Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung/II. Vorläufer und Vorbilder

<<< II. Vorläufer und Vorbilder >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung
Seite: {{{SEITE}}}
von: [[{{{AUTOR}}}]]
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[Index:{{{INDEX}}}|Wikisource-Indexseite]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[15]
II.
Vorläufer und Vorbilder.

Die Geschichte des Humanismus beginnt mit Petrarka. Mit ihm beginnt auch die humanistische Geschichtschreibung. Nicht als ob er viel oder auch nur vorzugsweise Geschichtliches geschrieben hätte. Aber er schafft die neuen Gattungen und den neuen Stil. „Geschichte zu schreiben ist meine Absicht,“ sagte er in der Vorrede zu dem Buche über die berühmten Männer, „deshalb muß ich die berühmtesten Autoren zu meinen Führern erwählen, will ihnen jedoch nicht den Wortlaut der Darstellung, sondern nur das Material der Tatsachen entlehnen.“[1] – Die entscheidenden Momente der neuen Geschichtsauffassung liegen hier: das selbständige Vordringen zur echten Überlieferung und die persönliche Form. Das Buch selbst mit seinen 31 Lebensbeschreibungen bietet sodann die erste Bearbeitung der alten Geschichte im Sinne des Humanismus, es hätte seine Ergänzung in dem nicht vollendeten Buch der denkwürdigen Dinge, einer Art humanistischer Real- und Moralenzyklopädie, finden sollen. Auch das Kennzeichen aller humanistischen Geschichtschreibung findet sich schon hier: die Verwertung der Geschichte zu moralischen Gemeinplätzen. Es ist eben der erste Schritt, der von der bloß chronistischen Aufzeichnung der Ereignisse zu einer zusammenfassenden Betrachtung unter einer Idee führt, es ist zugleich das Mittel, wodurch der Humanismus mit der ausschließlich kirchlichen Betrachtung der Vergangenheit erfolgreich in Wettbewerb tritt. –

Aber fast noch wichtiger als diese größeren Werke Petrarkas sind für die humanistische Geschichtschreibung ein paar Kleinigkeiten geworden, die Petrarka ohne eigentlich historische Absicht schrieb: Sein Brief an die Nachwelt mit der ersten modernen Selbstbiographie,[2] seine Reisebriefe mit den Städtebeschreibungen von Köln, Aachen, Paris, seine Besprechung der österreichischen Freiheitsbriefe mit der ersten Urkundenkritik aus Stilgründen, seine Abwägung Scipios gegen Cäsar und so vieles andere.

[16] Petrarka ist auch insofern der erste Humanist, als er der erste italienische Patriot ist. Denn der Humanismus ist seiner Entstehung und Entfaltung nach eine national-italienische Erscheinung. Nur hier in Italien haben seine Äußerungen etwas von dem beglückenden Zauber überströmender Natürlichkeit und eingeborener Jugendkraft, den wir bei uns etwa erst in der Sturm- und Drangperiode empfinden. Bei den andern Nationen, zumal in Deutschland, wird er sogleich Mummerei.

Aber er dringt alsbald zu den andern, denn er ist in seinem Wesen ebenso bekehrungssüchtig wie national. Wiederum ist es Petrarka, der die Bekehrung beginnt, in England, in Frankreich, in Deutschland. Und hier knüpfen sich an ihn in dem böhmischen Königreich Karls IV. die ersten Versuche zur Schaffung einer humanistischen Geschichtschreibung.[3]


Es wird immer merkwürdig bleiben, daß Karl IV. den Plan zu einer offiziellen Landesgeschichte faßt, aus der „Hoch und Gering an den Beispielen der Väter Tugend lernen könne“, und die „aus den alten Chroniken in lichtvollerer Weise und ohne allen Wortschwall in einfachem Latein“ geschrieben werden sollte. Also eine Arbeit, die in ganz anderer Weise offiziell war, als etwa Ekkehards vierte Bearbeitung seiner Weltchronik oder die Gesta Friderici von Otto von Freising und Rahewin, und die zugleich in bewußtem Gegensatz zu den bisherigen geschichtlichen Aufzeichnungen stehen sollte. Also auch zu der Reimchronik des Dalimil, der doch schon eine Landesgeschichte geschrieben hatte, in der er vom Standpunkt der ritterlichen[4] und der nationalczechischen Kultur Sage und Geschichte zu einem nicht kunstlosen Ganzen vereinigte. Aber das Ergebnis der kaiserlichen Anregung, die Böhmische Chronik des florentiner Minoriten Johannas von Marignola, entspricht gar wenig diesen Absichten.[5] Daß Karl einen Ausländer wählte, zeigt schon, daß er nicht hoffte, am eigenen Hofe, wo doch begeisterte Verehrer Petrarkas lebten, einen geeigneten Mann für diese Aufgabe zu finden. Marignola aber stammte aus der Stadt Dantes und Petrarkas, er war soeben von einer Missionsreise zurückgekehrt, die ihn bis nach China geführt hatte, und auf der er fremde Sitten und Länder mit offenem Auge beobachtet hatte. – Was er aber für Karl IV. geliefert hat, ist eine Mönchsarbeit schlimmster Art. Welch eine Gelegenheit wäre hier für einen Albertino Mussato geboten gewesen, die lieblichen Sagen von den Anfängen der Kultur, für die sich schon der alte Cosmas von Prag aus seinen in Lüttich studierten [17] Klassikern, aus Horaz, Vergil und Boethius, Farbe geholt hat, die Karl selbst dann in der Vorrede des von ihm beabsichtigten böhmischen Landrechts staatsmännisch ausgesponnen hatte[6], auf Grund reiferer Kenntnis des Altertums zu beleben! Marignola bleibt weit hinter Cosmas zurück und auch seine geographischen Kenntnisse haben nur zu einer höchst fragwürdigen kurzen Descriptio terrae Boemorum geführt. Mag man auch zweifeln, ob die sonderbare Einteilung in die drei Bücher Thearcos, Monarcos, Hierarcos nicht vielleicht auf Rechnung des kaiserlichen Auftraggebers zu setzen sei, so bleibt doch Marignola ein Autor, der auch nicht entfernt an eine Bibelstelle, sei es durch eine seiner beliebten Namenserklärungen, sei es durch einen Vergleich, geraten darf, ohne eine lange Erläuterung über dieselbe zu geben, und dem der Versuch, die Ergebnisse seiner Orientreise mit dem überlieferten Weltbild zu vereinigen, sein armes Hirn gänzlich verwirrt hat.

So ist denn das Interessanteste an dem Buch der ihm vorgesetzte Brief des Kaisers[7], aus dem wir Karls Absichten bei dem Auftrag ersehen haben, wie Karl dann auch selbst mit seinem Versuch einer Selbstbiographie der interessanteste Geschichtschreiber aus dieser ersten humanistisch berührten Periode in Deutschland geblieben ist.

Auch die Selbstbiographie ist freilich in der Form[8] – soweit die Überlieferung hier ein Urteil gestattet – so unhumanistisch wie Karl selbst. Karl hätte das Werk in seiner ursprünglichen Gestalt, ähnlich wie Ulman Stromer seine Denkwürdigkeiten, „Püchel von meim Geschlecht und Abenteuer“ überschreiben können. Nur daß die Abenteuer nicht bloß die äußerlichen eines überall herumgeworfenen Kriegsmannes, sondern auch die innerlichen eines ernst ringenden Menschen sind, der sich aus der Abhängigkeit von einem väterlichen Don Quichote und aus den Einflüssen einer sittenlosen Umgebung zum Staatsmann herausarbeitet. Daß er uns diese seine Seelenkämpfe nicht verschweigt, sondern sie sogar mit Angabe des Tages seiner seelischen Krisis niederschreibt, das erinnert nicht bloß an die Mystiker, sondern auch an Augustin und an Petrarka selbst. Noch mehr, daß nun nach der Meinung des kaiserlichen Autors dies Zeugnis seiner eigenen Entwicklung nicht verschlossen bleiben, sondern der Geschichtschreibung seines Landes und damit der Belehrung der Nachkommen dienen soll. Es ist nicht seine Schuld, wenn die Männer, denen er es zu diesem Zweck in die Hände gab, ebensowenig zu einer Geschichtschreibung [18] im neuen Sinn geeignet waren[9], wie Johann von Marignola.

Freilich braucht Karl selbst mit all dem innerlich dem Humanismus nicht näher zu stehen, wie der Staufer Friedrich I. der gelehrten Zisterzienserbildung Ottos von Freising, der ja auch von seinem kaiserlichen Neffen für sein zweites Geschichtswerk ein Stück Autobiographie erbeten und erhalten hatte. Wie wir uns als Geistesverwandte des Staufers lieber Heinrich von Veldeke und Hartmann von Aue denken, so mag Karl IV. trotz allem doch besser zu dem Dominikaner Heinrich von Herford gestellt werden, dem er ein ehrendes Grabmal errichten ließ, als zu Cola di Rienzi und Petrarka, mit denen er sich unterredete und Briefe wechselte. –

Was sonst etwa von humanistischen Keimen am Hofe Karls aufgegangen war, das verschwand in den wütenden theologischen Kämpfen unter seinem Nachfolger und in den Stürmen der Hussitenkriege. Ob es gelingen wird, doch noch Fäden zu finden, die jene Vorläufer des Humanismus mit den Frühhumanisten des nächsten Jahrhunderts verbinden, muß vorerst dahingestellt bleiben.[10] Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland ist erst aus neuer Beeinflussung durch Italien fast 100 Jahre später erwachsen.


Als sie begann, trug auch der italienische Humanismus bereits ein anderes Gesicht, als zur Zeit Petrarkas. Wäre es nach diesem gegangen, so wären die Humanisten vielleicht ein Bund weltlicher Anachoreten geworden, in ihren Bestrebungen geteilt zwischen der Anbetung des Ciceronianischen Stils und dem Augustinischen Christentum. Zur Welt steht Petrarka wie Rousseau: er lehnt sie ab, so wie sie ist, um eben dadurch um so mächtiger auf sie zu wirken. Aber nach ihm kommen die Jünger, Boccaccio an der Spitze, die die Goldbarren aus dem Nachlaß des Meisters in kleine Münze schlagen, aber auch in wichtigen Punkten das Erbteil vermehren. Einer der wichtigsten dieser Punkte ist ihre Auffassung vom Staate. Nirgendwo war Petrarka mehr mittelalterlich und mehr phantastisch gewesen. Steht er auch persönlich ganz anders zu Karl IV., wie Dante und Mussato zu Heinrich VII., seine Vorstellungen von dem römisch-deutschen Weltreich sind von ebenso bodenloser Idealität, und es gibt zwischen ihnen und Petrarkas italienischem Patriotismus sowenig eine Vermittelung, wie zwischen Mussatos Paduanertum und seinen Phantasien von der Wahl des Kaisers durch die göttliche Weisheit in Person.

[19] Anders wird dies erst, als nun die Humanisten auf den Boden wirklicher Staaten treten. In dem modernsten Staate Italiens vollzieht sich der nächste Fortschritt des Humanismus, zugleich der nächste der humanistischen Geschichtschreibung. Er wird bezeichnet durch die Florentiner Geschichte des Staatskanzlers Lionardo Bruni.[11]

Geht man an die Lektüre seines Buchs von Giovanni Villani kommend, so ist es, wie wenn man in Venedig von der dämmerigen Pracht San Marcos sich zu Palladios kalter Redentore wendet. Nichts von all den tausend entzückenden Kleinigkeiten, die dieses Bilderbuch der Florentiner Vergangenheit berühmt gemacht haben, keine Beschreibung des Caroccio oder der Martinellaglocke, von Prozessionen oder Fürsteneinzügen, Trachten oder Lebensgewohnheiten: wenn Bruni einmal sagen muß, daß der unglückliche Buondelmonte, von dessen Ermordung die Florentiner ihre jahrhundertelangen Geschlechterkämpfe datieren, in weißem Gewande auf einem weißen Roß durch die Stadt geritten sei, fügt er halb schüchtern, halb verächtlich sein: „so sagt man“ bei.

Hat Bruni nun nichts für diesen Mangel zu bieten? Wir werden das erkennen, wenn wir gleich sein erstes Buch mit dem des Villani vergleichen. Auch zu etwas anderem soll der Vergleich dienen. Nicht leicht irgendwo sonst sieht man so gut, daß es ein anderes ist, die antiken Autoren zu kennen, ein anderes, sie humanistisch zu benutzen. Denn Villani kennt Cicero, Livius und Sallust. Er ist vielleicht der erste, der gefunden hat, daß das Bellum Catilinare mit seinen Katastrophenszenen von Pistoria in eine Florentiner Stadtchronik gehöre. Aber das ist für Villani eine Geschichte wie andre auch, sie dient ihm so gut und so schlecht zur Ergötzung der Hörer wie die vom babylonischen Turmbau, von König Atalante, dem Gründer von Fiesole, von Dardanus und Aeneas, von Radagais und „Totila“ der Gottesgeisel.

Dagegen nun Bruni: Er kennt außer Villanis Quellen kaum mehr als ein paar Cicerostellen[12], nach denen Florenz eine Gründung Sullanischer Veteranen ist, deren Einwohner durch die Begabungen Sullas so reich geworden sind, daß sie bald an Luxus der Baulichkeiten und Lebensführung mit Rom wetteifern und in Schulden geraten. Das aber wird sein Ausgangspunkt. So sind sie die rechten Genossen der catilinarischen Rotte, und erst die Niederlage von Pistoria weist sie auf die friedliche, bürgerliche Beschäftigung. Durch diese erstarkt die Stadt innerlich. Aber nach außen hin verschwindet sie [20] hinter der mächtigen Roma, bis das Kaiserreich in den Stürmen der Völkerwanderung zusammenbricht. – Wir sehen hier den humanistischen Pragmatismus an der Arbeit: Bruni will nicht eine interessante Geschichte erzählen; er will die Volksart der Florentiner womöglich schon in den Anfängen ihrer Geschichte finden, sodann das Florenz seiner Zeit aus der Geschichte erklären. Dieses Florenz ist selbständig gegen alle die andern italienischen Mächte, unabhängig von Kaiser und Reich, groß geworden im Gegensatz gegen sie. Deshalb ist Brunis Florenz schon im Altertum nicht die camera d’Imperio, die figliuola e fattura di Roma, wie bei Villani, es ist keine Gründung Cäsars und keine Neugründung Karls des Großen. Seine Florentiner sollen keine Ehre darin sehen, daß ihre Ahnen bei Pharsalus geholfen haben, den Pompejus zu besiegen, wie die Deutschen der Kaiserchronik. Sein Florenz stammt noch aus den Zeiten der Republik, oder es ist, da Sullas Veteranen sich doch nur den alten Einwohnern Fäsuläs zugesellen, ein Glied des alten etruskischen Bundes, der den Römern Kulturbringer und zugleich mächtigster Feind war und den sie – bedeutsame Mahnung! – vielleicht nie überwunden hätten, wenn er einig geblieben wäre. Und wer ihm von Pflichten gegen das Kaisertum spricht, dem erwidert er, daß dieses, sei sein Ursprung wie er wolle, jedenfalls keine ununterbrochene Fortsetzung des Imperium Romanum sei, ein Gedanke von umstürzender Kühnheit für einen Mann, der sich als Knabe im Gefängnis des heimatlichen Arezzo an dem Bildnis Petrarkas die erste Begeisterung für das Studium geholt hatte.

Der eigentliche Gegenstand von Brunis Werk aber ist der Geschlechterkampf. Er dünkt ihm zu bedeutsam, als daß er ihn wie Villani an einen Hochzeitsstreit anknüpfen möchte, den auch ein Novellist erzählen könnte.[13] Er stammt vielmehr, wie schon die Parteinamen verkünden, aus den Kämpfen zwischen Kaisertum und Papsttum, und der Staufenkaiser Friedrich II. ist es, der die entsetzlichen Kampfesweisen von Verjagung, Gütereinziehung und Meuchelmord aufgebracht hat, von denen die Jahrbücher seitdem erzählen. Sind aber die Ghibellinen kaiserlich, so kann, wer die Unabhängigkeit von Florenz will, nur guelfisch ist. Und Bruni ist guelfisch, sobald die Frage: kaiserfreundlich oder papstfreundlich heißt. Schon in seiner Lobrede auf Florenz vom Jahre 1401 hatte er gesagt: Was für Rom die Zensoren, für Lazedämon die Ephoren, das sind in dem Staate von Florenz die Häupter der Guelfen.[14] – In der innern Entwicklung jedoch stehen die Dinge für den Staatskanzler von 1420 [21] schon anders: Florenz besitzt eine Verfassung, die aus zahlreichen Revolutionen zu einer unendlich kunstvollen Bindung der einzelnen Gewalten im Staate gekommen ist. Es gilt zu zeigen, daß alle diese einzelnen auch an ihr mitgearbeitet haben. Deshalb macht Bruni die erste Verfassung von 1250 entgegen der Überlieferung, die ihm vorlag, und entgegen der historischen Wahrheit zu einem gemeinsamen Werk der Guelfen und Ghibellinen, er gibt zum Jahre 1260 der Volksherrschaft das Zeugnis, sie sei glorreich und nur um ihrer Schroffheit willen zu tadeln gewesen[15], betont aber bei der Rückberufung des Adels im Jahre 1266, damit sei dem Staate die größte Zier zurückgewonnen worden. Und als er nun an das Ende des 13. Jahrhunderts mit der Einsetzung der priori der Zünfte, des gonfaloniere della giustizia und der ordinamenta iustitiae kommt, da holt er weit aus, um die Entstehung dieser Ordnungen aus ihren ersten Gründen begreiflich zu machen,[16] denn „die Geschichte hat gleichsam zwei Glieder, die Geschehnisse außen und im Innern, und es ist wahrlich nicht weniger wissenswert, wie es daheim steht, als was für Kriege geführt worden sind“.

Mögen diese verfassungsgeschichtlichen Erörterungen nun auch trotz solcher Worte mehr, als uns lieb ist, zwischen der beibehaltenen annalistischen Aufzählung der kleinen und großen Kriegsereignisse verschwinden und gegen die Zeit des Autors selbst immer seltener werden, ihr Zusammenhang ist nicht minder klar als die Absicht Brunis; sie heben sein Buch über die Chronik hinaus und machen es zur ersten humanistischen Stadtgeschichte Italiens.

Was Bruni dem Geschichtswerk nicht anvertrauen wollte oder konnte, hat er in einem eigenen kleinen Traktat geschildert.[17] Er ist bezeichnenderweise griechisch geschrieben: περι της των Φλωρεντινων πολιτειας. Das erste Buch, das nicht nach mittelalterlicher Weise einen Idealstaat schildert, sondern die aufbauenden Elemente eines wirklichen Staatswesens zeigt. Mit der Florentiner Geschichte zusammengehalten weist es den Weg, der zu Macchiavelli führt; in der Florentiner Geschichtschreibung ist Bruni sein wichtigster und, soweit ich sehe, sein einziger Vorgänger.[18]

Wir dürfen vielleicht hier von einem kleinen Winkel aus einen Blick auf die Frage werfen, die heute im Mittelpunkt der Erörterung über die Renaissance steht.[19] Ist diese nur eine Fortsetzung der im Mittelalter schon lebenden Richtungen oder ist sie ein „rinascimento“, eine Wiederbelebung der Antike? Es ist sicher, daß ein Staatswesen, das von 1250 an fast unaufhörliche Revolutionen durchmachte, [22] machte, seine Bürger von selbst zu der Frage treiben mußte, ob es denn kein Gesetz in dieser Erscheinungen Flucht gebe. Die Florentiner von 1420 konnten so wenig wie die andern Bewohner der ewig zuckenden Staatengebilde Italiens den Staat im Sinne des Mittelalters für etwas Ewiges und göttlich Begründetes halten.

Aber auch die Villani, die doch den Dingen mit so weitem Blicke und regem Verstande zuschauen, kommen nicht über das Beklagen der inconstanza der Florentiner hinaus; wenn sie besonderen Eindruck machen wollen, rufen sie als Zeugen dafür noch Dante und Michael Scotus, den englischen Hofastrologen Kaiser Friedrichs II., auf. Denn eine Erklärung der großen Veränderungen im Leben der Völker und Staaten bietet höchstens die Astrologie[20], und diese Erklärung ist ebenso spirituell wie die theologische. Daß man weiter kommt, den Staat als ein Kunstwerk empfindet, wie Jakob Burckhardt schön und glücklich gesagt hat, das hat die Wiederbelebung des Altertums oder der Humanismus gemacht, und es ist kein Zufall, daß Bruni zugleich der Übersetzer der Staatslehre des Aristoteles ist. –

Brunis Geschichtswerk enthält Gedanken, die über die Stadtgeschichte hinausreichen; vielleicht ist der wichtigste der vom Verfall des Römerreichs, der Declinatio imperii. Der Begriff fand sich schon bei den Männern, welche den Verfall und seinen sichtbarsten Ausdruck; die Einnahme Roms durch Alarich 410, erlebt hatten, bei Augustin und Orosius. Aber diese sahen gerade darin die Aufgabe ihrer Geschichtswerke, zu erweisen, daß dies nichts Ungeheures, vor allem, daß hier kein Ende sei. Und das stand für die Folgezeit ganz fest, da Hieronymus das römische Reich als das letzte vor der Auferstehung erklärt hatte, das notwendig fortleben mußte bis ans Ende aller Zeiten.[21]

Daher der im Mittelalter so eifrig gehegte Begriff der translatio imperii. – Aber wenn das Reich nun nicht fortgelebt hatte, wenn es nicht übertragen und vor Karl dem Großen sicherlich unterbrochen worden war, wie Bruni aussprach? Dann mußte wohl der Niedergang des Reichs Epoche machen, so gut wie es sein Aufgang gemacht hatte. Es war dann möglich, diesen Teil der Geschichte aus dem mittelalterlichen Chronikschema herauszulösen und das hat – trotz innerlicher Verschiedenheit viel mehr, als man bisher annahm, von Bruni beeinflußt – Flavio Biondo in seinen Decades historiarum ab inclinatione Romani imperii getan.[22]

Ob freilich Bruni den ersten Anstoß zu dem Werke gegeben hat, ist fraglich. Der scheinbare Anlaß ist ein anderer, man darf sagen, [23] ein allgemein-humanistischer Gedanke: seit Orosius, sagt Biondo, hat es keine wirklichen Geschichtschreiber mehr gegeben, nur leichtsinnige und törichte Skribenten, die den Sachverhalt mehr verwirrt als geklärt haben; so muß versucht werden, aus den Quellen ein Ganzes zu schaffen.[23] Aber gleich zu Beginn der Arbeit setzt sich Biondo mit denen auseinander, die über das Anfangsjahr des Niedergangs von ihm abweichende Ansichten haben. Da sind zunächst die, welche sagen, daß das römische Reich eben wie andere ab- und zugenommen hat, also Männer wie etwa Villani[24]; das führt zu keiner Epochenzahl. Eher die Meinung, daß man mit der Verlegung der Hauptstadt nach Byzanz beginnen solle. Das gefällt auch Biondo besser, denn es läßt eine kirchlich gedachte Beziehung zu: die Verlegung ist die Strafe für die Sünden der Römer gegen die Religion, aber damit kommt man zu einer Kirchengeschichte. Hier konnten Männer wie der hl. Antonin einen Einschnitt finden. Dann aber gibt es noch eine moderne Meinung: der Niedergang beginnt mit der Diktatur Cäsars, d. h. mit dem Verlust der römischen Freiheit. Das sagt Bruni.[25] Biondo hat sich dem nicht angeschlossen, sein Epochenjahr ist 410, oder wie er berechnet 412, aber seine Worte zeigen uns, daß es eine Diskussion über diese Dinge gab, und wir können auch sagen, wann und wo sie wohl stattgefunden hat: in Florenz, als sich die Kurie Eugens IV., dessen Sekretär Biondo war, aus dem aufständischen Rom dorthin geflüchtet hatte. Hier hat Biondo wohl nicht nur mit Bruni den Streit über das Vorhandensein eines Vulgärlateins im alten Rom begonnen und mit ihm und anderen den Liviustext verbessert[26], sondern auch den Plan einer Geschichte ab inclinatione imperii erörtert. Hier an der Stätte des Unionskonzils mit den Griechen ist dann wohl auch der Gedanke erwachsen, die beiden Teile des alten Reichs, Ostrom und Westrom, in dem Werke gleichmäßig zu behandeln. Denn das will Biondo tun.[27]

Es mag dann noch manches Jahr gedauert haben, bis die Fundamente für den neuen Bau beigeschafft waren. Wir wissen wenig über diese Vorarbeiten. Die Entdeckung eines mittelalterlichen Quellenschriftstellers war keine Sache, die die Federn humanistischer Briefschreiber in Bewegung setzte, wie die eines Quintilian oder auch nur des Asconius Pedianus. Aber Entdeckungen waren es, wenn Biondo Jordanes, „Alkuin“, Prokop, die Papstbiographen und so viele andere, nachdem sie jahrhundertelang nur in Ableitungen späterer Chronisten zugänglich gewesen waren, wieder in der Originalgestalt lebendig machte[28], und auch ein Autor wie Paulus Diaconus, der nie ganz [24] vergessen gewesen war, erscheint hier erst in seinem wahren Werte, wenn er als zeitgenössischer Zeuge von bestimmter Eigenart aufgerufen und befragt wird.

Dazu kommt, daß Biondo den Begriff der historischen Quelle bedeutsam erweitert. Hier hatten die Altertumsstudien vorgearbeitet, durch die man gelernt hatte, zeitgenössische Briefe zu schätzen, Denkmäler als lebende Zeugen der Vergangenheit anzusehen. Biondo überträgt das auf die christlichen Zeiten, er weiß aus einem Brief des Hieronymus die Ergänzung der dürftigen Worte des Orosius über die Einnahme Roms von 410 zu gewinnen und gestaltet aus dem Formelbuch des Cassiodor, das bis dahin nicht viel mehr als eine Kanzleivorlage gewesen war, ein Bild Theoderichs, in dem auch wir kaum einen wichtigen Zug vermissen.

So entsteht die erste humanistische Geschichte des Mittelalters. Wir werden noch sehen, wie stark sie auf die deutsche Geschichtschreibung gewirkt hat. In Italien scheint sie weniger Anklang gefunden zu haben. Und das hat nicht nur den Grund, daß Biondo sich mit seiner gezierten Schreibweise „gar weit von dem Stil der Alten“ entfernte, wie ihm sein späterer Abbreviator, Papst Pius II., vorwarf[29], sondern es gibt eine tiefer liegende Ursache.

Wenn irgend etwas die Menschen der Renaissance verbindet, so ist es der Gedanke, einer neuen Zeit anzugehören. Das zeigt der alte, grämliche Filippo Villani ebenso gut, wenn er in seiner Aufzählung der Florentiner zwischen Claudian und Dante nur „Halbdichter“ zu nennen weiß[30], wie Bruni, wenn er in seinen Lebenserinnerungen neben der Neubelebung des Griechischen auch das Aufkommen des nationalen Kondottierentums Epoche machen läßt. Was konnte solchen Männern ein Werk geben, daß ihre eigene Zeitgeschichte als letzten Teil an eine Inclinatio imperii Romani anknüpft? So ist es vielleicht doch kein Zufall, daß Biondo für sein Werk zwar begeisterte Zustimmung aus dem unhumanistischen Mailand und dem nicht nur äußerlich gotisch bleibenden Venedig erhielt, daß aber Bruni schwieg.[31] Welch anderes Interesse hätte ihm ein Geschichtswerk erregt, das es unternommen hätte, das Italien der Gegenwart, das doch schon für Dante eine Göttin, für Petrarka eine nirgendwo vergessene Mutter gewesen war, nach seiner Entstehung zu erklären!

Es gab einen Gedanken, von dem aus man dahin gelangen konnte; wieder hatte Bruni ihn ausgesprochen: Wie die alte Roma überschattend und erdrückend auf allen Provinzen lag, so hat auch das mittelalterliche Kaisertum in Italien gewirkt. Mit seinem Niedergang [25] beginnt der Aufgang der großen Kommunen, und diese bilden das Italien der neuen Zeit.[32] – Biondo kennt diese Ideen, er hat ihnen in seinem Geschichtswerk an bedeutsamer Stelle Aufnahme gewährt.[33] Aber ihre Durchführung erforderte ein eigenes Werk. Biondo hat auch dies unternommen: es ist sein zweites Hauptwerk, die Italia illustrata, ebenfalls eine Arbeit gründlichster Gelehrsamkeit. Sollte sie auch zunächst nur dem dienen, der die alten römischen Ortsbezeichnungen mit den modernen vergleichen wollte[34], so bot sie doch mehr. Die Stadtbeschreibungen mit ihrem Hinweis auf die Besonderheiten der Lage, ihrem geschichtlichen Abriß und ihrer Aufzählung der großen Männer, deren sich jede Stadt rühmen konnte, waren in einem Geiste gehalten. Sie räumten mit viel alten Fabeln auf und stellten die Modernen unmittelbar neben die Großen der Vorzeit.

Freilich, was man so gewonnen hatte, war nicht mehr als der geographische Begriff Italien. Vielleicht hätte aber auch ein andrer, der weltlicher und moderner dachte als Biondo, damals nicht weiter kommen können. Erst die Generation, die den Siegeszug des „neuen Cyrus“, Karls VIII. von Frankreich, entsetzt miterlebte, hat begonnen, sich Italien auch politisch als eine Einheit gegen die „Barbaren“ zu denken, sei es auf den Wegen Julius II., der das Papsttum zum Mittelpunkt der nationalen Bestrebungen machen wollte, sei es auf denen Macchiavellis, der eben in diesem Papsttum das erste Hindernis aller nationalen Einigung erkannte.

Einen Vorläufer hat diese letzte Ansicht zu Zeiten Biondos in Lorenzo Valla gehabt.[35]

Wir haben hier nicht von dem arbiter elegantiarum des lateinischen Stils zu reden, auch nicht von dem kecken Revolutionär, der unter dem Banner des Hedonismus die mönchische Sittlichkeit in ihrer Wurzel angriff, selbst seine Geschichte Ferdinands von Aragon dürfen wir trotz ihres interessanten Vorworts übergehen, aber das Schriftchen über die konstantinische Schenkung verdient ein paar Worte.[36]

Seit die Päpste begonnen hatten, sich dieses gefälschten Dokuments zu bedienen, war der Kampf dagegen nie erstorben.[37] Aber durch drei Jahrhunderte bleibt er – mit einer wenig beachteten Ausnahme – ein Kampf der Juristen mit juristischen Waffen. Man tritt auf den Rechtsboden des Gegners, aber man bestreitet seine Folgerungen. Da kommt der Humanismus, und es wird anders. Auf dem Basler Konzil schreibt 1433 ein grübelnder Deutscher, dem die Zusammenhänge [26] zwischen Altertumsforschung und Kirchenreform klarer geworden waren, als irgend einem Italiener, Nikolaus von Cusa sein Buch „Von der wahren Eintracht“[38] und hier wird zum erstenmal mit dürren Worten die Urkunde als Fälschung bezeichnet und mit solider, aus dem Studium der Kirchenväter und Konzilsakten erwachsener Gelehrsamkeit als solche erwiesen.

Sieben Jahre später folgt Valla. Es ist nicht wahrscheinlich, daß er die Schrift des Deutschen gekannt hat.[39] Aber wenn auch, so hätte er ihm nur den geringsten Teil seiner Gründe entlehnen, sicherlich ihn nicht als Bundesgenossen brauchen können. Denn Cusa bespricht die Sache nur, weil ihn die Urkunde in seinen naturrechtlichen Theorien von der Begründung aller Herrschaft auf die Zustimmung der Beherrschten hindert, er schiebt das falsum ruhig bei Seite, ohne nach einem falsarius zu suchen, und er unterwirft schließlich, wie jeder andre geistlich denkende Mensch des Mittelalters, seine Meinung der Entscheidung des Konzils. Valla aber führt einen persönlichen Kampf mit dem Papsttum. Er will beweisen, daß man ebenso unwissend in der Psychologie der Menschen, wie in der Geschichte, wie vor allem in der lateinischen Sprache sein muß, um diese abgeschmackte Fabel für wahr zu halten. Betrachten wir heute seine Beweisführung, besonders die Angriffe auf den Text der Urkunde genauer, so mutet es uns fast komisch an zu sehen, wie hier ein richtiges Ergebnis nach falscher Methode gewonnen wird.[40] Denn wenn Valla die Diktion der Urkunde an dem Maßstab des reinen Lateins maß, so war er nicht kritischer als die Fälscher und die Verteidiger der Fälschung. Wie diese an die Ewigkeit und Unveränderlichkeit der päpstlichen Machtansprüche, so glaubte Valla an die des lateinischen Stils. Die Bedeutung des Angriffs aber wird durch solche Erwägungen nicht gemindert. Zum erstenmal wird hier ein Dokument, das die Autorität der Kirche deckte, mit philologischer Kritik angegriffen und vernichtet.[41]

Es war ein Punkt, wo die historische Kritik direkt in das Leben eingreifen konnte. Vielleicht, daß sie es in der Verschwörung des Stefano Porcaro getan hat.[42] Aber ein weiteres Echo fand Vallas Schrift nicht, nur zahlreiche Gegenschriften erschienen. Sie fand auch keine Nachfolge bei den Humanisten Italiens, und Valla selbst war nicht ein Mensch, der aus der Tiefe wissenschaftlicher oder seelischer Bedrängnis zu seinen Angriffen kam, kein „Fünklein von der alten Kirche“, wie Luther meinte, sondern ein Gladiator, den zunächst die Freude am Waffenspiel, aber auch nicht selten eigene Gefahr[43] oder [27] Aussicht auf Fürstengunst scharfsichtig machten. Er kämpft weder für einen neuen Staat, noch für eine neue Kirche, nur gegen das Alte. Erst bei Erasmus und Hutten haben seine Gedanken neue Belebung und Vertiefung gefunden. –

Stellen wir zu diesen Hauptwerken der humanistischen Geschichtschreibung in Italien noch Kleinigkeiten, wie Beccadellis Anekdotensammlung über Alfonso von Neapel, Poggios Brief über den Tod des Hieronymus von Prag, so haben wir die Schriften, aus denen lernbegierige Schüler andrer Nationen etwa um 1450 die neue Geschichtsauffassung und -darstellung kennen lernen konnten. Solcher Schüler nun gab es um diese Zeit auch aus deutschen Landen genug. Aber wenn wir die Handschriften ansehen, die sie nach Deutschland mitbrachten, so begegnen uns doch viel häufiger als diese historischen Werke die Prunkreden, die Anweisungen zur Redekunst, die Novellen und Invektiven, vor allem die Briefe der Italiener. Und man darf zweifeln, ob die deutsche Geschichtschreibung so bald in die Bahnen des Humanismus gelangt wäre, wenn nicht ein Italiener in Deutschland selbst sie ihr gewiesen hätte. Das ist Enea Silvio de’Piccolomini.[44]

Über Enea Silvio hat Jakob Burckhardt das treffendste Wort gesprochen:[45] er rechnet ihn zu den Menschen, die wesentlich Spiegel dessen sind, was sie umgibt. Das gilt für den moralischen Charakter Eneas. Will man den geistigen erfassen, so wird man hinzufügen müssen, daß dieser Geist seine Eindrücke mit der Lebenswahrheit eigener Erlebnisse wiederspiegelt. Er hört in den Gesprächen der österreichischen Kanzleigenossen eine Geschichte von der Liebelei des Kanzlers Kaspar Schlick mit einer schönen Saneserin und schafft daraus die klassische Empfindsamkeitsnovelle des 15. Jahrhunderts; er sieht, wie der zehnjährige Ladislaus, der künftige König von Böhmen und Ungarn, am Hofe erzogen wird, und schreibt ein Büchlein über Fürstenerziehung, das noch für Kaiser Maximilian Bedeutung behalten sollte. Noch mehr zeigt sich diese Fähigkeit Eneas, sich in einen fremden Stoff zu vertiefen, in seinen historischen Werken. Er schreibt die erste und einzige humanistische Begründung des Imperialismus[46], nicht durch den Anblick eines kaiserlich denkenden Herrschers angeregt, wie Dante, Engelbert von Admont, Marsilius von Padua, sondern aus einer Erwägung dessen, was sein könnte, wenn Papsttum und Kaisertum die Bahnen beschreiten, die ihnen die Beendigung des Konzils- und Neutralitätsstreits eröffnet. Als „Anwalt kurialer Mißbräuche“ gibt er den Deutschen ihre „Germania“, man darf dem Büchlein [28] den Titel lassen, den ihm die nächste Generation in berechtigter Vergleichung mit der Schrift des Tacitus gegeben hat. Und wenn wir in der humanistischen Geschichtschreibung Deutschlands die Verbindung historischer und geographischer Interessen inniger wie in andern Ländern finden werden, so hat auch darauf der päpstliche Kosmograph entscheidenden Einfluß gehabt, der die Geschichte seiner eigenen Zeit in eine „Europa“ verwebte.

Ich greife aus der Menge der historisch-geographischen Schriften Eneas zwei zu näherer Betrachtung heraus. Die Böhmische Geschichte, weil sie, durch Handschriften und Drucke schnell verbreitet, am frühesten, und die „Germania“, weil sie am tiefsten auf die deutsche Geschichtschreibung gewirkt hat. – Der Stoff der Böhmischen Geschichte[47] hat vielleicht länger als irgend ein anderer den Geist Eneas beschäftigt. Schon in Basel, wo die Hussitenfrage eine der wichtigsten Sorgen des Konzils bildet, erregen die Böhmen sein Interesse, vielleicht schon damals schreibt er etwas über ihre älteste Geschichte nieder, gewiß vor allem eine Diskussion der Fabeln der böhmischen Urzeit, wie er ja damals auch an der Trojanersage der Franken Interesse nimmt.[48] Dann verfolgt er die Bemühungen König Sigismunds Böhmen wiederzugewinnen. Seit 1442 in Österreich findet er in der Kanzlei böhmische Freunde, die ihm auch literarisch nahe treten und ihn in Böhmen früher als anderswo als Schriftsteller berühmt machen. Vor allem aber zieht das königliche Kind von Böhmen, Ladislaus, seine Aufmerksamkeit auf sich. Einer seiner ersten Briefe aus Graz gibt ausführliche Nachricht über den Knaben. Daß sie mit einer Schilderung der Lage von Graz eingeleitet ist und in Betrachtung über echte und erdichtete königliche Stammbäume ausläuft, zeigt, wie gut Enea die Kunst seiner Landsleute versteht, dem diplomatischen Bericht auch über ein unbedeutendes Ereignis ein historisches Relief zu geben. Dann wird aus dem Zuschauer ein Akteur. Vom Landtag zu Beneschau, wo der Bischof Enea 1451 König Friedrich III. vertritt, geht ein Bericht an Kardinal Carvajal, der auch eine Schilderung der Burg Tabor, des Taboritenstaates und seiner Sitten enthält.[49] 1455 folgt die große Denkschrift an Papst Calixtus über die Reunion der Hussiten, ebenso sehr ein historisches wie ein diplomatisches Werk.[50] Endlich schreibt der Kardinal Enea 1458, kurz vor seiner Wahl zum Papste, fern von den Geschäften in den Bädern von Viterbo als ein Parergon die Böhmische Geschichte.

Lesen wir den schmalen Band, so wird klar, daß das Werk nicht mit dem Maßstab der Quellenkritik, die für Geschichtsquellen [29] des Mittelalters üblich und möglich ist, gemessen werden darf. Auch wo Enea Vorlagen hat, wie für die ältere Geschichte Böhmens Dalimil und Pulkawa, bestimmen sie weder seine Auffassung noch seine Darstellung. Was er von den Einwanderungs- und Gründungssagen glauben soll, das richtet sich weniger nach der Vertrauenswürdigkeit der Quelle, als nach den allgemeinen historischen Vorstellungen, die er sich gebildet hat. Und da ist es wie ein Blick in eine neue Welt, wenn wir sehen, daß Enea zwar glauben will, daß Czech und seine einwandernden Genossen das Leben von Nomaden geführt und ein unbebautes Land betreten haben, nicht aber, daß sie sich von Eicheln genährt hätten, denn dieser Brauch sei schon nach der Sintflut abgekommen. Mit einem Male treten hier Zeiträume auseinander, die für alle früheren im Nebel der Sage beisammenlagen. Damit aber fallen auch die fabelhaften Herrscher- und Volksstammbäume, die bis zur Arche Noah hinaufführen; ihm genügt es, daß, wie Plato schreibt, „alle Könige von Knechten stammen, alle Knechte von Königen“. In die Přemyslidenreihe vermag er freilich ebensowenig Ordnung zu bringen, wie Johann von Marignola, aber wie ganz anders treten bei ihm Ottokar und Karl IV. aus der Schar der übrigen hervor als bei den Annalisten. Vielleicht ist es Enea gewesen, dem Kaiser Maximilian das Urteil über „Böhmens Vater und des heiligen römischen Reichs Erzstiefvater“ nachgesprochen hat, das die Nachwelt dann allzuwillig annahm, und der Ottokar, der „nach Kriegen gierig und großer Werke Vollender“ ist, dem „weder Mut zu hohen Dingen, noch staatsmännische Klugheit fehlt“, kehrt ebenso wie die herzlose Kunigunde, die ihn in den letzten Kampf stachelt, noch in Grillparzers großem Drama wieder.[51]

Nehmen wir dazu, daß die Einleitung eine Schilderung Böhmens und seiner Bewohner enthält, in der wir unter anderm den ersten Versuch einer geographischen Vorstellung von Landesgestalt und Flußsystem finden, so werden wir auch von diesem ersten Teil der Böhmischen Geschichte nicht zu gering denken. Aber für den Verfasser selbst ist er doch nur Einleitung zu der Geschichte der Hussitenzeit, die er selbst erlebt hat[52], und auch für uns ist es ungleich wichtiger zu wissen, wie ein Kardinal über die Ketzer dachte, als was ein Humanist vom böhmischen Mägdekrieg für überlieferungswürdig hielt. Daß es nicht mehr der weltliche Enea der Wiener Kanzlei ist, dem wir hier begegnen werden, läßt schon die Widmung an Alfons von Neapel erkennen, die nicht ohne Zwang das Humanistenlob der Geschichte als der Erweckerin vom Tode der Vergessenheit mit christlichen Gedanken über Lohn und Strafe im Jenseits zu vereinigen sucht.[53] Um so bedeutsamer [30] sind die Stellen des Buchs, in denen es der Geschichtschreiber dem Kirchenmanne abgewinnt. Da ist vor allem die Darstellung der Anfänge des Hussitentums, in der die Bewegung in ihre Faktoren zerlegt ist: der Wiklifismus, den Hieronymus von Prag aus England bringt, der nationale Gegensatz zwischen Deutschen und Czechen, das „Waldensertum“, endlich die Kelchfrage, dieser Punkt als der wichtigste absichtlich von den andern abgerückt. Aber dies alles genügt Enea nicht um etwas so Ungeheures zu erklären, auch auf Seite der Kirche muß gefehlt worden sein, und so gibt er dem harmlosen Prager Erzbischof Albik die Züge seines zuchtlosen Nachfolgers. Kein böhmischer Chronist hat so viel Überblick über den Zusammenhang der Ereignisse, kein auswärtiger so viel Einblick.[54]

Im weiteren Verlauf der Darstellung fällt uns Eneas Schilderung der kriegerischen Ereignisse auf. In den Einzelheiten ist vieles unrichtig, aber immer erhalten wir ein lebendiges, oft auf örtlicher Anschauung[55] beruhendes Bild. Was die hussitische Wagenburg für die Erfolge der Empörer bedeutet, wird hervorgehoben, die Absonderung der Adelspartei richtig eingereiht und besser als etwa von dem Prager Kollegiaten[56] begründet; und trotz aller Verwünschungen, mit denen Enea das Wüten Ziskas und der beiden Prokope begleitet, läßt er keinen Zweifel darüber, daß er ihre Feldherrntüchtigkeit erheblich höher anschlägt, als die des Königs Sigismund.[57]

Aber am merkwürdigsten ist es nun doch, wie vom Jahre 1436 ab die religiöse Frage in der Darstellung Eneas überhaupt zurücktritt. Kein Wort von den Bemühungen Cusas und Carvajals die Böhmen zur Kirche zurückzuführen, auch Capistran erscheint erst im Zusammenhang der Türkenkriege, ja sogar Eneas eigene Disputation mit Podiebrad und den Taboritenhäuptern im Jahre 1451 findet in der böhmischen Geschichte keine Stelle. Das Thema des Geschichtschreibers ist ein eminent politisches: der Kampf der großen Barone von Ungarn, Österreich und Böhmen um die Person des Ladislaus, die Tragödie des jungen Königs, deren Katastrophe Enea auch künstlerisch abhebt[58], und endlich das Aufsteigen der aufgerückten Könige, Matthias Huniady und Georg Podiebrad. „Welch wunderbare Veränderung der Dinge“, schließt er, „welch unerhörter Sternenlauf! Zwei mächtigste Königreiche, zu gleicher Zeit ihres Herrschers beraubt, fallen vom edelsten und höchsten Stamm an Männer niederen Standes. So war es Gottes Wille; das Altertum hätte gesagt, ein Spiel des Zufalls. Wir schreiben alles der Fürsicht Gottes zu. Es gibt Leute, die beide Königswahlen verdammen, es sei Zwang gebraucht [31] braucht worden, es dürfe nicht zu recht bestehen, was die Furcht erzwungen habe. Wir aber sind überzeugt, daß die Waffen, nicht die Gesetze Königsthrone verschaffen.“[59] Es sieht fast aus, als habe dem Schreiber schon bei dem Platosprüchlein des Anfangs dieser Schluß im Sinne gelegen.

Wie Enea nun freilich im einzelnen gearbeitet hat, wird wohl immer rätselhaft bleiben. Es ist unmöglich, daß er eine solche Fülle von Einzelheiten, zumal für die ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts, aus der Erinnerung aufzeichnete, anderseits fällt es bei den zahlreichen Unrichtigkeiten der Darstellung[60] schwer, an eine schriftliche Vorlage zu glauben, abgesehen davon, daß uns keine Quelle erhalten ist, die wir als solche ansprechen könnten. Klarer ist, wie sich der historische Stoff in Eneas Kopfe gestaltete. Wenn dem Chronisten alten Schlages das einzelne Ereignis vor allem wissens- und aufzeichnenswert erscheint, so interessieren Enea zunächst die handelnden Persönlichkeiten und bei diesen wieder treffende Worte oder Anekdoten, die ihr Wesen wie in einem Auszug erscheinen lassen.

Als König Ladislaus nach Böhmen aufbricht, hört Enea von einigen sagen, die Böhmen würden ihn nicht eher loslassen, als bis er böhmisch sprechen und Bier trinken gelernt habe. Das gefällt ihm, und er schreibt es Ende 1453 gleich zweimal nach Italien.[61] Daß Ziska sterbend bestimmt habe, man solle mit seiner Haut eine Trommel beziehen, deren Schall die Feinde schrecken werde, hält er ebenfalls wiederholter Erwähnung für wert.[62] Solche Anekdoten sind dann der Kern, um den sich andere Vorstellungen kristallisieren, ihn nicht selten bis zur Unkenntlichkeit verändernd. Wie oft können wir nicht Enea aus sich selbst widerlegen! Man mag es aus dem verschiedenen Zweck der Aufzeichnungen erklären, wenn die Charakteristik des böhmischen Volkes in dem Bericht an Papst Calixt ganz anders ausfällt, als in der Einleitung zur Böhmischen Geschichte. Aber was bewog Enea, die Ablehnung der böhmischen Krone durch Herzog Albrecht III. von Bayern als eine Tat reinen Edelmuts darzustellen, da er doch schon in seinem Buch von den berühmten Männern die sehr realen Beweggründe des Erwählten dargelegt hatte?[63] Gewiß nichts anderes als der Wunsch, hier einmal an einem Beispiel das humanistische Fürstenideal vorzuführen, von dem man besonders am Hofe von Neapel so viel sprach.

Wie Eneas historische Phantasie weiterarbeitete, das können wir besonders an seinem Charakterbild der zweiten Gemahlin König Sigismunds, Barbara von Cilli, ersehen. Sie hat ihn sehr interessiert, er [32] hat sie deshalb nicht weniger als viermal gezeichnet und jedesmal anders.[64] Sicherlich zum Teil auf Grund neuer Mitteilungen, aber wir sehen auch, wie sich die Vorstellung von dem ungewöhnlich, aber nicht makellos schönen Weibe, das seinen Reizen durch allerlei Mittel nachzuhelfen sucht, zu der einer mannstollen Intrigantin und schließlich einer heidnischen Hexe verändert. –

Was uns an der Böhmischen Geschichte und auch an andern historischen Werken Eneas das Interessanteste ist, der Subjektivismus in der Beurteilung der Menschen und Dinge, die Gelegenheitschriftstellerei in höherem Sinne, wie er sie treibt, das haben die Zeitgenossen kaum bemerkt. Für sie ist die Böhmische Geschichte die erste deutsche Landesgeschichte, die den humanistischen Stil, das „condimentum scripturarum“, zeigt. Deshalb wird sie abgeschrieben und nachgeahmt. – Viel tiefer ist die Wirkung der „Germania“. Durch sie hat Enea fast wider Willen diejenige Art des deutschen Patriotismus begründet, die den deutschen Humanismus, wenigstens in seiner ersten Periode, beherrscht.

Schon wenn er 1445 den deutschen König zur Romfahrt begeistern will und die Bedenken derer widerlegt, die Italien als das Grab deutscher Manneskraft bezeichnen, findet er Argumente, die seltsam im Munde des Italieners klingen,[65] noch mehr, wenn er auf dem Türkentag zu Frankfurt 1454, um den Deutschen die Ehre des Vorkampfes gegen die Ungläubigen schmackhaft zu machen, ihnen erzählt, daß auch Cäsar und Augustus ihre Vorfahren nicht hätten bezwingen können.[66] Aber die „Germania“, mit der er 1458 die Klagen Martin Mayrs über die Aussaugung der Deutschen durch die römische Kurie widerlegen will, hat noch eine ganz andere Bedeutung.[67]

Als in den Tagen des hohen Mittelalters deutsches Nationalgefühl durch Walter von der Vogelweide zum erstenmal zum bewußten Ausdruck kam, da richtete es sich auf ein doppeltes Deutschland: das politische, das ist das „Reich“, wie es die Staufer zusammengefügt hatten, von der Nordsee bis Sizilien und von Burgund bis zur Ostsee reichend, und das „völkische“, wenn man so sagen darf, das Land, in dem des Dichters Lied als heimisch empfunden wird, und wo er selbst deutsche Sitte findet. Walter hat auch seine Grenzen bezeichnet:

von der Elbe unz an den Rîn
und her wider unz an Ungerlant

heißt es in dem berühmten Spruche von Deutschland. – Das „Reich“ versinkt, als politische Einheit im alten Sinn auf immer, das Schicksal der Nation hängt daran, ob auch der Volkszusammenhang verloren [33] gehen wird. Da ist es nun bedeutsam, daß wenige Jahrzehnte nach Walters Tod ein Dominikanermönch im Elsaß dieses Deutschland „von Utrecht bis Freiburg im Üchtland und von Wien bis Lübeck“ als eine geographische Einheit erfaßt und darstellt.[68] Das ist also ein Deutschland im Rahmen der Sprachgrenzen, in die freilich der Schreiber in der Südwestecke des Reichs das neugewonnene ostelbische Kolonialland nur zum Teil mit einzieht.

Ausgefüllt hat er diesen Rahmen aber nicht. Was er an genauerer Beschreibung bietet, bezieht sich auf das Elsaß. Und auch so ist seine Aufzeichnung für lange eine Ausnahme. Der Trieb zum Reisen wächst, aber man beschreibt das heilige Land, die Fremde überhaupt, nicht die Heimat. Was Deutsche über Deutsche zu sagen haben, bleibt im Stile der Orts- und Stammesneckereien, höchstens daß wir einen Völker- und Sprachenspiegel, dann aber meist universeller Art, erhalten.[69] Eneas Büchlein macht hier Epoche.

Wenn der Kolmarer Mönch seine annalistischen Aufzeichnungen zu einer Beschreibung Deutschlands und des Elsasses unterbrach, so geschah das, weil er merkte, wie sehr sich die Welt im Lauf der Zeit verändert habe. Aber sein Blick reicht nicht sehr weit zurück, nur bis zum Anfang des Jahrhunderts, und wenn wir sein post hoc zu einem propter hoc machen dürfen, so kommen all die Fortschritte und Verbesserungen des Lebens, die er zu nennen weiß, doch eigentlich daher, daß die Dominikaner für alle Zweige der Wissenschaften so gar treffliche Kompendien geschrieben haben. – Von einer ähnlichen Erwägung geht Enea aus: er will gegen Martin Mayr zeigen, daß Deutschland nicht ärmer, sondern reicher geworden sei und das durch nichts andres als durch das Christentum, das ihm eben der angeklagte römische Stuhl gegeben habe. Aber wieviel höher ist nun der historische und geographische Gesichtspunkt des Humanisten! Er sieht zurück bis auf die Zeiten des Julius Cäsar, dessen Buch ihm nicht mehr das eines beliebigen Julius Celsus ist, wie so vielen mittelalterlichen Buchschreibern.[70] Hier findet er die erste beglaubigte Kunde über Deutschland. – Und neben Cäsar tauchen zwei andere ehrwürdige Namen auf, die jahrhundertelang geschlummert hatten, Strabo und Tacitus. Mag Enea auch die Kenntnis Strabos dem Biondo verdanken, dessen Versuch, im neuen Italien das alte zu finden, gewiß überhaupt für ihn vorbildlich war, mag er die Germania des Tacitus nur nach flüchtiger Lesung erwähnen[71], die Bedeutung dieser Quellen hat er erkannt. Sie trennen ihm die fabelhaften Zeiten „des Janus, Saturn und Juppiter“, ja auch noch die des „Romulus, [34] Camillus und Alexanders des Großen“, auf die so gern die Geschichtschreibung der Stammes- und Herrschergenealogen zurückging, von dem wirklichen Anfang der deutschen Geschichte. Nach diesen echten Gewährsmännern zeichnet er das „Antlitz Germaniens“ in der Urzeit. Es ist Tendenz in seinem Bilde. Die rauhen und barbarischen Eigenschaften überwiegen, mit den Augen des Tacitus hat er nicht gesehen, nur leise mischt sich ein Ovidischer Ton von der Herrlichkeit des Naturzustandes ein.

Nun aber die Gegenwart! Wie anders versteht Enea das Bild zu füllen als der Kolmarer Dominikaner, und wieviel weiter reicht sein Blick! Es war doch etwas Gutes dabei, daß der pfründenhungrige Kuriale vom Rhein und Tirol bis Ermeland nach Einkünften ausgespäht hatte. Sonst wüßte er wohl wenig von den Alpentälern oder von Danzig, Thorn und Riga. Aber er mußte Deutschland nicht bloß mit geldgierigen Blicken gemustert haben. Daß der Italiener die wasserreichen Strome und die hohen Dome Deutschlands bewunderte, erscheint uns natürlich. Aber wer außer Enea hätte damals gesehen, daß Breslau eine Stadt mit Ziegelbauten, Frankfurt eine mit Holzbauten sei, während in Köln gar viele Dächer mit Blei gedeckt waren? Wer wies ihm die große Silhouette Nürnbergs von Westen mit den Türmen von St. Lorenz und St. Sebald und der stolzen Kaiserburg darüber, die heute noch den Wanderer entzückt? Es gibt wenig Städte, bei denen er nicht den charakteristischen Punkt zu treffen wüßte. Wenn er Biondo nachgeahmt hat, so hat er ihn darin übertroffen.

Aber das ist nicht die Hauptsache. Nachdrücklich weist Enea darauf hin, daß es ein Neudeutschland gäbe, das weit über die Grenzen des Cäsarischen hinausgewachsen sei. Rhein, Elbe und Donau, die alten Grenzströme, fließen jetzt mitten durch Deutschland, von gallischem und sarmatischem Boden hat der Deutsche gleichmäßig gewonnen. Gent und Brügge sind Städte „gallischen Rechts“, aber deutscher Art, Brixen, Meran nicht minder. Böhmen hat slavische Sprache, aber deutsche Sitte, und auch die Oder mag nicht mehr unbestritten als Grenze Germaniens und Sarmatiens gelten.[72]

Auch den Grund dieser Veränderung gibt uns Enea an; es ist die Fruchtbarkeit des deutschen Stammes, die es ihm ermöglicht hat, sich soweit über seine alten Grenzen zu ergießen; deshalb will er den Namen der Germanen nicht wie Strabo daher ableiten, daß sie „Brüder“ der Gallier seien, sondern von germinare. Gegen diesen Gewinn konnte Enea die Klagen über den Verlust des staufischen Imperiums nichtsbedeutend finden. Dieses gehörte endgültig der Vergangenheit an; [35] hier war das Deutschland der Gegenwart, seine Einheit beruht auf der Gleichheit der Kultur. Und wenn die Geschichtschreibung des deutschen Humanismus dann, ganz ähnlich wie später die deutsche Romantik, Deutschland vor allem als eine solche Kultureinheit empfunden hat, so hat dies Schriftchen dazu den Anstoß gegeben. –


Wir können den Fortschritt, den die Werke Eneas in der deutschen Geschichtschreibung bezeichnen, am leichtesten durch einen Vergleich mit denen seines Zeitgenossen Thomas Ebendorfer ermessen.[73] Ein Zufall hat den italienischen Humanisten und den österreichischen Theologen ein gutes Stück ihres Lebensweges nebeneinander zurücklegen lassen: am Basler Konzil zunächst und dann in Wien. Auch persönlich sind sie sich nahegetreten, zumal bei der Gesandtschaft König Friedrichs nach Italien 1451 und bei der Kaiserkrönung von 1452. Bei dieser standen sie beide im Gefolge. Der eine dachte daran, daß durch eine besondere Gnade Gottes sein Herr als erster Habsburger die Kaiserkrone erlange, und zwar rechtmäßig, nicht durch Gewalt wie ein Tyrann oder durch Schliche, der andere besah sich kritisch die angeblichen Krönungsinsignien Karls des Großen und meinte, sie möchten eher von Karl IV. herrühren.[74] – Ein Zufall ist es auch, daß Enea und Ebendorfer fast als Rivalen auf dem Gebiet der Geschichtschreibung erscheinen. Auch von Ebendorfer haben wir eine Relation vom Basler Konzil, von beiden eine Österreichische Geschichte. Beider Werke tragen ferner in gewissem Sinne Memoirencharakter.

Aber sonst ist alles Verschiedenheit. Ebendorfer ist nur 18 Jahre älter als Enea, aber es ist, als ob Generationen zwischen ihnen lägen. Ebendorfer steht ganz in der alten Kirche und in der alten Bildung. Er ist ein direkter Geistesverwandter Martins von Troppau. Wie dieser schreibt er seine Österreichische Geschichte als bequemes Kompendium, weil er über die alten Zeiten gar verschiedenes gelesen hat. Wie dieser ist er wehrlos gegen alle Fabeln der Vergangenheit, besonders wenn sie ihm helfen, seine Papst-, Kaiser- und Herzogsreihen lückenlos zu gestalten. So kommt es, daß er gerade die Teile der österreichischen „Urgeschichte“, gegen welche Enea seine vernichtende Kritik richtet, unbesehen aufnimmt. Daß er kirchlicher ist als Enea, zeigt seine Charakteristik Sigismunds ebenso wie die des Staufers Friedrichs II. Hier hat Enea, trotzdem er aus seiner Verdammung des Kirchenräubers kein Hehl macht, in bemerkenswerter Weise den genialen Herrscher gezeichnet, bei Ebendorfer erscheint er ganz als [36] das unbegreifliche, heidnische Ungeheuer, wie ihn die Minoriten auf die Nachwelt gebracht haben.[75] Aber auch wo beide mit gleichen oder ähnlichen Gefühlen einer Herrschergestalt gegenüberstehen wie etwa König Albrecht II., so daß wir eine Charakteristik aus ihren Aufzeichnungen zusammensuchen können, gibt uns Enea, der doch nur aus flüchtiger Bekanntschaft schrieb, sowohl für das Äußere, wie das Innere des Mannes den bezeichnenden Zug.[76] Welch ein Unterschied ferner zwischen den jammernden und predigenden „Direktorien“ oder „Korrektorien“, die Ebendorfer einer jeden Kaiserbiographie anhängt, oder den „Reden des Schriftstellers“ an Kaiser und Adlige zum Jahre 1460, und Eneas kurzen Sentenzen, die da und dort den Fluß der Erzählung unterbrechen. Man hat gemeint, der Italiener habe die eigentlich treibenden Kräfte des „bellum Austriacum“ von 1452 doch nicht erkennen können[77], aber Ebendorfer fördert uns in diesem Punkt um keinen Deut mehr, und in der Würdigung der Bedeutung, die das privilegium maius für die österreichische Geschichte hat, ist Enea Ebendorfer unstreitig überlegen. – Eneas österreichische Geschichte ist ein Memoirenfragment, dem ein paar Abschnitte aus der Geschichte der früheren Zeit ohne endgültige Verbindung vorgesetzt sind, die Ebendorfers ist in den älteren Partien eine Chronik alten Stils, für die Gegenwart des Autors eine Sammlung von Notizen und Zeitungen, zwischen denen Wunderzeichen jeder Art die allerübelste Verbindung herstellen.

Es war wohl doch nicht unverdient, daß Ebendorfers Werke jahrhundertelang in der Verborgenheit schlummerten, während die von Enea ausgestreute Saat alsbald, wie von den Winden weitergetragen, weites Erdreich befruchtete und aufging.




  1. [222] 1) Nach der Übersetzung bei Körting, Petrarkas Leben und Werke (Geschichte der Literatur Italiens im Zeitalter der Renaissance I) 594. Vgl. Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen Altertums I3, 154 u. bes. P. de Nolhac, Pétrarque et l'humanisme II2, 1 ff.
  2. [222] 2) Über Ansätze dieser Gattung im Mittelalter handelt interessant F. Bezold, Über die Anfänge der Selbstbiographie und ihre Entwicklung im Mittelalter. Prorektoratsrede Erlangen 1893.
  3. [222] 3) Hierüber haben gehandelt Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit, Bachmann, Geschichte Böhmens I, 808–35, und besonders Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation, auch Wolkan, Gesch. d. dtn. Lit. in Böhmen 95 ff.
  4. [222] 4) Daß Dalimil selbst dem Ritterstande angehört habe, bezweifelt Bachmann im AÖG. XCI, 116 ff.
  5. [222] 5) Gedruckt Fontes rerum Bohemicarum III.
  6. [222] 6) Lindner, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Habsburger und Luxemburger II, 19, Friedjung 91 f.
  7. [222] 7) Ich kann hier meine Bedenken über den Textzustand des Briefes nicht unterdrücken. Auch abgesehen von offenbar notwendigen Textbesserungen (z. B. S. 492, Z. 3 maiorum statt morum) ist der Brief, wie er vorliegt, fast unverständlich und sieht sehr darnach aus, als ob eine ursprünglich ganz einfache Vorlage mit geistlicher Weisheit „floriert“ worden wäre. Schon die Stelle: ut ait Salustius et beatus Augustinus de civitate dei sic dicens: Nolite putare parentes nostros rem publicam armis tantum ex parva magnam fecisse ist durch ihr doppeltes, allerdings richtiges (Sallust, Cat. 52, 19 und Aug. De civitate dei V, 12) Zitat verdächtig. Aber die ganze Stelle Voluit enim (Sp. 1, [223] Z. 11 v. u.) bis operarius viciorum (Sp. 2, Z. 17 v. o.) ist ein Einschub geistlicher Gelehrsamkeit, der den richtigen Zusammenhang unheilbar stört. Wer den Brief so ausgeziert hat, ist fraglich. Vielleicht Johann von Neumarkt, der aber doch verständlicher schreibt, oder, was mir am wahrscheinlichsten ist, Johann von Marignola selbst, dessen Neigung zum Schwulst auch die bei Palacky, Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber (1869) 166 abgedruckte Briefstelle gut erkennen läßt. Dann ist natürlich auch fraglich, ob die Stelle interpositis quibusdam utilibus, auf die Friedjung 221 und Bachmann I, 830 Wert legen, nicht eher dem Interpolator angehört und eine gar nicht überflüssige Rechtfertigung der Einschiebsel aus seinem Reisebericht bilden soll.
  8. [223] 8) Ich lege die Ergebnisse von Loserth in AÖG. LIII, 3–38 zugrunde, nehme aber mit Löhr, Über die Selbstbiographie Kaiser Karls IV (Diss. Rostock 1886) an, daß auch Prolog und Genealogie des Anfangs ursprünglich sind, die letztere schon deshalb, weil bei Karl IV. und Philipp VI. von Frankreich Charakteristiken stehen, die nur Karl selbst gemacht haben kann.
  9. [223] 9) Siehe über sie Friedjung 201 ff. und Bachmann l. c.
  10. [223] 10) Auch Burdachs Reisebericht in den Abh. d. preuß. Akademie 1903 eröffnet hier zunächst nur unsichere Aussichten.
  11. [223] 11) Beste Würdigung bei Gaspary, Gesch. d. ital. Lit. II, 124ff. Ich benutze die Ausgabe Straßburg 1610, wo aber die Vorrede nicht steht, die ich deshalb der italienischen Übersetzung des Donato Acciauoli (Venedig 1476) entnehme. – Wann Bruni sein Werk geschrieben hat, scheint nicht genau festzustehen. Die Absicht besteht nach der Laudatio Florentinae urbis (ed. Klette, Beitrr. z. Gesch. u. Lit. d. italien. Gelehrtenrenaissance II, 34) schon 1401. Die Vorrede (Florenz mit Mailand und dem Reiche des Königs Ladislaus von Neapel der mächtigste Staat Italiens) weist auf die Zeit vor 1414, die Stelle S. 53 (Versöhnung durch den Kardinal Latino) ist 1420 geschrieben. Andere Daten führen dann bis zu Brunis Tode 1444, s. Voigt, Wiederbelebung I3, 310.
  12. [223] 12) Es kann kaum etwas anderes als 3. Catil. 6 gemeint sein, wo aber nur Fiesole als solche Kolonie erscheint. Dazu kennt Bruni die Stelle Plinius, Hist. natur. 111, 8, 3, wo man zu seiner Zeit Fluentini für Florentini las, und verwertet für die Charakteristik der Kolonisten vor allem 2. Catil. 9. Zur Tendenz Brunis auch die Kritik Vallas an der Laudatio bei Sabbadini, Cronologia . . . della Vita di Valla (Pubblicazioni del R. Istituto superiore di Firenze. Filosofia 1891. S. 75 ff.).
  13. [223] 13) Er bringt die Schilderung erst nachträglich S. 39 z. J. 1266; auch hier ist sie für ihn nur ein additamentum odii.
  14. [223] 14) Ausgabe im Auszuge bei Klette, Beitrr. II. Die Stelle S. 102. Inhaltsangabe des Stücks durch Wotke in den Wiener Studien XI, 302ff. Sehr interessant ist auch die Diskussion über diesen Punkt in dem von Klette ibid. herausgegebenen Dialog Brunis De disputationum usu. Andere Ausgabe von Wotke unter dem Titel: Dialogus de tribus vatibus Florentinis. Wien 1889, S. 24.
  15. [223] 15) Nulla alia re quam nimia ferocia culpatus. Das geht stillschweigend auf Villani VI, 65.
  16. [223] 16) Ich setze die Stelle wegen ihrer Wichtigkeit her: Domi quoque eodem anno (1289) res innovatae ac vexillifer iustitiae tunc prinum creari coeptus, qua de re altius ordientes pro cognitione rei pauca superius repetamus. Nam cum duae sint historiae partes et quasi membra, foris gesta et domi, non minoris [224] sane putandum fuerit domesticos status quam externa bella cognoscere. – Florentiae igitur admodum vetusta atque, ut ita dixerim, primaeva videtur nobilitatem inter plebemque contentio. Fuit haec eadem (credo) aliis civitatibus, sed haec nescio quomodo robustiores vigentioresque familiarium stirpes tanquam fecundissimo in agro satae altius increverunt. Et plebs animis erecta potentioribusque infensa id unum habuit concordiae vinculum, nobilitatis metum. Cum enim inferioris potentiae homines magnitudini illorum pares esse non possent ac saepe iniuriae contumeliaeque imbecillioribus inferrentur, unica prospecta est resistendi via, si populus una sentiret, neminis iniuriam pateretur, privatim inflictas contumelias publice vindicaret. Studia reipublicae capessendae hinc nimirum sun populo coorta: hinc nobilitatis depressio. Ita demum enim populus se salvum esse posse existimavit, si ipse rempublicam gubernaret, ne nobilitas supra potentiam propriam reipublicae quoque abuteretur potentia, vel ad inferendas clades vel ad inflictus, quominus ulcisceretur, prohibendum. Hoc certamen diu incerto exitu conflictavit civitatem, utque est humanarum vicissitudo rerum, hi modo, illi quandoque praevalebant. Nonnumquam etiam mixti ex nobilitate et plebe magistratus sumebantur usque ad Priores artium. Priores maxime gubernandi genus populare fuit neque tamen ab initio merum. Lex enim inertes tantum repellebat, nobilem vero non inertem esse non vetabat; una fere simul cum prioribus ad tutandum reipublicae statum artium signa conventusque sunt restituta, quo armati cives, cum opus foret, concurrerent ac praesentem civitatis statum, si res exigeret, tutarentur. Iure autem dicendo in civitate duo praeerant magistratus, alter cum potestate legitima ad causas et iudicia, alter populi defensor. Quis vero contingebat maleficia per nobilitatem committi, ad quorum punitionem magistratus accedere non audebat, quoniam stipati catervis suorum nobiles ab ipso quoque magistratu formidabantur, et vexati pulsatique apparitores frequenter redibant sicque iustitia impediebatur, ad eam rem tollendam corrigendamque vexilliferum iustitiae creare placuit. Man nehme, um den Fortschritt zu sehen, dazu, was Villani VII, 78 und VIII, 1 über diese Dinge sagt.
  17. [224] 17) Griechisch mit deutscher Übersetzung aus einer Viktoriushandschrift der Münchner Staatsbibliothek hrsg. von C. F. Neumann 1822.
  18. [224] 18) Ich weiche hier von dem Urteil von Gervinus (Histor. Schriften I, 57 ff.) und auch von dem des Altmeisters Florentinischer Geschichtschreibung Pasquale Villari ab, der in seinem Macchiavelli (deutsche Ausgabe von Heusler und Mangold) III, 180 ff. Bruni ziemlich tief stellt. Aber man wird schon aus dem im Text Angeführten ersehen, daß der Vorwurf, den Villari, Macchiavelli folgend, Bruni macht, er vernachlässige die innere Geschichte, unbegründet ist. (S. auch Gaspary l. c. II, 126.) Sodann aber scheint mir Bruni, weit mehr als Villari zugibt, Quelle oder doch Anregung für Macchiavelli zu sein, nicht nur für den Irrtum bei dem Jahre 1250 (Villari l. c. 206), sondern auch für eine Menge seiner wichtigen Betrachtungen und Auffassungen, so über die Kolonien, über Theoderich als liberator Italiae, über die Herleitung der Florentiner Parteiungen aus der Reichsgeschichte, über den Beginn der wahren Demokratie, über den Niedergang der Kommunen seit dem Ausscheiden des Adels, über den Zusammenhang zwischen Heeresverfassung und Regierungsform (dazu s. den Schluß von Brunis πολιτεια), u. v. a. Die Sache verdiente jedenfalls noch eine besondere Prüfung.
  19. [225] 19) S. W. Goetz, Mittelalter u. Renaissance (HZ. XCVIII, 30 ff.).
  20. [225] 20) S. die Erörterungen über die astrologischen Spekulationen Giovanni Villanis bei Bezold, Astrologische Geschichtskonstruktion im MA. in DZG. VIII, 45.
  21. [225] 21) Bernheim in DZG. I, 61 ff. und Lehrbuch der hist. Methode5 74 f.
  22. [225] 22) Über Ausgaben usw. s. die tüchtige Arbeit von A. Masius, Flavio Biondo, s. Leben u. s. Werke. Diss. Lpzg, 1879; dazu eine (mechanische und unzuverlässige) Quellenuntersuchung von P. Buchholz, Die Quellen der Historiarum Decades des Flavius Blondus. Diss. Leipzig 1881. Zur Würdigung Voigt II3, 85 ff.
  23. [225] 23) Masius 302 und Decades I, 1. Man bemerke den Ausdruck: Quorum (sc. der Quellen) digestio, ut unum habeant historiae corpus, maiorem est opinione omnium operam habitura.
  24. [225] 24) Chronik I cap. 61.
  25. [225] 25) Nicht Orosius, wie Buchholz 10 meint; die Benutzung Brunis durch Biondo ist durch wörtliche Übereinstimmung sichergestellt.
  26. [225] 26) Masius 19, 31.
  27. [225] 27) Nicht, wie Masius 37 meint, die Geschichte Italiens allein. Vgl. z. B. Dec. II lib. II: Consideranti mihi nunc orbis olim Romanis subiecti statum nulla videtur inclinanti pridem imperio funditus evertendo causa efficacior fuisse, quam inchoata nuper Constantinopolitani cum Romano principe dissentio. Si namque Nicephorus Graecus ita in Asiam et Africam mentem cogitationesque intendisset, sicut Carolus magnus domandis vel imperio vel fidei christianae rebellibus Europae populis incubuerat, facile potuit instaurari Romanae rei dignitas, quam uterque imperator titulo praeferebat. – Die Absicht Biondos hat schon Burckhardt, Kultur der Renaissance I9, 269 treffend mit der Gibbons verglichen. Allerdings werden Biondos Quellen für Ostrom je länger, je dürftiger, so daß er zu Beginn der dritten Dekade sagen kann: Italia mihi ex omni Romano olim imperio sola est relicta provincia.
  28. [225] 28) Alkuin ist die Bezeichnung der karolingischen Reichsannalen, s. Buchholz 64. Den Jordanes kennt auch schon Bruni, wie sein Abriß der Geschichte der Völkerwanderung in der Florentiner Geschichte zeigt. Über den sog. Ablavius s. Mommsen vor seiner Ausgabe in den M. G. Auct. antiquissimi V, 1, p. xxxvii70. Daselbst sind auch in der Handschriftenbeschreibung die beiden Laurentiani saec. XV zu beachten. Für Prokop sind Biondos eigene Äußerungen im Anfang des 4. Buchs der 1. Dekade wichtig.
  29. [225] 29) Masius 45. Um so merkwürdiger sind Biondos Bedenken zu Beginn der 3. Dekade, wie er moderne Dinge klassisch ausdrücken könne, während der elegante Valla hier viel freier denkt (s. seine Historia Ferdinandi regis Aragoniae [Paris 1521] S. 25 f.).
  30. [225] 30) S. über Filippo Villani Voigt, Wiederbelebung II3, 387 und Burckhardt II, 492.
  31. [225] 31) Masius 33.
  32. [225] 32) Historiae Florentinae I: Crescere tamen civitatis potentiam ac maiorem in modum attolli Romanae magnitudinis vicinitas prohibebat. Ut enim ingentes arbores novellis plantis iuxta surgentibus officere solent, nec ut altius crescant, permittere, sic Romanae urbis moles sua magnitudine vicinitatem premens nullam Italiae civitatem maiorem in modum crescere patiebatur. Quinimo et quae ante fuerunt magnae, ob eius urbis gravem nimium propinquitatem exhaustae [226] porro deminutaeque sunt. Quemadmodum enim tunc cresceret civitatis potentia? Neque sane fines augere bello poterat, sub imperio constituta, nec omnino bella exercere. Nec magistratus satis magnifici, quippe eorum iurisdictio intra breves limites claudebatur et haec ipsa Romanis magistratibus erat obnoxia. Mercaturae quoque, si quis forte eam partem ad incrementum civitatis attinere quicquam existimet, non alibi per id tempus quam Romae commodius exercebantur. Ibi frequentia hominum et venundandi facultas, eorum portus, eorum insulae, eorum portoria... Und dann beim Aussterben der Karolinger: Postquam igitur in Germaniam imperium abiit ac pauci ex iis in Italia statione continua, plurimi vero adventiciis, cum erat opus, exercitibus ad tempus morabantur, civitates Italiae paulatim ad libertatem respicere ac imperium verbo magis quam facto confiteri coeperunt Romamque ipsam et Romanum nomen veneratione potius antiquae potentiae quam praesenti metu recognoscere. Denique quotcunque ex variis barbarorum diluviis superfuerant urbes, per Italiam crescere atque florere et in pristinam auctoritatem sese in dies attollere. – Endlich bei der Entstehung der Parteien in Florenz: Una fautrix pontificum, imperatoribus adversa, altera imperatorio nomini omnino addicta. Sed ea, quam imperatoribus adversam supra ostendimus, ex his fere hominibus conflata erat, qui libertatem populorum magis complectebantur, Germanos autem, barbaros homines sub praetextu Romani nominis dominari Italis perindignum censebant.
  33. [226] 33) S. Dec. I lib. III Anfang, wo die erste der oben ausgehobenen Stellen z. T. wörtlich benutzt ist. In der Auffassung des Imperiums weicht Biondo naturgemäß von Bruni ab.
  34. [226] 34) S. dafür auch das merkwürdige Vorwort zur 3. Dekade des Geschichtswerks. – Über die Italia vgl. J. G. Hußlein, Flavio Biondo als Geograph des Frühhumanismus. Programm, Würzburg 1901.
  35. [226] 35) Das Beste über ihn immer noch bei Voigt I, 460 ff. Dort die ältere Literatur. Geistreich, aber überschwenglich und nicht ohne Irrtümer J. Caro i. d. Vorträgen u. Essays 48 ff. Eine gute biographische Übersicht bei W. Schwahn, Lorenzo Valla. Diss. Berlin 1896.
  36. [226] 36) Abdruck in den Opera, Basel 1540, S. 761 ff.; brauchbare Inhaltsangabe bei M. v. Wolff, Lorenzo Valla, s. Leben und s. Werke. Leipzig 1893.
  37. [226] 37) Der Streit um die Urkunde ist klar und eingehend dargestellt von Böhmer in Herzogs Realencyklopädie für prot. Theol. u. Kirche XI³, 1 ff.
  38. [226] 38) De concordantia catholica. Literatur bei Lorenz II, 379.
  39. [226] 39) Eine sachliche, aber keine formelle Übereinstimmung findet sich nur an einer Stelle (Besprechung der Sylvesterlegende im Text des Dekretum Gratiani und ihrer Empfehlung als Lektüre durch Papst Gelasius). Vermittelt kann die Kenntnis durch das Basler Konzil natürlich leicht sein. Über persönliche Beziehungen zwischen Valla und Gusa in späteren Jahren s. Sabbadini in den Pubblicazioni del R. istituto superiore in Firenze. Filosofia 1891.
  40. [226] 40) Man erkennt dies gut, wenn man neben die alte Untersuchung Vallas eine neuere, etwa die Grauerts im HJb. d. Görresgesellschaft Bd. III ff. (1882–84) legt.
  41. [226] 41) Vielleicht hat auch Cusa einen solchen Beweis führen wollen, s. De conc. cath. III, 2: Ego etiam ad longum hanc scripturam in quodam libro inveni, quae multo plus continet quam ea, quae in decreto ponitur loco praeallegato, et diligenter ea examinans repperi ex ipsamet scriptura argumenta manifesta confictionis et falsitatis, quae pronunc longum et inutile foret his inserere.
  42. [227] 42) S. Pastor, Gesch. d. Päpste I², 17, 21, 463. 43) Dafür ist charakteristisch die bei Wolff 64 erzählte Geschichte. 44) Voigts große Biographie steht noch heute nach 50 Jahren in allem Wesentlichen aufrecht (im einzelnen muß man natürlich Korrekturen, wie sie Pastor und vielfach Gaspary bieten, berücksichtigen), insbesondere hat er für die Würdigung Eneas als Geschichtschreiber bereits die Bahnen gewiesen, von denen ein Nachfolger nicht ohne Schaden abweicht. Gute Einzelbemerkungen bei Ilgen vor seiner Übersetzung der Geschichte Friedrichs III. (Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, 15. Jh., 2. Bd.) 45) Kultur der Renaissance II, 53. 46) S. Voigt, Enea I, 352 und Meusel, Enea Silvio als Publizist. Die erste, bei Meusel und Voigt nicht erwähnte Ausgabe des Traktats erschien 1535 in Mainz. Der Herausgeber ist der bekannte Friedrich Nausea. Er erzählt in der interessanten Vorrede, wie er das Buch bei einem Wiener Bürger gefunden und nach der Handschrift emendiert und mit Kapiteleinteilung herausgegeben habe. Eine weitere Ausgabe veranstaltet 1559 Johann Herold in Basel mit anderen staatsrechtlichen Schriften (Waitz in der Abh. der Göttinger Gesellschaft der Wissensch. XIV, 36). 47) Erster Druck 1475. Ich zitiere nach der Basler Ausgabe der Opera von 1551. 48) Voigt, Enea I, 243. 49) S. den Brief aus Graz in der Ed. Basilea Nr. 13, bei Voigt, Die Briefe des Aeneas Sylvius im AÖG. XVI, Nr. 45. Der ebenda Nr. 138 abgedruckte Brief von 1445 enthält eine Anekdote über Primislaus, die Hist. Bohemica cap. 6 wieder verwertet ist. Der Bericht an Carvajal Ed. Basilea Nr. 130 = Voigt Nr. 190. 50) Gedruckt bei Mansi, Pii II orationes I, 352 ff.; vgl. Voigt, Enea II, 165. 51) Cap. 32 über Karl IV.: Claras profecto imperator, nisi Bohemii regni magis quam Romani imperii quaesivisset [emolumenta]. Die cap. 27 geschilderte Szene auf der Insel Kaumberg mit der Belehnung Ottokars im Zelte, die den Höhepunkt von Grillparzers großartigem drittem Akt bildet, scheint in der Tat, wie Palacky, Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber 1869 S. 240 bemerkt, bei Enea zuerst zu stehen. Die Strafrede der Königin steht auch in der Steirischen Reimchronik, doch ist der Inhalt charakteristisch verschieden. Enea beruft sich selbst auf „steirische Tradition“, aber schwerlich schriftliche. Eine Anekdote zur Marchfeldschlacht steht auch in den Commentarii in Antonium Panormitam III, 45 (Opp. 490). 52) Hist. Bohemica, Praefatio: In qua [historia] etsi vetera digna sunt memoria, illustriora tamen nova existimo, quae cum certa, tum admirabilia sunt. – Ibid. cap. 35: Sub hoc rege [sc. Wenceslao] nostra demum memoria, . . . perfida Hussitarum insania ortum habuit, cuius et originem et progressum hoc loco persequi animus est . . . 53) Der Vergleich mit der ersten Vorrede zur Geschichte Friedrichs III. (Ilgen S. 3–5) ist lehrreich. 54) Für die Böhmen mag Laurenz von Brčezowa dienen, der (Fontes rer. Austriacarum Abt. I, Bd. II, 323) als eifriger Kalixtiner nur die Kelchbewegung nennt, für die deutschen Thomas Ebendorfer, der (Chron. Austriae bei Pez, SS. rer. Austriacarum II, 846) das nationale Element gar nicht erwähnt und seine Darstellung durch eine törichte Hereinziehung der Adamiten und Ziskas zerreißt.
  43. [227] 43) Dafür ist charakteristisch die bei Wolff 64 erzählte Geschichte.
  44. [227] 44) Voigts große Biographie steht noch heute nach 50 Jahren in allem Wesentlichen aufrecht (im einzelnen muß man natürlich Korrekturen, wie sie Pastor und vielfach Gaspary bieten, berücksichtigen), insbesondere hat er für die Würdigung Eneas als Geschichtschreiber bereits die Bahnen gewiesen, von denen ein Nachfolger nicht ohne Schaden abweicht. Gute Einzelbemerkungen bei Ilgen vor seiner Übersetzung der Geschichte Friedrichs III. (Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, 15. Jh., 2. Bd.)
  45. [227] 45) Kultur der Renaissance II, 53.
  46. [227] 46) S. Voigt, Enea I, 352 und Meusel, Enea Silvio als Publizist. Die erste, bei Meusel und Voigt nicht erwähnte Ausgabe des Traktats erschien 1535 in Mainz. Der Herausgeber ist der bekannte Friedrich Nausea. Er erzählt in der interessanten Vorrede, wie er das Buch bei einem Wiener Bürger gefunden und nach der Handschrift emendiert und mit Kapiteleinteilung herausgegeben habe. Eine weitere Ausgabe veranstaltet 1559 Johann Herold in Basel mit anderen staatsrechtlichen Schriften (Waitz in der Abh. der Göttinger Gesellschaft der Wissensch. XIV, 36).
  47. [227] 47) Erster Druck 1475. Ich zitiere nach der Basler Ausgabe der Opera von 1551.
  48. [227] 48) Voigt, Enea I, 243.
  49. [227] 49) S. den Brief aus Graz in der Ed. Basilea Nr. 13, bei Voigt, Die Briefe des Aeneas Sylvius im AÖG. XVI, Nr. 45. Der ebenda Nr. 138 abgedruckte Brief von 1445 enthält eine Anekdote über Primislaus, die Hist. Bohemica cap. 6 wieder verwertet ist. Der Bericht an Carvajal Ed. Basilea Nr. 130 = Voigt Nr. 190.
  50. [227] 50) Gedruckt bei Mansi, Pii II orationes I, 352 ff.; vgl. Voigt, Enea II, 165.
  51. [227] 51) Cap. 32 über Karl IV.: Claras profecto imperator, nisi Bohemii regni magis quam Romani imperii quaesivisset [emolumenta]. Die cap. 27 geschilderte Szene auf der Insel Kaumberg mit der Belehnung Ottokars im Zelte, die den Höhepunkt von Grillparzers großartigem drittem Akt bildet, scheint in der Tat, wie Palacky, Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber 1869 S. 240 bemerkt, bei Enea zuerst zu stehen. Die Strafrede der Königin steht auch in der Steirischen Reimchronik, doch ist der Inhalt charakteristisch verschieden. Enea beruft sich selbst auf „steirische Tradition“, aber schwerlich schriftliche. Eine Anekdote zur Marchfeldschlacht steht auch in den Commentarii in Antonium Panormitam III, 45 (Opp. 490).
  52. [227] 52) Hist. Bohemica, Praefatio: In qua [historia] etsi vetera digna sunt memoria, illustriora tamen nova existimo, quae cum certa, tum admirabilia sunt. – Ibid. cap. 35: Sub hoc rege [sc. Wenceslao] nostra demum memoria, . . . perfida Hussitarum insania ortum habuit, cuius et originem et progressum hoc loco persequi animus est . . .
  53. [227] 53) Der Vergleich mit der ersten Vorrede zur Geschichte Friedrichs III. (Ilgen S. 3–5) ist lehrreich.
  54. [227] 54) Für die Böhmen mag Laurenz von Brčezowa dienen, der (Fontes rer. Austriacarum Abt. I, Bd. II, 323) als eifriger Kalixtiner nur die Kelchbewegung nennt, für die deutschen Thomas Ebendorfer, der (Chron. Austriae bei Pez, SS. rer. Austriacarum II, 846) das nationale Element gar nicht erwähnt und seine Darstellung durch eine törichte Hereinziehung der Adamiten und Ziskas zerreißt. [228] Wenn Enea selbst die Kelchfrage in ähnlicher Weise zeitlich vorschiebt, so entspricht das nur der allgemeinen Auffassung.
  55. [228] 55) S. z. B. die Schilderung Tabors im Briefe an Carvajal, die Hist. Bohem. cap. 40 wieder verwertet ist.
  56. [228] 56) Gedruckt in SS. rer. Hussitarum I, 81.
  57. [228] 57) Hist. Bohemica cap. 39 ff.
  58. [228] 58) Hist Bohemica cap. 69 Schluß. Eine Totenklage auf Ladislaus auch in der Germania.
  59. [228] 59) Über den gleichlautenden Abschluß der Geschichte Friedrichs III. s, Ilgen LXIX.
  60. [228] 60) Verzeichnet bei Palacky, Würdigung 239 ff. und in seiner Geschichte von Böhmen. Für einzelne Punkte dürfte sich das Ergebnis bei einer Nachprüfung günstiger stellen, s. z. B. Bachmann, Böhmen II, 363², 380² und meine Bemerkungen im Gregor Heimburg 855, 1351 über andere Berichte Eneas.
  61. [228] 61) S. die Briefe bei A. Weiß, Aeneas Sylvius Piccolomini 217 u. 229.
  62. [228] 62) Hist. Bohemica cap. 60 und Commentarii in Antonium Panormitam III, 23 (Opp. 487).
  63. [228] 63) Hist. Bohemica cap. 57 und De viris illustribus (BLV Stuttgart I, 55): Si regnum more prisco dives fuisset, forsitan aliter respondisset.
  64. [228] 64) Die Stellen aufgezählt bei Ilgen, Gesch. Friedr. III., S. ix.
  65. [228] 65) Pentalogus bei Pez, Thesaurus anecdotorum IV, 3 S. 714.
  66. [228] 66) Ep. 131 der Ed. Basilea. Hier auch schon der in der Germania wiederkehrende Gedanke von der Ausbreitung des Deutschtums seit den Römerzeiten.
  67. [228] 67) Über die Ausgaben Voigt im AÖG. XVI, 420 Nr. 555. Daselbst das Datum: Rom 1. Febr. 1458. Der Brief an Mayr vom 8. Aug. 1467 (ibid. Nr. 478-Ed. Basilea 369) bietet bereits die Disposition des ganzen Traktats. Eine vervollständigte Ausgabe nach der Originalhandschrift stellt Wolkan in Aussicht (AÖG. XCIII, 2, 391 ff.).
  68. [228] 68) M. G. SS. XVII, 237 ff. ed. Jaffé. Lorenz, Deutsche Geschichte II, 319 ff. hat die Bedeutung dieses Stückes zuerst erkannt. Daß der Mönch aber seine Beschreibung zu den alten Grenzen auf der von ihm gezeichneten Karte in Gegensatz bringe, kann ich nicht finden.
  69. [228] 69) Ein solcher z. B. bei Jansen Enikel (M. G. Dte. Chr. III, 533), wo Strauch auch weitere Literatur gibt.
  70. [228] 70) Teuffel, Gesch. d. röm. Lit. § 196, 2.
  71. [228] 71) Über die Auffindung der Germania durch Enoche von Ascoli s. jetzt Lehnerdt im Hermes XXXIII, 499 ff. (Für Enoche auch meinen Meisterlin 33 f.) Danach ist kein Zweifel, daß Enea einer der ersten war, welche die Hs. der Germania kennen lernten. Benutzt aber kann sie nur in folgender Stelle sein: Parum quidem ea tempestate a feritate brutorum maiorum tuorum vita distabat. Erant enim plerique pastores, silvarum incolae ac nemorum. Cuiusmodi vitam inertem ac pigerrimam esse Aristoteles auctor est. Nec munitae his urbes erant neque oppida muro cincta, non arces altis innixae montibus, non templa sectis structa lapidibus visebantur. Aberant hortorum ac villarum deliciae, nulla viridaria, nullae consitiones, nulla tempe, nulla vineta colebantur. Praebebant largos flumina potus, lacus et stagna inserviebant lavacris, et si quas natura calentes produxerat aquae. Parum apud eos argentum, rarius aurum, margaritarum incognitus usus. Nulla gemmarum pompa, nulla ex ostro vel [229] serico vestimenta. Nondum metallorum investigatae minerae. Nondum miseros in viscera terrae mortales truserat auri sitis. Laudanda haec et nostris anteferenda moribus. At in hoc vivendi ritu nulla fuit litterarum cognitio, nulla legum disciplina, nulla bonarum artium studia. Ipsa quoque religio barbara, inepta et, ut propriis utamur vocabulis, ferina ac brutalis. – Das könnte schließlich wohl auch nach irgendeiner Schilderung des goldenen Zeitalters gemacht sein. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß Enea auch in der Europa (cap. 35) aus Tacitus nur die bekannte Anekdote von den Germanen im Theater des Nero erzählt, die in dem schon viel länger bekannten 2. Teil der Annalen steht. Er verwertet sie auch in der Germania.
  72. [229] 72) Vgl. Europa, cap. 24.
  73. [229] 73) Auch diesen Vergleich hat bereits Voigt, Enea II, 346 mit aller Umsicht, allerdings in anderer Absicht und mit anderem Ergebnis wie ich, gezogen, obgleich er die Hauptwerke Ebendorfers noch in der Handschrift benutzen mußte. Jetzt hat Pribram in MIÖG. Ergänzungsband III, 38–222 die Kaiserchronik gewürdigt und teilweise ediert; eine Quellenuntersuchung der Papstchronik (mit den gleichen Ergebnissen) gibt Levinson in MIÖG. XX, 69–99. Zur Biographie Lorenz, G. Qn. I, 272 ff. und ADB. V, 526 ff.
  74. [229] 74) Pribram l. c. 154 ff. und Ilgen II, 81 ff.
  75. [229] 75) Ilgen II, 118 und Pez, SS. rer. Austriac. II, 725.
  76. [229] 76) Europa, cap. 1: Statura procera fuit superius labium intensum. – De viria illustr. 68: Facere quam dicere malebat; non ipse per se cernens, sed acquiescens consiliis eorum, quos bonos existimavit.
  77. [229] 77) Ilgen LV.