Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/7. Kapitel

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Das siebente Kapitel.
Gott hat vor anderen Creaturen den Menschen mit herrlichen Gaben geziert und nach seinem Ebenbilde erschaffen.

 158. Unter den erschaffenen Creaturen unsres Gottes ist der Mensch die letzte, dem er die Welt zur Wohnung zurichten wollte; und zwar hat der Herr zween Menschen, einen Mann und ein Weib geschaffen, 1 Mos. 5, 2. „Gott schuf sie ein Männlein und Fräulein, und hieß ihren Namen Mensch; den Mann hat er dem Leibe nach aus einem Erdenkloß gemacht, aber die Seele ihm selber eingeblasen, 1 Mos. 2, 7. „Gott machte den Menschen aus dem Erdenkloß, und er bließ ihm ein den lebendigen Odem in seine Nasen, und also wurde der Mensch eine lebendige Seele;“ das Weib aber hat er aus des Mannes Rippen geschaffen. 1 Mos. 2, 22.

 159. Der Mensch aber ist nicht sündlich, schwach, gebrechlich und sterblich geschaffen worden, wie er jetzt ist, sondern nach Gottes Ebenbild, in welchem Worte der ganze erste Stand des Menschen, in den er durch die erste Erschaffung gesetzt worden ist, begriffen wird, daher wir fleißig zu vernehmen haben, was dieses göttliche Ebenbild gewesen ist.

 160. Das Wort: Gottes Ebenbild wird gebraucht von dem Herrn Christo, der das Ebenbild| Gottes genannt wird, 2 Cor. 4, 4.; das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, Coloss. 1, 15.; der Glanz der Herrlichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens, Hebr. 1, 3., in welchem Verstande dieser Name dem Herrn Christo, als dem ewigen Sohn Gottes, allein zusteht.

 Darnach wird der Ehemann ein Ebenbild Gottes genannt, 1 Cor. 11, 7. „Der Mann ist Gottes Bild und Ehre, das Weib aber ist des Mannes Ehre.“ d. h. wie Gott in der Welt ein Regent ist, also führe ein Mann im Hause das Regiment. In dem Verstande gebührt dieser Name allein den Ehemännern, nicht dem weiblichen Geschlecht, nicht den Kindern, ledigen Personen oder Wittwen.

 Zum dritten heißt Gottes Ebenbild die Unschuld, Vollkommenheit und Glückseligkeit, die Gott dem ersten Menschen in der Erschaffung gegeben, und von der er gewollt hat, daß der Mensch dieselbe auf alle seine Nachkommen bringen solle. Von diesem ist hier auch zu handeln.

 161. Das göttliche Ebenbild ist eine Gott wohlgefällige und der menschlichen Natur angeschaffene Vollkommenheit, die da bestehet in Erkenntniß Gottes und seiner Geschöpfe, in völliger Gerechtigkeit, rechtschaffener Heiligkeit, in freiem Willen, das Gute zu thun und das Böse zu meiden, in Unsterblichkeit und dann in Beherrschung und Regierung über die leiblichen Geschöpfe. Es sind also sieben Stücke, welche zum Ebenbilde Gottes gehören.

|  162. a. Gottes Erkenntniß. Gott erkennen, stehet allein Gott zu, Niemand kennet den Sohn, denn der Vater, und Niemand kennet den Vater, denn der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren, Matth. 11, 27. „Niemand weiß, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes,“ 1 Cor. 2, 11. Wenn demnach der Mensch Gott recht erkennt, wird er ihm damit gleich und ist solche Erkenntniß ein Stück des göttlichen Ebenbildes, wie es St. Paulus beschreibet Col. 3, 10. „Ziehet den neuen Menschen an, der da erneuert wird zu der Erkenntniß, nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat.“

 163. b. Erkenntniß der Creaturen. Diese steht auch Gott allein zu, als der allein Alles weiß. Wenn nun der Mensch die Geschöpfe Gottes genau und eigentlich erkennt, wird er auch in diesem Stücke gleich, so wie Adam Gott glich, wenn er die Thiere, die ihm Gott vorstellte, also erkannte, daß er einem jeglichen seinen Namen geben konnte, 1 Mos. 2, 19.; wenn er die Eva, so bald er sie ansichtig ward, erkannte, daß sie seine Gesellin sein sollte, und von seinem Fleisch und Bein genommen wäre, 1 Mos. 2, 23.; welche genaue Erkenntniß, große Weisheit und einen hohen Verstand anzeigt, nach welcher solche geheime Dinge ersehen und erkannt werden mögen, die sonst allein Gott sehen kann, und womit ihm der Mensch gleich geworden ist.

 164. c. Völlige Gerechtigkeit. Die wird Gott sonst allein zugeschrieben. 5 Mos. 32, 4. „Alles, was er thut, das ist recht, treu ist Gott, und kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er.“ Dadurch aber, daß der Mensch gerecht, d. i., ohne Sünde und Ungerechtigkeit| geschaffen worden, ist er Gott gleich, und sein Bild, daß er kein Uebels noch Böses an sich hat. Ephes. 4, 24. „Ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.“

 165. d. Völlige Heiligkeit. Gott ist heilig, 1 Sam. 2, 2. „Es ist Niemand heilig, wie der Herr.“ Weil denn der erste Mensch heilig erschaffen worden ist, (Eph. 4, 24. „Der neue Mensch ist nach Gott geschaffen in rechtschaffener Heiligkeit“), so wird er ihm damit gleich und sein Ebenbild.

 166. e. Freier Wille, das Gute zu thun und das Böse zu meiden. Gott ist frei in seinen Werken, Ps. 115, 3. Ps. 135, 6. „Alles, was er will, das thut er.“ Wenn nun der Mensch auch frei ist, zu thun und zu lassen, so ist er damit Gott gleich und sein Ebenbild. Nun hat Gott dem Menschen vorgestellt den Baum des Erkenntniß Gutes und Böses, daß er ihm Gehorsam erweisen, und von der Speise des Baumes sich enthalten sollte, und deßhalb ihm das Gebot gegeben, von dem Baum des Erkenntniß Gutes und Böses sollst du nicht essen, 1 Mos. 2, 17. So vermochte er nach seinem freien Willen, das Gute zu thun und das Böse zu unterlassen, und wie Sirach davon schreibt Cap. 15, 14 ff. „Hat er dem Menschen vom Anfang die Wahl gegeben, willst du, so halte die Gebote und thue, was ihm gefällt in rechtem Vertrauen. Er hat dir Feuer und Wasser vorgestellt, greif’, zu welchem du willst, der Mensch hat vor sich Leben und Tod, welches er will, das wird ihm gegeben.“

|  167. f. Unsterblichkeit. Gott allein hat Unsterblichkeit, 1 Timoth. 6, 16. Weil er aber den Menschen unsterblich erschaffen hat, daß, so lange er in der angeschaffenen Vollkommenheit bliebe, der Tod an ihm keine Gewalt noch Macht hätte, so hat er ihn auf diese Weise zu seinem Ebenbilde gemacht. Die Schrift bezeugt auch offenbar, daß der Mensch unsterblich erschaffen, und allein durch die Sünde in den Tod gerathen sei, Weish. 2, 23. „Gott hat den Menschen geschaffen zum ewigen Leben, und hat ihn gemacht zum Bilde, daß er gleich sein sollte, wie er ist.“ 1 Mos. 2, 17. „Von dem Baum des Erkenntniß Gutes und Böses sollst du nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.“ Nach dem Sündenfalle sah Gott auf die geschehene Drohung, wenn er 1 Mos. 3, 19. also gesprochen: „Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brod essen, bis daß du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist, denn du bist Erde, und sollst zur Erde werden.“ Röm. 5, 12. „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen, und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündiget haben.“
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 168. g. Die Regierung über die leiblichen Geschöpfe. Gott regieret im Himmel und auf Erden nach seinem Wohlgefallen. Ps. 24, 1. „Die Erde ist voll des Herrn, und was darinnen ist, der Erdboden, und was darauf wohnet.“ Ps. 33, 9. „So er spricht, so geschieht’s, so er gebeut, so stehet es da.“ Wenn nun der Mensch über die Creaturen zu regieren hat, wird er damit Gott gleich und sein Ebenbild. Es| hat ihm aber der Herr Gewalt gegeben, über andere Geschöpfe zu herrschen, damit denselben zu seinem Bilde machen wollen, wie er selbst spricht 1 Mos. 1, 26. 27. 28. „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer, und über die Vögel unter dem Himmel, und über das Vieh, und über die ganze Erde, und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht, und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde,“ u. s. w. „und segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde, und machet sie euch unterthan und herrschet über Fische im Meere u. s. w.“ So ist also der Mensch Gott gleich worden an Erkenntniß Gottes und der Geschöpfe, an völliger Gerechtigkeit, Heiligkeit, freiem Willen, Unsterblichkeit, und der Regierung der Creaturen, welches Alles zusammen das Ebenbild Gottes ist, dazu ihn Gott erschaffen hat.





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