Gelübde (Louise Otto)
Allein, allein in mitternächt’ger Stunde,
Und mitternächtig finster ist mein Leben,
Am Horizonte will kein Strahl mir Kunde
Von einem lichten Morgenrote geben.
Sie ist mit mir, sie ist mir treu geblieben,
Ein flehend Kind, das sich hervorgedrängt
Und das man nur aus Mitleid nicht vertrieben.
Allein, allein – die Liebe ist begraben,
In deren Zweige sich verwandelt haben
Mein Liebesjubel, meine Liebesfreude;
Und was mich sonst an andre Herzen band,
Mich ließ als Epheu manchen Stamm umranken,
Der Epheu muß allein im Freien schwanken.
Allein, allein! doch Du bist mir geblieben,
Die mit dem Kind zu Spiel und Fest gegangen,
Die für der Jungfrau frühlingselig Lieben
Die Nacht zu hellen, wo sie mich umdunkelt,
Du bist mir treu, bist mein, o Poesie,
Sei auch der Stern, der diese Nacht mir funkelt.
Sei Du mir selbst ein treuer Hesperus.
Doch in des Lebens, in der Zeit Gewimmel
Strahl andern als des Morgensternes Gruß,
Ob abendlich mir Aug in Thränen taut,
Die Welt, für die ein neuer Morgen graut,
Der sie aus Traum und Schlummer aufgerissen.
Und diesem Morgen jauchz’ auch ich entgegen,
Wo wir der Freiheit Sonnenaufgang feiern,
Von langer Saat wir sammeln in die Scheuern.
Das Los, das einer jungen Blüte fiel,
Wer wird nach dem bei solcher Ernte fragen?
Ob sie verwelkt, geknickt an ihrem Stiel –
Nein, nicht allein! – will mich auch niemand lieben –
Will niemand meines Herzens Qual verstehen –
Muß jedes Band zerreißen und[1] zerstieben
Weithin zerflatternd in die Lüfte wehen:
Und leg es meinem Vaterland zu Füßen–
Das sich um eines Menschen Schicksal grämte –
Dies Herz soll nur dem Ganzen sich erschließen.
Und an die Armen sei’s dahin gegeben,
Und hungerbleich die leere Hand erheben,
Auf die verächtlich stolz die Reichen sehen.
Die kleine Münze, die ich Euch kann weihen,
Ihr Armen lindert wenig Euren Schmerz
So fleh ich Euch: „nehmt Ihr, nehmt Ihr mein Herz!“
O könnte ich aus allen Euern Jammern,
Aus allen Freveln, die an Euch geschehen
Aus aller Not in Euern öden Kammern,
Könnt ich ein Lied aus diesen Allen weben
Und könnt es laut auf allen Gassen singen –
Dann sollten wohl viel starre Herzen beben,
Viel Augen übergehn, viel Ohren klingen.
Vom eitlen Herzen, das nach gleichem strebte,
Will Herz und Schmerz nicht, Not und Brot nur reimen
Und will es büßen, daß ich selbst mir lebte.
Was er mir[2] giebt – den Armen weih’ ichs wieder
Ein Liebeszeichen, das ich gern gezollt.