Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung/III. Scholastischer Humanismus

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III.
Scholastischer Humanismus.

Als Enea Silvio Deutschland verließ, wohl in der Überzeugung, daß er doch aus einem Barbarenlande scheide, hatte der Humanismus schon an verschiedenen Orten Wurzel gefaßt, angepflanzt durch Männer, die sich in Italien selbst mit dem neuen Geiste erfüllt hatten. In den beiden bedeutendsten Reichsstädten Süddeutschlands gab es humanistische „Sodalitäten“, in Nürnberg um den Juristen Gregor Heimburg, in Augsburg um den Arzt Hermann Schedel und den Patrizier Sigismund Gossembrot.[1]

Es sind merkwürdige Leute, die sich da zusammentun. Sie pflegen vor allem die neue Form, schreiben sich Briefe, nicht um sich etwas mitzuteilen, sondern um zu zeigen, daß sie den neuen Stil beherrschen, sie haben gerne ihren literarischen Streit nach dem Muster von Poggio, Filelfo und Valla mit einem wirklichen oder auch mit einem erdichteten Gegner, sie fingieren Liebeshändel und nennen die Geliebte Glycerion, wie Horaz und nach ihm Enea Silvio, ja sie möchten wohl gerne lasziv und ganz als Brüder Tunichtgut erscheinen.

Aber das alles ist Maske, ein großes Fastnachtspiel. Im bürgerlichen Leben sind sie die ehrbarsten Leute, und wenn sie in Konflikte mit ihren Zeitgenossen gekommen sind, so hat der Humanismus daran keinen Anteil. Heimburg hat vielleicht diesen Widerspruch empfunden und sich davon durch eine in ihren Zielen freilich nicht immer klare Polemik zu befreien gesucht, die andern waren zu wenig Persönlichkeiten dazu. Wenn sie in ihrer Lebensführung einen Humanisten nachahmen, so ist es nicht der liederliche Poggio, den sie so viel plündern und kopieren, sondern Petrarka. Von ihm lernen sie die Freuden der literarischen Muße auf dem Lande – Gossembrot hat sein habitatio academica in Obermeuttingen bei Augsburg, Heimburg bei Würzburg –, von ihm die Sehnsucht nach einem Leben, das „ab hominibus, non ab humanitate aliena“ ist. Heimburg preist es als etwa 50jähriger Mann, als ihm der fehdereichste Teil seines Lebens [38] noch bevorstand, und Gossembrot macht, 59 Jahre alt, damit Ernst. Er legt Ämter und Würden nieder und zieht sich in das Kloster der Straßburger Johanniter am grünen Wöhrd zurück. –

Was diese Männer für die humanistische Geschichtschreibung bedeuten, werden wir noch sehen. Für die Propaganda des Humanismus aber sind andere Leute wichtiger geworden, die nicht von einer so oder so gedachten Verschmelzung der neuen und alten Bildung ausgingen, sondern mit dem fröhlichen Bewußtsein auftraten, daß sie das Alte bekämpfen müßten, wenn für das Neue Platz werden sollte. Das sind die humanistischen Vaganten, die „Poeten“, wie sie sich selbst nennen.

Sie haben viel von ihren mittelalterlichen Namensvettern: die Unstätheit ihres Lebens, teils weil sie das Gastrecht als die Erlaubnis betrachten, ihren Gastgebern Schnödigkeiten zu sagen, teils weil sie auch in fügsamer Umgebung sich bald unbefriedigt fühlen, die schlechten Manieren, auf die sie ebenso stolz sind, wie auf ihre abgerissene Gewandung, die gründlichste Verachtung alles schulmäßigen Wissens und aller schulmäßigen Form. Dabei ist ihr eigenes literarisches Gepäck gar leicht, aber sie wissen, daß sie in dem wenigen die Zukunft mit sich führen.

Der eigenartigste Vertreter dieser Zunft ist Peter Luder, im pfälzischen Kraichgau vielleicht um 1400 geboren.[2] Er ist ein echter Vagant, den sein beweglicher Geist bis nach Mazedonien, „dem Vaterlande Alexanders des Großen“, und Griechenland und fast durch ganz Italien getrieben hat. Ebenso ist er in den Wissenschaften von der Theologie über die freien Künste bis zur Medizin gelangt. Wenn er aber etwas von Herzen war, so war er ein poeta et historiographus. Freilich nicht in dem Sinne, daß er etwa tiefgründige historische Studien gemacht oder sich ein hohes Ziel gesteckt hätte, aber schon in seiner Antrittsrede[3], mit der er in Heidelberg 1456 den sich ihm widerwillig öffnenden Kreis der Universitätsprofessoren beglückte, weiß er über sein Vorbild, eine berühmte Abhandlung Brunis[4], hinaus viel zum Lobe der Geschichte zu sagen. Er hat von Petrarka gelernt, daß sie sowohl nütze als ergötze, jenes durch die moralischen Anweisungen, die sie in Beispielen so viel kürzer und packender biete, als die theoretischen Tugendlehren der Philosophie, dies durch Beschreibung von Ländern und Völkern, die sie uns leibhaftig vor Augen stelle.

Zwei Jahre später hat dann Luder selbst eine Probe seiner historischen Kunst geboten in der „Lobrede“ auf seinen Beschützer, den [39] Kurfürsten Friedrich von der Pfalz[5]. Wenn er, wie wir annehmen dürfen, Lionardo Brunis Lobspruch auf Florenz kannte, so hat er den Titel mit Bedacht gewählt. Denn „Etwas anderes,“ sagt Bruni, „ist es um die Geschichte, etwas anderes um eine Lobrede. Die Geschichte muß der Wahrheit folgen, die Lobrede darf vieles über die Wahrheit erheben.“ Davon hat Luder reichlichen Gebrauch gemacht, aber es gibt auch historisch Beachtenswertes in dem Werkchen. Nicht so sehr der fabelhafte Wittelsbacherstammbaum, der den ersten Teil füllt. Luder hat ihn aus einer nächstliegenden Quelle zusammengerafft, vielleicht aus einer Vorlage, die nicht lange vor ihm auch Andreas von Regensburg benutzte, aber es liegt ihm offenbar weniger an der Herleitung der Wittelsbacher von den Karolingern, als dem Regensburger Mönche. Auch die Beschreibung von Heidelberg, die Luder an den Anfang stellt, ist zwar interessant als Zeichen des neuen Stils der Geschichtschreibung, aber nicht eigenartig. Aber daß Luder wenigstens zum Hofhistoriographen Talent hatte, zeigt der zweite Teil. Unter den bürgerlichen und geistlichen Chronisten hätte der Pfalzgraf wohl kaum einen gefunden, der die so viel angefochtene „Arrogation“, durch die Friedrich aus dem Vormund seines Neffen zum Herrscher wurde, so geschickt als eine Tat rein landesväterlicher Fürsorge, die daraus folgenden Kämpfe mit den Nachbarn dann als Proben der „Tapferkeit, die sich des Neides erwehren muß“, hingestellt hätte. Es war gut auf den Charakter des „bösen Fritz“ berechnet, wenn Luder seinen Worten über die „väterliche Gesinnung“, die Friedrich bei der Arrogation gezeigt hatte, hinzufügte: „wenn es aus Herrschbegierde geschehen wäre, hätte auch diese einem hochgesinnten Mann angestanden“, und wenn wir eine Stelle, in der der Kurfürst „der höchsten Herrschaft würdig“ genannt wird, nach einem tieferen Sinn verstehen dürfen, so hat Luder wohl auch auf die Hoffnungen anspielen wollen, die sich sein Herr vor kaum mehr als Jahresfrist auf die Krone eines römischen Königs gemacht hatte. Ob Luder sich aus diesem Grunde später nicht nur „Sekretär des glorreichsten Pfalzgrafen Friedrich“, sondern auch „Schildträger des römischen Reichs“ nannte?

Die Geschichte Friedrichs des Siegreichen, zu der also hier ein Anlauf vorliegt, hat dann Luders Freund und Schüler Matthias von Kemnat und zwar in deutscher Sprache geschrieben.[6] Die humanistische Saat ist bei ihm ziemlich in die Halme geschossen. Er ist auch „poeta et historiographus“ wie sein Lehrer und begleitet mit einem Chor dichtender Genossen, unter denen wir den [40] jungen Jakob Wimpfeling bemerken, die Taten seines Herrn mit gutgemeinten Versen. Er macht wichtige, ja kostbare Funde in den Klosterbibliotheken, wie in der altberühmten von Lorsch. Er kennt literarische Seltenheiten, wie den Sextus Rufus oder die kleinen römischen Kaiserbiographien, dann Neuigkeiten, wie die Böhmische Geschichte Enea Silvios. Aber er weiß mit all dem gar wenig anzufangen. Die Böhmische Geschichte ist für ihn nicht mehr als die Bayrische Fürstenchronik des Andreas von Regensburg, die Kaiserbiographien sind eben auch nur eine „Chronica Sparciana“, wie Martin von Troppau eine Martiana. Daß er beide im selben Atem unter seinen Quellen nennt, zeigt seinen Horizont. Er wäre vielleicht kein übler Chronist und Erzähler geworden, das sehen wir aus seiner so vielfach merkwürdigen Beschreibung des Fichtelgebirgs oder aus der Erzählung der Trierer Zusammenkunft von 1473. Aber die „Wissenschaft“ und der neue Stil haben ihn gänzlich verdorben, und so ist diese erste humanistische deutsche Fürstengeschichte ein zwischen Weltchronik, Landesgeschichte und Biographie haltlos schwankendes Konglomerat von Zeitungen und halb verstandenen oder schlecht verwendeten Lesefrüchten. –

Daß dies so ist, liegt doch nur zum Teil an Matthias selbst. Das humanistische Vagantentum ist in diesen seinen Anfängen schon nach der Unordentlichkeit seiner Lebensführung und der Mangelhaftigkeit seiner Bildung unfähig zu eigentlich geschichtlichen Leistungen. Und auch die Männer, die bis gegen Ende des Jahrhunderts aus dieser Gruppe noch zu nennen wären, wie etwa Hermann v. d. Busche, schaffen vielleicht da und dort ein humanistisches Lobgedicht mit geschichtlichen Flittern verbrämt, aber nicht mehr.

Wollen wir solidere historische Leistungen finden, so müssen wir uns dahin wenden, wo sich die Einsicht in die neuen Forderungen der Darstellung mit der Möglichkeit verbindet, auf eine geschichtliche Überlieferung von Wert zurückzugreifen. Das sind zunächst die reformierten Klöster.

Die Konzilsbewegung des 15. Jahrhunderts, welche die reformatio ecclesiae weder in capite noch in membris durchsetzen konnte, hatte doch in der Kirche selbst Kräfte ausgelöst, die ein neues Leben zu verheißen schienen. Die bedeutendsten Regungen zeigen sich im Benediktinerorden.[7] 1409 legt der venezianische Patrizier Lodovico Barbo den Grund zu der Reform in Italien durch die Stiftung der Kongregation von St. Justina in Padua. Seit der Mitte des Jahrhunderts wirkt sie auch nach Deutschland hinüber, ihr zur Seite die wenig [41] später als St. Justina entstandenen Kongregationen von Bursfeld und Melk. Landschaftlich ergänzen sich diese drei in der Art, daß Bursfeld vor allem am Rhein, Main und Niederdeutschland, Melk auf Österreich und Bayern bis zum Lech wirkte, während Schwaben unter dem direkten Einfluß von St. Justina stand.

Die sittlichen Erfolge dieser Reformation sind damals so wenig wie zu andern Zeiten von erheblicher Dauer gewesen, aber für den Betrieb der Wissenschaften begann in den reformierten Klöstern in der Tat eine neue Zeit. Es war, wie wenn man aus einem langen Schlafe erwacht war und nun versuchen müsse, den Faden da wieder anzuknüpfen, wo ihn Unwissenheit und Trägheit hatte fallen lassen. So wurde man zurückgeführt auf die großen Zeiten der Benediktinergelehrsamkeit unter den Saliern und den ersten Staufern, wo Ekkehard und Otto von Freising Geschichte schrieben, oder gar auf die Zeiten der Karolinger, wo man in Fulda und St. Gallen die Alten nicht viel anders gelesen und geschätzt hatte, als es nun die Humanisten zu fordern schienen. Es war nicht schwer eine Verbindung von dieser neubelebten Klostergelehrsamkeit zu den humanistischen Bestrebungen zu finden, und der Geschichtschreibung vor allem mußte sie zu gute kommen. Wir haben drei Männer zu nennen, deren Werke dies beweisen, Sigismund Meisterlin in Augsburg, Felix Fabri in Ulm, Johann Trithemius in Würzburg.[8]


Die Entwicklung der Augsburgischen Geschichtschreibung vom Mittelalter zum Humanismus hin ist nicht ohne besonderes Interesse. Zwar die Annalistik des Domstifts verstummt schon in den Stürmen des Investiturstreits, in Ulrich und Afra, der bedeutendsten klösterlichen Gemeinschaft, ist um dieselbe Zeit Abt Uodalscalk auf lange hinaus der letzte Geschichtschreiber von Namen. Aber um 1250 regen sich neue Kräfte. Es entsteht – doch wahrscheinlich hier – „der künege buch“, eine Bearbeitung der Kaiserchronik, wichtig als ein frühes Werk deutscher geschichtlicher Prosa. Hundert Jahre später wird in Augsburg ein Martinus übersetzt und mit Fortsetzungen versehen. An ihn knüpft, nachdem durch den Zunftaufruhr von 1368 die bürgerliche Geschichtschreibung auf die Bahn gebracht ist, Erhard Wahraus seine Aufzeichnungen an, der erste bürgerliche Geschichtschreiber der Stadt, den wir mit Namen kennen.

Wahraus aber hat noch weitergehende Interessen. Er wünscht etwas vom Ursprung seiner Vaterstadt zu erfahren, womöglich ein Gründungsjahr. Das bieten seine historischen Quellen nicht, wohl [42] aber andere Bücher, die damals dem Bürgertum merkwürdig zu werden beginnen. Das sind antikisch gewandete Fabelstoffe, Ausläufer des antiken Romans, vor allem die Alexandergeschichte des Pseudokallisthenes und das Trojanerbuch des Guido von Columna. Sie werden übersetzt, auch wohl, dem Zeitgeschmack folgend, mit allerlei neuen Abenteuern bereichert und gern mit lokalhistorischen Notizen zweifelhafter Gelehrsamkeit versehen. Nach einer solchen Quelle erklärt Wahraus Augsburg für eine Gründung Trojas wie Trier.

Im Guido von Columna liest um dieselbe Zeit auch ein stolzer Patrizier Peter Egen. Vielleicht nach dem Namen des ersten Meerschiffes, der Argo, den er da findet, nennt er sich 1442 Peter von Argun. Er ist noch mehr als Wahraus ein Liebhaber der Geschichte seiner Vaterstadt und kennt auch lateinische Quellen, darunter eine, die von der „Varusschlacht bei Augsburg“ lebendig zu erzählen wußte. Das will er seinen Mitbürgern bekannt machen, einmal, indem er den Maler Jörg Ammann beauftragt, ihm danach Bilder an sein neues Haus zu malen, sodann, indem er das Buch einem fremden Geistlichen zum Transferieren gibt. Dieser, der „Küchlin“, tut andere Gelehrsamkeit dazu, um auch gleich den trojanischen Ursprung Augsburgs festzulegen. Er schöpft sie aus einem vielgelesenen Werk der Publizistik, dem Buch des Jordanus von Osnabrück vom römischen Reich, und so entsteht ein Reimgedicht, das den Augsburgern des 15. Jahrhunderts etwa bot, was das Annolied den Kölnern des 12. geschaffen hatte.

In diesem Augenblick greift der Humanismus ein. Sigismund Gossembrot, in dessen Bibliothek längst Werke von Petrarka und Bruni und das Neueste von Enea Silvio stand, findet keine Genüge an den „deutschen Reimen“, er will eine wirkliche Gründungsgeschichte Augsburgs und zwar ein Werk im neuen Stil. Auf sein Betreiben schreibt 1456 in Kloster Ulrich und Afra der Mönch Sigismund Meisterlin seine Chronographia Augustensium.

Sie zerfällt in 4 Bücher. Das erste widerlegt die Trojanerfabel des Küchlin, das zweite gibt Meisterlins eigene Gründungshypothese: Augsburg ist eine Gründung der Amazonen und hat also lange vor Trojas Zerstörung gestanden, das dritte erzählt hauptsächlich die Varusschlacht in breiter Ausschmückung, das vierte, erst nachträglich beigefügt, enthält eine fast annalistisch aus den Quellen zusammengetragene Stadtgeschichte von Konstantin dem Großen bis auf die Gegenwart mit eingehender Behandlung der Heiligen Afra und Ulrich.

Das Ergebnis der Arbeit – die Ersetzung einer Gründungsfabel [43] durch eine andere, die Verstärkung der Überlieferung über ein ebenso fabelhaftes Ereignis – erscheint zunächst weder neu noch humanistisch. Und doch würde man mit dieser Kritik Meisterlin wenig gerecht werden. Nicht das Ergebnis, sondern die angewandte Methode ist hier bedeutsam. Meisterlin verwirft die Meinung Küchlins, weil er ihm aus Ekkehard und Otto von Freising chronologische Widersprüche nachzuweisen vermag, – an solche knüpft sich hier wie anderswo die erste Regung der Kritik – sodann weil es für die Augsburger keine Ehre sei, von diesen Flüchtlingen abzustammen. Seine eigene Hypothese aber beruht auf einem Vers der Römeroden des Horaz, der die Vindelicier mit ihrer „Amazonenstreitaxt“ bei den Siegen des Drusus erwähnt. Diesen Brauch will er erklären, und er findet in dem Fabelwust der Amazonenzüge nach Asien und Europa leicht Raum auch für einen nach Schwaben. Und als er nun zweifelnd Bestätigung dieser Kunde sucht, da führt der gute Zufall Enoche von Ascoli, den Papst Nicolaus V. auf literarische Entdeckungsfahrten nach Deutschland ausgesandt hatte, in sein Kloster. Beide zusammen finden in der Dombibliothek den Kommentar des Porphyrio zum Horaz und hier in dem gar alten Ausleger die willkommene Bestätigung der Nachricht.

Man wird bei allem Unterschied eine Ähnlichkeit in dem Verhältnis Meisterlins zu Küchlin mit dem Brunis zu Villani nicht verkennen, nur daß freilich den Italiener bei seiner Gründungsgeschichte von Florenz Kritik und kühle Überlegung in die Zeiten gesicherter historischer Kunde hinab, den deutschen Mönch Lokalpatriotismus und phantastischer Sinn in die Nebel uralter Sage hineinführt.

Auch die Geschichte von der „Varusschlacht bei Augsburg“ hat Meisterlin gläubig hingenommen, wie nach ihm noch viele Humanisten. Denn er fand hier keine chronologischen Widersprüche in seinen Quellen, im Gegenteil, bei Sueton und Vegetius noch mancherlei Bestätigung und Ausschmückung der Begebenheit. Zur historischen Wahrheit ist er nirgendwo durchgedrungen, aber er sucht mit allen Mitteln eine klare Vorstellung von jenen alten Zeiten zu gewinnen. Sueton und Sallust, Lukan und Claudian werden ebenso wie die Etymologien des Isidor von Sevilla eifrig exzerpiert, und was er aus ihnen gewinnt, ist eine erste Schilderung des alten Deutschlands und der alten Deutschen. Denn schon für Meisterlin erweitert sich die Stadtgeschichte zur deutschen Geschichte, und vielleicht hätte er, so sagt er, sein Werk nicht geschrieben, wenn das Buch des Plinius von den deutschen Kriegen erhalten geblieben wäre.

[44] So wirkt der Humanismus in diesem Buche durch alle Fabeln hindurch in der Richtung zu neuen Zielen und neuen Anschauungen von dem, was wissenswert ist in der Geschichte. Er bewirkt auch, daß der Mönch nicht mittelalterlich bescheiden hinter seinem Werke zurücktritt, sondern als lebendige Persönlichkeit in Vorreden und eingestreuten Bemerkungen mit dem Leser verhandelt, und wenn er hierbei so wenig wie sonst in seinem Werke eine eigene Sprache zeigt, so ist es doch bedeutsam, daß er seine Worte Männern wie Otto von Freising entlehnt oder jenem Othlo von St. Emmeran, der schon im 11. Jahrhundert der Nachwelt etwas „de secreto conflictu curarum suarum“ überliefern zu müssen glaubte.

Nach der Vollendung der Augsburger Chronik hat Meisterlin das heimische Kloster verlassen und ein geistliches Vagantenleben geführt, für das wir in dieser Zeit kaum eine Parallele finden. Er begegnet uns in St. Justina in Padua, in St. Gallen, in Murbach, dann gar als Pfarrer im Würzburgischen und schließlich bei Nürnberg. Hier hat er fast 30 Jahre nach seinem Jugendwerke wieder eine Stadtchronik geschrieben, die Chronica Neronpergensium.

In diesen dreißig Jahren war der gewaltige Umschwung eingetreten, den das Erscheinen der Werke Enea Silvios bezeichnet. 1456 hatte Meisterlin nur seine Türkenrede vom Frankfurter Reichstag gekannt, er hatte ihr ein Lob der Geschichte entnommen, vielleicht auch einen Hinweis auf den „unverächtlichen Autor“ Otto von Freising und auf die wilde Tapferkeit der alten Deutschen. Jetzt kennt er die Österreichische und die Böhmische Geschichte, die Anekdotensammlung für Alfons von Neapel, die Europa und die Asia, und er steht nicht minder unter ihrem Einfluß wie seine Zeitgenossen. Auch die großen Werke Biondos haben seine Vorstellungen berichtigt, und so dürfen wir uns etwas Reiferes als die Augsburger Chronik erwarten.

In der Tat zeigt schon der Plan, den Meisterlin entwirft, einen bemerkenswerten Fortschritt: ein Doppelwerk soll entstehen, eine vetus Neronperga, die die Geschichte der Stadt, zunächst nur bis zum Ende der deutschen Kaiserzeit, dann bis zur Niederwerfung des Zunftaufruhrs von 1348 enthalten hätte, und eine Neronperga moderna, eine Stadtbeschreibung mit Abschnitten über die Lage der Stadt, ihre Gebäude, Regiment und Geschlechter, die Bewohner und ihre Sitten. Daraus ist nichts geworden, denn wieder drängt die Gründungsgeschichte, die hier gänzlich zu erfinden war, vor, daneben andere Fragen, die zu bemerkenswerter Diskussion mit allerlei Gegnern und zu immer erneuten und weithin führenden Nachforschungen Anlaß geben, und [45] was nun nach langem Mühen entsteht, ist wieder eine Stadtchronik, scheinbar alten Stils, aber mit ganz besonderem Inhalt.

Ich habe bei der Magdeburger Schöppenchronik darauf hingewiesen, wie der Verfasser, ein Stadtkind und mit den Lebensfragen des Gemeinwesens aufs innigste vertraut, doch in Abhängigkeit von dem annalistisch überlieferten Stoffe bleibt. Es gelingt ihm nicht, Dinge, die er selbst für wichtig erkannt hat, an ihrer richtigen Stelle und in der richtigen Beleuchtung erscheinen zu lassen, da er dazu in Anordnung und Auswahl der Begebenheiten gänzlich Neues hätte geben müssen. Für Nürnberg hat das der stadtfremde Mönch geleistet, ja er hat zu Gunsten der von ihm erkannten verfassungsgeschichtlichen Fragen der historischen Wahrheit, auch wie er sie kannte und kennen mußte, Gewalt angetan. Mit höchster Energie strebt seine Darstellung darnach, die Punkte ins Licht zu setzen, auf denen nach seiner Meinung die Bedeutung des Nürnberg seiner Tage beruht. Deshalb muß Nürnberg eine Römerkolonie sein, die schon zu den alten römischen Kaisern im Verhältnis der Treue, aber nicht unter dem Steuerdruck der Provinzialen steht; es ist schon zur Zeit Ottos I. die „aptissima sedes imperii“, wie in aller Folgezeit, es ist weit älter als die Burggrafen, deren „römischen Ursprung“ er gerade so bestimmt verwirft, wie er den der Stadt behauptet; es ist endlich ein durchaus aristokratisches Gemeinwesen, dessen Blüte und Reichtum ausschließlich auf den Geschlechtern beruht, und deshalb ist der Zunftaufruhr von 1348 nichts als die Erhebung einer katilinarischen Rotte, für deren Schilderung dann auch Sallust die eindruckvollsten Farben leiht.

So entsteht ein Werk ganz eigener Art, historisch fast unbrauchbar, aber die erste politische Tendenzschrift im geschichtlichen Gewande, die der Humanismus hervorgebracht hat. –


Felix Fabri ist wahrscheinlich ein wenig jünger als Meisterlin und ist später schriftstellerisch hervorgetreten.[9] Er ist Schweizer von Geburt, aber Schwabe durch Schicksal und Neigungen, gehört dem Dominikanerorden, seit 1477 oder 1478 als Lesemeister zu Ulm, an, steht aber ganz im Anschauungskreis der Benediktinerreform, die gerade er uns besonders anschaulich geschildert hat, und von der er eine allgemeine Veränderung der klösterlichen Sittlichkeit herleitet.[10] Von der Predigtpraxis seines Ordens hat er die Neigung für das Volkstümliche, das Beobachtungstalent für kleine und kleinste Züge, die Freude an der Anekdote, besonders wenn sie wunderbar oder wunderlich ist.

[46] Ein wunderliches Menschenkind ist vor allem er selbst, eine merkwürdige Mischung der verschiedensten Eigenschaften und Bildungselemente. In den Jahren 1480 und 1483/4 macht er zwei Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande und beschreibt die zweite in einem umfänglichen Evagatorium, der größten und belehrendsten Pilgerschrift, die wir besitzen. Als 12. Kapitel soll ihr eine Beschreibung oder, wie er es bescheiden nennen möchte, ein „Umriß“ von Deutschland, Schwaben und Ulm folgen. Unter der Hand wächst ihm die Arbeit zu einem eigenen stattlichen Buche mit selbständigem Plan – zum ersten Mal führt die Durchwanderung der Fremde zu einer Beschreibung der Heimat.

Eigene Anlage und äußerer Anstoß wirken da zusammen. Fabri ist ein Pilger ganz besonderer Art. Wir haben viele Berichte vom heiligen Land, dem einen ist dies, dem andern jenes besonders merkwürdig gewesen, aber keinen gibt es, der so überall das Bewußtsein seines Volkstums mit sich herum trägt, wie dieser Dominikaner. Wo Deutsche sind, die sich in Künsten oder Handwerken hervortun, als Krieger oder Kaufleute eine Rolle spielen, da hat er es bemerkt, und wie er nun den Zug der Alpen, die Italien von Deutschland scheiden, wieder sieht, da bricht er in die Worte aus:[11] „O wie freute ich mich im Herzen, mein Deutschland zu sehen. Einst war es an Weisheit, Macht und Reichtümern arm, jetzt aber ist es an herrlichen Werken nicht nur andern gleich, sondern es übertrifft das geschwätzige Griechenland, geht voran dem stolzen Italien und drückt zu Boden das händelsüchtige Frankreich. Wie wahr ist doch das Dichterwort: Süß ist die Heimat, und läßt uns ihrer nicht vergessen … Und zu meinem Reisegefährten sagte ich: Seht Herr Johannes, jetzt erblicke ich die Schwelle meines Heimatlandes, denn die Berge, die wir hier vom Meere aus sehen, die betrachten meine Brüder im Ulmer Konvent von den Fenstern ihres Schlafraums und sehen sie bei klarer Luft täglich.“

Den äußeren Anstoß zu seiner Arbeit über Deutschland gaben ihm vor allem die Werke des Enea Silvio. Die Germania hat er offenbar nicht gekannt; aber an der Europa, die schon 1488 gedruckt vorlag, bildet er – neben den Karten des gerade in Ulm mehrfach gedruckten Ptolemäus – seine geographischen Vorstellungen, ihr entlehnt er weiterhin große Stücke.[12] Er nennt diese Quelle nicht, so wenig wie manche andere, die ihm für Historisches dient, da er ihnen ja nur Tatsächliches entnimmt, und das ist Gemeingut. Aber wo er für den Ruhm seiner Deutschen streitet, da muß der Papst [47] als Eideshelfer dienen. Hier haben ihm neben der großen Rede vom Frankfurter Türkentage besonders die Briefe Eneas geholfen. Denn was wüßte er wohl von dem Aufschwung der Wissenschaften „seit Petrarka“ und dem der Künste „seit Giotto“, wenn er es nicht in Eneas Briefen an Heimburg und Niklas von Wyle gelesen hätte?[13] Dahin, daß er nach deutschen Künstlern und Schriftstellern forscht, bringt ihn diese Entlehnung nun freilich nicht, aber „wir sehen“, sagt er, „daß heute in Deutschland Malerei und Bildhauerkunst in höchster Blüte steht, in Italien aber die Beredsamkeit ihre Strahlen wirft“. „Denn“ – so fährt er mit bemerkenswertem Gedankensprunge fort, „in Mainz ist 1459 die Buchdruckerkunst erfunden worden.“ Er ist einer der ersten, die dies und die Erfindung der „Bombarden“ als besondere Ruhmestitel des deutschen Volkes anführen.[14]

Was er nun freilich als Beschreibung Deutschlands und Schwabens dem Leser vorlegt, ist eine recht bedenkliche Leistung. Nicht sowohl deshalb, weil der geographische Anfang sehr schnell in eine Schwäbische Geschichte übergeht – diese Verquickung von Geschichte und Landesbeschreibung mit Vorwiegen der ersteren fand sich gerade so in Eneas Werken, sie ist ein Kennzeichen der Jugendjahre der geographischen Wissenschaft, wo ihre Jünger noch gar zu leicht aus der schweren Kunst des Beschreibens in die so viel leichtere des Erzählens fallen. Aber Enea weiß, was er erzählt, es ist nicht ungereimt, wenn er bei Westfalen von der Soester Fehde, bei Franken von der Gestalt Albrecht Achills, bei Thüringen vom sächsischen Prinzenraub des Kunz von Kaufungen plaudert. Bei Fabri aber steht neben höchst bemerkenswerten Beobachtungen ein wüstes Durcheinander von Exzerpten, zu deren Vereinigung kaum ein Versuch gemacht ist. Wir können nur bedauern, daß er seinen geographischen Versuch, wie er selbst sagt, „ex Isidoro et aliis et de experientiis propriis“ und nicht bloß aus diesen letzteren aufgebaut hat.

Denn was hat er nicht alles gesehen! Den Rheinfall bei Schaffhausen mit den waghalsig hindurchfahrenden Schiffern und den Blautopf bei Blaubeuren; die steten Uferveränderungen des Rheins bei Straßburg, die zu oftmaliger Erneuerung der dortigen Holzbrücke führen, und die allmähliche Abtragung der Alpen. Er beachtet ebenso die Treidelschiffahrt an Donau und Rhein, wie die neuen Straßenbauten Herzog Sigismunds in Tirol. Er weiß auch, daß die Alpen nur äußerlich schreckhaft sind und innen paradiesische Täler bergen und preist das völkerverbindende Meer, das den Menschen ermöglicht, nicht nur Waren auszutauschen, sondern auch sich gegenseitig [48] kennen und verstehen zu lernen.[15] Vollends seine Schwaben hat er in alle Winkel ihres Wesens verfolgt, er weiß von ihrem frommen, zum Klosterleben neigenden Sinn so gut wie von ihrer Weltfröhlichkeit und ihrer wortreichen Rede, er bemerkt, daß sie mit den Schweizern sprachverwandt, aber dialektisch verschieden sind, daß die Männer dem Elsaß seine Arbeiter und die Frauen der halben Welt Dirnen und Nonnen stellen. –

Wo er dagegen zu umfassenderen Anschauungen durchzudringen sucht, erstickt er in der Fülle seiner Notizen. Es gelingt ihm ebensowenig, die Grenzen des neuen Deutschlands zu finden, das er aus Enea kennt, wie die Ansichten desselben von dem großen europäisch-asiatischen Zentralgebirge weiterzudenken. Er merkt, daß es mancherlei Orte namens Hall gibt, wo Salz gewonnen wird, aber er zieht es doch vor, Enea zu folgen, der den Namen von dem kleinasiatischen Halys abgeleitet hatte.[16] Und die fünf Namen, die er für Deutschland kennt, Alemannia, Teutonia, Germania, Franconia, Cymbria, haben ihm zu nichts weiter, als zu abenteuerlichen Etymologien verholfen. So ist ihm auch im geschichtlichen Teil die fabelhafteste Nachricht die liebste, sei es, daß er die aus der Kaiserchronik stammende Geschichte von den Kämpfen Julius Cäsars mit den Schwaben oder das Hirschauer Klosterhistörchen von der Abstammung Heinrichs III. von einem Grafen von Calw zu erzählen hat. Eine geordnete Geschichtserzählung ist überhaupt nicht seine Sache, von Julius Cäsar ist er mit einem Satze bei Karl dem Großen, unter dem, wie er meint, erst Deutschland völlig christlich geworden sei; auf Verbindung der einzelnen Nachrichten verzichtet er durchaus, jede Anekdote, die er kennt, bringt ihn zu einem Seitensprung.

Danach ist es begreiflich, daß nun der zweite Teil, der die große Stadtbeschreibung Ulms liefert, die Fähigkeiten Fabris, der nur einen kleinen Rahmen zu füllen vermochte, in erheblich besserem Lichte zeigt. Hier schafft er für Ulm, was Meisterlin für Nürnberg geplant hatte und erst Celtis ausgeführt hat. – Aber wir werden doch fragen müssen, woher Fabri die straffe Ordnung hatte, die ihn lehrte, zuerst von Namen und Ursprung der Stadt, ihrem Umfang, den verschiedenen Erweiterungen, dann von der sozialen Schichtung der Bevölkerung und schließlich von ihrer Verfassung zu sprechen. Es gab ein Schema dafür, das vielleicht bis auf die mittelalterliche Rhetorik zurückgeht,[17] aber Fabri hat es kaum gekannt, und auch die Stadtbeschreibungen Eneas mit ihren geistreichen, aber unsystematischen Einzelbeobachtungen haben nicht mehr als Anregungen bieten können.

[49] Blättern wir aber im Evagatorium, so finden wir gegen den Schluß eine Stadtbeschreibung Venedigs. Auch sie ist, wie er selbst sagt, aus verschiedenen Beschreibungen zusammengestellt und dann durch eigene Beobachtungen ergänzt. Aber wir lesen doch ganz etwas anderes, als die trockenen Aufzählungen der Reliquienschätze, welche sonst für die Pilger in der Stadt San Marcos die Sehenswürdigkeiten bildeten, oder die Angaben über Schiffslöhne und Fahrgelegenheiten ins heilige Land, wie sie noch dem Nürnberger Patrizier Hans Tucher genügten. Und auch wenn wir die berühmte Reisebeschreibung Bernhard Breidenbachs dagegenhalten, die Fabri kennt und häufig rühmt, so findet sich dort nicht mehr als eine wenig ins einzelne gehende Lobrede auf Venedig. Fabri aber bietet eine weit ausgreifende, mit einer Fülle von Einzelheiten, vor allem aber mit historischen Rückblicken ausgestattete Beschreibung. Er schließt mit ein paar begeisterten lateinischen Versen auf die Größe Venedigs, die „einer von unsrer Schar“, wir dürfen wohl sagen, er selbst gemacht hat, und sagt dann: „Die Stadt findest du aufs schönste und genaueste abgebildet in dem Reisebuch des ehrwürdigen Herrn Bernhard von Breidenbach, eine Beschreibung aber von ihrem Ursprung bis auf die Gegenwart im schmuckvollsten Stil bei M. Antonius Sabellicus in seinen Res Venetae ab urbe condita.“[18]

Also wieder ein Italiener, der dem Deutschen die Feder geführt und ihn so wohl auch für seine eigene Vaterstadt sehen gelehrt hat.

Wie weit nun freilich der Humanismus dabei mitgewirkt hat, ist nicht leicht zu sagen. Fabri weiß wohl, daß sein Stil den Anforderungen der neuen Schreibart nicht entspricht und bemerkt, daß sein Evagatorium bei den Priestern nur Spott finden werde, die statt der Evangelien und Propheten Komödien lesen und Liebeslieder im Versmaß der Hirtendichter singen, den Virgil hochhalten und sich an dem Pomp rhetorischer Wortfügungen ergötzen.[19] Tritt er in Venedig in die Kirche seines Ordens, SS. Giovanni e Paolo, so wundert er sich, an den Grabmälern des Pietro und Giovanni Mocenigo den Kampf des Herkules mit der Hydra, nackte Kämpfer und nackte geflügelte Knaben und viel solche Zeichen des Heidentums mitten unter den Symbolen der Religion des Erlösers zu sehen. „Die einfachen Leute meinen“, sagt er, „es seien Heiligenbilder, und verehren den Herkules als Simson, die Venus als Magdalena und so die andern.“ Wenn er dann nach Athen kommt, so fällt ihm wohl ein,[20] daß hier Plato und Demosthenes gelehrt haben, aber über diese stellt er doch den Dionysius Areopagita und lacht über die Torheit des Altertums, [50] das die Stadt ewige Dauer erhofft hatte und sogar ihren Namen von einem Götterstreit herleiten wollte. So hat er sich denn auch seine Ansichten über Jupiter aus Laktantius gebildet, und Venus ist ihm ganz die üble Teufelin des Mittelalters, wie er ja auch des Tannhäuser in diesem Zusammenhange gedenkt.[21] – Anders klingt es wieder, wenn er von dem geistigen Aufschwung Deutschlands spricht und die Universitäten erwähnt, auf denen neben Theologen, Juristen, Legisten und Artisten auch Redner und Dichter ausgebildet werden.[22] Und wie er in seinem Geschichtsabriß auf Heinrich IV. kommt und findet, daß die italienischen und „gallischen“ Quellen von seiner Frömmigkeit und seiner „Teilnahme an den Kreuzzügen“ garnichts wissen, dagegen bei ihm wie bei seinen Nachfolgern allerlei Schändliches über Bedrückung der Kirche enthalten, da ruft er aus:[23] So schreien und schelten die Italiener gegen die Deutschen und Schwaben und zu all dem schweigen die Deutschen und schelten nicht dawider. Und des ist kein andrer Grund, meine ich, als weil die Deutschen die Redekunst nicht haben und nicht die richtige lateinische Beredsamkeit. Wir müssen wohl stumm sein, weil wir uns schmuckvoll, kurz und wohlredend auszudrücken nicht vermögen oder doch nicht verstehen, weil wir es nicht gelernt haben. Denn auch auf unsern Universitäten ist die Rede- und Dichtkunst ganz unbekannt und das ganze Studieren der jungen Leute geht auf in Schlußformen und leerem Gezänk. Wenn ein Schwabe aufstände, der Redekunst mächtig und in der Dichtkunst gewandt, der könnte wahrlich und wahrhaft die Verleumder der alten Fürsten und Kaiser aus Schwabenstamm widerlegen, die Falschheit der Italiener an den Tag bringen und unsrer Fürsten Taten höher erheben als die der Griechen oder Italiener oder Franzosen.“

Wir werden noch sehen, in einen wie bedeutsamen Zusammenhang sich Fabri mit diesen Worten stellt. –


Trithemius[24] gehört der nächsten Generation an. Obgleich er durch Not und Entbehrungen zum Studium kam und keinen regelmäßigen Bildungsgang durchgemacht hat, sieht man doch an ihm, wieviel leichter es im Jahre 1480 in Deutschland war, ein Humanist zu werden, als dreißig Jahre vorher. Trithemius studiert in Heidelberg, als hier der Humanismus völlig durchgedrungen ist; er wird ein vir trilinguis, der griechisch bei Celtis, hebräisch bei Reuchlin gelernt hat, mit allen humanistischen Größen seiner Zeit steht er in Freundschaft oder Briefwechsel.

[51] Aber der Humanismus ist bei ihm nur Einschlag, seine Persönlichkeit ruht im Mönchtum und zwar in dem der Bursfelder Kongregation. Für sie hat er als Abt von Sponheim und dann von St. Jakob in Würzburg eine unermüdliche Tätigkeit entfaltet.

Diese beiden Wirkungskreise bezeichnen zugleich zwei scharf geschiedene Perioden seines Lebens. Dazwischen liegt seine Vertreibung aus Sponheim durch die unbotmäßigen Mönche und einen ihm feindlichen Fürsten, ein Schlag, den Trithemius nie ganz verwunden hat, und sein dadurch veranlaßter Aufenthalt in Köln, Berlin und Heidelberg, wo er zum erstenmal auf längere Zeit aus den Mönchskreisen heraus und in die große Welt tritt. In jeder dieser Perioden finden wir eine Zeit besonders gesteigerter literarischer Produktion. Einmal die Jahre 1491/94, hier entstehen die großen Lexika, der Liber de scriptoribus ecclesiasticis, das Werk De origine, progressu et laudibus ordinis Carmelitarum, der Liber de viris illustribus ordinis Benedictini; sie zeigen uns Trithemius als den Erneuerer der alten Klostergelehrsamkeit. Sodann die Jahre 1507 und 1508, hier entsteht die Polygraphie, der Antipalus maleficiorum, die Abhandlung von den sieben Planetengeistern, geschrieben teils für Maximilian, teils für den Kurfürsten Joachim von Brandenburg; sie zeigen uns Trithemius den Magier, das Orakel der großen Herrn, den Konkurrenten des Doktor Faust. Beide Ströme fließen zusammen in seinen historischen Werken, der Sponheimer Klosterchronik und der Hirschauer, die sich dann zu den großen Hirschauer Annalen auswächst; Werke, an denen er sein Leben lang gearbeitet hat.

Klosterreform ist für Trithemius durchaus Bildungsreform. Wenn die Erneuerung des Sokratischen Gedankens, daß der Wissende nicht schlecht handle, humanistisch ist, so gehört Trithemius mit seiner Arbeit auf diesem Gebiet auch in den humanistischen Zusammenhang. Auch deshalb, weil sein Kloster Sponheim nicht so fast die Pflanzschule einer neuen Mönchsgeneration, als ein gastfreies Absteigequartier für die geistig angeregten Menschen der alten und der neuen Schule wird, „griechisch vom Abt bis zu den Hunden, so daß man sich mitten im jonischen Lande glauben konnte“, wie ein humanistischer Freund 1496 findet. Die Besucherliste[25] zeigt neben Celtis, Reuchlin, Dalberg, Cuspinian, Wimpfeling auch Gabriel Biel, Jakob Spengeler, Roger Venray u. a. Den Eintretenden grüßen von den Wänden der Abtszelle Verse von Sedulius, Juvencus, Fortunat, Hildebert von Tours, Peter von Riga, Walter von Chatillon – Dichter, welche Vinzenz von Beauvais z. T. als modern und als Antidoton gegen die Heiden [52] empfohlen hatte, die aber die italienischen Humanisten kaum hätten gelten lassen. Aber darunter steht auch ein Epigramm von Celtis und ein Bildnis des Dichters, das der dankbare Abt hat malen lassen.[26] Das Refektorium schmücken die Bildnisse der Äbte, unter jedem ein paar Worte über sein Leben. Und dann folgt die Bibliothek, die Trithemius aus den winzigsten Anfängen zur größten Büchersammlung des damaligen Deutschland gemacht hat. Es ist kein Mönchskerker, aus dem man die Geister der Vorzeit befreien muß, wie Poggio die Klassikerhandschriften aus St. Gallen, sondern eine frei zugängliche Stätte des Studiums. Nicht leicht wird hier etwas vergeblich gesucht, von den Zeiten der irischen Mönche und der ersten Blüte deutscher Klosterbildung bis zu den jüngsten Erzeugnissen des Humanismus. Denn Trithemius steht durchaus auf der Meinung des hl. Hieronymus, daß die Bienen aus jeder Art Blüten Honig zu saugen verstehen.[27] Ja, eigentlich sind ihm das alles „geistliche Schriftsteller“, auch Boccaccio mit dem Dekamerone und Poggio und Valla, wenn er die Mönche auch vor den Facetien warnt und bedauert, daß Valla sein Buch von der Konstantinischen Schenkung veröffentlicht habe.[28]

Und so erscheint denn auch in dem großen Katalog der geistlichen Schriftsteller diese ganze humanistische Kohorte, Italiener, Franzosen und Deutsche, im Gefolge von Augustin und Hieronymus, Johannes Gerson und Nikolaus de Lyra. „Denn,“ sagt Trithemius in seinem Verteidigungsbriefe an einen observanten Franziskaner, der das getadelt hatte, „ihre Werke tragen nicht wenig bei zur Kenntnis der heiligen Schriften, vielleicht auch haben sie etwas Geistliches geschrieben, wenn nicht, mag sie die Erwähnung an dieser Stelle anregen, es zu tun, um sich ihren Platz zu verdienen.“[29]

Es ist nach diesen Worten klar, daß das Buch trotz seiner merkwürdigen Zusammenstellung und trotz der Widmung an Johann von Dalberg nichts mit den humanistischen Ruhmeshallen zu tun hat, wie sie Enea Silvio, sodann in Italien Bartolomeo Fazio und andere errichtet hatten, in Deutschland Eitelwolf von Stein, ein Freund des Trithemius, wohl errichten wollte.[30] Seine Vorbilder nennt Trithemius selbst: es sind Hieronymus, der der heidnischen Literaturgeschichte des Sueton eine christliche entgegengestellt hatte, und dessen Nachfolger, unter ihnen für Trithemius am wichtigsten Sigebert von Gembloux, der die Gelehrsamkeit des elften Jahrhunderts von ähnlichen Gesichtspunkten aus katalogisierte, wie Trithemius die des ausgehenden fünfzehnten.

Trotzdem beansprucht das Werk in unserm Zusammenhang eine [53] Stelle. Denn aus ihm erwächst der Liber de luminaribus sive de illustribus viris Germaniae.[31] Nicht ohne äußere Anregung. Jakob Wimpfeling ist es, der dem gelehrten Abte nahelegt, aus dem Dickicht der 900 Namen des Katalogs die Deutschen herauszulesen, damit man sehe, was schon Hieronymus und Enea Silvio andeuten, Deutschland sei nicht immer das kulturlose Land des Tacitus geblieben, es habe längst eine, freilich vergessene, Kulturblüte gehabt.[32]

Die Anregung fällt bei Trithemius auf guten Boden. Er hatte schon in seinem Katalog, wo er nur immer deutsche Abstammung vermuten konnte, sein „natione Teutonicus“ hinzugesetzt, hatte bei Hrabanus Maurus bemerkt, daß Italien nicht seinesgleichen hervorgebracht habe, und den Verlust der Zeugnisse über die alte Größe der Deutschen, insbesondere des Plinius über die deutschen Kriege, empfindet er wie einst Meisterlin und zu seiner Zeit so viele.[33]

So entsteht das neue Buch. Der Titel täuscht wie der des Katalogs. Wüßten wir nicht, daß es nur ein wenig veränderter und dürftig vermehrter Auszug aus diesem ist, so müßten wir uns, wie dort über die Fülle, so hier über den Mangel wundern. Daß z. B. keiner von den Malern und Kupferstechern hier Aufnahme gefunden hat, die Wimpfeling in seiner Lobschrift auf Deutschland so wohl zu verwerten wußte! – Darüber hat sich Trithemius keine Gedanken gemacht, er gab nur einen Auszug.

Aber die Frage nach den Grenzen seines geistigen Deutschland mußte er sich vorlegen. Er beantwortet sie, wie Enea Silvio: scriptores omnes in Germanos posui, quos fuisse Theutonicos inveni. Denn auch die aus dem Moselland und aus Trier sind nach Sitten und Sprache Deutsche, wenn sie auch einen großen Teil der alten Gallia Belgica bewohnen.[34]

Von den Zusätzen, die das neue Buch zum alten Katalog bringt, ist nur einer wichtig, der Artikel über Karl den Großen. Damit aber kommt der Mittelpunkt in den Kreis, der für Trithemius der allerwichtigste ist, von dem seine historische Auffassung der deutschen Vorzeit vor allem ausgeht.

Henri Pirenne hat einmal[35] gesagt, die Landschaften am Niederrhein, die das heutige Belgien bilden, haben stets einen undefinierbaren karolingischen Charakter bewahrt, der sie von den andern Staaten Europas unterscheidet. Man denkt bei Trithemius an diese Worte, obgleich er nicht diesen Landschaften entstammt. Er lebt in dieser karolingischen Kultur, ihrem Kreise entstammen seine wichtigsten Entdeckungen, die Briefe des Bonifatius und Lull, die Fuldaer [54] Reichsannalen, Richer, Flodoard, Regino, Frechulf von Lisieux, Otfried von Weißenburg – und die erste seiner berüchtigten Fälschungen, der Meginfried.

Seine Studien zur Ordensgeschichte haben ihn auf diese Zeit geführt. Hier sieht er die Benediktinerklöster als Mittelpunkte der geistigen Kultur. Sie sind für die Mönche damals, was die „gymnasia publica“ jetzt für alle sind. Sie müssen auch einen Zusammenhang unter sich haben, wie die humanistischen Sodalitäten, die Celtis gründete, oder wie die Klöster der Bursfelder Union, die Cusa zusammengeschlossen hatte. Das Mutterkloster ist Fulda. Fulda unter Hraban erscheint so, wie Sponheim nach des Trithemius Wunsche unter ihm sein sollte, und es trifft sich, daß er auch sein Schicksal mit dem von Hraban und Regino vergleichen darf.[36] Hier in Fulda also muß sich auch der Chronist befinden, der von diesem und so vielen andern Klöstern aus der Zeit ihrer Blüte zu erzählen weiß, nicht nur ein „Chronograph“, sondern auch ein Dichter, der aber seine Kunst im Sinne des Trithemius nicht zu nichtigen Spielereien, sondern zu Ehrenmalen der großen Verstorbenen verwendet, das ist Meginfried.

Ludwig Traube, der große Pfadfinder auf dem Gebiet der mittelalterlichen Philologie, hat uns gezeigt, wo wir ihn zu suchen haben: nicht in Fulda, sondern in St. Riquier, der einst so berühmten Abtei Angilberts in der Picardie.[37] Mit den Gedichten, die er hier las, bringt Trithemius ein buntes Material zusammen, das er kühn, aber anscheinend doch mit Wahrung der Gleichzeitigkeit von andern Klöstern auf Hirschau überträgt, und gewinnt daraus den Stoff, um der Geschichte des Klosters im Schwarzwald zwei Jahrhunderte fabelhafter Jugendgeschichte anzustücken.

Ist so alles einzelne hier Trug, so ist doch ein Stück deutscher Vergangenheit gewonnen, das für alle Früheren im Dunkel lag. Und Trithemius begnügt sich nicht mit dem Aufspüren der Zusammenhänge klösterlicher Kultur. Bei Karl dem Großen hören wir von dessen Aufzeichnungen der deutschen Volksrechte und von seinem Versuch einer deutschen Grammatik. Mit diesem aber setzt Trithemius den Christ Otfrieds von Weißenburg in merkwürdige Verbindung. Er kennt als erster die Handschrift, vielleicht noch in Weißenburg selbst, und bedauert nur, daß er das Deutsch Otfrieds nicht lesen könne, da es von dem seiner Zeit soweit abstehe wie Etruskisch vom Latein.[38]

Für die eigentlich historische Schriftstellerei Tritheims ist es [55] wichtig, daß er in der Form der Klosterchronik, wie sie ihm die Karolingerzeit bietet, das Vorbild für seine eigenen Aufzeichnungen sieht. Er macht bemerkenswerte Ansätze zu einer Selbstbiographie, aber er versteckt das beste davon in seiner Sponheimer Klostergeschichte[39], seine Quellenstudien treiben je länger je mehr einer deutschen Geschichte zu, aber was davon fertig geworden ist, liegt in Hirschauer Annalen vor. Und mochte er hier noch so sehr zeigen, daß er historische Quellen nicht nur zu finden, sondern sie auch zu charakterisieren und ihnen Platz und Bedeutung zu geben wußte, das Ergebnis ist doch nicht mehr, als eine Rückkehr zu dem Standpunkt Ekkehards und Sigeberts, nur ohne deren kritische Klarheit.

Daß er wenigstens in einem Punkte weitergekommen, zu einer selbständigen Auffassung deutscher Geschichte vorgedrungen ist, verdankt er, wenn nicht alles täuscht, jenen für sein persönliches Geschick verhängnisvollen Jahren 1505/7, die ihn mit Kaiser Maximilian in Berührung brachten.

Von den mancherlei Bestrebungen Maximilians fanden zwei bei Trithemius das willigste Echo, die astrologischen Spekulationen und die genealogischen Hypothesen. Für Maximilian, den lebensfrischen, ewig projektierenden, konnte die Aussicht nichts Freundliches haben, daß am Ende dieses römischen Reichs – und nach der Meinung der Prophezeiungen wohl gar bald – das Reich des Antichrists stehe. Eine andere Auffassung des Weltenplans bot damals nur die Astrologie, und Trithemius hat sie für Max in der „Mystischen Chronologie“ oder der Abhandlung von den sieben Planetengeistern, deren jeder eine bestimmte Zeit die Welt regiert, niedergelegt.[40] Es ist eine sehr willkürliche Periodisierung der Weltgeschichte, aber interessant, da sie mit so leichter Hand die bis dahin feststehenden Einschnitte verlegt und in eine reichlich bemessene Zukunft hinausweist.

Die Arbeit steht in gar keinem Zusammenhang mit den übrigen historischen Werken des Trithemius, auch später hat er davon keinen Gebrauch gemacht. Viel wichtiger wird sein Bestreben, auch den genealogischen Wünschen des Kaisers zu dienen, ihm entstammt seine zweite Fälschung, der „zuverlässige Geschichtschreiber der Urzeit der Franken“, der Hunibald.

Auch mit seinen Fälschungen steht Trithemius in der Mitte zwischen Humanismus und Mönchtum. Dies fälscht, um seinem Kloster einen Rechtstitel oder den Gebeinen seines Heiligen eine [56] Wundergeschichte von ehrwürdigem Alter zu sichern, der Humanismus aus Ruhmsucht oder aus der Empfindung, daß das Altertum, in dem man zu leben gesonnen ist, kein Torso sein dürfe. Meginfried und Hunibald sind aus einer Kreuzung dieser beiden Empfindungen hervorgegangen.

Hunibald ist das bei weitem saftlosere Produkt der Phantasie des Trithemius. Wenn er überhaupt nach einer Vorlage gemacht ist, so kann sie nur in einer Ableitung der Gesta Francorum zu suchen sein, vielleicht in einer der zahlreichen niederländischen Reimchroniken.[41] Ein paar Bemerkungen von Trithemius scheinen darauf hinzudeuten. Die Tendenz ist, die Franken, an deren Könige das Haus Habsburg angeschlossen wird, zwar ihres trojanischen Ursprungs, den ihnen schon Fredegar gegeben hatte, nicht zu berauben[42], aber ihre Ankunft in Deutschland aus der Zeit Kaiser Valentinians im 5. Jahrhundert nach Christus um ebensoviel Zeit vor Christi Geburt heraufzurücken, so daß ein Frankenreich geschaffen wird vor jeder Spur römischen Einflusses auf Deutschland.

Wenn bei der Ausführung dieses Planes etwas auffällt, so ist es die geflissentliche Vernachlässigung der beglaubigten Nachrichten über die germanische Frühzeit, die doch leicht Farben zu dem Bilde hätten geben können. Originell ist an dem Machwerk des Trithemius gar nichts, als etwa in der äußeren Geschichte der Bund zwischen Sachsen, Thüringer und Franken gegen Gallier, Römer – und Goten, in der inneren von allgemeinen Gedanken die Ablehnung jeder Vorstellung eines kulturlosen Urzustandes, von besonderen die Heraushebung der Stellung der Priester, die – in allen Wissenschaften kundig und in Rom und Athen gebildet – nicht nur die einzigen Berater der Könige, die Verkünder der Zukunft, sondern auch die Geschichtschreiber des Volkes sind. Er weiß von solchen, die deutsch geschrieben haben und auch die Taten der Vorfahren in Lieder faßten, die die Jugend lange Zeit auswendig lernte, bis der Brauch abkam.

Aber das alles ist Nebensache gegen eine wichtige Erkenntnis, die Trithemius aus seinem Hunibaldkodex schöpft. Es hat ein Frankenreich gegeben, das alt und stets unabhängig von Rom war, und seine Fortsetzung ist das alle deutschsprechenden Stämme umfassende Königreich Germanien, das bis auf den heutigen Tag besteht, wenn ihm auch seither das Kaisertum „einverleibt und unterworfen worden ist“, und das auch weiterbestehen wird, wenn das Kaisertum etwa einmal zu einer andern Nation kommen sollte.

Das ist die große Entdeckung, die Trithemius seinem Freunde [57] Baselius in der Zuschrift des zweiten Teils der Hirschauer Annalen mitteilt. „Deshalb,“ sagt er, „habe ich hisher zu Unrecht von einem römischen König gesprochen, wo ich König von Germanien hätte sagen müssen, und auch die Reichsstädte sollten königliche, nicht kaiserliche heißen.“

Gemacht aber hat Trithemius diese Entdeckung in den Jahren, wo er mit Maximilian in nähere Berührung getreten war, sich als sein theologischer Berater betrachten durfte und, wie 1508, mehrere Monate dem Hofe folgte. Es sind die Jahre, in denen Maximilian sich vor allem mit dem Plan der Romfahrt trug, die dann vor den verschlossenen Pässen Italiens in Trient mit der Proklamation zum erwählten römischen Kaiser aus eigenem Recht endete. Trithemius, sonst ein so getreuer Chronist der Zeitereignisse, hat dieses gar nicht aufgezeichnet, für ihn ist Maximilian schon längst der erwählte römische Kaiser. Über Italien mag er auch damals gedacht haben, wie er seinen Rudolf von Habsburg nach der Klingenberger Chronik sagen läßt[43], es sei eine Höhle des Löwen, wo viele Spuren hinein, aber keine herausführen. Vor den treulosen Venetianern hat er öfter gewarnt und eine Erweiterung der Grenzen Germaniens schwerlich gebilligt, wie er denn wiederholt die friedlichen Fürsten lobt, die mit dem ihrigen zufrieden sind.[44]

Um so eifriger wacht er freilich über der Erhaltung der alten deutschen Grenzen, und so richtet sich seine Erörterung vom Königreich Germanien vor allem gegen die Franzosen. Er weiß, daß sie schon zweimal, 1308 und 1325, die Kaiserkrone erstrebt haben und dies immer noch tun. Aber selbst wenn ihnen das gelänge, so sollen doch die Städte zwischen Rhein und Mosel deutsch bleiben, wie sie sind.[45]

Vielleicht dünkte ihm diese Ansicht eine kräftigere Waffe in dem Streit mit den Franzosen, als die Deklamationen der Elsässer über das Deutschtum Karls des Großen. Hatte ja auch Enea Silvio gerade an der Stelle seiner Europa, wo er sich für die deutsche Abstammung Karls des Großen erklärt, den Deutschen nur ein Gewohnheitsrecht auf die Kaiserkrone zugesprochen. Sicherlich aber kannte Trithemius die Prophezeiungen, die Deutschland den Verlust des Kaisertums schon in der nächsten Generation in Aussicht stellten, und er war nicht so kühn wie der Tübinger Heinrich Bebel, hier von Lügenpropheten zu sprechen.[46]

Sodann aber mag ihm diese Geschichtsauffassung wohl als die beste Vermittlung in dem Zwiespalt zwischen Kirchlichkeit und [58] Deutschtum erschienen sein, der sich durch all seine historischen Werke zieht. Trithemius ist viel zu sehr Mönch, um nicht Heinrich IV., Friedrich I. und II., Ludwig den Bayern in ihrem Kampf mit der Kurie zu verdammen. Wenn er in diesem Punkte je geschwankt hat[47], so haben ihn die Erfahrungen des eigenen Lebens immer wieder auf die Seite der kirchlichen Autorität gedrängt. Aber die menschliche Größe der Kaiser, wie Heinrichs IV. und selbst Friedrichs II. ergreift ihn doch[48], und wenn er bei Friedrich Barbarossa auch nicht, wie in der astrologischen Geschichtsperiodisierung für Maximilian, bloß von seinem Kampf mit den „römischen Großen“ reden kann, so möchte er doch mancherlei von seinen Verirrungen auf schlechte Berater schieben.[49] In seinen staatsrechtlichen Anschauungen ist Trithemius unsicher, wie die meisten dieser Vermittler. Ein politisches Verständnis für die kurfürstliche Neutralität von 1438 hat er ebenso wenig wie für die pragmatische Sanktion der Franzosen. Und als ihn Maximilian 1511 wegen der Beschickung des Konziliabulum von Pisa befragt, rät er eindringlich ab, denn der Kaiser sei doch nur Kaiser als Schutzherr der Kirche, sonst hätte diese ja das von Konstantin erhaltene Imperium sich selbst bewahren können.[50] Scheint es ihm zweifelhaft, ob der Papst Heinrich IV. zu Recht abgesetzt habe, so steht er doch weit weg von Dante und Occam, die, wie er meint, die Autorität des Papstes auch im Geistlichen ganz vernichten und sagen, daß das Imperium der Kirche gar nicht unterworfen sei.[51]

Nach ihm ruhen beide Gewalten in eigenen Rechten: das Papsttum seit Hadrian III., wo festgesetzt worden ist, daß die Papstwahl von jedem Einfluß, auch dem der Kaiser frei sein müsse, das Kaisertum seit Gregor V., der, wie er meint, bestimmt habe, daß die Würde des Imperiums beständig bei den Deutschen bleiben müsse, und wer von den deutschen Fürsten gewählt werde, ohne Weigerung vom Papst zu krönen sei. – „Quae constitutio iam per annos quattuordecim et quingentos ad hunc diem usque servata est.“[52]


„Me sola Hirsaugia gaudet“ hatte Trithemius unter den ersten Teil seiner Annalen geschrieben. Sein letztes und bedeutendstes Werk schrieb er für die Mönche[53], und bei ihnen ist es fast zwei Jahrhunderte vergraben geblieben. Trotz Meginfried und Hunibald müssen wir das bedauern. Wer verfügte im damaligen Deutschland über eine auch nur annähernd gleiche Kenntnis der echten Quellen deutscher Geschichte! Wer konnte Rather von Verona, Lambert, Benzo von Alba, Petrus Damiani charakterisieren und einordnen, wie er es getan hatte? [59] Wer sah weit genug, um die Antapodosis Liutprands mit Platinas Leben Pauls II. zu vergleichen! Man meint, hier hätte den Bestrebungen der Celtis, Pirkheimer, Peutinger diese Quellen ans Licht zu ziehen, sie durch den Druck vor neuer Vergessenheit zu bewahren, der kräftigste Helfer erstehen müssen.

Vielleicht wäre das geschehen, wenn Trithemius sich 1507 entschlossen hätte, dem Anerbieten dieser Freunde zu folgen, die ihm ein Heim in Augsburg in Aussicht stellten, wo er mit einem Jahrgeld Maximilians „fern von allem Weltlärm“ hätte philosophieren können. Er wäre damit in einen der großen Mittelpunkte humanistischer Forschungs- und Herausgebertätigkeit gerückt worden, sicher zu seinem Heil. Aber Trithemius lehnte ab. Er wollte Mönch sein und bleiben, und er geht auch weiterhin seine eigenen Wege. Man darf zweifeln, ob er der Aufforderung Pirkheimers die alten Quellen drucken zu lassen nachgekommen wäre, auch wenn ihn nicht 1516 der Tod überrascht hätte. In seinen Annalen rühmt er die Buchdruckerkunst als deutsche Erfindung, freilich mit den Worten eines Italieners, aber die Schreibtätigkeit der Mönche betrachtet er doch als die verdienstvollste Klosterarbeit, wie sie es für die alten Benediktiner von Fulda und St. Gallen wirklich gewesen war.[54]

Dies Rückschauen in eine nun einmal nicht wiederzubringende Vergangenheit hat sich gerächt. Die Büchersammlungen, die Trithemius angelegt hat, sind schon bald nach seinem Tode in alle Winde zerstoben, kaum, daß sich da oder dort noch ein Stück aus der alten Schatzkammer nachweisen läßt.[55] Sein Entdeckerruhm, von dem sich keckere Nachfolger mehr angeeignet haben mögen, als wir heute nachweisen können, ist schnell verdunkelt worden. Das Interesse der Humanisten an ihm erlischt, als sich der Hunibald als Trug, der Nachlaß als disiecta membra erweist[56], und die Schar der „Trithemianer“, deren er sich schon bei Lebzeiten rühmen konnte, rekrutiert sich aus Mönchen. Namen von Klang sind nicht darunter. Wolfgang Trefler in Mainz, Paul Lang in Bosau und Johann Butzbach in Maria Laach mögen die bekanntesten sein.[57] Sie haben sich, wie ihr Meister, auch auf historischem Gebiet versucht, aber ohne ihn zu erreichen. Und wenn einer wie Butzbach mit seinem Wanderbüchlein einen glücklicheren Griff tut, so ist das ein Jugendwerk, dem keine Weiterentwicklung entspricht. Als die Abrechnung zwischen Humanistik und Scholastik kommt, finden wir sie unter den viri obscuri. Den großen Strömungen des Humanismus stehen sie fremd, ja feindlich gegenüber, schon weil ihr Wahlspruch der ihres Meisters bleibt, [60] daß die Weisheit stets in den Kutten gesteckt habe und noch darin stecke.[58]


Es ist der Punkt, der das reformierte Mönchtum überhaupt von derjenigen Gruppe des Humanismus scheidet, die ihm in allem übrigen nächstverwandt ist, den Elsässern um Geiler, Brant und Wimpfeling.[59]

Von Geiler, Brant und Wimpfeling hat man gesagt, daß an ihnen Einsiedler verloren gegangen seien. Wimpfeling datiert mehrere seiner Schriften aus seiner Schwarzwaldeinsiedelei, dreimal scheint er im Begriff, sich ganz von der Welt zurückzuziehen. Aber gerade er kommt 1505 mit Trithemius in Zwiespalt darüber, ob der hl. Augustin ein Mönch gewesen sei; er will es schon deshalb nicht zugeben, damit Augustins Werke nicht von den Klugen dieser Welt verachtet würden. Man hat den Streit, der auf beiden Seiten weitere Kreise zog und sich zu einem Kampf zwischen Weltpriestertum und Mönchtum, ja beinahe zwischen Klosterbildung und Universitätsbildung auswuchs[60], nicht mit Unrecht ein Vorspiel zum Reuchlinschen Handel mit Pfefferkorn genannt.[61]

Daß sich die Elsässer Humanisten von der Welt zurückzogen, verhinderte vor allem das drängende Leben dieser Welt selbst, das sie mit tausend Fäden gefangen hielt. Nicht leicht zu irgend einer andern Zeit hat das Elsaß sich so deutlich als das Küstenland eines großen Kulturstroms gezeigt, an das alles Neue sogleich und kräftig angetrieben wird. Vom Norden kommt der Schulbetrieb und die devotio moderna der Brüder vom gemeinsamen Leben, vom Süden der Humanismus, teils von Italien direkt, teils von Basel, wo Johann Heynlin von Stein ihn mit einer Reform der Philosophie verbindet, von Frankreich her der Aufschwung der mathematischen Studien, die zugleich die Aufmerksamkeit auf Geographie im allgemeinen und die neuen Entdeckungsfahrten im besonderen lenken. Von hier aber auch die politische Bedrohung, zunächst durch den Burgundischen Koloß, dann nach seinem Fall, dessen Zuschauer das Elsaß wird, durch den unruhigen Ehrgeiz Karls VIII.

Und als nun der jugendliche Maximilian die nie ganz erloschenen besonderen Beziehungen des Elsaß zum Hause Habsburg neu zu beleben weiß, da fühlt sich das Land wieder wie einst als rechtes Reichsland, zumal ja nicht, wie anderswo, ein einheimisches Fürstenhaus einen Teil dieser Gefühle für sich beansprucht, auch nicht eine große Kommune sieh völlig aus ihrer Umgebung herausgehoben hat, [61] wie Nürnberg aus dem fränkischen, Augsburg aus dem schwäbischen Kulturkreis.

Auch der bei aller Stammverwandtschaft immer deutlicher empfundene Gegensatz zu den Schwaben einerseits, den Schweizern anderseits kommt dieser Wendung zum Reiche zugute.

So entsteht ein besonderer Patriotismus, der längst auch nach historischem Ausdruck gesucht hat. Aus der Zeit des ersten Habsburgers stammten die 28 historischen Glasgemälde im nördlichen Seitenschiff des Straßburger Münsters, die nicht, wie sonst etwa bei ähnlichen Vorwürfen, die vier kühnsten Heiden, die vier weisesten Juden, die vier frömmsten Christen usw. darstellten, sondern die Reihe deutscher Herrscher seit Karl Martell. Sie fanden ihre Ergänzung in den drei gekrönten Reiterstatuen der Fassade: Chlodwig, Dagobert und Rudolf von Habsburg. Angegeben hatte diese Darstellungen vielleicht der Mann, dem Straßburg auch die Aufzeichnung seines Entscheidungskampfes mit der bischöflichen Gewalt und damit die Anfänge städtischer Annalistik verdankt, der große Ellenhard vom Münster.[62] Etwa 100 Jahre später schreibt Königshofen. Schon ihn beschäftigen Fragen, wie die nach der „Gründung und Bekehrung von Deutschland und Straßburg“[63], nach der Entstehung der deutschen Sprache[64], vor allem nach dem Deutschtum Karls des Großen. Der Humanismus ist kaum ein wenig erstarkt, so versucht er sich dieses Erbes zu bemächtigen. Brant und Wimpfeling machen sich daran.

Nach Talent, Neigungen und Lebensstellung scheint Sebastian Brant den Vortritt beanspruchen zu können. In Basel den Humanitätsstudien gewonnen, juristisch gebildet, früh den Blick mit satirischer Schärfe und sorglichem Vaterlandsgefühl auf die große und kleine Welt richtend, dann als Syndikus und Stadtschreiber in Straßburg fast 20 Jahre im Mittelpunkt der Geschäfte eines großen Gemeinwesens, endlich der Berater Maximilians bei dessen historischen Plänen – wer erscheint geeigneter als Brant, dem neuen Zeitalter ein Geschichtswerk von Wert zu geben?

In welchem Sinne er es angelegt hätte, zeigt bereits das Buch, das Brant im Jahre 1495 Maximilian widmete: De origine et conversatione bonorum regum et laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem.[65] Es ist ein Stück Türkenliteratur, die besonders seit dem Fall Konstantinopels sich üppig entfaltet hatte. Schon die ersten Reden von den Türkenreichstagen hatten historische Rückblicke gebracht, die Ausdeutung der Prophezeiungen führte ebenfalls dazu[66], alte Beschreibungen der Kreuzzugsfahrten finden willige [62] Leser und auch Übersetzer[67], in den Reisebeschreibungen des heiligen Landes nimmt der historische Teil eine besonders wichtige Stelle ein.[68]

Von all dem hat Brants Buch etwas. Die guten Könige sind die, welche die Christenheit vor den Ungläubigen geschützt haben, und man sieht wohl, wie sich ihm unter diesem Gesichtspunkt auch die deutsche Geschichte ordnet. Karl der Große bekommt die Kaiserkrone, „um die Kirche und das Imperium zugleich“, die im Orient verfallen sind, im Occident zu errichten, sein Kreuzzug wird nach der Legende getreulich berichtet; Otto verdient sich das Kaisertum durch seinen Ungarnsieg[69], Friedrich Barbarossas Ruhm beruht nicht zuletzt auf seinem Kreuzzug, während Heinrich IV. vor allem deshalb als ein ganz verruchter Mensch erscheint, weil er die Fürsten durch Beschäftigung in inneren Kriegen von dem glorreichen Zug ins heilige Land abhielt.[70]

Das ist also etwa der Standpunkt Fabris, nur geschichtlich besser begründet. Allerdings nicht gerade auf tiefen Quellenforschungen, aber doch auf guten Werken der Neueren, zumal der Italiener, wie der Geschichte Venedigs des Sabellicus, den Papstbiographien des Platina, den großen Türkenreden des Enea Silvio.[71] Diese müssen dann auch Stoff und Form für den Schluß abgeben, in dem Maximilian feurig ermahnt wird, sich den guten Königen anzuschließen und an der Spitze des St. Georgsordens ins heilige Land zu ziehen.[72]

Der deutsche Kaiser als Vorkämpfer der Christenheit mit ritterlichen Scharen gegen die Türken ziehend und damit als rechter Herr der Welt sich erweisend – das ist Brants Ideal sein Leben lang geblieben.[73] 1498 läßt er der zweiten Ausgabe von Jakob Lochers Latinisierung seines Narrenschiffes einen lateinischen Gedichtanhang folgen, der, wenn man so sagen darf, ein Stück seiner Geschichtsphilosophie enthält.[74] Hat das Narrenschiff die Torheit der einzelnen Stände gegeißelt, so folgt jetzt die tiefsinnige Frage, warum denn so viel Torheit auf der Welt sei. Brant beantwortet sie damit, daß die rechte Ordnung verrückt sei. Im alten Bunde seit dem Sündenfall, so daß kein Reich lange hat bestehen können, im neuen, seit die Ordnung Konstantins, durch die Christus der Herr geworden und jedes weltliche Szepter vom Papst verliehen ist, gestört wird. Das ist der Pessimismus des Satyrikers, der nur für sein Deutschland dem Optimismus des Patrioten weicht. Denn das deutsche Reich ruht, wie es sein soll, auf Kaiser, Kurfürsten und Reichstagen, und wenn er bei den letzteren, einem alten Witzwort vom Basler Konzil, das [63] Enea Silvio populär gemacht hatte, folgend, eine spöttisch-zornige Abschweifung darüber bringt, daß ja einer nur den andern gebäre, so singt er doch gleich seine Palinodie: hat doch der Wormser Reichstag durch das einmütige Zusammenwirken von Kaiser und Ständen den Landfrieden und die Reichssteuer gebracht, von denen sich Brant eine neue Zeit erhofft.

Trotz dieses Ausblickes werden wir nach dem bisherigen wenig Ursache haben, Brant zu den humanistischen Historikern zu stellen. Vielleicht auch nicht, wenn wir uns von seiner Tätigkeit als amtlicher Annalist der Stadt Straßburg nach den dürftigen Resten, die uns übrig geblieben sind, eine Vorstellung zu machen suchen.[75] Denn, die „gedächtnüssbüchl“, mit denen er wie seine Vorgänger die Ereignisse der Stadtgeschichte möglichst unmittelbar zu begleiten hatte, sind eben offenbar nur „etwas prolixer und dicker“, sonst aber von alter Art gewesen. Und auch die Chronik, die nebenherging, würden wir nach den spärlichen Hinweisen und einer größeren Probe durchaus für ein Werk mittelalterlicher Stadtchronistik halten müssen, hätte uns nicht Caspar Hedio ein Einleitungskapitel erhalten, das die „Gelegenheit teutscher Land“ bespricht.[76]

Hier weht neuer Geist. Die Frage nach dem Unterschied der Grenzen des alten und neuen Deutschland, die Enea Silvio aufgeworfen, Fabri weiter zu verfolgen gesucht hatte, beantwortet Brant auf Grund der besten Quellen. Caesar, Tacitus, Plinius und Strabo werden einwandfrei verwertet. Brant bemerkt den beständigen Wechsel in den Sitzen der alten Stämme, der die Identifizierung der überlieferten Namen erschwert, ebenso die gewaltigen Veränderungen, die die Kultur in dem Antlitz des Landes hervorgebracht hat. Wenn er aber sodann Rhein und Donau in ihrem Laufe verfolgt, so glauben wir trotz einer wehmütigen Bemerkung über den Kaiserstuhl zu Rense oder einer antiquarischen Notiz über das ubische Köln mehr den reisenden Kaufmann zu hören, der Zollstätten und Brücken notiert als den Beobachter von Land und Leuten und die „Summa aller Macht teutscher Nation“, mit der das Fragment schließt, ist breiter, aber nicht tiefer als die Statistik des Kolmarer Dominikaners aus der Zeit Rudolfs von Habsburg.

So mag man zweifeln, ob Brant auch bei größerer Muße die weitertragenden Gedanken der Schlußrede dieses Abschnitts[77] zum Programm eines einheitlichen historischen Werkes hätte machen können. Den Zeitgenossen und uns bleibt er der Verfasser des Narrenschiffs und muß den Ruhm der ersten Darstellung deutscher Geschichte [64] oder doch wenigstens ihrer Herausgabe an Jakob Wimpfeling überlassen.

Auch Wimpfeling hat früh Gelegenheit gehabt historisches Interesse zu gewinnen. Vielleicht schon in Schlettstadt, wo in des alten Dringenberg halbhumanistischer Schule historische Reimereien einen besonders beliebten Übungsstoff geboten zu haben scheinen[78], sicher in Heidelberg, wo er die in Schlettstadt gelernte Kunst in der Umgebung Friedrichs des Siegreichen verwendete – die Proben sind dann, wie wir sahen, von Matthias von Kemnat als gute Beute für seine Chronik benutzt worden. Wichtiger, wenn auch nicht poetischer als diese, sind zwei Gedichte aus der gleichen Zeit auf den Tod Peter Hagenbachs und die Schlacht bei Murten. Sie zeigen bereits Wimpfelings Gesinnung: die Schlacht bei Murten ist für ihn ein Sieg der Deutschen über die Franzosen.[79]

Historische Kunst konnte Wimpfeling von Matthias von Kemnat kaum lernen. Aber auf die Richtung seiner Interessen mag der pfälzer Hofkaplan einigen Einfluß gehabt haben. Bei dem erfolglosen Sturm Karls des Kühnen auf Neuß, der den Schlachten von Granson und Murten vorherging, hatte Matthias in seiner Chronik allerlei wehmütige und warnende Betrachtungen über die Lage des Reichs geboten. Er mahnt die Fürsten dem fremden Dränger einmütig zu widerstehen: „Dutt ire das, uch kriegt kein Wale, Beham oder Unger. Wan ire selbs eing sint, gewint ire nit vil, so behaltet ir doch deutsch lant, das es euch niemant angesigt, got wolle es dan gestrafft han, als gestrafft ward die statt Rome durch ire Verachtung und hochmut.“ Und nun kommt ein Überblick über die Geschichte des römischen Reichs, damit Kaiser und Fürsten sich ein Exempel daran nehmen und „die edele krone vnd chur der keiserlichen majestat“ nicht abdringen lassen.[80] Matthias mochte sich hier wohl als scutifer imperii erscheinen, wie sein Lehrer Luder.

Es ist die Rolle, in der sich Wimpfeling sein Leben lang gefallen hat. 1492 hat er seine erste literarische Fehde; als Wortführer der erregten öffentlichen Meinung und als selbsternannter „Redner des römischen Königs“ stellt er den französischen Gesandten Robert Gaguin für die Übergriffe seines Herrn, den Raub des „Fräuleins von Britannien“ und die schmachvolle Zurücksendung der Habsburgerin Margaretha in Prosa und Versen zur Rede; der Kehrreim seines Spottliedes, „die Lilien welken“, den er aus einem Gedichte Johannes Gereons parodiert hatte, ist noch 1495 Jakob Locher und 1519 Sebastian Brant zum Ausdruck patriotischer Gefühle brauchbar erschienen.[81]

[65] 1495 ist Wimpfeling dann auf dem denkwürdigen Wormser Tage, der Sebastian Brant und ja noch Jahrhunderte später Justus Möser als der Anbruch einer neuen Zeit erschien. Hier lernt er eine kirchenpolitische Denkschrift, den „Traum“ des Ritters Hans von Hermansgrün kennen; sie macht solchen Eindruck auf ihn, daß er sich noch 15 Jahre später derselben erinnert. In dem Werkchen[82]), das sich schon formell den besten Leistungen humanistischer Beredsamkeit an die Seite stellt, hatte der Autor die drei Vorkämpfer des Reichs, Karl den Großen, Otto den Großen und „Federicus secundus Barbarossa“ aus den Gräbern zitiert, um den letzteren vor einer geträumten Reichsversammlung die Gefahren darlegen zu lassen, die dem Reich von Türken und Franzosen drohen. Von den Franzosen vor allem, deren König Karl auf seinem von aller Welt mit staunender Furcht beobachteten Italienzuge nach des Ritters Meinung nichts anders erstrebt haben kann, als die römische Kaiserkrone.[83] – Wir sahen, wie das die Befürchtungen des Trithemius waren, Wimpfeling teilt sie durchaus. Er wird wohl davon gewußt haben, daß Ludwig XI. das Andenken Karls des Großen in seiner Weise wieder zu beleben gesucht hatte, indem er ihn in Paris als Heiligen verehren ließ, wie einst Ludwig der Fromme in Aachen.[84] Gewiß auch kannte er, so gut wie Meisterlin und andere Humanisten, die vielleicht in Straßburg 1477 gedruckte große Plutarchübertragung, in der am Schluß eine Vita Caroli Magni e graeco translata stand. Der Bearbeiter Donato Acciauoli hatte sie demselben Ludwig XI. als Geburtstagsgabe dargebracht und den Einhard darin stark „gallisch“ überarbeitet.[85]

Längst gehen neben solchen politischen Anregungen eigentlich historische Studien und Bestrebungen Wimpfelings her. In Speyer nimmt er – vielleicht der erste seit Burkard von Ursperg – historisches Interesse an den Inschriften der Kaisergräber[86]; in der Dombibliothek findet er das Carmen de bello Saxonico, aus Dalbergs Bibliothek in Worms mag er den Ammianus Marcellinus kennen gelernt haben, damals zwar schon gedruckt, aber in Deutschland so gut wie unbekannt.[87] 1497 ediert er mit Brant Lupold von Bebenburgs Werk: Germanorum veterum principum zelus et fervor in christianam religionem deique ministros. Er fand darin nicht nur sein Ideal des christlichen Fürsten, sondern auch die Erörterung einer Frage, die ihn lebhaft beschäftigte, die über das Deutschtum Karls des Großen. Die Ausgabe Ottos von Freising sollte dem Lupold folgen und das Andenken Friedrich Barbarossas erneuern.[88]

Wie Wimpfeling auf Trithemius zur Herausgabe des Katalogs [66] berühmter Männer Deutschlands wirkt, haben wir gesehen, mit Brant schmiedet er weitere historische Pläne.[89] Schon vorher hat er Sebastian Murrho in Schlettstadt angeregt, ein Werk De virtutibus et magnificentia Germanorum zu schreiben. Murrho stirbt 1494 und Wimpfeling, der sich ein wenig als den Verwalter seines literarischen Nachlasses betrachtet[90], denkt sogleich an eine Herausgabe. Mit dem Lupold von Bebenburg und dem Katalog berühmter Deutscher soll es eine Art deutschen Ehrenmals werden. Andere Pläne – bei diesem ewig gebärenden Schriftsteller keine Seltenheit – drängen Murrhos Buch zunächst in den Hintergrund. Doch mag Wimpfeling das Manuskript öfter hervorgeholt und seine temperamentvollen Bemerkungen über Türken- und Franzosennot oder Lesefrüchte anderer Art an den Band geschrieben haben.

Dann, als um die Wende des Jahrhunderts die Mißerfolge Maximilians im Schweizerkrieg und gegen Frankreich in Straßburg mancherlei Kritik, vor allem auf den Kanzeln, und wohl auch alte franzosenfreundliche Bestrebungen in Adel und Geistlichkeit laut werden ließen[91], wirft er eine Flugschrift „Germania“ aufs Papier, die in einem kurzen ersten Teil das Deutschtum des Elsaß seit den Tagen Cäsars und die deutsche Abstammung aller deutscher Kaiser seit Karl dem Großen beweisen will, im zweiten den Straßburgern gute Lehren gibt, wie sie ihre Stadt blühend und mächtig erhalten und für die wahre Bildung ihrer Bürger sorgen können.[92]

Er hat, wie auch sonst[93], Bedenken getragen das Schriftchen herauszugeben. Aber Brant mag ihn vorwärts getrieben haben. So erscheint es 1501. Der Rat von Straßburg erweist sich dankbar, aber in dem Franziskanermönch Thomas Murner ersteht Wimpfeling ein heftiger Gegner. Die nun sich entspinnende literarische Fehde wird persönlich und gehässig, aber sie hält doch auch Wimpfeling bei dem einmal ergriffenen Stoffe fest und von Freunden und Schülern, die gleicher Gesinnung sind, angefeuert, bereitet er nun wirklich die Murrhoschen Blätter mit seinen Zusätzen zur Ausgabe vor und endlich im Frühjahr 1505 erscheint die Epitoma Germanorum, Jacobi Wympfelingii et suorum opera contextum.[94]

Also eine erste deutsche Geschichte, die nur dieses sein will. Betrachten wir ihren Aufbau. Nachdem die Einteilung der Germanen in fünf Hauptstämme gegeben ist, beginnt die eigentliche Geschichte mit den Zügen der Cimbern und Teutonen. Es folgt Ariovist, „der erste König der Germanen“, der mit Cäsar gefochten hat, die Niederlage des Varus „und des Drusus“[95]. Dann ein merkwürdiger Abschnitt [67] „die Germanen haben auch fremde Könige vertrieben“. Es sind Alexander der Große, Darius, Cyrus, Lysimachus von Thrazien darunter. Dann etwas von der Wehrhaftigkeit germanischer Frauen und Knaben, weiteres über die erfolglosen Kämpfe römischer Herrscher gegen Deutschland, endlich ein sehr kurzer Abriß der Völkerwanderung. Damit schließt der erste, allerdings nicht besonders kenntlich gemachte Teil.

Mit Karl dem Großen beginnt die Kaisergeschichte. Der den einzelnen Kaisern zugemessene Raum ist sehr verschieden. Karl der Große, Otto I., Friedrich I. und II. sind am meisten berücksichtigt. Karl und die beiden Staufer sind offenbar die Lieblinge des Autors, bei Karl wird nochmals seine deutsche Abstammung betont. Im übrigen aber spielt diese Kaisergeschichte bis 1254 fast durchaus in Italien, so zwar, daß wir z. B. von den Parteiungen der Welfen und Staufer erst in ihrer italienischen Form etwas erfahren. Besser wird das seit Rudolf von Habsburg; die elsässischen Vorgänge treten heraus, doch bleibt die Reichsgeschichte gewahrt; Heinrich VII. und Ludwig der Bayer, die die alte Kaisermacht zu erneuern suchen, werden sympathisch gewürdigt; Karl IV. und Wenzel dagegen wegen ihrer Vernachlässigung des Reichs getadelt. Erst Sigismund ist wieder ein Mann nach dem Herzen des Autors, nicht nur als Schutzherr des Konstanzer Konzils, sondern auch als gebildeter Fürst, den selbst der große Johannes Gerson gelobt hat, nicht minder Albrecht II. und Ladislaus, um dessen willen die Reihe der Kaiser durchbrochen wird. Bei der Regierung Friedrichs III. beginnt die Darstellung abzuschweifen. Zuerst ist es der Armagnakeneinfall, der den Autor länger beschäftigt; erst nach merkwürdigen Einschüben gelangt er von ihm zu den Kämpfen gegen Karl den Kühnen und dann zu denen Maximilians. Doch ist dieser Teil nicht ungeschickt abgeschlossen: auf fünf Hauptstämmen beruhte das alte Germanien, fünf Hauptstämme gibt es jetzt, die den Türken vertreiben könnten, dazu werden die Fürsten und Maximilian in feuriger Rede entboten.

Es folgt ein kulturhistorischer Teil. Er behandelt die zwei großen deutschen Erfindungen, Kanonen und Buchdruckerkunst, die Leistungen der Deutschen in Baukunst, Malerei und Bildhauerei, dann ihre Eigenschaften: Tapferkeit, Adel, Freigebigkeit, Gastlichkeit – hier fällt die Benützung des Tacitus auf – endlich die Fruchtbarkeit des Bodens, im Elsaß besonders, aber auch mit einem Blick auf ganz Deutschland. Hätte Wimpfeling in die Widmung des Buches an Thomas Wolff statt der Ausführungen über das Deutschtum des [68] Elsaß die Worte des Tacitus über die terra tristis cultu et aspectu gesetzt, die er in dem Briefe an Trithemius verwendet hatte, so würde auch hier Anfang und Schluß sich entsprochen haben. –

Es ist mancherlei in dem Büchlein, was uns noch heute beachtenswert erscheint: der Versuch, einen Anfang deutscher Geschichte zu finden, die Heraushebung des Ariovist, die Benützung der Germania des Tacitus für die Gewinnung einer Vorstellung von Grundeigenschaften des deutschen Volkes. Auch ein Abschnitt wie das 39. Kapitel, De laudibus Friderici II, ist bedeutsam. Hier ist dem Autor die berühmte Erörterung des Livius über die Frage, was geschehen wäre, wenn Alexander Rom bekriegt hätte, in den Sinn gekommen.[96] Sein Gedankengang führt ihn nicht nur zu einer bemerkenswerten Glorifizierung dieses so viel angefochtenen Kaisers, sondern auch zu der an anderer Stelle[97] noch deutlicher ausgesprochenen Meinung, daß auch wir unsere Heinriche, Ottonen, Karle, Konrade, Friedriche hätten, so daß wir dem Altertum seine Helden wohl lassen könnten. Hatte sodann noch Fabri zwar deutsche Kunst erhoben, ohne doch Künstler nennen zu können, so sind hier Schongauer, Dürer u. a., die mit Apelles und Parrhasius verglichen werden, wie bei Trithemius Regiomontan mit Anaximander und Archimedes, das Straßburger Münster, das mit dem Tempel der ephesischen Diana wetteifern kann.

Sehen wir nun aber etwas genauer zu, so zeigt sich alsbald, daß wenigstens die Komposition nicht die starke Seite des Autors ist: die Varusschlacht wird dreimal erwähnt, die Tapferkeit der germanischen Frauen mit Benutzung derselben Tacitusstelle zweimal, die germanische Abstammung Karls des Großen steht am Schluß der Ottonenreihe, und kann man sich für diese Einreihung schließlich noch einen sachlichen Grund denken – hier soll motiviert werden, warum das Reich auch als Wahlreich dem deutschen Stamme bleiben muß –, so gibt es für den Einschub eines Panegyrikus auf die pfälzischen Wittelsbacher in die Geschichte Friedrichs III. nur einen persönlichen, die Beziehungen Wimpfelings zum Heidelberger Hofe.

Dröseln wir dann das Gewebe der Darstellung auf, so kommen wir zu einem überraschenden Ergebnis: nicht die mehrfach genannten zeitgenössischen Quellen sind die eigentliche Grundlage der Arbeit, nicht Tacitus, Ammian, das Carmen de bello Saxonico, Otto von Freising, sondern ein Exzerpt aus den großen Geschichtswerken des Platina und Biondo, das überdies wohl sicher Murrhos Arbeit ist, und darum geschlungen ein zweites aus den Reden, die der Bologneser Professor Filippo Beroaldo bei der Einführung eines deutschen Rektors [69] in Bologna gehalten hatte[98], und der berühmteren, mit der der Hofdichter Pius’ II., Antonio Campano, auf dem Regensburger Christentage von 1471 die Deutschen zum Türkenkriege aufzustacheln gesucht hatte. Für Karl IV., Wenzel und Sigismund endlich ist Enea Silvio Grundlage. Er hat vor allem auch das Urteil über diese drei Herrscher vorgezeichnet.

Also drei Italiener, die den Aufzug, zwei andere, die den Einschlag geben. Und welche sind dies! Biondo, der doch die Größe Friedrichs II. versteht, mag noch hingehen, ebenso Beroaldo, der nicht nur im Federgefecht mit Thomas Wolff „de nomine imperatorio“[99], sondern auch in einer Rede, die er 1486 zu Brügge an Friedrich und Maximilian gehalten hatte, in der Widmung seiner Cäsarausgabe an Ernst von Schleinitz, in seiner Rede de foelicitate an Markgraf Jakob von Baden und den angehängten von Wimpfeling benutzten Schlußversen sich als aufrichtiger Freund deutschen Wesens gezeigt hatte. Aber Campano! Wimpfeling nennt ihn den Feind und Verkleinerer der Deutschen, er zitiert ihn gerade deshalb, da er, wie alle Humanisten dieser Zeit, ein Lob des Auslandes bei allem vorgegebenen Heimatsstolze besonders erstrebt.[100] Aber er zitiert ihn nicht nur, er schreibt ihn, ohne ihn zu nennen, für große Stücke seiner Arbeit aus. Und das, trotzdem er wohl in derselben Ausgabe, in der er die Rede fand[101], die Briefe lesen konnte, in denen dieser ebenso begabte wie unverschämte Italiener den Freunden daheim seine deutschen Eindrücke geschildert hatte. „Compono me in adventum Caesaris, habiturus orationem, qualem Italia legat, Germania non capiat. Incredibilis hic est ingeniorum barbaries, rarissimi norunt litteras, nulli elegantiam!“ Und nicht weit davon steht das Epigramm, das Campano bei seiner Rückkehr aus Deutschland gedichtet hatte. Er hatte es da für passend gehalten, Deutschland noch etwas anderes als den Rücken zuzukehren.[102]

Aber freilich, Campano hat in gleicher Weise noch späteren und kritischeren Geistern wie z. B. Bebel und Irenicus gedient und für Wimpfeling hatte er noch eine besondere Bedeutung. Denn in der Rede war auch das erste Kulturbild Germaniens nach Tacitus entworfen, an der Hand von Campano und Beroaldo hat Wimpfeling diesen Autor benutzen gelernt.[103] Campano hatte sodann auch den Gedanken des Enea Silvio weitergedacht, daß die Menschenmassen der Germanen der Völkerdünger Europas geworden seien. Er nennt italienische Fürstenhäuser, die ihren Stammbaum auf deutsche zurückführen; schon Meisterlin hatte das den deutschen Adeligen vorgehalten[104], [70] die gerne Trojaner oder Römer sein wollten. Wimpfeling geht da weiter. Hatte er schon Murrho die deutschen Päpste heraussuchen lassen, so sucht er selbst Deutsche auf dem römischen Kaiserthron, und er findet sie in dem Illyrier Diokletian, in den Pannoniern Decius, Probus, Jovian und Valentinian.[105] Aber auch hier hat er einen Führer gehabt, den Löwener Professor Raimondo Marliano, dessen Cäsarindex er ausschrieb.[106] Auch dies keine verächtliche Quelle, da Marliano vielleicht als erster die Nachrichten des Cäsar und des Tacitus über die alten Germanen zu vereinigen suchte. Wäre Wimpfeling aber zur selbständigen Auffassung dieser Gedanken vorgedrungen, so hätte er doch vor allem die große Bewegung der Völkerwanderung, die schon Meisterlin von Biondo als ein Ganzes, wenn auch noch nicht als ein Ereignis deutscher Geschichte zu betrachten gelernt hatte, und die der Tübinger Heinrich Bebel schon 1501 mit patriotischer Kraft in einer überdies von Wimpfeling an andern Stellen ausgeschriebenen Rede zu schildern wußte, mit mehr als den abgerissenen Notizen Murrhos bedenken müssen. Daran aber verhindert ihn neben seiner Ansicht von der arianischen Ketzerei vor allem der Umstand, daß diese Stämme der menschlichen Gesittung, der Kunst und Wissenschaft nichts hinzugefügt haben.[107] Denn Wimpfeling wünscht, wenn er schon seine Deutschen bei Beginn der Geschichte in einem Urzustand finden muß, sie diesen doch möglichst bald verlassen zu sehen. Deshalb hat er den Tacitus ebenso einseitig benutzt, wie nach der andern Richtung Enea Silvio, und er hütet sich wohl, die Stelle über die Spielwut der Germanen, die Beroaldo in der von ihm selbst übersetzten Declamatio de tribus fratribus angeführt hatte, in sein Buch aufzunehmen.

Um so mehr sollte man erwarten, daß er die Forschungen des Trithemius über die karolingische Kultur verwertet hätte. Er ist ihnen nahe gestanden, hat ihren Grundgedanken erfaßt. Er ist, soweit ich sehe, der erste, der bemerkt, daß sich aus den Fundberichten Poggios und seiner Genossen über die aus St. Gallen und anderswo entführten Klassikerhandschriften etwas über die alte Pflege der klassischen Studien in Deutschland schließen lasse. Aber zu einer Hineinarbeitung dieser Gedanken in sein Buch fehlen ihm die Kräfte.

Ebenso zu der der politischen Gedanken Lupolds von Bebenburg. Man sollte meinen, daß dieser Autor, den Wimpfeling und Brant gleichmäßig schätzten, und von dem sie 1508 eine zweite Schrift herausgaben[108], auch in der Epitome als Quelle hervortreten müsse, wie er ja schon bei Königshofen als solche verwertet worden [71] war. Das ist nicht der Fall. Wimpfeling ruft Lupold allerdings für die deutsche Abkunft Karls des Großen zum Zeugen an, aber läßt sich die Angaben Lupolds über die Kämpfe der sächsischen Kaiser um Lothringen, wo er auch den Vertrag zu Bonn von 924 hätte finden können, entgehen, obgleich sie doch wertvollstes Material gerade für die Frage der deutschen Westgrenze boten. Und von den staatsrechtlichen Anschauungen Lupolds hat er sich zwar, wie seine 1515 erschienenen Responsa et replicae ad Aeneam Sylvium zeigen, die zu eigen gemacht, daß man gegen die von den italienischen Kurialisten den Deutschen so oft vorgerückten Wohltaten des römischen Stuhles wohl eine Gegenrechnung stellen könne.[109] Aber die Hauptgedanken, welche Lupold im Anschluß an die Vorgänge beim Renser Kurverein über Wahlrecht der Fürsten und Konsekrationsrecht des Papstes ausgesprochen hatte, haben auf Wimpfeling ebenso wenig gewirkt, wie die juristisch verklausulierten aber doch tiefgreifenden Ausführungen Lupolds über die konstantinische Schenkung.[110]

Wimpfeling und der ganze elsässische Kreis ziehen ihre Anschauungen über das Verhältnis der geistlichen und weltlichen Gewalt eben nicht aus den Kämpfen der Salier, Staufer und Ludwigs des Bayern, sondern aus einer Betrachtung der großen Konzilien von Konstanz und Basel. Und wenn man die Konzilsfreunde des 16. Jahrhunderts, die alles Heil von einem neuen Konzil hofften, die Expektanten genannt hat, so könnte man hier wohl von Retrospektanten sprechen. Dabei aber ist Wimpfeling so unkritisch, daß er, der doch dem Katalog berühmter Deutscher des Trithemius eine Erwähnung Gregor Heimburgs hinzugefügt hatte, noch 1510 meinen konnte, die Aschaffenburger und Wiener Konkordate bedeuteten für Deutschland etwa dasselbe, wie die pragmatische Sanktion der Franzosen[111], und so unbekannt mit dem Umschwung, der sich in der Kurie mindestens seit der Bulle Execrabilis Papst Pius II. vollzogen hatte, daß ihm noch 1512 eine Schrift wie die Cajetans über die Konzilien eine schmerzliche Überraschung bereitete.[112]

Für die Behandlung der geistlichen Konflikte des Mittelalters aber waren die Retrospektanten überhaupt schlechter gerüstet wie die Juristen des 14. Jahrhunderts. Denn auf den Konzilien fehlt eine feste Vertretung der weltlichen Gewalt und die Streitfrage heißt nicht mehr: Papst oder Kaiser, sondern: Absolutismus oder Konstitutionalismus in der Kirche. – So kann die Epitome bei Heinrich IV., Friedrich I., Ludwig dem Bayern nur verschweigen oder den Text ihrer papstfreundlichen Quelle ändern, wie es schon Meisterlin und [72] Fabri getan hatten; freilich mag sich Wimpfeling auch hier nur als Ergänzer Murrhoscher Auszüge gefühlt haben.

Auch bei Wimpfeling ist es also wie bei Felix Fabri, er vermochte den großen Stoff nicht zu beherrschen. Daß er im kleineren Rahmen gutes leisten konnte, zeigt seine Geschichte der Straßburger Bischöfe,[113] seine besondere Begabung für die kulturhistorische Erfassung der Umwelt sein Schriftchen von der Buchdruckerkunst.[114] Aber beide blieben lange verborgen, während die Epitome wenigstens bei den Humanisten seinen Ruhm als Geschichtsschreiber Deutschlands begründete. –

Wimpfeling hatte gewünscht,[115] das Werk neben die modernen Geschichtsbücher zu stellen, die die Römer, Venetianer, Engländer, Ungarn, Böhmen und Franzosen hätten, also in eine Reihe mit Platina, Sabellicus, Thurocz, Enea Silvio und Robert Gaguin. Vergleichen wir ihn mit diesem, gegen den sich ja die Aufstellungen der Epitome so vielfach richteten, so trägt Wimpfeling nicht den Sieg davon.[116]

Zunächst finden wir bei Gaguin nicht, was wir nach Wimpfeling erwarten müßten, eine besondere Polemik über das Deutschtum Karls des Großen und die Ausdehnung der französischen Ostgrenze. Das ist alles ganz still, aber um so wirkungsvoller gegeben. Gaguin leugnet die deutsche Abstammung Karls garnicht, aber er vermeidet alles, was sie betonen könnte. Er berichtet nach Einhard, daß sich Karl gern der heimischen Mundart bedient habe, aber er überläßt dem Leser sich zu denken, welche das sei, er erwähnt Karls Vorliebe für Jagd und Bäder, aber er setzt bei jener – gerade wie Donato Acciauoli in der „Plutarchvita“ – hinzu: Gallorum more, wo Einhard ausdrücklich die Jagdleidenschaft der Franken erwähnt, und streicht bei dieser die Erwähnung der heißen Quellen von Aachen. Die Frage der Grenzen Frankreichs aber erledigt er durch eine harmlose Abschweifung auf das Cäsarische Gallien, die er überaus geschickt bei dem Merovinger Clodio einfügt. Indem er an dieser Stelle gleich die moderne Diözesaneinteilung dieses Gebietes heranzieht, erscheinen ungezwungen auch die Bistümer Mainz, Trier und Cöln auf gallischem Boden. – An Kritik ist er den Elsässern erheblich überlegen, das zeigt er bei der Trojasage der Gesta Francorum ebenso, wie bei den Nachrichten Pseudoturpins über die Kreuzfahrt Karls des Großen, wenn er sich auch hat vorwerfen lassen müssen, das Königreich von Yvetot hingenommen zu haben. Er übertrifft sie aber auch an Unbefangenheit, das sieht man, wenn man sein Urteil über die Schlacht bei [73] Courtrai,[117] wo 1302 die Blüte des französischen Adels den flandrischen Handwerkerspießen erlag, mit Wimpfelings Scheltworten über die Schweizer zusammengestellt.[118] Vor allem aber an staatsmännischem Sinn. Er weiß, was es bedeutet, daß das französische Parlament seinen Ursprung auf Pippin zurückführen und an das alte Märzfeld der Franken anknüpfen darf – wie haltlos erscheinen dagegen Brant und Wimpfeling mit ihren gelegentlichen Hinweisen auf die ’franca oder romana libertas’, deren sich Deutschland und besonders das Elsaß erfreue.[119] Und wie erst, wenn man ihre Stellung in den kirchenpolitischen Fragen mit der Gaguins vergleicht! Hier steht Gaguin gegen sie, wie Pierre Dubois gegen Lupold von Bebenburg, und doch hatte der französische Trinitariermönch, der sich stolz rühmen durfte, durch keines Königs Freigebigkeit zu seinem Werke veranlaßt zu sein, bei den Kirchenräubereien Karl Martells und dem Überfall Philipps des Schönen auf Bonifaz VIII. noch zu ganz anderen Dingen Stellung zu nehmen, als die Deutschen, wenn sie von Sutri und Canossa sprachen.[120] Und endlich übertrifft Gaguin seinen Rivalen erheblich in der Komposition seines Geschichtswerkes. Er wollte allerdings keine Epitome, sondern ein Kompendium schreiben, aber das war sicher das schwerere, und man darf sagen, daß im elsässischen Humanismus keiner vermocht hätte so bewußt nur diejenigen Blumen in seinen Kranz zu winden, „die durch die Verschiedenheit ihrer Farben dem Werke Charakter und Schmuck zugleich geben“. –

Wimpfeling ist eben kein Forscher, und seine Genossen und Schüler sind es ebensowenig. Gerade die Mängel seiner Anschauungs- und Darstellungsweise erscheinen bei ihnen gesteigert: die halb journalistische, halb predigerhafte Art von jedem Thema auf jeden Gegenstand zu kommen, der dem Autor am Herzen liegt, in den patriotischen Psalmenerklärungen von Thomas Wolff, die Sucht, dem Gegner auch da nicht Recht zu lassen, wo er es hat, und Beweisstücke um Lieblingsmeinungen wahllos aufzutürmen, in der Libertas Germaniae von Hieronymus Gebwiler. Aber aus Gebwilers Schule kommt Beatus Rhenanus, der den kritischen Humanismus im Elsaß heraufführt, und auch bei ihm wie bei Irenicus und noch bei Aventin werden wir manche der Murrho-Wimpfelingschen Ideen lebendig finden. –


Die Werke all der Männer, die wir in diesem Abschnitt besprochen haben, zeigen ein merkwürdiges Doppelantlitz. Auch die [74] primitivsten sind ohne den Humanismus nicht möglich. Nicht nur der Versuch, den neuen Stil zu schreiben, macht Matthias von Kemnat, Meisterlin oder Fabri humanistisch, auch die ganze Tendenz, mit der sie an die Arbeit gehen. Sie schaffen die neuen Gattungen der Geschichtschreibung oder legen sie doch an: Wir haben die Fürstengeschichte, die Stadtgeschichte, die Stadtbeschreibung, die Beschreibung von Deutschland, den Abriß der deutschen Geschichte, die Aufzählung geistiger Größen, die kulturgeschichtliche Umschau im Werden gefunden. Auch alte Stoffe erschienen in neuer Behandlung. Meisterlin sucht die alte Überlieferung der Afra- und Sebaldlegende mit dem neugewonnenen historisch-antiquarischen Wissen in Einklang zu bringen, er müht sich um eine innerliche Gliederung seiner heimischen Klostergeschichte und faßt sie schon als Geistesgeschichte auf, wie später in großartigerer Weise Trithemius. Wimpfeling sagt in seinem Straßburger Bischofskatalog, es komme ihm weniger auf Feststellung von Todesjahr und Regierungszeit der einzelnen Bischöfe an, wenn er nur in der Schilderung ihres Lebens, Charakters und ihrer Taten von der Wahrheit nicht abweiche.[121] Man sieht, daß auch hier die Auffassung von dem Wissenswerten in der Geschichte eine andere geworden ist.

Und die Autoren wissen, daß sie etwas Neues schaffen. Meisterlin betont wiederholt, es habe vor ihm wohl Aufzeichnungen über Augsburger Klostergeschichte und Nürnberger Stadtgeschichte gegeben, „aggregator vero ante me nullus“.[122] Fabri sagt, daß er vergebens eine Beschreibung Deutschlands gesucht habe. Er empfindet die Aufgabe, sie zu schaffen, um so dringender, als die neuen Karten ein neues Weltbild bieten.[123] Als sich nun vollends die Absichten auf eine deutsche Geschichte richten, da erscheint sich ein jeder, der daran geht, als ein Pfadfinder auf unbekanntem Gebiete. Enea Silvio hatte auch hier den Ton angegeben: „Wir sind abgeschweift“, sagt er bei der Beschreibung Sachsens in seiner Europa,[124] „und das darum, weil die alten Schriftsteller zu wenig von Deutschland geschrieben haben, und als ob dies Volk außer der Welt läge, nur traumweis deutsche Dinge berühren.“ Das klingt nun überall nach, bald verbunden mit Ausfällen gegen die alten und neuen Römer, die den Ruhm der Deutschen nicht künden wollten, mit Klagen gegen die Vorfahren, die mehr auf tapfere Taten, als auf ihre Aufzeichnung gesehen hätten, mit Ausdrücken des Bedauerns, daß Quellen, wie das Buch des Plinius von den deutschen Kriegen verloren seien, mit Vorwürfen gegen Fürsten und Stadtoberhäupter, die Bemühungen um die Kunde der Vorzeit jetzt noch nicht förderten.[125]

[75] Damit beginnt die Suche nach neuen Quellen. Schon Luder und Matthias von Kemnat plündern nach dem Vorbild der Italiener nahegelegene Klosterbibliotheken. Die Sallusthandschriften, die Matthias aus dem alten Lorsch entführte, genießen heute noch eine Berühmtheit in der Textgeschichte dieses Autors.[126] Bevor Meisterlin sich an die zweite Bearbeitung seiner Nürnberger Chronik wagt, macht er eine Studienreise durch fränkische und bayrische Klöster, Fabri tut dasselbe, als er seine Beschreibung Deutschlands in Angriff nimmt. Wimpfeling und Brant planen eine Sammlung elsässischer Chroniken; in die letzten Lebensjahre des Trithemius fällt sein Auftrag an Paul Lang, die deutschen Klöster nach Quellen für deutsche Geschichte zu durchforschen.[127]

Der Stoff der bisherigen historischen Überlieferung also wird allgemein als unzureichend empfunden. Und ebenso wird ein anderer Maßstab der Kritik an das Nachrichtenmaterial gelegt. Wiederum enthält eine Äußerung Enea Silvios den präzisesten Ausdruck der neuen Forderungen: „Man glaubt“, sagt er in seinem berühmten Briefe an Johann von Aich über das Elend der Hofleute,[128] „mehr dem Guido von Columna, der den trojanischen Krieg mehr dichterisch als historisch beschrieben hat, oder dem Marsilius von Padua, der Übertragungen des Reichs ansetzt, die niemals stattgefunden haben, oder dem Mönche Vinzenz, als dem Livius, Sallust, Justin, Curtius, Plutarch und Sueton, so trefflichen Schriftstellern.“ – Die Bemerkung gegen den Marsilius haben die ersten Leser wohl wenig verstanden, und auch Vinzenz von Beauvais blieb beliebt, er gehört zu den ersten und dann häufig wiederholten Drucken. Aber wir haben doch schon von Meisterlin in ähnlichem Zusammenhang eine Äußerung, daß die Leute lieber den Johann von Mandevilla lesen und das Buch vom Herzog Ernst, als den Plato,[129] und von Trithemius eine solche über das Buch von der Meerfahrt Herzog Heinrichs des Löwen.[130]

Es ist eine neue Auffassung von der geschichtlichen Wahrheit, die uns hier entgegentritt, ein Kampf, der an jenen erinnert, den die Werke der ritterlichen Geschichtschreibung gegen die Poesie der Spielleute führten. Jetzt richtet er sich hauptsächlich gegen die „Abenteuerliteratur“, die „aus Kurzweil“ fabuliert. Nicht lange und Bernhard Schöferlin sucht mit einer Übersetzung des Livius, der Elsässer Matthias Ringmann mit einer Übersetzung des Cäsar dieser Literatur direkte Konkurrenz zu machen.[131]

Es ist klar, daß Schriftsteller, die so an ihre Arbeit gehen, auch ganz anders als Persönlichkeiten hervortreten, wie die große [76] Menge der mittelalterlichen Chronisten. Kein Werk, das nicht eine Vorrede hätte, in der der Autor Plan und Umstände der Abfassung genau auseinandersetzt. Auch ein Schriftsteller, der in seinen Werken selbst so ängstlich alles Subjektive vermeidet, wie Trithemius, wird hier lebendig. Andere, wie Meisterlin und Wimpfeling, die mehr Temperament besitzen, verwandeln einen guten Teil der Arbeit selbst in einen Dialog mit dem Leser, mit genannten oder ungenannten Feinden. Bei den Mönchen unter ihnen streitet das Gebot der Bescheidenheit oft ergötzlich oder rührend mit der humanistischen Eigenliebe, wie bei Meisterlin, der unter seiner „Neronberga“ als quidam erscheinen möchte, oder bei Trithemius, der uns diesen Kampf in dem Bruchstücke seiner biographischen Beichte, dem Nepiachus, mitfühlen läßt. Aber gerade Trithemius kann kaum ein Buch herausgehen lassen, ohne ihm ein größeres oder kleineres Verzeichnis seiner eigenen literarischen Arbeiten anzufügen.

Und endlich sind alle diese Autoren humanistisch in ihrem Patriotismus.[132] – Es ist neuerdings darauf hingewiesen worden, wie gerade die internationale Bewegung der Kreuzzüge die Nationen durch die gegenseitige Reibung zum Nationalbewußtsein gebracht habe. Damals lernen die feineren Franzosen auf die indisciplinati mores der Deutschen schelten, die Deutschen auf die levitas Gallorum herabsehen. Ganz ähnlich wirkt der Humanismus. Indem er ein gemeinsames Kulturideal schafft, nötigt er die Völker, sich mit diesem und dann bei dem Wettbewerb um dasselbe auch untereinander zu vergleichen. Aber es ist jetzt anders, wie zur Zeit des Jordanus von Osnabrück, der noch eine Art Teilung der Erde vornehmen durfte, derart, daß den Italienern das Sacerdotium, den Deutschen das Imperium, den Franzosen das Studium gegeben sei. Von den Früchten des neuen Baumes will jeder genießen.

Den Deutschen ist der Stachel besonders tief ins Herz gedrückt. Denn ob Enea Silvio zu Gregor Heimburg sagt, ihm scheine die Beredsamkeit, wie zu Ciceros Zeiten von Griechenland nach Latium, so jetzt von Latium nach Deutschland geflohen zu sein, und in seiner Germania Martin Mayr erklärt, daß man den Deutschen überhaupt kaum noch ein wenig Barbarei anmerke, oder ob er seinem Freunde Campisio seine ehrlichere Herzensmeinung enthüllt und im Pentalogus und sonst den deutschen Fürsten, die nur für Jagd und Trinkgelage Sinn haben, Alfons von Neapel als Muster vorhält und ihnen zu beweisen sucht, daß schon Reiche aus Mangel an Bildung bei den Herrschern zugrunde gegangen seien: das alles wirkt aufs lebendigste [77] bei dieser ersten Humanistengeneration, für die Enea überdies noch unbezweifeltes Stilmuster ist. Und da nun die Gegenwart die neuen Horaze ebenso wie die neuen Augustusse zunächst vermissen läßt, so wendet man sich um so eifriger der großen Vorzeit zu, in der man, wenn nicht Dichter, so doch Helden findet.

Bei dem Patriotismus der humanistischen Geschichtschreiber ist es nun charakteristisch, daß er sich auf Grundlage des Stammesgefühls entwickelt. Der Schwabe Meisterlin denkt schwäbisch, die Staufer sind seine Lieblinge als „schwäbische Herren“, die Salier stehen ihm schon ferner. Wenn Fabri sich auch für diese einsetzt, so geschieht es, weil er die Fabel von der schwäbischen Abstammung Heinrichs III. glaubt. Trithemius denkt fränkisch und bekämpft deshalb diese Fabel, auch die Karolinger möchte er am liebsten im alten Ostfranken, seiner zweiten Heimat, lokalisieren.[133] Erst die Elsässer kommen, wie wir sahen, darüber hinaus, aber auch bei ihnen, wie bei allen andern, treten die Sachsenkaiser zurück.

War das nun schließlich nichts weiter als das Wiedererwachen der historischen Tradition des hohen Mittelalters, die von Widukind und Thietmar bis auf Otto von Freising und Burkard von Ursperg solche Ideen erkennen läßt, so ist neu der Hinweis auf das Wurzeln dieser Kaiser im Volkstum. Es war fast das einzige, was Wimpfeling den Beweisen Königshofens und Lupolds von Bebenburg für das Deutschtum Karls des Großen hinzufügte, daß er seinen Kindern deutsche Namen gegeben hatte, „die bei uns etwas bedeuten, bei den Franzosen nicht“.[134] Und schon Meisterlins Patriotismus hatte seinen originellsten Ausdruck in der Episode seiner Nürnberger Chronik gefunden, „wie angefangen ist worden zu Nürenberg, daß man teutsch Brief schreibt“.[135] Er verlegt sie auf einen Hoftag Rudolfs von Habsburg und bemerkt dazu, daß daraus „unaussprechlich großer Nutz der deutschen Nation geschehen sei“. „Ein jetlicher Vernünftiger mag versteen, wie durch solich kaiserlich Dekret ein großer Hinderschlag ist beschehen den Walhen und Hilf und ein Enthaltung den Teutschen.“ Auf besserem Grunde, aber in der gleichen Anschauung ruht es, wenn Trithemius die Bemühungen Karls des Großen um die deutsche Grammatik mit Otfrieds Gedicht in Verbindung bringt und im Anschluß daran etwas von einer fränkischen Schriftsprache mit Regeln nach lateinischem Vorbild vermutet, wie sie seine eigene Zeit erstrebte und in Brants Poesie verwirklicht sah.[136] Gerade damit haben diese Humanisten ihren Nachfolgern die Wege gewiesen. –

Und doch ist das alles scholastischer Humanismus. Zunächst, [78] weil er – genau wie die gleichzeitige Briefstellerei – seine italienischen Vorbilder abschreibt, statt sie nachzuahmen. Das tut, wie wir sahen, Murrho und Wimpfeling noch ebenso wie Luder, Matthias von Kemnat und Meisterlin. Sodann, weil er die neuen Gedanken nicht zu Ende zu denken wagt. Der Gedanke des Trithemius vom Königreich Germanien konnte sich mit dem Brunis von der Unterbrechung des Kaisertums vergleichen, er hat keine Folgen gehabt, ebensowenig Wimpfelings Idee von der germanischen Urkraft. Auch als die geringschätzige Äußerung des Tacitus über die germanischen Erfolge Cäsars[137] zu wirken anfängt, bleibt das römische Reich der Koloß, dem zu dienen sich die Deutschen zur Ehre schätzen müssen. Deshalb vor allem bleibt Biondos Darstellung der Völkerwanderung so lange für die deutsche Geschichte unfruchtbar; für Sebastian Brant ist ein Zusammenhang einleuchtender, der an die Germanenzüge als ganz gleichbedeutend die Sarazeneneinfälle in Europa und später die Ungarnstürme anschließt.[138]

Doch dies wird auch in der nächsten Generation nicht durchaus anders. Der entscheidende Unterschied liegt in der Anschauung von der Bedeutung der Quellen.

Die Fortschritte in der Ausdehnung des Quellenbegriffs, die wir bei Biondo wahrnehmen, sind auch bei den Deutschen früh zu erkennen. Schon Meisterlin sammelt römische Inschriften. In Nürnberg, Mainz, Worms entstehen Münzsammlungen aus historischem Interesse. Wimpfeling weiß Urkunden zu verwerten, die „Epigrammata“ in Kirchen und Klöstern erscheinen der Abschrift und Sammlung wert. Aber bei der Einfügung des neuen Materials in die Überlieferung scheitert diese Generation.

Wenn Enea Silvio den Otto von Freising findet und benützt, so ist er für ihn, wie Jordanes und Paulus Diakonus für Biondo, eine zeitgenössische Quelle von bestimmter Eigenart, die er dann auch sogleich treffend ausspricht[139]; es wird ihm nicht einfallen, aus ihm und Gregor Hagen ein Ganzes zu machen. Für Meisterlin ist er ein Autor, wie andere auch, und Wimpfeling, der seine Pläne ihn herauszugeben mit kritisch sein sollenden Bemerkungen über den barbarischen Stil der Quelle begleitet[140], entnimmt ihm schließlich nicht mehr als die Geschichte von der Varusschlacht bei Augsburg. Die Quellen, die Meisterlin auf seiner Bibliotheksreise findet, sind ihm meist „Eusebii“, deren es in jeglichem Kloster Sankt Benedikten Ordens einen gibt.[141] Das Carmen de bello Saxonico gibt bei Wimpfeling eine magere Erwähnung, und doch war es ein „deutsches Heldengedicht“, wie der [79] Ligurinus, der ein paar Jahre später die Humanisten in einen Taumel des Entzückens versetzte.

Mit den antiken Autoren steht es nicht besser. Wir sahen schon, wie die kleinen Kaiserbiographien für Matthias von Kemnat eine Chronica Sparciana sind; sie helfen ihm so wenig aus den alten Fabeleien heraus, wie den Villani Sueton und Sallust. Die Germania des Tacitus wird von Deutschen zuerst bei Meisterlin in seiner Descriptio Sueviae erwähnt. Da nennt er das Buch De situ Europae.[142] Fabri lernt sie nach der ersten Bearbeitung seiner Beschreibung Deutschlands kennen, er verwertet sie in Zusätzen, die mit Auszügen aus Gotfried von Viterbo und dem Katholikon des Johannes Januensis verbunden sind.[143] Damals hatte Campano schon längst seine Regensburger Rede gehalten, er und Beroaldo haben dann wenigstens Wimpfeling besser sehen gelehrt. Aber vor dem Ammianus Marcellinus, wo ihm keiner half, steht Wimpfeling ebenso ratlos. Nicht einmal Julians Alemannenschlacht bei Straßburg hat er hier gesehen.

Ein Abwägen der Quellen gegen einander kann auf dieser Stufe der Anschauung noch nicht stattfinden. Stößt man auf Widersprüche, so sucht man zu ändern oder zu tilgen, um die „concordia chronicarum“ herzustellen, stößt man auf Neues, so reiht man es an das Alte ohne die Widersprüche zu sehen; so haben alle diese Werke mehr oder weniger den Charakter der Kompilation.

Aber das Merkwürdigste ist wohl, daß auch das Durchstöbern der Bibliotheken zu soviel geringeren Ergebnissen führt, als die Arbeit der nächsten Generation an denselben Stellen. Doch davon wird noch ausführlicher zu reden sein.

In all diesen Punkten nimmt Trithemius eine Sonderstellung ein. Er liebt den neuen Stil nicht so, daß er für eigene Gedanken fremden Ausdruck sucht. Wie gleichgiltig und verständnislos er im Grunde dem Kultus der Form gegenübersteht, das zeigen seine Urteile über den Stil der Autoren, von denen er in den Katalogen spricht. Aber eben deshalb hindert ihn auch kein ästhetischer Schauder vor der Barbarei früherer Zeiten zu den Quellen selbst vorzudringen. Deshalb sieht er – ebenso wie zwei Menschenalter vorher der ihm in diesem Punkte ganz verwandte Cusa – in den Bibliotheken, was die andern nicht sehen, er stellt die Quellen in ihre Zeit und Umgebung.

Aber gerade bei ihm zeigt sich, daß die neue Form mehr als etwas Äußerliches war. Bleiben die anderen Scholastiker, weil sie die neuen Ziele mit der alten Methode zu erreichen suchen, so bleibt es Trithemius, weil er ein neues Ziel sich nicht zu stecken vermag.


  1. [229] 1) Für Nürnberg Max Herrmann, Die Rezeption d. Humanismus in Nürnberg. Berlin 1898. – Über Gossembrot und Schedel hat Wattenbach zuerst gehandelt; weiteres in meiner Ausgabe von Hermann Schedels Briefwechsel (BLV Stuttgart CXCVI) und meiner Zusammenstellung von Gossembrots Bibliothek CBlBiblW. XI.
  2. [229] 2) Entdeckt von Wattenbach, ZG Oberrheins XXII und XXIII; Ergänzungen ebenda XXVII, XXXIII, XXXVIII, XLV. Zs. d. Ferdinandeums 3. Folge. Heft 22.
  3. [229] 3) Gedruckt von Wattenbach l. c. XXII, 100 ff.
  4. [229] 4) Es ist der Tractatulus de studiis et literis ad Baptistam de Malatesta (Neudruck i. d. Sammlung selten gewordener pädag. Schriften ed. Israel Nr. 6).
  5. [229] 5) Gedruckt von Wattenbach l. c. XXIII, 21 ff.
  6. [229] 6) Teilweise gedruckt von K. Hofmann i. d. Qn. u. Erört. z. bayr. u. dtsch. Gesch. II. Unvollständige Quellenuntersuchung von Hartfelder i. d. FDG. XXII, 329 ff. Zusammenstellung sonst bekannter Entlehnungen in meiner Arbeit über Meisterlin 168 ff.
  7. [229] 7) S. den Artikel im Katholik 1859/60: Die Kongregation v. St. Justina in Padua, ferner Dittrich im HJb. der Görresgesellschaft V, 322.
  8. [229] 8) Für die nächsten Abschnitte muß ich auf meine ausführliche Arbeit über Sigismund Meisterlin verweisen (im folgenden als: Meisterlin zitiert).
  9. [229] 9) Ausgabe des Evagatoriums von Haßler i. d. BLVStuttgart Bd. II–IV, des Tractatus de tivitate Ulmensi von Veesenmeyer ebd. Bd, CLXXXVI. Die „Historia Suevorum“ bei Goldast, Rerum Suevicarum SS. Edit. II. Ulm 1727. Die auf die [230] Schweiz bezüglichen Teile daraus in den Qn. z. Schweiz. Gesch. Bd. VI von Escher mit Kommentar und angehängten Lebensnachrichten. Über das Handschriftenverhältnis Leidinger im NA. XXIII, 248 ff. Fabris Bedeutung für die Volkskunde gewürdigt bei Erich Schmidt, Deutsche Volkskunde im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Eine abschließende Untersuchung fehlt.
  10. [230] 10) Katholik Jg. 1860, S. 200 ff.
  11. [230] 11) Evagat. III, 371.
  12. [230] 12) Zuerst gesehen von E. Schmidt 38, doch ist dort zu Unrecht von Zitaten aus der Europa gesprochen.
  13. [230] 13) Ep. 119 u. 120 der Ed. Basilea. Daraus ist die Stelle Goldast S. 21 größtenteils entnommen. Fabri nennt nur den Brief an Heimburg, nicht den an Wyle, der ihn aber besonders interessieren mußte, weil die Ausgaben Nicolaus de Ulm haben.
  14. [230] 14) Für die Bombarden s. auch Evagatorium II, 265. Zeitgenössische Äußerungen über die Buchdruckerkunst bei F. Falk, Die Druckkunst im Dienst der Kirche 1879.
  15. [230] 15) Evagatorium I, 71; III, 108,438, 443 f. Veesenmeyer 50,194. Goldast 13 ff.
  16. [230] 16) Evagatorium III, 459.
  17. [230] 17) S. die Beschreibung Iglaus aus dem Anfang des 15. Jh. in einer Candela rethorice (ed. Wattenbach in AÖG. XXX, 187 ff.) auf die Burdach (DLZ. XIX, 1869) aufmerksam gemacht hat.
  18. [230] 18) Für Breidenbach und sein Verhältnis zu Fabri s. Heyd in ADB. III, 285. Die Schrift des Sabellicus, De situ Venetae urbis scheint Fabri nicht benutzt zu haben.
  19. [230] 19) Evagatorium I, 6.
  20. [230] 20) l. c. III, 209.
  21. [230] 21) l. c. III, 221, 277.
  22. [230] 22) Goldast 21.
  23. [230] 23) Goldast 30.
  24. [230] 24) Die Literatur bei Potthast, Bibliotheca historica medii aevi² 1071–73. Biographisches und gute Auszüge bes. aus den geistlichen Schriften in der Monographie von J. Silbernagl. Die Kritik haben besonders Wolff und Müller gefördert. Für das Chronicon Sponheimense auch Witte, Über die älteren Grafen von Spanheim ZG Oberrheins L, 162 ff. Daneben ungewöhnlich viel Dilettantisches. Eine erschöpfende Biographie wäre eine ebenso schwierige wie dankenswerte Aufgabe.
  25. [230] 25) Chronicon Sponheimense bei Freher, Johannes Trithemii Opera historica (1601) II, 396.
  26. [230] 26) Freher I vor den Werken.
  27. [230] 27) Silbernagl, Trithemius² 81, 199 f.
  28. [230] 28) De scriptoribus ecclesiasticis bei Freher I, 347.
  29. [230] 29) An Albert Morderer 1492 april 2 bei Freher I, 187.
  30. [230] 30) S. d. Angabe im Catalogus bei Freher I, 181, dazu Falk in d. HPBll. CXI, 877.
  31. [230] 31) Zum Titel vgl. Honorius Augustodunensis, De luminaribus ecclesiae.
  32. [230] 32) Wimpfeling an Trithemius, Speier 1492 sept. 17 bei Freher I, 408.
  33. [230] 33) Trithemius an Wimpfeling, Sponheim 1491 febr. 8 l. c. 122.
  34. [230] 34) Praefatio l. c. 123.
  35. [230] 35) Geschichte Belgiens, deutsch v. Arnheim I, 37.
  36. [230] 36) Brief an Johann Gottfried, Pfarrer von Mannenthal in Ep. fam. II, 4 bei Freher II, 517, dazu ebd. 567. Man beachte, daß sich die zwei Bücher dieser [231] Briefe, das einzige, was von den 10 Briefbänden erhalten ist, die Trithemius nach seinem eigenen Zeugnis sammelte, ausschließlich auf die kritische Zeit von 1505–7 beziehen.
  37. [231] 37) Traube, O Roma nobilis i. d. Abh. d. bayr. Akad. I Cl. XIX Bd. II, 313–16. Nach Quellen ähnlicher Art wird man für Meginfried auch noch weiter zu suchen haben, denn daß Trithemius diesen – anders wie den Hunibald – nach gleichzeitigen Vorlagen gefälscht hat, bleibt auch Traube recht wahrscheinlich. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die alten Alphabete, die Trithemius in der Polygraphie mitteilt, doch wohl von Hrabans Schrift De inventione linguarum angeregt sind. Sehr merkwürdig ist doch auch, daß in einer Reihe von Hss. der Annalen Lamberts von Hersfeld, die auf Abschriften aus Trithemius’ Bibliothek zurückgeführt werden kann, Lambert als abbas Hirsaugiensis bezeichnet gewesen zu sein scheint, s. Holder-Egger, Lamperti monachis Hersfeldensis Opp. (SS. rer. German.) 1894, p. LII u. LVII. – Dagegen warnt Traube mit Recht davor, daß man sich bei den Angaben des Kataloges durch stereotype Aufzählungen, wie die immer wiederkehrenden Epistulae ad diversos täuschen lasse. Das geschieht bis in die neueste Zeit, s. z. B. die Angaben über Vinzenz v. Beauvais i. d. Hist. littér. de la France XVIII, 463 und Werner Rolewinck, Laudes Westfaliae ed. Tross. Zur Kritik vgl. man die Zusetzung der Epigrammata bei Hraban, Widukind, Hrotsuita, der Epistolae ad diversos bei Regino im Catalogus luminarium Germaniae, wo der Catalogus scriptorum ecclesiasticorum noch nichts davon weiß. Gewirkt hat hier Wimpfelings Dedikationsschreiben: Testimonium praebent ornatissima vetustissimaque diversis in locis epigrammata, quae hodie extant, quae in Moguntiaco coenobiisque plurimis Rheni finitimis nos ipsi summa cum iocunditate vidimus et lectitavimus (Freher I, 409).
  38. [231] 38) S. dazu Raumer, Gesch. d. germ. Philologie 15 ff.
  39. [231] 39) Nachweise in d. Biographie bei Silbernagl. Daselbst ist auch auf die Ergänzung durch den Nepiachus verwiesen.
  40. [231] 40) Ausführliche Besprechung im Zusammenhang ähnlicher Arbeiten bei Bezold, Astrologische Geschichtskonstruktion im MA. (DZG. VIII, 67 ff.).
  41. [231] 41) Die Grundlage der Gesta Francorum steht fest durch die Erwähnung des Wasthald oder Wisogastald, der aus dem Prolog zur lex Salica in die Gesta Francorum, natürlich nicht als Geschichtschreiber, gekommen ist. S. die Zusammenstellung der Angaben des Trithemius bei Mentz, Ist es bewiesen, daß Trithemius ein Fälscher war? Diss. Jena 1892 (im übrigen wertlos).
  42. [231] 42) Bei den Venetianern steht es natürlich anders, s. d. Chronologica mystica bei Freher I s. p. cap. XII: Veneti ab hoc tempore (sc. excidii Troiae) ex Troianis computant initium et gentis suae et urbis. Et notandum, quod et aliae nationes plurimae tam in Europa quam in Asia suam praetendunt originem se sumpsisse a Troianis, quibus tantum accomodare fidei duxi, quantum ipsi veritatis mihi sufficienti testimonio poterunt persuadere.
  43. [231] 43) Annales Hirsaugienses (St. Gallen 1690) II, 56 ff. Quellennachweis bei K. E. Hermann Müller, Quellen, welche der Abt Trithemius in seinen Hirsauer Annalen benutzt hat II, 15.
  44. [231] 44) l. c. I, 73 (Henricus I): licet in vincendis hostibus esset gloriosus, quia tamen pacificus erat, nullam operam dedit, ut ab Italia fugarentur tyranni (Quelle des sog. Liber Augustalis des Benvenuto de Rambaldis). – Dazu l. c. 424 über [232] Konrad III.: Iste Conradus rex Romanorum quamvis fuerit in Italia, coronam tamen imperii non accepit, sed regio nomine contentus imperialem titulum non curavit, exemplo nimirum Henrici regia I, qui consensu omnium principum electus et coronatus in regem apud Aquasgrani, nunquam induci potuit ab aliquo, ut coronam imperii susciperet; dicebat enim sibi sufficere, quod rex esset nec minus vellet aut posset rei prodesse publicae, quam si corona videretur sublimatus imperii, operibus indigere regnum, non titulo. – 597 (Alfons v. Castilien): erat vir doctus et sapiens, propterea suo regno contentus latitudinem imperii ut verus philosophus non curavit. – II, 634 (Philipp, der Sohn Maximilians) ut ferunt non ambitione regnandi, sed aliorum persuasus consilio relicta dulci patria periculosum iter [in Hispaniam] assumpsit, in quo et periit.
  45. [232] 45) l. c. II, 115, 162. Die zweite Stelle, für die Müller II, 39 keine Quelle kennt, lautet: His temporibus Carolus rex Gallorum desiderio magno ad Romanum aspirans imperium, summis conatibus papam ad Ludovici persecutionem et regni depositionem invitabat: cum Lupoldo etiam duce memorato plura in secreto tractabat consilia et multa promisit, si eius cooperatione potuisset assequi, quod voluit. Sperabat enim rex arrogantissimus, quia, si ad Gallos esset translatum imperium, quod de facili etiam Lotharingiam, Treverim, Metim, Leodium, Atrebatum, Traiectum, Coloniam, Moguntiam, Wormatiam, Neometim et Argentinam, quae ab alia Rheni parte civitates regni sunt Germanici et non Gallici neque Romani imperii, suae possit ditioni subicere. A multis enim retro annis Galli, quidquid ab illa parte est Rheni, ad suum traducere dominium contra ius et aequitatem sunt machinati. Nam in divisione regni Francorum, quod sub Faramundo rege primum in Germania cis Mogonum apud Wirtzburg sumpsit initium, clarissime patet, quod praenominatae civitates omnes simul et Lotharingia tota quondam magna, nunc autem parva, Burgundia cum regno Arelatensi, Brabantia, Hollandia, Frisia, Flandria cum Mosellanis, Alsatia, Vosagus et Sabaudia Germanico regno fuerunt in distributione terminorum sub Lothario et fratribus adscriptae una cum Romanorum imperio, quod in gestis Ottonum et complurium Germaniae regum similiter invenimus. Unde si hodie qualibet occasione Romanum imperium a Germanis regibus in Galliam posset transferri, non cessaret propterea neque interiret regnum Germanorum: neque civitates memoratae neque provinciae ipsum sequerentur imperium, cum non pertineant ad ius imperii neque Gallorum, sed ad sceptrum dumtaxat Germaniae.
  46. [232] 46) Bebel, Opera, Pforzheim 1509, Bogen d3. Dazu den Briefwechsel Peutinger-Brant von 1504 bei Ch. Schmidt, Hist. litt, de l’Alsace I, 288.
  47. [232] 47) Dafür sind kleine Abweichungen im Urteil zwischen dem Chronicon Sponheimense, seinem ersten Werk, und dem Chronicon Hirsaugiense, der Vorarbeit der Annalen, interessant; vgl. Freher II, 280 mit 193 (Konradin) und 320 mit 224 (Ludwig d. Baier). Das günstige Urteil über Heimburg (Annales Hirsaugienses II, 459) beruht offenbar auf Wimpfelings Zusatz zum Catalogus illustrium virorum.
  48. [232] 48) Annales Hirsaugienses I, 341, 587. Zum Urteil über Heinrich IV. auch den Brief, in dem Trithemius 1506 die Kanonisation Bennos von Meißen vom Papste erbittet bei Raynald, Annales ecclesiastici ad a. 1506 nr. 42.
  49. [232] 49) l. c. I, 434, vgl. 541 über Petrus de Vineis (ähnlich schon in den Katalogen).
  50. [232] 50) l. c. II, 403, 445, 669.
  51. [233] 51) l. c. I, 342; II, 184 (beruht auf Antoninus Florentinus, Chronicon Tit. XXI, § 2).
  52. [233] 52) I, 37, 138.
  53. [233] 53) Die Schlußschrift II, 691 wird man kaum dagegen geltend machen können. – Konrad Pellikan erwähnt in seinem Chronikon [ed. Riggenbach Basel 1877] S. 447 ad annum 1512: Legi magnam partem historiae Hirsaugiensis Jo. Trithemii, olim abbatis Spanheimensis, quem ibidem olim videram cum F. Paulo Scriptoris in quadam visitatione eiusdem monasterii anno 1496 sub abbate Blasio; erat vir eximiae staturae, integrae tunc aetatis et humanus, minime fastuosus.
  54. [233] 54) Silbernagl 76, 80, dazu Butzbachs Äußerung von 1514 bei P. Richter, Die Schriftsteller der Benediktinerabtei Maria-Laach in Westdtsch. Zs. XVII, 308. Doch erscheint Trithemius auch in diesem Punkte zwiespältig. Nach der verloren gegangenen Schrift Wimpfelings „De arte impressoria“ hätte er schon in Sponheim auf Dalbergs Ermunterung hin eine eigene Druckerei zur Herausgabe der Quellen für deutsche Geschichte errichten wollen (Janssen-Pastor, Gesch. d. dtsch. Volkes17 I, 115), auch bei der Drucklegung der Hrotsuit scheint er die Bemühungen des Celtis wenigstens unterstützt zu haben, s. die bei Aschbach, Roswitha u. Celtes 67 zitierte Briefstelle, endlich erbietet er sich 1507 bei seiner Ablehnung der Übersiedelung nach Augsburg von seinem Kloster aus dem Kaiser bei der editio chronicorum zu helfen (Opp. II, 570), aber aus all dem ist dann jedenfalls nichts geworden.
  55. [233] 55) Z. B. die in seinem Auftrag 1497 hergestellte Abschrift der Briefe des Bonifatius, jetzt clm. 830 s. M. G. Epistolae III, 217 oder cod. reg. Bruxell. 1904 (Liutprand) s. M. G. SS. III, 270. Über das Schicksal der Sponheimer Bibliothek unter dem Nachfolger des Trithemius s. Pellikans Chronikon l. c. 49.
  56. [233] 56) S. die Äußerungen von Stabius und Pirckheimer bei Silbernagl 188, 231; das Urteil Peutingers über den Hunibald ibid. 24320 und besonders die Wiedergabe der eingehenden Kritik des Stabius bei Laschitzer im Jb. d. kunsthist. Sammlungen d. allerhöchsten Kaiserhauses VII, 21, wo auch ein interessantes Spottbild auf Trithemius aufgenommen ist.
  57. [233] 57) Über Trefler s. König in FDG. XX, 37 ff., und HPBll. LXXVII, 923 ff. Über Lang NASächsG. XIII, 279 ff. Über Butzbach und seinen Kreis das Beste in dem obengenannten Aufsatz Richters. Veröffentlichungen aus seinem Nachlaß beginnt Fertig, Neues aus dem lit. Nachlasse des Johannes Butzbach. Programm Würzburg 1907.
  58. [233] 58) Scientia latet in cucullis. S. über den Streit Trithemius-Wimpfeling w. u., für Butzbachs Eingreifen Richter l. c. 305.
  59. [233] 59) Grundlegend für den elsässischen Humanismus Ch. Schmidt, Histoire littéraire de l’Alsace. 2 Bde. Paris 1879. Neuerdings hat J. Knepper in zwei Büchern (Nationaler Gedanke und Kaiseridee bei den elsässischen Humanisten [1898] und Jakob Wimpfeling [1902]) denselben Zeitraum mit großem Fleiß und Heranziehung alles auffindbaren Materials behandelt. Wissenschaftlich aber kann ich seine Arbeiten nur als einen Rückschritt gegen Schmidt bezeichnen.
  60. [233] 60) Knepper, Wimpfeling 175; 189.
  61. [233] 61) Hagen, Deutschlands lit. u. relig. Verhältnisse im Reformationszeitalter I, 418 ff. S. zu der Fehde auch J. Schlecht [in der Festgabe für Heigel 236 ff.], Zu Wimpfelings Fehden mit Jakob Locher und Paul Lang.
  62. [234] 62) Für Heynlin s. Zarncke vor seiner Ausgabe von Brants Narrenschiff S. XVI.
  63. [234] 63) Dehio, Historisches in den Glasgemälden des Straßburger Münsters (ZGOberrheins N. P. XXII, 471 ff.).
  64. [234] 64) Titel des 6. Kapitels in der lateinischen Chronik St. Chr. VIII, 163.
  65. [234] 65) S. meine Bemerkungen im Meisterlin 4.
  66. [234] 67) S. den von mir (Meisterlin 1141) besprochenen, aus dem Straßburger Dominikanerkonvent stammenden Traktat; dazu Kampers, Kaiserprophetien und Kaisersagen im Mittelalter 181.
  67. [234] 68) Z. B. Steinhöwel, über dessen lange vermißte Chronik von Herzog Gotfrieds Heerfahrt jetzt Qn. u. Forsch, z. Sprach- u. Kulturgesch. d. germ. Völker Bd. XCVI. zu vergleichen ist.
  68. [234] 69) So bei Fabri, der aber einen Teil seiner historischen Ausführungen aus Bernhard Breidenbach hat.
  69. [234] 70) f. 72): Cepitque tum Germanorum nomen, quod antea tum Italis, tum Gallis contemptui habebatur, exsurgere totiusque orbis habenas moderari.
  70. [234] 71) Benutzt ist Platina, Vitae pontificum, Urban II.
  71. [234] 73) Schmidt I, 248 f.
  72. [234] 74) S. die Widmung an Maximilian, auch den Titelholzschnitt.
  73. [234] 75) Die Ausführungen Schmidts (I, 291), als ob Brant nach 1504 einen Umschwung zu mehr republikanischer Gesinnung durchgemacht habe, hat Knepper (Nation. Gedanke 84) mit Recht bestritten.
  74. [234] 76) Abdruck von Zarncke hinter seiner Ausgabe des Narrenschiffs 121 ff. Es sind die dann auch eigens in den Varia carmina erschienenen Stücke.
  75. [234] 77) Das Material dafür ist von Dacheux nach Wenckers Auszügen im Bull, de la société pour la conservation des monuments historiques d’Alsace II° serie XV u. XIX vol. vorgelegt worden. Ich notiere daraus folgende Stellen: XV, 220 (Von a° 1490–1520): seind E. E. Gr. Raths Prothocolla von Dr. Branden. 223: 1502 wird Dr. Seb. Brant stattschriber und hat der die folgenden gedächtnissbüchel geschriben. 1503: Hier fangen Dr. Branden des stattschribers gedächtnüssbüchel oder protocollaglitter an und sind etwas prolixer und dicker als die vorhergehenden. 525: 1504 (Einreiten Maximilians in Straßburg) NB. De mane hora 6taque acta sunt, non scripsi, quia dominus dr. Cancellarius ea in suo memoriali signavit. 227: Bemerkung über die Weihe des Bischofs Wilhelm von Hunstein 1606 ut in Chronica mea (uns erhalten und gedruckt von Zarncke l. c. 199 ff). 240: (Über den Veitstanz v. 1518) von disem tantz findt man in miner Cronicken ad longum. 242: 1520 Ab isto tempore usque Simphoriani absens fui, missus Gandam ad Caesaream Maj. Redii sanus et incolumis gratiam Caesaris adeptus ex congratulatione, quae in Chronica nostra habetur.
  76. [234] 78) Caspar Hedio, Ein außerleßene Chronik von Anfang der welt. Straßburg 1539. f. 731 ff. Dazu Varrentrapp, Seb. Brants Beschreibung von Deutschland und ihre Veröffentlichung durch Kaspar Hedio (ZGOberrheins N. F. XI, 288ff.). Hier ist auch darauf hingewiesen, daß das Stück in seiner jetzigen Form nicht vor 1513 geschrieben sein kann. Hegel (St. Chr. VIII, 66) meint, daß diese Chronik von der in den obigen Verweisungen erwähnten verschieden gewesen sein müsse. Das glaube ich nicht.
  77. [235] 79) f. 770: Dise beschreibung ist darumb beschenen, daz die jhenigen, die Teutsche land nie erkündet oder durchsehen, eyn anzeyg und bildniss haben möchten der weite und größe Teutscher land und die frembden nationen nit gedencken, als offt geschieht, jre land für groß und mächtig alleyn zuschetzen oder zu achten sein. Auch sich nit verwundern, warumb alle land mit Teutschen jnwonern besetzt und mit lauffendem kriegsvolck erfüllet, dermassen das Teutsche landt nit leichtlich an leuten erlöset oder erschöpffet werden mag. Und das billich die Teutschen durch ire frumbkeyt, macht und manheyt willen die keyserliche kron aller erden erlangt haben und aus sonderer Ordnung und fürsehung des allmechtigen mit tapferlich regierung und fürwesen erlich auftragen. Und ach und o lieber Gott, das doch die Teutschen in irem wesen und fürsichtigkeit sich der massen zusamen hielten als andere zungen; wer sunder zweifel nit alleyn der regierend titel, ja vil mer der regierend gewalt und herliche oberkeyt aller erden nun langest bei den henden und gepotten der Teutschen gestanden. – Über den Umfang der historischen Pläne Brants Schmidt I, 250.
  78. [235] 80) Über ein von Hartmann Schedel benutztes Carmen Dringenbergs de occubitu ducis Burgundiae s. Haitz, Hartmann Schedels Weltchronik 33 u. AnzSchweizG. N. F. I, 319.
  79. [235] 81) Schmidt I, 163 ff.
  80. [235] 82) Quellen u. Erörter. z. bayr. u. dt. Geschichte II, 94, 97.
  81. [235] 83) Thuasne, Roberti Gaguini Epistole et orationes I, 373, II, 517. Brant, Narrenschiff ed. Zarncke 198 Nr. 19.
  82. [235] 84) Herausgegeben von Ulmann i. d. FDG. XX, 67 ff. Zur Persönlichkeit des Verfassers vgl. Bauch im NASächs.G. XX, 286.
  83. [235] 85) Über die sachliche Begründung solcher Befürchtungen s. Pastor, Gesch. d. Päpste III, 312.
  84. [235] 86) Gaguin, Compendium super Francorum gestis (Paris 1504) 29b.
  85. [235] 87) S. über die Ausgabe meine Bemerkungen im Meisterlin S. 1861. Es ist wahrscheinlich, daß Gaguin das Stück in seiner Chronik benutzt hat.
  86. [235] 88) Daß Wimpfeling eine handschriftlich in Karlsruhe liegende Beschreibung der Kaisergräber nicht verfaßt hat, hat Bickel, Wimpfeling als Historiker 87 ff. wahrscheinlich gemacht. Für seine Kenntnisse in der Epitome genügt es übrigens, wenn er die von Bischof Mathias Ramung von Speier 1470 im Königschor angebrachte Tafel kannte, die auch die Kölhoffsche Chronik benutzt (St. Chr. XIII, 485).
  87. [235] 89) Erste Ausgabe Rom 1474. In der Wormser Bibliothek vermutete man ein vollständiges Exemplar s. K. Morneweg, Johann von Dalberg 235.
  88. [235] 89) Erste Ausgabe Rom 1474. In der Wormser Bibliothek vermutete man ein vollständiges Exemplar s. K. Morneweg, Johann von Dalberg 235.
  89. [235] 90) Schmidt I, 250.
  90. [235] 91) S. die von Knod i. d. Alemannia XIII, 227 ff, gedruckten Briefe Wimpfelings an Amerbach, bes. 229, Nr. II und 231 Nr. VI.
  91. [235] 92) Diese Motivierung gibt der von E. Martin, Germania von Jacob Wimpfeling 106 gedruckte Brief Wimpfelings an Brant. In Z. 2. ist daselbst [236] statt des sinnlosen non solum fucelli tui emuli zu lesen fraticelli (oder [sacri]-ficuli s. den bei Knepper, Wimpfeling 363, Nr. 7, Z. 10 abgedruckten Brief), tui emuli. Damit entfallen Martins Vermutungen über den Sinn der Stelle.
  92. [236] 93) Übersetzung von Martin s. o. Neudruck mit Murners Schrift von Schmidt 1874.
  93. [236] 94) Varrentrapp in ZKG. XVI, 2901.
  94. [236] 95) Das Folgende beruht auf Bickel, Wimpfeling als Historiker. Diss. 1904 und eigene Untersuchungen, die demnächst anderswo erscheinen werden. Das Datum der Widmung an Wolff haben Schmidt I, 45109 und Knepper 1534 mit Recht aus 1502 in 1504 korrigiert.
  95. [236] 96) So sagt die Überschrift des Kapitels. Der Text hat ganz richtig aus Strabo: victor [mortem] oppetiit. Bei Strabo stand noch domitis gentibus davor.
  96. [236] 97) Geiger, Wimpfeling (ADB. Bd. XLIV, 532) und Bickel, Wimpfeling als Historiker 563 scheinen an die Stelle (Livius VIII, 17 ff.) nicht gedacht zu haben und kommen deshalb zu merkwürdigen Bemerkungen. Die unmittelbar vorhergehende Charakteristik Friedrichs II. und die Schlußworte über ihn sind aus Enea Silvios Historia Friderici III, s. o. Anm. 75 des Abschnitts II.
  97. [236] 98) Cap. 53. Es ist Entlehnung aus Bebels Rede vor Max 1501.
  98. [236] 99) Nicht auf Albertus Magnus, wie Bickel 57 sagt. Er hat die Rede nicht gesehen, wie seine Bemerkung S. 44 zu Kap. 6 zeigt (die Stelle ist aus Campano). Die Rede steht nicht in allen Ausgaben der Werke des Beroaldus, aber z. B. in der Basel 1519.
  99. [236] 100) Abgedruckt mit der Epitome.
  100. [236] 101) Ein Beispiel Thuasne, Gaguin I, 101³. Vgl. Schmidt, Hist. litt. II, 76.
  101. [236] 102) Es gibt auch einen Einzeldruck, aber aus diesem kann Wimpfeling nicht zu seinem Urteil über Campano gelangt sein. Er hat übrigens später selbst eine andere Rede Campanos herausgegeben und die Briefe als Stilmuster seinen Schülern empfohlen. S. Schmidt l. c. I, 63, 146; Knepper, Wimpfeling 218.
  102. [236] 103) Epigrammata lib. 8:

         In reditu e Germania.
    Linquo Tridentinas Alpes et Rethica saxa
    Nunquam oculis posthac aspicienda meis.
    Accipe Campani sterilis Germania terga,
    Accipe nudatas barbara terra nates.

  103. [236] 104) Näheres hierüber in besonderer Untersuchung.
  104. [236] 105) Meine Arbeit über ihn S. 301.
  105. [236] 106) Den Anlaß dazu konnte ihm sowohl Campanos Gleichsetzung der Geten und Goten bieten, als auch Platina, der bei Otto I. sagt: accepto Germaniae Pannoniaeque titulo.
  106. [236] 107) Marliano ist bereits Hauptquelle für den Ptolemäuskommentar des Nikolaus Donis 1486 und für Meisterlin 1488.
  107. [236] 108) Epitome cap. 8.
  108. [236] 109) De jure regni et imperii Romanorum. Brant faßt in einem Widmungsgedicht den Inhalt so zusammen: sie enthalte pontifici Caesar quid debeat, imperio et quid pontifices sacro.
  109. [236] 110) Lupold, De jure regni et imperii cap. 5: Postea vero deficiente genere Caroli Magni in regno Germaniae quidam rex Galliae occidentalis praedictae Carolus nomine Heinrico, qui primus de gente Saxonum coepit regnare in [237] Germania, apud Bonnam confoederatus eidem Heinrico sub anno domini 924 reddidit dictum regnum. – Quelle ist der Continuator Reginonis [SS. I, 616], auch für die Jahreszahl. Zur Sache Richter, Annalen d. dt. Reichs III, 1 S. 5.
  110. [237] 111) Lupold, De jure cap. 13. Vgl. Wimpfelings Äußerung über Friedrich Reiser bei Schmidt, Hist. littér. I, 105.
  111. [237] 112) Gebhardt, Die Gravamina der dt. Nation gegen den röm. Stuhl² 78 ff.
  112. [237] 118) Wimpfeling an Brant 1512 aug. 16, gedruckt von Varrentrapp i. d. ZKG. XVI, 286 ff.
  113. [237] 114) Quellenuntersuchung und Würdigung bei Bickel, Wimpfeling als Historiker 8–32.
  114. [237] 115) Von Janssen, Gesch. d. dt. Volkes Bd. I benutzt, jetzt verloren.
  115. [237] 116) Vorrede zur Epitome.
  116. [237] 117) Vgl. für Gaguin die oben zitierte Neuausgabe der Briefe und Reden von Thuasne, mit biographischer Einleitung und Kommentar, beides gleich ausgezeichnet und auch für deutschen Humanismus wichtig. Für das Compendium super Francorum gestis benütze ich die Ausgabe Paris 1504. S. über die Änderungen in den Auflagen Gaguins Vorrede und Thuasne, Gaguin passim.
  117. [237] 118) Compendium f. 58: Hanc a plebeis ignominiam franca nobilitas accepit, quae suis viribus et generis claritate freta atque superbiens popularem turbam et ministeriis vilioribus operam navantem contempsit. Sumit enim animos, quisquis libertatem tuetur, nec inermis aestimari debet, qui pro patria vitaque decertat.
  118. [237] 119) Wimpfelings Äußerungen über die Schweizer hat Knepper, Wimpfeling 210 zusammengestellt.
  119. [237] 120) Brant bei Zarncke 127; dazu Knepper, Nationaler Gedanke 971 (aus der Freiheitstafel), Wimpfeling, Epitome cap. 24.
  120. [237] 121) Ich setze das Schlußurteil Gaguins über Bonifaz VIII. her [Compendium f. 68b]: Talem vitae exitum habuit contemptor omnium hominum Bonifacius, qui Christi praeceptorum minime recordatus adimere et conferre regna pro suo arbitrio conabatur, cum non ignoraret et eius se loco versari in terris, cuius regnum non est de hoc mundo et terrenis rebus, sed de celestibus esset, quique dolo et malis artibus episcopatum Romanum sibi quaesiverat et Coelestinum, a quo dignitatem receperat, in carcere, dum vixit, habuerat.
  121. [237] 122) Aus dem Catalogus episcoporum Argentinensium ausgehoben von Hegel (St. Chr. VIII, 65).
  122. [237] 123) Meine Arbeit über Meisterlin 123, 162.
  123. [237] 124) Evagatorium I, 3.
  124. [237] 125) Europa cap. 23.
  125. [237] 126) Vgl. Meisterlin in d. St. Chr. III, 55, 167. 249. Wimpfeling, Epitome cap. 54. Trithemius kennt in der Vorrede zum 2. Teil der Annales Hirsaugienses nur zwei deutsche Fürsten, die Geschichte lieben.
  126. [237] 127) Über die eine Zeitlang sogar als Corvini gehenden Hss. s. Wirz, Die Codices palatini des Sallustius im Hermes XXXIII, 109, bes. 1161.
  127. [237] 128) Für Meisterlin meine Arbeit 9, 166, für Fabri seine Äußerung Evag. III, 468: Sed dum in labore essem, intellexi in quibusdam locis haberi descriptiones et chronica et annalia de praefatis, idcirco manum retraxi a coeptis, quousque videro praefatas chronicas ... Für Lang die im Vorwort der Opera Trithemii ed. Freher aus dem Chronicon Citicense ausgehobene Stelle.
  128. [237] 129) Ep. 156 der Basler Ausgabe.
  129. [237] 130) Meisterlin S. 62.
  130. [237] 131) Annales Hirsaugienses I, 399, 463.
  131. [238] 132) S. Vorreden von Schöferlin und Ringman. Der Livius erschien zuerst 1505, der Cäsar zu Straßburg 1507. Vgl. Schmidt, Hist. littéraire II, 106 und zum Livius Bauch im AHessG. N. F. V, 15.
  132. [238] 133) Eine gute Übersicht bietet Buschkiel, Nationalgefühl und Vaterlandsliebe im älteren deutschen Humanismus. Programm Chemnitz 1887.
  133. [238] 134) Opp. I, 25: Quando et unde Franci primum venerint ad Menigauium Peapolitanum, sequitur.
  134. [238] 135) Germania ed. Martin 41.
  135. [238] 136) St. Chr. III, 107.
  136. [238] 137) Für Trithemius die Ausführungen über Karl den Großen und Otfried in den Katalogen und Annales Hirsaugienses I, 28 f. Sie gründen sich auf eine Kombination von Einhard, Vita Caroli Kap. 29 und Otfrieds lateinischem Prolog zum Krist. Ein Echo dieser Ideen ist Wimpfeling, Isidoneus Kap. 18: Carolas enim magnus in Germania natus Germanorum imperator mensibus et ventis germanica indidit vocabula et hodie novis rebus atque negociis novam Germanici sermonis appellationem rex noster aut imperator (quem soli Germani eligere possunt) afferre potest. – Über die sprachliche Bedeutung des Narrenschiffs Brants in den Augen der Zeitgenossen Zarncke vor der Ausgabe LXXV. Dazu Brants Leben Vespasians und Trajans mit der Vorrede seines Sohnes Onuphrius, in der von den Bestrebungen Brants um die „new fränkische form“ gesprochen wird (s. u. VII24).
  137. [238] 138) Germania cap. 37: mox ingentes C. Caesaris minae in ludibrium versae. Vgl. z. B. Wimpfelings Epitome cap. 3: nihil tamen memoria dignum actum invenio, quam quod ponte Galliam Germaniamque coniunxit.
  138. [238] 139) Brant, De vita et conversatione bonorum regum 130: De causis amissionis terrae sanctae. Vgl. meine Arbeit über Meisterlin 182.
  139. [238] 140) Voigt, Enea Silvio II, 312.
  140. [238] 141) Wimpfeling an Celtis. Speier 1496 jan. 4 gedruckt bei Knepper, Wimpfeling 339 f.
  141. [238] 142) St. Chr. III, 82.
  142. [238] 143) Abgedruckt in meiner Arbeit über Meisterlin 300 f.
  143. [238] 144) Die Ergänzungen sind von Veesenmeyer im Anhang zu dem Tractatus de civitate Ulmensi abgedruckt. Fabri zitiert: Tacitus de vita et moribus Germaniae.