Geräucherte Frauen
[516] Geräucherte Frauen. Unsere Frauen parfümiren sich – man braucht noch lange kein „Seelenriecher“ zu sein, um all die Düfte herauszuerkennen, die in der Garderobe vor einem Ballsaale schweben: Mille fleurs, Eßbouquet oder gar „Nationalparfüm“ und Patschuli! Aber alle Parfümeriekünste
der modernen civilisirten Salondamen sind gar nichts im Vergleich mit den Wohlgerüchen der Frauen in dem so viel umstrittenen und so viel besprochenen ägyptischen Sudan. Die dortigen Frauen räuchern sich ein, und gemäß ihren kräftigen Nerven und gesunden Sinnen wählen sie hierzu so ausgiebige Mittel, daß die Anwesenheit einer Gruppe frisch geölter, gesalbter und geräucherter Weiber auf hundert Schritt sich unserm Geruchssinn verräth. Das Räuchern ist Gegenstand besonderer Sorgfalt. Die Frauen im nubischen Nilthale, berichtet Dr. W. Junker, im östlichen und westlichen Sudan, die Bewohnerinnen der Halbinsel Sennar sowohl als diejenigen von Kordofan, wie auch die Koldadji-Schönen in Dar-For, widmen allwöchentlich mindestens einige Stunden dem Räuchern. In dem Hofe jeder Hütte, unter beinahe jedem Zelte kann man im Boden eine kleine Grube finden, 1 Fuß tief, ¾ Fuß im Durchmesser haltend, die entweder mit hartem Thon sorgfältig ausgefüttert oder in die ein Topf eingesetzt ist. Darin wird ein langsam brennendes Holzkohlenfeuer unterhalten und mit Spezereien, wie Nelken, Ingwer, Zimmet, Weihrauch, Sandelholz, Myrthe, wozu Späne der Talha-Akazie hinzugefügt werden,
bestreut. Ueber dieses Feuer setzt sich die möglichst leicht bekleidete Frau und bedeckt sich mit dem mantelartig ausgebreiteten Tôb (Hemdentuch) so sorgfältig, daß nichts von dem kostbaren Rauch unbenützt in die Luft entweicht. Sie geräth allmählich in ausgiebigen Schweiß und nimmt ein förmliches Dampfbad. Am Ende der Sitzung, nach 15 bis 20 Minuten, ist die Frau derart eingeräuchert, daß, wie schon gesagt, der Geruch allein sie auf weite Strecken verräth. *