Gerard Dow (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Gerard Dow
Untertitel: Von ihm selbst. Das Menuet
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Gerhard Dow.

[16]
Gerard Dow.
Von ihm selbst.

Das Menuet.

Wir treten in das Atelier des Meisters Gerard Dow zu Leyden. Dasselbe bietet einen bewunderungswürdigen Anblick dar. Im Gegensatze zu den Werkstätten eines Rembrandt und Teniers, wo die verschiedenen Gegenstände und Geräthschaften in großer, fast zu genialer Unordnung umher lagen und standen, herrschte hier eine Ordnung und eine Sauberkeit, die sich vom Großen bis auf das Geringste herab erstreckte. Die Meubles, die Staffeleien waren malerisch gruppirt; mit ausgezeichnetster Sorgfalt war jedem Geräthe der entsprechendste Platz angewiesen. Die sinnreichsten Vorkehrungen waren getroffen, um von den kleinen, auf den Staffeleien befindlichen Gemälden, diesen fast immer vollendet reinen Perlen, den Staub abzuhalten, welcher die zierlichsten Arbeiten vor allen andern Feinden leicht hätte verderben können. Höchst symmetrisch und ihren Lichteffecten durchaus angemessen waren die Gemälde an den tapetenbekleideten [17] Mauern angebracht. Den Faltenwurf der künstlich gewirkten Fenstervorhänge hatte eine höchst kundige Hand so vorzüglich geordnet, daß an denselben Studien über den Fall der Gewänder hätten angestellt werden können.

Der Meister selbst war nicht anwesend. Seine Staffelei von Mahagoniholz, mit Elfenbein reich verziert, war mit einem Teppich zur Hälfte verhangen. An der Wand aber hing sein prächtiger Sammethut, sein Staatsdegen mit einer in Gold und Silber gestickten Kuppel, und neben diesem eine Geige mit dem Bogen, die sich durch ihre höchst gefällige Form, durch den goldartigen Glanz, durch die eigenthümlich geschnittenen Eff-Löcher als eines jener berühmten Instrumente auswies, die aus der Werkstatt der Italiener Amati zu Cremona hervorgegangen waren. Gerard Dow, einer der vorzüglichsten Maler, war nämlich ein Meister in der Kunst, Geige zu spielen, welches Instrument, seiner schwierigen Behandlung wegen, damals die Viola di Gamba und das ernste Theorbium noch nicht völlig durch seine himmlischen Töne hatte verdrängen können.

Außer der Staffelei des Meisters befanden sich noch zwei andere in dem Atelier. Vor jeder derselben saß ein junger Mann und malte. Diese beiden Jünglinge waren die talentreichen Schüler Dows: Franz van Mieris und Gabriel Metzu.

Gabriel Metzu war eine zierliche, schöne Gestalt mit einem ziemlich langen, äußerst gemüthlichen Antlitze, das von prächtigen langen Locken umgeben war. Er hatte seine gespannteste Aufmerksamkeit der Arbeit zugewandt und schien die Absicht zu haben, sein fast fertiges Gemälde vor dem herannahenden Einbruche der Abenddämmerung zu vollenden. Metzu war sehr sauber gekleidet; er hatte auf seine Toilette dieselbe Aufmerksamkeit verwandt, welche er, nach dem Beispiele des Meisters, seinen Gemälden widmete.

Franz van Mieris dagegen sah ziemlich unordentlich aus. Von der gehaltenen Ruhe in Gabriel Metzu’s Zügen war bei ihm keine Spur zu finden. Sein schönes Auge blickte unstät und leidenschaftlich; er wühlte, gleich als quäle ihn im Innern Etwas, in seinem buschigten Haar; er malte nur einige Minuten, dann brach er ab, lehnte sich unthätig zurück und seufzte und murmelte unverständliche Worte zwischen den Zähnen. Endlich sprang er auf, warf Pinsel und Palette zur Seite und durchmaß das Atelier mit großen Schritten.

– Aber was hast du denn nur eigentlich? fragte Metzu, sich umwendend. Kannst Du keinen Augenblick ruhig sein? Ist’s nicht, als ob Dich ein böser Zauber bei der Arbeit quäle und Dich nach den Schenken triebe, wo Deine andern, leichtsinnigen Freunde Dich erwarten?

– Gabriel; erwiderte Mieris, welcher schon damals sein ungeregeltes, ausschweifendes Leben zu führen begonnen hatte, wodurch er sich frühzeitig den Tod gab; Gabriel, ja mich quält’s im Herzen; aber Du irrst Dich sehr, wenn Du meinst, daß ich mich nach Karten und gefüllten Weingläsern sehne. O, wäre es nur das! Aber ich sage Dir, mein Leiden wird mich noch tödten, wie es mich fast meines Verstandes beraubt.

Bei diesen Worten richtete er einen unbeschreiblichen Blick auf ein an der Wand hängendes Gemälde. Dasselbe stellte ein von Dows Meisterhand gemaltes Frauenbild in allem Reize der Jugend dar, eine blondlockige, rosenwangige Niederländerin . . . es war Brigitta, die jugendliche Gattin des Malers, welche an Schönheit mit der aufblühenden Tochter desselben aus seiner ersten Ehe wetteiferte. Mieris schien sein Auge von diesem Bilde nicht wieder abwenden zu [18] können. Metzu folgte der Richtung seines Blickes mit den Augen; er zuckte, traurig werdend, die Achseln und versank in Nachdenken.

Da ließ sich draußen eine frisch klingende Frauenstimme hören. Mieris fuhr auf, griff eiligst nach seinem Hute, nahm seinen Mantel und eilte hinaus auf den halbdunklen Corridor. Die Frau seines Lehrers stand vor ihm.

Erschrocken wollte Brigitta vor dem Jünglinge zurücktreten; er aber ergriff kühn ihre Hand und zog sie an sein Herz. Brigitta, eine schlanke und dennoch üppige Gestalt, schöner noch als ihr Bildniß es hatte ahnen lassen, wehrte ihn zuerst ab, indeß ihre Züge ängstlich wurden; dann aber lächelte sie auf unbeschreiblich reizende, aber traurige Weise.

– Geht, van Mieris; flüsterte sie. Nur heute bleibt mir fern. Ich fühle heute mehr als je, was ich meinem Herrn, dem Meister Gerard, schuldig, und wie sehr ich strafbar bin, daß ich meine Blicke von ihm abwenden und nur eine Minute lang an Euch denken konnte. Heute ist der Jahrestag meiner Vermählung; um diese Stunde begaben wir, der Meister und ich, uns zur Kirche, um uns auf ewig verbinden zu lassen . . . Fort von mir, Mieris! Ich liebe Euch, ich gestehe es frei; aber noch ist meine innige Zuneigung zu meinem Gemahle nicht erloschen; sie ist lebendiger geworden, als je. Von heute an verfolgt mich nicht mehr mit Euren Blicken und meidet mich. Holland hat der Frauen und Mädchen genug, um Euch eine Liebe zu geben, die Ihr von mir nicht zu erwarten habt.

Van Mieris fiel vor der Schönen nieder.

– O, belügt und täuscht Euch doch nicht selbst! flüsterte er höchst aufgeregt. Macht Euch und mich nicht elend. Heute, ja heute oder nie ist der Tag, an welchem sich unser Geschick entscheidet. Heute ist das Band geknüpft, welches Euch von mir trennt, heute auch muß es aufgelöst werden, oder ich werde mir zu Euren Füßen den Tod geben!

– Was wollt Ihr sagen, Franz? fragte Frau Brigitta stammelnd und an allen Gliedern zitternd.

– Ich will sagen, daß Du meine Hand ergreifst und mit mir diesem Hause, dieser Stadt, diesem Lande entfliehst, um unter Italiens lachendem Himmel die Meinige zu werden! erwiderte Mieris, von seiner Verblendung völlig hingerissen. Nach zwei Stunden scheide ich, dann ist Alles zur Flucht bereit; dann werde ich erscheinen, um Dir ewig anzugehören, um Dein Loos, o Geliebte, auf immer an das meinige zu fesseln . . .

Während Frau Brigitta erstarrt kein Wort finden konnte, öffnete sich fern die Thür des Hauses. Brigitta entfloh und Mieris sprang empor.

Gabriel Metzu aber schloß leise die Thür des Ateliers und flüsterte, als er Gerard Dow selbst ins Haus hatte kommen gesehen:

– Armer, sanftmüthiger, liebevoller Meister! Wie kann ich Dein Verderben abwenden? Ich werde Dir entdecken, was man an Dir zu verschulden beabsichtigt . . .

Da trat Dow in das Atelier. Er war ein Fünfziger, mit einem heitern, von kurzem Barte gezierten Künstlergesichte. Nur leicht hatten die Jahre das Braun seiner langen Locken gebleicht. Dow, mit der zwanglosesten, edelsten Haltung von der Welt, war noch immer ein schöner Mann; sein Gesicht namentlich hatte einen unbeschreiblich fesselnden Ausdruck. Dow [19] besichtigte mit Zufriedenheit die Arbeiten seiner beiden Schüler, dann erhob er sich und klopfte Metzu freundlich auf die Schulter.

Gabriel suchte eben nach einem Eingange, um die inhaltsschwere Kunde dem Meister anzubringen; da trat Mieris wieder ins Gemach, und schnitt durch sein Erscheinen jede Erklärung ab.

– Geht, Kinder, sagte Dow sanft lächelnd, und nehmt diese fünf Goldstücke, um Euch im Kreise Eurer jungen Freunde einen fröhlichen Abend zu machen. Heute Abend will ich mit meiner Hausfrau allein sein, um mich an die vergangene Zeit zu erinnern. Ihr aber trinkt auf unsere Gesundheit, laßt die Kunst hoch leben; aber Du, Franz, sorge, daß Du nicht, wie gewöhnlich, des Guten zu viel thust!

Mieris blickte fast finster vor sich bin. Metzu aber schien etwas erleichtert. Frau Brigitta ward von ihrem Gatten heute Abend bewacht und er gab sich das Versprechen, Franz van Mieris auf keine Secunde zu verlassen und seine ganze Beredtsamkeit aufzuwenden, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen und ihm andere Gedanken einzuflößen.

Die Schüler schüttelten Dows Hand, verschlangen ihre Arme und gingen aus dem Atelier und zum Hause hinaus auf die Straße. Als sie draußen waren, blickte Mieris zum ersten Stockwerk hinauf. Brigittens schöner Kopf ward sichtbar. Mieris legte mit einem sprechenden Blicke die Hand aufs Herz und dann an seinen Degen und flüsterte:

– Dieses Schwert findet den Weg durch meine Brust, wenn Du grausam gegen mich sein wirst!

Brigitta schien die Bewegung vollkommen verstanden zu haben; denn sie erhob beide Hände und eilte vom Fenster fort.

Jetzt nahm sich Metzu ein Herz und begann dem Freunde Vorstellungen zu machen. Aber Mieris, im ersten Augenblicke sehr betroffen, war viel zu gewandt, als daß er den grundehrlichen, gutmüthigen Gabriel nicht überlistet hätte.

– Du hast gelauscht; sagte er, mit seinem gewöhnlichen leichtsinnigen, fast leichtfertigen Tone. Was willst Du? Bist Du einfältig, Gabriel? Kennst Du Franz van Mieris nicht, der mit dem Teufel Komödie spielen würde, wenn er Langeweile empfindet? Ich versichere Dich, diese Komödie mit Frau Brigitta ist eine kostbare Erfindung von mir; ich wäre sonst in dem Kloster des Meister Dow, in diesen geleckten, geschniegelten Räumen schon lange vor Ueberdruß gestorben . . .

– Du fühltest also nicht, wie Du sprachest? fragte Metzu, der nicht zu wissen schien, was er denken sollte.

– Gott behüte mich! Außerdem weißt Du ja, Gabriel, habe ich bereits in der schwarzäugigen Barbara eine Geliebte, die mein ganzes Herz erfüllt.

– Aber Frau Brigitta? Franz, es ist sehr unverantwortlich, die Ruhe dieser edlen Dame zu stören.

Mieris lachte hell auf.

– Ei, sie meint’s so wenig ernstlich, als ich! rief er. Aber auch sie, die, während wir Beiden und der Meister pinseln, mutterseelenallein in ihrem Stübchen sitzen und mit ihrem Papagei spielen muß, bedarf irgend einer Zerstreuung. Du wirst gestehen, heute Abend wäre unsre Unterhaltung fast pikant geworden.

[20] Metzu zuckte die Achseln. Er war richtig irre geworden.

– Du denkst also nicht daran, mit Frau Brigitta nach Italien zu entfliehen? fragte er, um sich vollständig zu überzeugen.

– Warum nicht gar! antwortete Mieris. Wir werden heute Abend zechen, spielen und singen. Gottlob, daß wir den Hafen unseres Gasthauses „zur bunten Palette“ erreicht haben. Jetzt fühle ich mich wieder in meinem Elemente.

Wirklich machte Mieris keine Anstalt, sich aus dem Kreise der lebenslustigen Freunde, welcher die beiden Maler aufnahm, zu entfernen. Metzu ward sicher, die Becher kreiseten und bald hatte Freund Gabriel, vom Weine befangen, Alles außer der Lust des Augenblickes vergessen. Er bemerkte es kaum, das Mieris schon seit einiger Zeit verschwunden war.

Franz eilte geradeswegs nach Dows Wohnung. Er näherte sich dem parkähnlichen Garten, an welchen sich das Haus anschloß, und schlich durch die dunkeln Gebüsche unter das hell erleuchtete Fenster in Brigittens Wohnung. Hier klatschte er zweimal heftig in die Hände.

Das Fenster oben öffnete sich und Dow sah spähend in die Nacht hinaus, zog aber, da er Niemand bemerkte, das Fenster ruhig wieder zu und nahm an Brigittens Seite Platz.

Die schöne Frau aber, bleich, fassungslos, schien im Herzen bittere Qualen zu empfinden. Sie liebte den jungen Maler. Düstre Bilder, die ihr den Jüngling blutend zeigten, sterbend, stiegen vor ihr auf . . . Sie hörte das Klatschen und war fest überzeugt, daß dasselbe von van Mieris ausging, welcher ihrer harrte. Sie bezwang ihre Angst nur mit Mühe. Sie kämpfte einige Minuten mit sich; dann aber wars entschieden: sie mußte ihn beruhigen, ihn beschwören, seine finstern Vorsätze aufzugeben; sie mußte sich versichern, daß er, von seiner Leidenschaft hingerissen, nicht eine That beging, die er in seinem heftigen Temperamente nur zu leicht beschließen und ausführen konnte.

Brigitta nahm einen Vorwand und verließ den arglosen Meister, um mit der Schnelligkeit des gejagten Rehes hinunter in den Garten zu eilen.

Franz van Mieris empfing die Geängstigte und schloß sie, alle Schüchternheit bei Seite setzend, inbrünstig in seine Arme, von denen sich Brigitta vergebens loszumachen strebte. Mieris bat, er flehte, er beschwor sie so hinreißend, daß Brigitta, statt ihm ernst entgegen zu treten und ihn mit Würde zu ermahnen, seinen Bitten nur Thränen entgegen stellen konnte. Eine Frau aber, die weint, ist im Begriff, allen Widerstand aufzugeben. So war’s auch hier.

Brigitta’s Besonnenheit umnebelte sich. Sie schauderte schon nicht mehr zurück, als sie an der benachbarten Straßenecke das Stampfen der Rosse vor der Kutsche hörte, welche bestimmt war, sie sammt dem Jünglinge von dannen zu führen. Sie erlag den verführerischen, berauschenden Liebkosungen des Ungestümen und – jetzt machte sie, zwar bebend wie eine Espe im Abendwinde, aber dennoch entschlossen, an der Hand von Franz van Mieris die ersten Schritte, um sich aus dem Garten zu entfernen . . . Die Flucht des verrätherischen Paares hatte begonnen.

An der Gartenpforte blieb Brigitta nur mit Mühe athmend, stehen und warf einen verlornen Blick auf das Haus ihres Gatten . . . Plötzlich zuckte sie, wie tief im Herzen von einer gewaltigen Macht berührt, zusammen.

Der glückliche Gerard Dow hatte seine getreue Amati-Geige geholt, hatte das Fenster [21] geöffnet, um die laue, köstliche Nachtluft ins Zimmer strömen zu lassen; er trat jetzt an die Oeffnung und legte mit zierlicher Hand zart den Bogen auf die Saiten. Ein melancholisches Präludium von Palestrina ertönte; immer inniger, poetischer zitterten die silberklaren Töne durch die Luft; die Cremoneser-Geige fing, wie eine herrliche Frauenstimme, wie die Stimme der Liebe, an zu singen; sie zwitscherte, sie seufzte und klagte in ihren Trillern, in ihren langgehaltenen, sonoren Klängen, indeß der Meister, in Begeisterung lächelnd, das strahlende Auge in die Nacht hinaus richtete.

Brigitta war fast leblos. Sie hörte die Stimme des Jünglings nicht mehr; ihre ganze Seele lauschte diesen Tönen, die sie mit Zaubermacht faßten. Sie riß sich von Mieris’ Armen los, der, selbst gerührt, unschlüssig dastand . . .

Jetzt machte der Künstler einen melodiereichen Uebergang, und einfach und groß, und dennoch die heitere, gemessene Freude auf liebliche Art ausdrückend, erklang einer der Tänze des Niederländers Roland Lasso, eines würdigen Nebenbuhlers der italienischen Tonkünstler Nanini und Zarlino, eine jener reinen Melodien, welche damals alle Welt bezauberten.

Es war ein Menuet . . . es war dasselbe, welches Dow mit Brigitta am Tage seiner Vermählung getanzt hatte . . .

Brigitta war gerettet . . . Ihr Traum verschwand vor dieser ebenso zauberischen als heiligen Erinnerung. Sie dachte nicht mehr an Franz van Mieris . . . Die Treue und nicht die strafbare Leidenschaft feierte einen ihrer schönsten Triumphe. Brigitta deutete, unfähig, sich zusammenhängend auszudrücken, nach dem Fenster, wo Dow sich zeigte, und stammelte:

– Mein Hochzeits-Menuet . . .

Dann eilte sie mit aller Geschwindigkeit, deren sie fähig war, dem Hause zu, lief in ihr Zimmer und schloß, erschüttert wie nie, den geliebten Meister in ihre Arme.

Franz van Mieris stand da wie eine Bildsäule und erwachte erst dann aus seiner Betäubung, als Gabriel Metzu heran kam und ihn umarmte.

– Es ist Alles verloren! murmelte Mieris düster, indeß er jetzt offen dem Freunde beichtete.

– Nein, Alles gewonnen! jubelte Gabriel, den Freund liebkosend. Einen glücklicheren Tag als den heutigen sah ich noch nie. Brigitta ist ihrem Herrn, unserm braven Meister erhalten, und Du, ein braver Junge ungeachtet Deines Leichtsinns, wirst Deine Empfindungen zu besiegen wissen; gieb mir die Hand darauf, Freund!

– Hier! sagte Mieris, indeß er sich wieder ermannte. Und zum Zeichen, daß auch ich über mein Herz, das unbändige Ding, Herr bin, wenn ich es sein will, komm; wir wollen unserm Meister diese Nacht verherrlichen . . .

Beide gingen zur „bunten Palette“, holten die Freunde, beriefen ein Dutzend Musiker und zogen vereint mit diesen, große Fackeln und Laternen in den Händen, in Gerard Dows Garten.

Und nun begann ein Musiciren, ein Jubeln unter den Fenstern des gerührten Malers, daß die ganze Nachbarschaft lebendig wurde, auf die Straßen kam und in die allgemeine Freude einstimmte.

Brigitta aber beichtete getreulich ihrem Gatten. Seit dieser Zeit gewann die bisher [22] schon so theure Amati-Geige in seinen Augen einen unschätzbaren Werth und nur mit Rührung ergriff er sie, um ihr die süßen Töne zu entlocken, welche sie in sich verbarg, und als er bald darauf sein eignes Bildniß malte, stellte er sich mit seiner geliebten Geige in dem Augenblicke dar, in welchem er durch ihre Macht seinen höchsten Schatz wieder eroberte.