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Titel: Gurney’s Dampfwagen
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 11 und 12, S. 41–43
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Gurney’s Dampfwagen.[1]

Die Neugierde, welche – nicht allein in England – das Gerücht von der neuen Erfindung von Dampfwagen erregt, die an die Stelle der von Pferden gezogenen Gefährte treten sollen, veranlaßt uns, die neuesten Nachrichten über eine Spekulation, an welche so viele Interessen geknüpft sind, unsern Lesern mitzutheilen.

Der Wagen, von dem so oft in allen Tagblättern der letzten Zeit die Rede war, ist die Erfindung von Mr. Gurney, einem durch sein Werk „Lectures on chemical science“ in der gelehrten Welt vortheilhaft bekannten Manne, der, nach einer Menge von Versuchen während der beiden letzten Jahre, seinen Plan nun zur Vollendung gebracht hat. Wir haben kaum nöthig, zu sagen, daß bei der Ausführung eines solchen Werkes große Schwierigkeiten zu überwinden waren; aber es muß jedem Freunde wissenschaftlicher Bestrebungen angenehm seyn, zu erfahren, daß Mr. Gurney endlich die Belohnung für seine eben so verständige, als unermüdliche Ausdauer gefunden hat. Der Wagen ist, in allen seinen Theilen vollendet, von sachverständigen Männern aus allen Ständen in Regents-Park, wo er ausgestellt war, besichtigt worden; sie haben denselben in Bewegung gesehen, – sie haben die Leichtigkeit bemerkt, mit welcher er geleitet wird, die Schnelligkeit seines Fortrollens, die Einfachheit seiner Bauart und vor allem seine vollkommene Sicherheit, und der Erfolg hat sie überzeugt, daß derselbe in kurzer Zeit allgemeine Aufnahme finden wird, und besonders daß die Anwendung desselben Princips auf andere Zugarten in kurzem die viel kostspieligere Benutzung der Pferde völlig verdrängen muß.

Daß bei der ersten Erwähnung einer Dampfmaschine, die mit einem Wagen in Verbindung gesetzt sey, die Furchtsamen Lärm zu schlagen anfingen, kann uns nicht in Verwunderung setzen, zumal, wenn wir bedenken, wie viele traurige Ereignisse sowohl auf den Dampfboten als in den Manufakturen Großbritanniens durch das Bersten der Kessel dieser Maschinen bereits veranlaßt worden sind. Durch die sinnreichen Bemühungen Mr. Gurney’s sind indessen die Besorgnisse dieser Art beseitigt worden; und wir können mit voller Ueberzeugung sagen, daß selbst durch das Bersten seines Dampfkessels den Passagieren nicht die mindeste Gefahr drohte. Dieser ist von cylinderartiger Form und nach einem von allen früheren völlig verschiedenen Plane gebaut. Statt daß derselbe, wie dieß gewöhnlich der Fall ist, ein großes, mit Ausnahme der Klappen und der Dampfconductors, auf allen Seiten verschlossenes Gefäß wäre, welches durch einen zu hohen Druck oder einen zufälligen Fehler gesprengt werden und in seine Zerstörung die seiner ganzen Umgebung hineinziehen könnte, besteht der von Mr. Gurney erfundene aus einer Reihe von ungefähr 40 zusammengeschweißten Eisenpfeifen, die in der Art der gewöhnlichen Gasröhren in bestimmten Entfernungen zusammengeschraubt sind und etwa anderthalb Ellen (Yards) in gerader Linie, gleich weit von einem kleinen Wasserbehälter entfernt fortlaufen, dann einen Halbzirkel von ungefähr einer halben Elle im Durchmesser beschreiben und in Parallellinien gegen die untern Röhren zurückkehren, zu einem oberhalb derselben angebrachten Behälter, indem sie auf diese Weise eine Art von umgekehrtem Hufeisen bilden. Der Raum zwischen diesem Hufeisen, welches den Dampfkessel bildet, ist der Ofen; und das Ganze ist von Gußeisen umschlossen.

Die Vortheile dieser Anordnung sind augenscheinlich; denn während eine mehr als hinreichende Quantität von Dampf erzeugt wird, ist der einzige mögliche Unfall, der sich ereignen kann, das Bersten einer dieser Pfeifen und eine temporäre Verminderung der Dampfkraft um ein Vierzigtheil. Die Wirkung dieses Unfalls wäre demnach auf den eigenen Umfang desselben beschränkt, und der Maschinenmeister könnte in zehn Minuten den Schaden bessern, indem er die verletzte Röhre herauszöge und die Oeffnungen an beiden Seiten verstopfte, zu welchem Ende er mit den erforderlichen Materialien versehen werden kann; aber außerdem sind die Proben, welchen diese Röhren vor dem Gebrauche unterworfen werden, – indem sie einen fünfhundertmal größeren Druck aushalten müssen, als der, welcher erfordert wird – von der Art, daß das Eintreten dieses Unfalls, so unbedeutend er auch ist, fast rein unmöglich wird. Ein in dieser Art gebauter Dampfkessel, welcher in Mr. Gurney’s Werkstätte seit zwei Jahren täglich arbeitet, ist beständig so fest und unversehrt, als je.

Merkwürdig ist, daß Mr. Gurney, welcher seiner Erziehung nach zum Arzt bestimmt war, die Construction des menschlichen Körpers und des der Thiere im Allgemeinen für seine Erfindung zum Modell genommen hat. Seine Dampf- und Wasserbehälter, oder vielmehr Separators, wie er sie nennt, die wir auf unserm Steindruck an den beiden Enden sehen, sind gewissermaßen die Herzkammern [42] seiner Dampfmaschine, die unteren Pfeifen des Kessels sind die Arterien und die oberen Pfeifen die Venen. Das Wasser, welches hier die Stelle des Blutes vertritt, wird zuerst von den Behältern in die Pfeifen gesendet, – die Wirkung des Feuers verwandelt dasselbe bald in Dampf, welcher durch die Pfeifen zu dem oberen Theile des Behälters aufsteigt und ein gewisses Maaß Wasser mit sich in die Separators führt, welches natürlich in den unteren Theil hinabsinkt, und zurückkehrt, um die Pfeifen wieder zu füllen, welche durch die Verdampfung geleert worden sind; da der Dampf das Wasser von oben mit elastischer Kraft niederdrückt und daher die Pfeifen beständig voll und den regelmäßigen Umlauf ununterbrochen in Gang erhält.

Im Centrum des Separators sind perforirte Dampfröhren, welche beinahe bis zu den – natürlich (um das Entfliehen des Dampfes zu hindern) hermetisch verschlossenen – Enden derselben aufsteigen. Durch diese Röhren dringt der Dampf mit seiner ganzen Kraft herab und wird durch eine Hauptröhre unter dem Wagen fortgeführt bis zu dem Ende der Platteforme, welche das Wasserbecken bildet. Diese Röhre läuft unter derselben so weit hin, bis sie zwei große Seitenröhren erreicht, die in Verbindung stehen mit den Cylindern, deren Stämpel die Maschinerie in Gang bringen. Die Kurbeln (cranks) der Achse werden so in Bewegung gesetzt und den Rädern ihre Rotation gegeben. – Durch die auf diese Art erzeugt Kraft wird auch eine Pumpe getrieben, welche das Wasser in den Dampfkessel pumpt und diesen beständig voll erhält. Das Wasserbecken muß zu gewissen Fristen – durch einen sehr einfachen Proceß – aufs neue gefüllt werden; und es ist darauf berechnet, daß es eine hinlängliche Quantität (sechzig Gallonen) für die Consumtion einer Stunde hält. Der Ofen (in dem Dampfkessel) ist gleichfalls darauf berechnet, eine verhältnißmäßige Menge Brennmaterialien zu fassen und kann mit gleicher Leichtigkeit aufs neue mit denselben versehen werden.

Was die äußere Form betrifft, so ist der Wagen den gewöhnlichen englischen Landkutschen ähnlich, nur größer und höher stehend, da der Kasten neun Fuß vom Boden erhaben ist. Die Außensitze sind wie gewöhnlich; und hier kann man fragen, ob die Passagiere auf den Hintersitzen nicht durch den aus dem Ofen aufsteigenden Rauch belästigt werden würden? Wir können dieß verneinen; den eigentlichen Rauch giebt es gar nicht, da bloß Holzkohle oder abgeschwefelte Steinkohle gebraucht wird. Die verdünnte heisse Luft aber, die aus den Rauchfängen kommt, wird durch die Bewegung des Wagens sogleich zerstreut; ausserdem stehen die Rauchfänge höher, als die Sitze der Passagiere.

Mr. Gurney’s Wagen würde mit Bequemlichkeit im Innern sechs und auf den Außensitzen fünfzehn Passagiere aufnehmen, außer dem Lenker, welcher zugleich der Maschinenmeister ist. Auf der Vorderseite der Kutsche ist ein geräumiger Kasten, das Behältniß auf der Rückseite, welches die Form eines Kastens hat, ist die Kapsel für den Dampfkessel und Ofen, welcher – wir wiederholen es – nicht die geringste Unbequemlichkeit für die Aussenpassagiere verursacht, sondern nur einen gewissen Grad von Wärme verbreitet. – Die Länge des Wagens von einem Ende zum andern ist fünfzehen Fuß, und mit der Deichsel und den Lenkrädern, zwanzig Fuß. Ein dreifacher Baum trägt die Maschinerie, und unter demselben sind zwei Forttreiber (propellers), welche beim Hinauffahren auf eine Erhöhung in Bewegung gesetzt werden können, und mit einer der Thätigkeit von Roßschenkeln zu vergleichenden Wirkung die Kraft der Maschine unterstützen. Beim Abwärtsfahren tritt dagegen die Wirkung einer Schleife ein, welche an den Hinterrädern angebracht ist, um die Reibung zu vermehren; außerdem kann der Wagenlenker die Kraft des Dampfes nach Willkühr mindern oder völlig aufheben; indem er zur Rechten einen Hebel hat, der auf die Drosselklappe (throttle valve) wirkt und sogleich ein Vacuum in den Cylindern hervorbringen kann. – Auf diese Weise bestimmt er auch die Schnelligkeit der Bewegung, die von zwei Meilen zu zehn Meilen oder noch mehr in der Stunde variirt. Ein anderer Hebel bringt den Wagen erforderlichen Falls in einem Augenblick zum Stillstehen.

Das Lenken des Wagens geschieht mit der größten Leichtigkeit: indem der Wagenlenker durch eine Handhabe, die mit der Deichsel und durch diese mit den Lenkrädern in Verbindung steht, die Richtung des Wagens bis auf ein Achttheil-Zoll bestimmen, allen Hindernissen ausweichen, um Ecken beugen, kurz alles das thun kann, was ein geschickter Kutscher bei einem gewöhnlichen Wagen thut.

Das Gesammtgewicht des Wagens mit seinem ganzen Apparat wird auf 3000 Pfund (11/2 tons) geschätzt und die Abnutzung der Straße verhält sich zu der von einem gewöhnlichen Wagen, welcher von vier Pferden gezogen wird, wie 1 zu 6. Wenn der Wagen in Bewegung ist, wird nicht das geringste Geräusch von der Maschinerie gehört; die Erschütterung desselben ist, bei der größeren Solidität der Bauart, bei weitem geringer, als die eines gewöhnlichen Wagens. Die Maschine besitzt die Kraft von zwölf Pferden, und diese kann bis auf 18 erhöht werden, während für den gewöhnlichen Gebrauch, außer zum Bergauffahren, nur eine Kraft von 8 Rossen erfordert wird.

Die Ersparung, welche der Gebrauch des Dampfwagens brächte, ist – wenn man die Kosten desselben mit denen der von vier Pferden gezogenen Landkutsche von London nach Bristol vergleicht, sehr bedeutend. Straßenzoll sollte, nach einer Erklärung des Ministeriums nicht eher erhoben werden, bis vierzig Dampfwagen in Gebrauch wären; man beabsichtigt indessen, um alle Streitigkeiten zu vermeiden, die Hälfte des gewöhnlichen Weggeldes zu zahlen.

Erklärung der Zahlen in der Abbildung.
Fig. I.
1) Der Wagenlenker und Maschinenmeister.
2) Die Handhabe, welche die Deichsel und Lenkräder leitet.
3) Die Lenkräder (Pilot-Wheels).
4) Die Deichsel.
5) Der Vorkasten, für Gepäck.
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06) Die Drosselklappe (Throttle-Valve) der Hauptdampfröhre, welche durch die Handhabe nach Gefallen geöffnet oder geschlossen werden kann.
07) Das Wasserbecken, das die volle Länge und Breite des Wagens einnimmt.
08) Der Kutschkasten, in welchem Passagiere sitzen.
09) Außen-Passagiere.
10) Der Hinterkasten, welcher den Dampfkessel und den Ofen enthält.
11) Die Separators, in welchen der Dampf vom Wasser geschieden wird, indem dieses in den Dampfkessel zurückkehrt, und jener in die Dampfröhren aufsteigt.
12) Die Pumpe, durch welche das Wasser aus dem großen Becken in den Behälter gepumpt wird.
13) Die Haupt-Dampfröhre, die von den Separatoren aus unter dem Kutschkasten hin zu der Drosselklappe und den Cylindern Nro. 16. geht.
14) Die Rauchfänge, vier an Zahl.
15) Die drei verbundenen Wagenbäume.
16) Die Cylinder, zwischen den Bäumen, je einer, durch welche die Stämpel wirken.
17) Klappenbewegung, welche abwechselnd zu beiden Enden der Stämpel Dampf führt.
18) Kurbeln (Cranks), welche auf die Achse wirken.
19) Forttreiber (Propellers), welche beim Bergauffahren in Bewegung gesetzt werden.
20) Die Schleife (Drag), welche als Hemmkette dient.
21) Der Griff (Clutch), welcher an der Achse angebracht ist und bei dem Herumdrehen derselben in eisernen Stäbe, Verlängerungen der Speichen, der Büchse (box) greift, und dadurch die Räder herum dreht.
22) Die Sicherheitsklappe, welche den erforderlichen Druck des Dampfes bestimmt.
23) Die Oeffnung, durch welche das Wasserbecken gefüllt wird.
Fig. II. Die Hinterseite des Dampfwagens.
01) Die Ofenthür.
02) Die Hähne der beiden Maaßstäbe, der obere für den Zustand des Dampfes, der untere für die Quantität des Wassers.
03) Dampfröhren, welche den Dampf leiten, daß er auf die Stämpel wirkt.
04) Der Blasehahn (Blow-Cock).
05) Der Hahn, um das Wasserbecken zu leeren.
06) Die Rauchfänge.
07) Die Röhren, durch welche das Wasser aus den Separators in den Dampfkessel getrieben wird.
08) Die Dampfseparators.

  1. Mit einer lithographischen Abbildung.