die Summe von 845 000 Mark zu einer Unterstützungskasse aus, durch welche treue Beamte, Arbeiter und Arbeiterinnen im Alter oder nach Bedürfniß auch früher Hilfe erhalten sollen. – –

So weitgehend und so mannigfach nun auch einzelne eingetreten sind, um Quellen der sozialen Noth zu verstopfen – dieser letzteren ganz ein Ende zu bereiten, wird leider nicht gelingen. Wir können die Nacht erhellen, allein wir können sie nicht in Tag verwandeln. Doch schon das wiegt unendlich viel, daß sich an jenen Thaten der Opferwilligkeit Unglück und Leid von Tausenden aufrichtet, daß an ihnen der Glaube erstarkt, noch sei das Gute eine Macht im Menschen, noch lasse viele Herzen der Reichthum nicht hart werden. Diejenigen aber, welche im Ueberfluß über jene Mittel verfügen, mit denen so manche Noth gelindert werden kann, mögen im Anblick der Dürftigkeit und der sozialen Bedrängniß um sie her, angesichts des Dranges nach Bildung, welcher in vielen lebt und keine Befriedigung findet, ihre Hände weit aufthun. Wohl ist jede, auch die kleinste Gabe von Werth, welche Menschenliebe der Armuth reicht: wer selbst nicht viel besitzt und doch einspringt, wo er kann, hat sittlich betrachtet nicht weniger gethan als jene Millionäre mit ihren ungeheuren Schenkungen. Allein große Noth erfordert auch große Hilfe, erfordert „gut verwendete Millionen“. Schmidt-Weißenfels.