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Autor: Karl Wilhelm Ferdinand von Funck
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Titel: Gustav Adolph von Schweden
Untertitel: vor seiner Theilnehmung an dem deutschen Krieg
aus: Neue Thalia. 1792–1793. Erster Band,
Heft 2, S. 229–275.
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Gustav II. Adolf wohlgesinnte Biographie
Fortsetzung erfolgt im 2. Teil
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[229]
IV.
Gustav Adolph von Schweden
vor
seiner Theilnehmung
an dem deutschen Krieg.


Die wichtige Rolle, mit der Gustav Adolph seine glänzende Laufbahn beschloß, muß bey jedem deutschen Patrioten den Wunsch erregen, ihn auch in seinem frühern Leben genauer zu kennen, wo er zum Herrn des Schicksals von halb Europa gebildet wurde. Einige Züge, die den Karakter dieses vortreflichen Königs, in seinen verschiednen Verhältnissen, als Sohn, als Jüngling und als Mann schildern, werden also unsern Lesern hier nicht unwillkommen seyn.

[230] Gustav Adolph wurde den 9. December 1594 zu Stockholm gebohren. Sein Vater, der nachher den Schwedischen Thron unter dem Namen Karl IX bestieg, führte damals noch den Titel eines Herzogs von Südermannland, und war Verweser des Königreichs für seinen Neffen Sigismund, der Schweden und Pohlen zugleich beherrschte. Die erste dieser Kronen kam durch eine glückliche Revolution in des Herzogs Hände. Aber nicht ohne einen hartnäckigen Kampf ließ Sigismund sich von dem Thron seiner Väter verdrängen. An der Spitze seiner Pohlen, von einem Theil der Schwedischen Nation selbst und von allen katholischen Mächten Europas unterstützt oder aufgemuntert, verfolgte er seine Ansprüche an das Schwedische Königreich noch lange nach Karls Tode, bis er endlich durch den überlegnen Genius des jungen Gustavs gezwungen wurde, sie aufzugeben.

Karl rechtfertigte durch eine weise Regierung die Wahl des Volks, das ihn zu [231] seinem König gemacht hatte. In einem fast unaufhörlichen Krieg mit Pohlen und Dänemark behauptete er sich glücklich gegen seine mächtigern Gegner. Mäßigung gegen seine innern Feinde, die Anhänger Sigismunds, und Schonung des durch lange Kriege gedrückten Volks erwarben ihm die Zuneigung der Nation, gute Einrichtungen und persönliche Eigenschaften ihre Liebe.

Aber wenn die Schweden dem Vater zugethan waren, so liebten sie seinen Sohn mit wahrem Enthusiasmus. Schon in der zartesten Jugend gewann Gustav Adolph, durch sein einnehmendes und leutseliges Betragen, durch Züge, die einen edlen und ofnen Karakter verriethen, und durch Proben von Muth, die für sein Alter außerordentlich waren, die Herzen seiner künftigen Unterthanen.

Mit Vergnügen sahen sie ihn, da er noch nicht 6 Jahr alt war, den Herzog von Südermannland auf einer Reise nach [232] Finnland und Esthland begleiten. Seine Mutter, Christine, eine Tochter des Herzogs Adolph von Holstein Schleßwig, vereinigte mit einer anziehenden Bildung einen aufgeklärten Verstand, und eine fast männliche Standhaftigkeit. Die zärtlichste Mutterliebe hatte bey ihr nichts weichliches, sie gewöhnte den jungen Gustav früh zu den Beschwerden und Unbequemlichkeiten eines rauhen Himmelstrichs, und suchte durch eine strenge physische Erziehung ihrem Liebling eine dauerhafte Gesundheit und körperliche Stärke zu sichern. Gustav mußte in dem folgenden Jahre abermals mit seinen Eltern nach Finnland gehen. Es war schon spät im Herbst, da sie diese Reise unternahmen, und die Jahrszeit so rauh, daß ihr Schiff die Nacht im Hafen einfror. Sie mußten zu Fuß über das Eis ans Land gehen, und der junge siebenjährige Prinz folgte ihnen an der Hand einer Wärterin, ohne sich durch die Kälte der Nacht die geringste Unpäßlichkeit zuzuziehen.

[233] Gustavs Eltern sahen mit inniger Freude die Keime des Guten und Edlen in dem Herzen ihres Sohnes; und diese ganze Familie giebt ein rührendes Gemählde häuslicher Glückseligkeit auf einem Gipfel, wo sie so selten zu wohnen pflegt. Jede Minute die der Herzog von Südermannland den wichtigen Geschäften des Kabinets und des Krieges abgewinnen konnte, brachte er im Zirkel seiner Familie zu, und besonders mußte Gustav in allen seinen Erholungsstunden um ihn seyn. Einst, da er auf den Wiesen bey Nykiöping einen Spaziergang machte, tändelte der Knabe um ihn herum, bald aber wurde diesem der ernsthafte Schritt seines Vaters zu langweilig, und er verlief sich in den Gesträuchen. Seine Aufseher wollten ihn durch die Vorstellung zurück halten, daß das Gebüsch voll großer Schlangen wäre. „So gebt mir einen Stock,“ rief Gustav unerschrocken, „damit ich mich gegen sie wehren kann.“ Der Herzog lächelte über den kindischen Muth des Knaben. „Ihr denkt, er werde sich fürchten,“ sagte er zu einigen [234] Hofleuten, die ihm gefolgt waren, „aber ich versichre euch, daß er davon nichts weiß.“

Bey einer andern Gelegenheit fragte ihn ein Offizier, welches von den Schiffen, die er sähe, ihm am Besten gefiele. „Das da,“ antwortete der Knabe, und zeigte auf ein Kriegsschiff, „weil es die meisten Kanonen hat.“

Eben so zeigte er auch schon frühe Züge einer edlen Denkungsart. Ein Oeländischer Bauer brachte ihm einst eines von den kleinen Pferden jener Gegenden zum Geschenk. Einige Augenblicke überließ sich der Prinz der kindischen Freude über das angenehme Spielwerk, aber schnell besann er sich. „Ihr seyd nicht reich,“ sagte er zu dem Bauer, „wenn ihr mir das Pferd schenktet, würdet ihr euch Schaden thun. Ich will es euch bezahlen, ich habe Geld, das ich nicht brauche, aber ihr könnt es brauchen.“ Zugleich lief er fort und holte einen kleinen Beutel mit Dukaten, den ihm seine Mutter kurz vorher geben hatte. [235] „Da,“ rief er, indem er den Beutel völlig in die Hand des Bauern ausleerte, „kauft euch, was ihr nöthig habt, mir macht das Pferd Freude genug.“

Diese Züge mögen an sich unbedeutend seyn, aber schon die Sorgfalt, womit man sie aufbewahrt hat, zeugt von der unbegränzten Liebe der Schweden zu diesem vortrefflichen Fürsten.

Er erhielt auch schon in seinem zehenten Jahre einen großen Beweiß von der allgemeinen Liebe seines Volks. Die Stände ernannten ihn, als sie seinem Vater die Krone aufsetzten, zugleich zu dem Nachfolger desselben in der Regierung. Karl IX, für diese zwiefache Wohlthat dankbar, bestrebte sich nun um so mehr, durch eine sorgfältige Erziehung den Schweden in seinem Sohn einen vortreflichen König zu bilden. Er wählte verdienstvolle Männer zu seinen Gehülfen in diesem wichtigsten Geschäfte. Von Märner, ein Brandenburgischer Edelmann, wurde [236] zum Hofmeister des Prinzen, und Johann Skytte, ein Gelehrter, der sich auf seinen neunjährigen Reisen durch den größten Theil von Europa zu diesem Amte fähig gemacht hatte, zu seinem ersten Lehrer ernannt. Unter ihrer Leitung brachte es Gustav in sehr kurzer Zeit dahin, daß er das Lateinische und die vornehmsten lebendigen Sprachen mit vieler Fertigkeit reden konnte. Sein glückliches Genie, das er mit einem außerordentlichen Gedächtniß und mit unermüdeter Wißbegierde verband, erleichterte ihm die Fortschritte in jeder Wissenschaft, und er verdiente bald die Lobsprüche, die man allgemein seinen Talenten und Kenntnissen machte.

Schwedens Kriege, und ein Waffenstillstand zwischen Spanien und den Niederlanden hatten eine Menge fremder Offiziere nach Stockholm gezogen. Auch dies hatte einen sehr wesentlichen Einfluß auf Gustavs Bildung. Alle bestrebten sich um die Wette dem jungen Prinzen den Hof zu machen, weil dieses das sicherste Mittel [237] war, die Gunst des Königs zu gewinnen. Gleichgültig gegen ihre Schmeicheleyen und nur auf ihre wahren Vorzüge aufmerksam, lernte er von ihnen durch ihr Beyspiel und durch ihre Unterhaltung. Seine Gespräche mit ihnen handelten fast immer von den Sitten und Gebräuchen ihrer Länder, von der innern Stärke derselben und von Gegenständen der Kriegskunst, oder der Schiffahrt. So erwarb sich Gustav die nützlichsten Kenntnisse in den Stunden der geselligen Erholung. Der König sah durch die täglich wachsenden Vollkommenheiten seines Sohns die großen Hoffnungen, die er auf ihn bauete, gerechtfertiget, und er legte gern die Achtung, die er für den Jüngling hatte, bey jeder Gelegenheit an den Tag. Oft, wenn er von seinen Entwürfen zur Verbesserung von Schweden sprach, setzte er hinzu: ich werde sie nicht ausführen, aber Gustav wirds thun. Diese Reden wurden schnell in der Hauptstadt und in den entfernten Provinzen bekannt, die feurigen Wünsche des Bürgers schloßen sich an die kühne [238] Erwartung des Vaters an, und jeder Patriot blickte mit der frohen Aussicht auf goldne Zeiten in die Zukunft hinaus.

Ein Anfall vom Schlage, den Karl sich durch eine heftige Gemüthsbewegung zuzog, brachte ihn in Lebensgefahr; er erholte sich nur langsam, und nie völlig wieder. Gustav hatte damals sein fünfzehntes Jahr vollendet, und war schon zum Großherzog von Finnland, zum Herzog von Esthland und Westmannland, und zum Herrn der Stadt Westerähs ernannt worden. Die nahe Aussicht auf den Besitz eines Throns rührte ihn nicht, da er ihn so theuer erkaufen sollte. Er war der treue Gesellschafter seines Vaters in der Krankheit, und theilte mit aufrichtigem Herzen die Freude seiner Geschwister bey der Genesung desselben.

Gustav brannte vor Begierde, den Begriff zu rechtfertigen, den man von seinen Fähigkeiten sich machte. Er bat seinen Vater um die Erlaubniß, einer kriegerischen [239] Unternehmung gegen Rußland beywohnen zu dürfen. Allein der König, der bey seiner Kränklichkeit einen plötzlichen Tod fürchtete, hielt es nicht für rathsam, in einem so kritischen Zeitpunkt den Kronprinzen sich entfernen zu lassen. Anderthalb Jahre später wurden Gustavs Wünsche erfüllt. Der König von Dänemark kündigte Schweden den Krieg an, und stürzte dadurch dies Reich, das schon durch einen langwierigen Kampf mit Rußland und Pohlen erschöpft war, in die größte Gefahr. Karl erklärte nun auf einer Versammlung der Stände zu Oerebro seinen Sohn, der noch nicht 17 Jahre alt war, für mündig, und schickte ihn nach Westgothland, um die Truppen, welche in dieser Provinz zerstreut waren, zusammen zu ziehen, und zur Hauptarmee zu führen.

Gustav richtete diesen Auftrag mit Ordnung und Genauigkeit aus, und wohnte nachher dem Feldzuge seines Vaters bey, der aber für Schweden nicht glücklich war. [240] Christian eroberte die Insel Oeland und die Stadt Calmar in Smaland, welche man damals für die stärkste Vestung im ganzen Königreich hielt, und führte nun seine Flotte nach Dänemark zurück. Karl nützte die Abwesenheit der Feinde, um die dänischen Besitzungen in Schonen zu beunruhigen. Gustav erhielt bey dieser Gelegenheit das Kommando über ein kleines Korps, mit dem er nach Oeland überschiffte, und diese Insel nebst dem Schloße Borgholm seinem Vater wieder eroberte. Auf seinem Rückzuge brachte eine seiner Patrouillen einen Dänen zu ihm, welcher von dem Kommendanten zu Christianopel an den König von Dänemark geschikt worden war. Man fand ein Schreiben bey ihm, worin der Kommandant um eine Verstärkung von fünf hundert Reutern bat, um damit den Streifereyen der Feinde Einhalt thun zu können. Gustav machte sogleich einen Plan, diesen Zufall zu nützen, um sich der Stadt Christianopel zu bemächtigen. Er wußte sich eine Menge dänischer Feldbinden zu verschaffen, ließ eine [241] gleiche Anzahl Schwedischer Reuter sich damit bekleiden, und rückte mit ihnen in der Nacht in aller Stille gegen die Stadt an. Alle Maasregeln waren mit äußerster Vorsicht genommen, die Truppen so gut unterrichtet, und das Geheimniß so strenge bewahrt, daß die Dänen glücklich hintergangen wurden. Sie öffneten ihre Thore, und die Reuter rückten in die Stadt. Kaum war aber der größte Theil hinein gedrungen, so überfielen sie die Thorwacht, hieben die wenigen, die in der Bestürzung Widerstand thun wollten, nieder, und waren Meister des Orts, ehe noch die erstaunte Besatzung, welche sogleich entwafnet wurde, sich zu ihrer Vertheidigung hatte versammlen können. – Gustav Adolph betrat also seine kriegerische Laufbahn mit einer Waffenprobe, die dem geübtesten Feldherrn Ehre gemacht haben würde.

Nachrichten von der immer zunehmenden Schwachheit des Königs unterbrachen die kriegerischen Unternehmungen Gustavs. [242] Auf den ersten Wink von der Gefahr seines Vaters flog er nach Nykiöping, und kam noch früh genug, um die letzten Augenblicke desselben zu versüßen. Er starb am 30. Oktober 1611.

Ungeachtet der großen Meinung, die Karl IX von den Talenten seines Sohnes hatte, schien es ihm doch zu gefährlich, einen noch nicht siebzehnjährigen Jüngling allein an der Spitze eines Königreichs zu lassen, das jetzt mit drey mächtigen Feinden zu kämpfen hatte. Er übertrug also der Königinn Mutter, dem Herzog von Ostgothland und sechs Reichsräthen die Regentschaft bis zu Gustavs vier und zwanzigstem Jahre, in welchem nach den Reichsgesetzen ein König von Schweden mündig wird. Gustav unterwarf sich dem Willen seinen Vaters; aber die wichtigsten Geschäfte des Krieges litten bey der Langsamkeit einer getheilten Verwaltung, und die Stände selbst, die sich wenige Wochen nach dem Tode des letzten Königs versammleten, hielten die Fähigkeiten des jungen Gustavs [243] für reif genug, um in diesem kritischen Zeitpunkt das Ruder der Regierung zu führen.

Die königliche Familie gab hier ein Beyspiel einer seltenen Uneigennützigkeit. Die verwittwete Königinn konnte sich durch einen Antrag beleidigt finden, der ihr die höchste Gewalt entriß, und den sie als eine Art von Mißtrauen hätte auslegen können. Aber Christine fühlte sich zu groß für diesen Argwohn; die Patriotin erkannte selbst die Mängel der jetzigen Regierungsart, und die zärtliche Mutter war auf nichts so stolz, als auf ihren Sohn. Ihm und Schwedens Vortheilen zum Besten entsagte sie sogleich der gesetzmäßigen Gewalt, zufrieden mit der Herrschaft über das Herz ihres Sohnes. Sie fand in der kindlichen Zärtlichkeit und in der Ehrfurcht, welche ihr Gustav bis an ihren Tod bezeugte, die schönste Belohnung jeder Aufopferung. Wir werden bald ihre mütterliche Gewalt im glänzendsten Triumph sehen. Mitten im Feuer der heftigsten [244] Leidenschaft war die bloße Furcht, den Beyfall seiner Mutter nicht zu erhalten, hinlänglich, den jungen König vor einem übereilten Schritt zu bewahren.

Auch das Betragen des Herzogs von Ostgothland verdient hier ein billiges Lob. Er war der Sohn von dem ältern Bruder des verstorbenen Königs. Sein Vater Johann, und sein Bruder Sigismund hatten die Schwedische Krone getragen; und als die Nation den letztern derselben verlustig erklärte, war Er nach dem Recht der Erstgeburt der nächste, dem sie gebührt hätte. Die Wahl des Volks übertrug sie Karl dem neunten, weil der Herzog von Ostgothland damals noch zu jung war, sie gegen Sigismund zu behaupten. Jetzt aber hätte er seine Ansprüche erneuern können, und wenn es ihm auch nicht gelungen wäre, sich den Schweden zum König aufzudringen, so hätte er doch, mit einen Theil der öffentlichen Macht ausgerüstet und von den Feinden des Reichs unterstützt, seinem Vetter sehr gefährlich werden können. [245] Allein das Vertrauen des verstorbenen Königs wurde gerechtfertigt. Sobald der Herzog die Wünsche der Nation erfahren hatte, legte er ohne zu murren die Regentschaft nieder, und entsagte sogar freywillig in einer öffentlichen Akte allen Ansprüchen auf die Krone, so lange ein Zweig von Gustav Adolphs künftiger Nachkommenschaft übrig seyn würde. Der junge König belohnte ihn dafür durch die ausgezeichnetste Achtung. Er erhöhte seine Einkünfte durch ansehnliche Güter in Westgothland, und gab ihm in der Folge seine Schwester Maria Elisabeth zur Gemahlin.

Gustav übernahm nun selbst die Regierung, und dankte den Ständen in einer Rede, die mit allgemeinem Beyfall aufgenommen wurde. Seine Jugend, seine Stellung, die natürliche Beredtsamkeit, die er in hohem Grade besaß, die richtige Beurtheilungskraft, die überall aus seinem Vortrag hervorleuchtete, ein edles Vertrauen auf sich selbst, das durch eine angenehme [246] Bescheidenheit gemäßigt wurde; alles an dem jungen Redner riß die Herzen der Zuhörer unwiderstehlich hin. Alle Forderungen des Königs wurden bewilligt, und niemand zweifelte, daß Schweden unter seiner Führung den ungleichen Kampf gegen überlegne Feinde glücklich bestehen würde. Was auch irgend ein heimlicher Neider des Hauses Wasa, oder die versteckten Anhänger Sigismunds denken mochten, so wagte es doch Niemand, bey dem allgemeinen Enthusiasmus der Nation für ihren hoffnungsvollen Monarchen, seine Stimme laut werden zu lassen. Der junge König übertrug die Kanzlerwürde dem Reichsrath Axel Oxenstierna, der damals erst sein dreißigstes Jahr vollendet hatte. Der vorige König hatte schon die außerordentlichen Fähigkeiten dieses Mannes entdeckt, und wenn es eine Abweichung von der alten Gewohnheit war, daß Gustav ihn so jung schon auf diesen erhabnen Posten hob, so ist wohl nie eine glücklichere Ausnahme von einem zur Regel gewordnen Herkommen gemacht worden.

[247] Der Schauplatz, den Gustav betreten hatte, war der Entwicklung großer Talente günstig. Ein an sich selbst armes, durch langwierige Unruhen erschöpftes, und im Verhältniß mit den weitläufigen Grenzen, die es zu vertheidigen hat, schwach bevölkertes Land, bot ihm wenig Hülfsmittel dar, einen dreyfachen Krieg nur mit einiger Gleichheit der Macht fort zu setzen. Die Vermittlung Englands und Hollands blieb fruchtlos, und der gefährlichste Feind der Schweden, Christian von Dänemark, bereitete sich mit einer mächtigen Flotte die besten Provinzen anzufallen, während die Truppen, welche sie hätten schützen können, an den entlegnen Grenzen gegen die Russen und Pohlen fochten. Gustav hatte den Dänen keine Seemacht entgegen zu setzen; er konnte daher ihre Landungen nicht hindern. Ein kleines Korps Landtruppen, das er in der Eil zusammen brachte, hatte das Unglück in einem nächtlichen Ueberfall, wobey der König selbst kaum sein Leben rettete, geschlagen zu werden. Die festen Städte, die das Land [248] beschützen sollten, ergaben sich an die Sieger, und Christian IV war im Begriff, durch eine schnelle Unternehmung auf das unbeschützte Stockholm dem Reiche einen tödtlichen Stoß zu geben.

Aus dieser Gefahr wurde Schweden durch die Geschicklichkeit eines Kaufmanns gerettet. Gustav hatte durch den Obristen Monikhaffer zwölf hundert Mann fremder Truppen in Holland anwerben lassen. Auf dieser Verstärkung beruhte seine ganze Hoffnung; er wußte sie unterweges, aber die Schwierigkeit war, sie ans Land zu setzen, da die Dänischen Flotten den Sund und die ganze Küste von Schweden an der Nordsee beherrschten. Cabellian, ein Holländischer Kaufmann, der nach dem Norden handelte, machte den kühnen Plan, die zwölf hundert Mann queer durch Norwegen dem bedrängten Gustav zu Hülfe zu führen. Er landete glücklich an einer unbewachten Küste, öffnete sich einen Weg mitten durch feindliche Provinzen, die von der Seite keine [249] Schwedische Truppen erwartet hatten, und brachte sie durch diesen großen Umweg zu dem König, der mit dem kleinen Rest seiner Soldaten bey Jönkiöping an der Grenze seiner Besitzungen stand, und schon hier die Absichten der Dänen auf diesen Ort vereitelt hatte. So bald die neue Verstärkung zu ihm gestoßen war, eilte Gustav an ihrer Spitze nach Stockholm, und legte einen Weg von achtzig Meilen mit solcher Schnelligkeit zurück, daß er den Dänen schon den Sieg aus den Händen gerissen hatte, ehe sie ihn noch von der Gefahr seiner Hauptstadt benachrichtigt glaubten. Sie waren über seine Gegenwart so bestürzt, daß sie seinen Angriff nicht einmal erwarteten, sondern in größter Geschwindigkeit wieder nach ihren Schiffen zurück eilten. Christian sah mit Erstaunen alle seine Plane, die er durch eine überlegene Macht unterstützte, an der klugen Thätigkeit eines jungen Königs scheitern, den selbst seine Niederlage nicht hatte muthlos machen können.

[250] Gustav wurde in Stockholm als der Retter des Vaterlands empfangen, aber der glückliche Erfolg berauschte ihn nicht. Ueberzeugt, daß es ihm in der Länge unmöglich seyn würde, der Uebermacht so zahlreicher Feinde die Spitze zu bieten, zog er einen, nur nicht gar zu nachtheiligen, Frieden mit dem gefährlichsten derselben, mit Dänemark vor, und verstand sich gerne zu einem kleinen Opfer, um die in dem Kriege eroberten Plätze zurück zu erhalten, und seine Grenzen von dieser Seite zu sichern. Der Friede wurde im Januar des Jahres 1613 geschlossen, und die Stände, über die kluge Mäßigung des jungen Helden entzückt, gaben mit Freuden ihre Bestätigung.

Gustav stand jezt in der Blüthe des Jünglingsalters; er hatte das achtzehnte Jahr vollendet, und in dieser frühen Epoche seines Lebens schon durch den Ruf seiner Thaten die Bewunderung der Zeitgenossen erregt. Noch hatte sein Herz nur für die Ehre geschlagen, aber er fühlte bald, daß [251] es auch anderer Empfindungen fähig sey. Die Tochter des Holländers, der Schwedens Erretter durch die Nordischen Gebirge ihm zugeführt hatte, war die erste, welche die sanften Gefühle bey ihm weckte. Sie begleitete ihren Vater nach Jönkiöping, und hier lernte der König sie kennen, da er das Haus des alten Cabelliau verschiedne Male besuchte. Er setzte den Umgang mit diesem muntern Mädchen zu Stockholm fort, sie war nicht unempfindlich gegen die Schmeicheleyen des jungen Kriegers, und ein Sohn, Gustav Gustavson, der nachher den Titel eines Grafen von Wasaburg erhielt, war die Frucht der ersten Liebe des Königs. Aber die Holländerin hatte keinen dauernden Eindruck auf Gustavs Herz gemacht. Er vergaß bald eine flüchtige Leidenschaft unter den wichtigen Geschäften, die ihm die Vorbereitung zu dem Kriege mit Rußland verursachte.

Dieses Reich war durch innre Unruhen und durch die Einfälle der Pohlen ein [252] Schauplatz der fürchterlichsten Zerrüttungen geworden. Der Czaar Basil Zusky hatte durch Treulosigkeit die Rache Carls des neunten gereizt, und diesen aus einem Bundsgenossen zu seinem Feinde gemacht. Durch die Pohlen und einen Usurpator des Throns auf das äußerste gebracht, boten die Großen des Reichs ihre Krone dem Prinzen Carl Philipp, Gustavs jüngerm Bruder an. Aber Carl trug Bedenken, seinen Sohn der Willkühr eines barbarischen Volks aus zu setzen. Er hinterließ dieses Geschäft, so wie den angefangnen Krieg seinem Nachfolger.

Gustav Adolph, der jetzt von der Seite Dänemarks sicher war, nahm sich vor, nun seine Waffen gegen Rußland zu richten. Die Boyaren verlangten, daß der Prinz Karl Philipp allein, und ohne Kriegsmacht zu ihnen kommen sollte, um die Regierung ihres verwirrten Staats zu übernehmen; aber auf diese Bedingung wollte ihn der König nicht von sich lassen. Er beschloß, ihn in Person an der Spitze einer [253] Armee nach Rußland zu begleiten. Die Stände hatten einen ansehnlichen Beytrag zu dieser Unternehmung bewilligt, und Gustav rüstete sich mit Macht zu dem nahen Feldzuge, als jene verführerische Leidenschaft, von der er nur erst den Vorgeschmack gekostet hatte, noch einmal mit ihrer vollen Gewalt in seinem Herzen Platz nahm, und auf eine Zeit lang die Stimme des Ruhms darin übertäubte.

Unter den Schönheiten am Hofe der Königin Mutter zeichnete sich vor allen die junge Gräfin Brahe aus. Regelmäßig schöne Züge, ein hoher schlanker Wuchs, und eine reine Gesichtsfarbe, zogen die Augen aller Männer auf sie. Ihr ruhiger und heitrer Blick traf desto sicherer, je weniger er seine siegende Gewalt zu ahnden schien, und indem sie durch ungekünstelte Anmuth die Herzen der Männer fesselte, söhnte sie zugleich durch die anspruchslose Bescheidenheit in ihrem ganzen Wesen ihr eignes Geschlecht mit ihren Reitzen aus. Sie war der Liebling der [254] Königin geworden, sobald sie am Hofe erschien; Christine wollte sie immer um sich haben, und vergaß ihrer sonst so wachsamen Vorsicht, indem sie selbst das Herz ihres Sohnes der Zaubergewalt dieser gefährlichen Schönheit aussetzte. Gustav fand die Gräfin fast immer in dem Kabinet seiner Mutter, wenn er zu ihr kam, sich mit ihr über die Angelegenheiten des Staats zu berathschlagen. Oft, wenn ein Geschäft die Königin abhielt, ihm sogleich Gehör zu geben, hatte er Gelegenheit, sich Stunden lang mit dem liebenswürdigen Mädchen zu unterhalten. Ihr erster Anblick erregte seine Bewunderung, und der Verstand, den er in ihr entdeckte, vollendete den Sieg ihrer Reitze.

Gustav hatte nun täglich wichtigere Geschäfte mit seiner Mutter abzuthun. Er konnte nichts mehr unternehmen, ohne sie auch bey den unbedeutendsten Dingen um Rath zu fragen, und beynahe immer mußte er eine Stunde dazu auswählen, wo die Königin ihm nicht sogleich Gehör [255] geben konnte, und also genöthigt war, ihn erst einige Augenblicke in der Gesellschaft der jungen Gräfin verziehen zu lassen. Der außerordentliche Werth, den der König auf ihre Rathschläge setzte, schmeichelte der guten Mutter, und ihre Freunde ließ es sie nicht ahnden, daß eine andre Ursache, als seine hohe Idee von ihrer Weisheit ihn zu ihr führen könnte. Aber sie war nicht die einzige, die sich über Gustavs Gesinnungen täuschte. Er selbst war weit entfernt, sich Rechenschaft davon geben zu können. Er räumte ein, daß ihn der Umgang mit der Gräfin anzöge, daß er stets um sie zu seyn wünschte, und diesen Genuß verschafte er sich auch, so oft es möglich war; aber er gestand sich nicht, daß er sie liebte, denn das wußte er selbst nicht. Er hielt das, was er für die Holländerin gefühlt hatte, für Liebe, und freylich waren seine jetzigen Empfindungen von einer ganz andern Art.

Er würde vielleicht noch lange in dieser Täuschung fort geschlummert haben, [256] wenn ihn nicht die nah bevorstehende Trennung daraus erweckt hätte. Die Heftigkeit seines Gefühls bey diesem Gedanken gab ihm zuerst den Aufschluß über sein eignes Herz. Aber diese Entdeckung hatte nichts fürchterliches für ihn. Gustav stand in dem glücklichen Alter, wo jeder Blick in die Ferne unsern Augen nur noch heitere Gegenstände zeigt. Er dachte sich mit Entzücken eine glückliche Zukunft an der Seite des vollkommensten Geschöpfs, und wo seiner Liebe Gefahren drohten, da lieh ihm die Hofnung den magischen Spiegel, in dem alle Hindernisse verschwinden. Es war einem neunzehnjährigen Jüngling und einem König, dem bisher alles gelungen war, zu verzeihen, wenn er sich leicht ihren schmeichelhaften Vorstellungen überließ. Die feurigsten Wünsche traten an die Stelle der schüchternen Sehnsucht, und sein bescheidner Muth sah keine Schwierigkeiten zu überwinden, als die ihm die Gleichgültigkeit der jungen Schöne, und sein eigner geringer Werth in ihren Augen entgegensetzen könnten. Ihre Gesinnungen [257] zu erforschen, schien ihm das Riesenwerk, das zu bestehen ihm oft die Kühnheit gebrach. Er zitterte, da verworfen zu werden, wo sein Verdienst schon lange für ihn gesiegt hatte. Gustav bedurfte des Glanzes nicht, den ihm die Krone gab, um einem für wahre Größe empfindlichen Herzen gefährlich zu werden. Seine edle Gestalt, sein hoher Wuchs und die ofne Gesichtsbildung, welche die Nachwelt aus so manchem Gemälde von ihm kennt, entsprachen durch eine glückliche Uebereinstimmung der Idee, welche die Gräfin, ehe sie ihn sah, sich von dem jungen Helden gemacht hatte, der in einem Alter, wo andre erst sich zu künftigen Männern bilden, schon durch die rühmliche Endigung eines gefährlichen Kriegs der Retter seines Vaterlands geworden war.

Aeußere Schönheit ist kein Verdienst, aber sie bleibt immer ein Vorzug, den nur der Neid gering schätzen kann, und ist, wenn innrer Werth und ein edles Betragen sie unterstützen, eine angenehme Folie des höheren Verdienstes. Die Gräfin [258] Brahe war für keine von den treflichen Eigenschaften des Königs blind, und die Offenheit die aus seinem ganzen Wesen hervorleuchtete, hatten ihr die beste Idee von seinem Charakter gegeben. Es war schwer, für einen solchen Gesellschafter nichts zu empfinden; ungerührt bey dem Dringen eines solchen Liebhabers zu bleiben, beynahe unmöglich. Aber nur in dem ersten Augenblick wurde ihr Herz überrascht. Ihr feines Gefühl des Schicklichen lehrte sie schnell, was Anstand und ihr eignes Verhältniß von ihr forderten, und sie hatte Standhaftigkeit genug, die schwerste der Pflichten zu erfüllen. Von der Minute an, wo ihr der König seine Liebe erklärt hatte, machte sie es ihm unmöglich, sie wieder ohne Zeugen zu sprechen, und sie fand selbst Mittel, ihm ihren Anblick in Gegenwart des ganzen Hofes zu entziehen.

Seine Leidenschaft wurde dadurch auf das äußerste gespannt, aber sie konnte ihn zu keiner Unternehmung hinreißen, die das feine Gefühl seiner Geliebten hätte beleidigen [259] könne. Sein Zustand wurde ihm jetzt unerträglich, er war zu jedem Geschäft, das sein königliches Amt von ihm heischte, beynahe ganz unfähig, und der Wunsch nur noch ein einziges Mal Gehör bey der Gräfin zu erhalten, verschlang alle andere Empfindungen in seiner Seele. Er fieng jezt erst an, Plane für seine Liebe zu machen; im ersten Taumel der Leidenschaft hatte er nicht Zeit gehabt, daran zu denken. Er durchlief die Geschichte seiner Vorgänger, und suchte Beyspiele auf, wo Könige sich mit den Töchtern ihrer Unterthanen verbunden hatten. Diese wurden ihm nicht schwer zu finden, und sie waren ein neuer Sporn für seine Wünsche, weil sie seine Hofnung belebten. Die Gräfin Brahe war aus einem Hause, das, wenn es auch durch den Schimmer der Krone nie verherrlicht worden war, doch keinem andern in Schweden an Alterthum und Glanz berühmter Männer nachstand. Er bedurfte dieser Entdeckung nicht, sich in dem einmal gefaßten Vorsatz zu bestärken, aber sie war ihm sanfter Trost, denn seitdem [260] er unglücklich war, sah er auch Schwierigkeiten für seine Liebe.

Er entschloß sich jetzt, an die Gräfin zu schreiben, und ihr seine Hand und seinen Thron anzubieten, aber er war zu edel, um ihr die Hindernisse zu verschweigen, die sich der Erfüllung seiner süßesten Wünsche entgegen sezten. Die Einwilligung der Königin Mutter war der große Stein des Anstoßes; Gustav fühlte, wie schwer diese zu erlangen seyn würde, und sein gutes Herz bebte bey dem Gedanken zurück, sie zu ertrotzen. Aber auch hier fand die stets gegen unsre Wünsche gefällige Hoffnung einen Ausweg. Sollte die liebende Mutter durchaus unerbittlich seyn, wo die ganze Glückseeligkeit ihres Sohnes auf dem Spiel stand? Konnte die große Kennerin wahren Verdienstes ihre Augen allein gegen die Vorzüge eines Mädchens verschließen, das des ersten Throns der Erde so werth war?

Diese Gründe legte er, mit der flammenden Beredtsamkeit der Liebe unterstützt, der Gräfin schriftlich vor; und auf [261] den ersten unbeantworteten Brief folgten schnell mehrere. Die sorgfältige Achtung der Schweden für alles, was auf ihren großen Gustav Beziehung hatte, hat verschiedne von diesen Denkmahlen seiner jugendlichen Empfindungen aufbewahrt, alle in der Sprache geschrieben, die so sicher zum Herzen dringt, weil sie das Herz allein zu führen im Stand ist. Welches Mädchen hätte nicht dadurch gerührt werden müssen! Dennoch verschloß die Gräfin ihre Wünsche tief in ihr Herz, und brach nicht eher das strenge Gesetz der Zurückhaltung, als bis ihr Vater selbst die Liebe des Königs gebilligt hatte. Ohne seinen Rath wollte sie in einer so bedenklichen Sache keine Schritt thun; aber sobald der alte Graf, den vielleicht Ehrgeiz oder väterliche Zärtlichkeit durch die Aussicht, seine Tochter auf einen Thron zu erheben, gewonnen hatten, auf die Seite ihres Herzens trat, war sie nicht mehr im Stande, den dringenden Liebhaber länger ungewiß zu lassen.

[262] Sie gestand dem König, daß er ihr nichts weniger als gleichgültig sey, und daß allein der Unterschied ihrer Verhältnisse sie abhielte, sich der angenehmen Hofnung einer festen Vereinigung zu überlassen. Zugleich erlaubte sie ihm, die Gesinnung seiner Mutter über diese Verbindung auszuforschen. Gustav hatte nicht den Muth, dies schwere Geschäft selber zu übernehmen. Er zitterte vor einer Antwort, die ihm alle Hoffnung abschneiden, und nichts als die traurige Wahl übrig lassen würde, auf ewig entweder mit der Mutter oder mit der Geliebten zu brechen. Wenigstens wollte er nicht der erste Gegenstand seyn, der nach der Ueberraschung dieses Antrages sich der in ihren Planen betrognen Königin darstellen würde, denn aus manchen Aeußerungen konnte er schließen, daß sie schon einen Entwurf zu einer andern Verbindung für ihn gemacht hätte. Er kannte die aufbrausende Hitze, die der einzige Fehler in seinem vortrefflichen Charakter war, und so sehr er sich auch schon in seiner frühen Jugend bemüht hatte, dies [263] heftige Temperament zu mäßigen, so mißtraute er doch sich selbst in dem Augenblick, da das Schicksal seines ganzen Lebens auf der Waagschale lag, und wo die Heftigkeit der glühendsten Leidenschaft dies angebohrne Feuer zur wildesten Flamme anfachen mußte.

Es kam jezt darauf an, sich zu entschließen, welchem von seinen Hofleuten er durch Uebertragung dieses wichtigen Geschäfts den größten Beweis von seinem Zutrauen geben wollte. Die Wahl war nicht leicht. Sie mußte einen Mann treffen, der durch seine Person und den Kredit, worin er bey der Königin stand, einen an sich gefährlichen Auftrag nicht noch verschlimmerte. Aus diesem Grunde durfte es keiner von den gewöhnlichen Höflingen seyn, die auf die Leidenschaften und Verirrungen der Monarchen so gern ihre eigne Größe bauen, und mit begieriger Selbstsucht nach ähnlichen Aufträgen haschen. Den Kanzler Oxenstierna an Christinen zu schicken, trug Gustav Bedenken, weil er von diesem Mann Einwürfe gegen seine [264] Wünsche befürchtete. Nach einer langen Musterung blieb er endlich bey dem Herzog von Sachsen Lauenburg stehen, der sich damals zu Stockholm aufhielt. Als ein fremder Fürst, der mit keiner der Schwedischen Familien in besondrer Verbindung stand, und mit dem königlichen Hause verwandt war, schien er durch seine wahrscheinliche Unpartheilichkeit bey der ganzen Sache vor allen andern am geschicktesten, die Königin Mutter mit den Wünschen ihres Sohnes bekannt zu machen.

Der Herzog übernahm den Auftrag und richtete ihn auch aus. Es ist wahrscheinlich, daß er der Königin keine ihr völlig unbekannte Sache entdeckte. Die Dienstfertigkeit der Höflinge, und ihr eifersüchtiges Spähen auf jede Handlung der Fürsten macht es beynahe unglaublich, daß Christine von der Neigung ihres Sohnes noch gar keine Ahndung sollte gehabt haben. Aber ihre Vorsicht hielt es vielleicht bey einer Sache, die durch keine Gewalt zu ändern war, für das Beste, die große Schwierigkeit, die in dieser Entdeckung [265] lag, nicht durch voreilige Hitze selbst aus dem Wege zu räumen, und ganz gewiß hatte sie auch die Leidenschaft des Königs nicht so heftig geglaubt, als der Auftrag des Herzogs sie ihr schilderte. In so fern konnte das Erstaunen, das sie bey der Anhörung desselben zeigte, aufrichtig seyn, aber ihre Klugheit verließ sie auch in diesem kritischen Augenblicke nicht.

Ueberzeugt, daß eine Leidenschaft wie diese, durch Schwierigkeiten zwiefache Stärke erlangt, und daß vermehrte Hindernisse in Seelen wie Gustav Adolphs nur neue Kräfte entwickeln, erlaubte sie sich keine andre Aeußerung als den sanften Schmerz fehlgeschlagner Hoffnung. Auf ihres Sohnes ängstliche Besorgniß, ihr zu mißfallen, baute sie ihren ganzen Plan. Ein einziges rasches Wort konnte die zarten Fäden zerreißen, die allein seiner Leidenschaft noch einen Zaum anlegten, aber je schwächer dieser Zaum war, desto besser war er im Stande, von einer geschickten Hand gelenkt, die kühnen Wünsche des Königs zu bändigen.

[266] Die Königin hoffte nichts von offenbarem Widerstande, von der Zeit und weisem Nachgeben alles. Aber es war gleich gefährlich, Gustavs Liebe durch Schwierigkeiten oder durch Hoffnung zu nähren. Christine wußte klug die schmale Mittelbahn zu wandeln, indem sie seine Hoffnung weder aufmunterte noch niederschlug. Was sie durch die einmal geschehene Entdeckung seiner Leidenschaft verloren hatte, gewann sie auf der andern Seite wieder, indem sie selbst sich dieser Leidenschaft bemächtigte, und die Führerin derselben wurde. Die Gräfin Brahe besaß Christinens Achtung, und einst hatte die Königin ihr mehr Achtung, selbst mütterliche Zuneigung bewiesen, aber wenn sie auch zu sehr Königin war, um nicht einen kleinen Widerwillen gegen die Person zu fassen, die es gewagt hatte, ohne ihre Einwilligung das Herz ihres Sohnes zu rühren und dadurch alle ihre Plane zu vereiteln drohte, so hütete sie sich doch sorgfältig, dies Gefühl durch die leiseste Aeußerung merken zu lassen. Sie war zu klug, um [267] nicht zu wissen, daß Gustav ihr eher den wüthendsten Ausbruch des Zorns, als den kleinsten Zweifel an der Würdigkeit seiner Geliebten verzeihen würde. Alle diese Ueberlegungen gaben ihr die Antwort ein, die sie dem Herzog ertheilte. Ich kann der Wahl des Königs meinen Beyfall nicht verweigern, sagte sie, noch seine Neigung mißbillingen. Es war unmöglich, daß er bey so viel Reizen unempfindlich bleiben konnte. Die Gräfin Brahe ist durch ihre Geburt der Krone nicht unwürdig; ihre Tugenden und ihr persönliches Verdienst würden jeden Thron der Erde schmücken. Wenn mein Sohn aus einer Schwedischen Familie eine Gemahlin wählen will, so ist keine, die seine Hand so sehr verdient, als die Gräfin. Aber, setzte sie hinzu, sagen sie ihm auch, daß ich ihn als seine beste Freundin, und ohne mich als seine Mutter zu betrachten, bitte, sich überhaupt mit keiner Verbindung jezt zu übereilen. Er gewähre mir nur den Aufschub weniger Jahre, den jezt die dringenden Angelegenheiten des Reichs ohnedem unumgänglich [268] erfordern, und dann will ich selbst die erste seyn, alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, und ihn zum Ziel seiner Wünsche zu führen.

Eben dieses sagte sie auch dem König selbst bey ihrer nächsten Zusammenkunft, und unterstützte ihre Bitte durch eine Menge wichtiger Gründe, die sie aus dem gegenwärtigen Zustande der öffentlichen Angelegenheiten nahm. Sie legte ihm die Briefe des Generals la Gardie vor, der jetzt in Rußland große Eroberungen machte. Sie erweckte das Ehrgefühl Gustavs, und machte es ihm schimpflich, nichts als verwelkte Lorbeeren seiner Geliebten darbringen zu können. Die Handlungen der Monarchen, sagte sie, sind mit Recht dem Urtheil der ganzen Welt unterworfen. Die Meinung ihrer eignen Unterthanen und der fremden Nationen entscheidet oft das ganze Schicksal ihrer Regierung. In einem Augenblick, wo das Reich in zwey schwere Kriege verwickelt ist, wo es darauf ankömmt, einen Bruder auf den Thorn eines fremden Volks zu setzen, und seinen [269] eigenen erst zu beseitigen, ziemt es dem König nicht, an seine Vermählung zu denken. Dann erst, wenn er seiner Nation den Frieden gegeben, und das Innre des Reichs eingerichtet; wenn er auch die Möglichkeit des Vorwurfs weichlicher Schwachheit durch seine Thaten vernichtet hat: dann erst ist es ihm erlaubt, auch an sich selbst zu denken; dann wird auch jede Einwendung von Seiten der Stände, denen allerdings die Person ihrer künftigen Königin nicht gleichgültig seyn kann, vor dem Glanz seines neuen Ruhms von selbst verschwinden; und dann werde auch ich, als Mutter, seiner Wahl, sie möge nun treffen welche sie wolle, kein Hinderniß in den Weg legen.

Die Königin hatte auf diese Unterredung ihre ganze Hoffnung gebaut. Sie sah in dem Laufe derselben Gustavs Wangen einige Male mit hohem Roth übergossen, und sie hielt ihre Sache schon halb gewonnen, da sich das Heldengefühl bey dem leisen Vorwurf der Schwachheit so mächtig in seiner Brust wieder empörte. [270] Aber sie kannte auch das menschliche Herz zu gut, um nicht zu wissen, wie begierig es nach dem schwächsten Vorwand hascht, um das, was es wünscht, sich als Nothwendigkeit vorzubilden, und wie gern es dann vor dem Richterstuhl der selbst erschaffnen Tugend die Erfüllung eingebildeter Pflichten sich als ein Verdienst anrechnet. Vor dieser Verirrung wollte sie ihren Sohn bewahren, indem sie ihm zu dem schweren Sieg, den er über sich selbst davon tragen sollte, alle Mittel mit zuvorkommender Bereitwilligkeit erleichterte. Der wichtigste Einwurf, den sie befürchtete, war das Versprechen, das er seiner Geliebten gegeben hatte. Sie selbst übernahm es, die Nothwendigkeit, seine Verbindung aufzuschieben und vor jezt noch geheim zu halten, der Gräfin vorzustellen, und sie um ihre Genehmigung zu bitten.

Auf so viel Nachsicht und Herablassung war Gustav nicht gefaßt. Er hatte einen heftigen Sturm befürchtet, und so wehe dieser auch seinem Herzen gethan [271] haben würde, so hätte er ihn doch gewiß bestanden. Aber was blieb ihm übrig, da seine Mutter so ganz theilnehmende Freundin war, und den Rath, den sie ihm gab, mit so kräftigen Gründen unterstützte? Er hatte durch seine Leidenschaft ihr einen angenehmen Plan vereitelt, aber, da sie den Kummer darüber ihn gar nicht sehen ließ, konnte er sie unmöglich so tief kränken, daß er ihren Rath, den er sonst in allen Stücken zu befolgen gewohnt war, in dieser wichtigen Angelegenheit störrisch verworfen hätte. In Christinens Anerbietung, selbst seine Geliebte um ihre Einwilligung zu bitten, lag ein geheimer Vorwurf seiner Schwäche, aber sie zeigte auch zugleich so viel Schonung, und schmeichelte den Stolz auf seine Wahl so sehr, daß er mit tiefgerührtem Herzen seiner Mutter dafür dankte, und die Schlinge gar nicht ahndete, die dahinter verborgen lag; denn es blieb der Gräfin nun nichts übrig, als entweder ihr Schicksal ganz in die Hand der Königin zu stellen, oder eine Eigennützigkeit zu zeigen, [272] die Gustavs Herz von ihr entfernen mußte. Ihr Edelmuth ließ sie das erste wählen.

Der König verließ das Zimmer seiner Mutter in einer Art von Betäubung, und suchte die Einsamkeit, um seine verwirrten Ideen ordnen und über das Vergangne nachdenken zu können. Er glaubte, nachdem er dem Ziel seiner Wünsche um einen so großen Schritt näher gerückt war, keiner andern, als der frohsten Empfindung fähig zu seyn, aber ein gewisses dunkles Gefühl, das er sich selber nicht erklären konnte, erstickte seine Heiterkeit. Er fürchtete beynahe noch mehr für seine Liebe nach der Unterredung mit seiner Mutter, als vorher. Bis dahin hatte er Christinens Einwilligung für die einzige Schwierigkeit gehalten, die er überwinden müßte; jetzt war diese gehoben, aber ein ganzes Heer neuer Hindernisse drängten sich nun hervor. Voll von diesen Gefühlen schrieb er an die Gräfin, in der Absicht, ihr die erste Nachricht von dem glücklichen Erfolg der Unterhandlung mit der Königin zu geben. Sein Brief, der bis auf unsre Zeit gekommen [273] ist, giebt ein treues Gemälde von dem Wechsel der Empfindungen in seiner Seele. Bald überläßt er sich der Freude, daß nun seine Leidenschaft und seine Wahl auch die Billigung seiner Mutter erhalten hätten. Er bittet die Gräfin, dem Willen der Königin sich nicht zu widersetzen, alles, was diese ihr sagen würde, mit Sanftmuth anzuhören, und gewiß zu seyn, daß ihre Sache in keine bessern Hände habe gerathen können. Dann verliert er sich auf einige Augenblicke in schwärmerischen Aussichten in die Zukunft, und kömmt schnell wieder auf die gegenwärtigen Hindernisse zurück. Er nennt diese einen Probierstein der Liebe; sie könnten ihm beynahe lieb seyn, sagt er, weil sie blos eine Gelegenheit wären, Beweise von seiner Standhaftigkeit zu geben. Bald darauf beschwört er die Gräfin, ihre Gesinnungen gegen ihn nicht zu ändern, und versichert sie, daß keine Unglücksfälle und keine Macht auf Erden im Stande seyn sollen, die seinigen wandelbar zu machen. Der Gedanke an Trennung reißt ihn zu schwermüthigen [274] Gefühlen hin, aus denen er sich durch die heitre Gottesfurcht, die mit seiner ganzen Empfindungsart so innig verwebt ist, wieder empor hebt. Er erinnert sich dankbar so vieler ausgezeichneter Wohlthaten, die er von dem Himmel empfangen habe, und hofft mit froher Zuversicht, daß Gott, der die Reinigkeit seiner Gesinnungen kenne, auch seiner Liebe nicht zuwider seyn, sondern ihn gewiß zum Ziel seiner Wünsche führen werde.

In der ganzen Reihe von Briefen, die Gustav in der Folge an die Gräfin schrieb, herrscht stets dieselbe ungeheuchelte Frömmigkeit, neben der wärmsten Zärtlichkeit für seine Geliebte. Sie tragen alle jenes Gepräge von Simplizität und Tugend, das den Charakter dieses vortrefflichen Königs so liebenswürdig macht. Von dem tiefen Gefühl seiner Regentenpflicht durchdrungen, und von dem edlen Ehrgeitz, seinen Namen berühmt zu machen, angespornt, hofft er noch immer in den Armen der Liebe einst den süßesten Lohn zu erndten. [275] Aber man sieht auch in diesen Briefen den allmählichen Uebergang der auflodernden Jünglings Leidenschaft in die sanftere Zärtlichkeit des Mannes. Die nähere Bekanntschaft mit dem Umfang und der Wichtigkeit seines großen Amtes dämpfte nach und nach die ersten stürmischen Gefühle der Jugend. Er lernte einsehen, daß es Wünsche giebt, die ein König sich versagen muß, wenn gleich die stille Tugend des Bürgers sie billigt. Er fühlte endlich, daß ein Geist, wie der seinige, der ganzen Welt gehöre, daß er Verzicht thun müsse auf die sanfteren Freuden eines engen Cirkels, die, indem sie die Kraft des Schwächeren erwärmen, dem kühnen Streben einer Heldenseele doch immer nur lastende Fesseln werden müssen.

v. F.