Textdaten
<<< >>>
Autor: Dr. K.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Gegen das Strumpfband!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 612
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[612] Gegen das Strumpfband! Den Herren von der Gefolgschaft Aeskulaps ist auch gar nichts recht zu machen – bald wird es keinen Toilettengegenstand mehr geben, gegen welchen sie nicht schon geeifert haben. Die Schnürbrüste, die Rockbänder, die hohen Absätze, nichts findet Gnade vor ihren Augen. Und jetzt soll gar noch das unschuldige Strumpfband auf den Index gesetzt werden!

Ein so harmloses Ding! Wie kann denn dieses kleine Bändchen, welches um die Beine geschlungen wird, gewaltigen Schaden anrichten?

Nun, der Schaden ist just groß genug, um einmal zu einer Betrachtung herauszufordern. Der menschliche Organismus ist ein sonderbar Ding – er kann recht gut einen gehörigen Ruck vertragen. Eine einmalige heftige Gewalt schadet oft weit weniger, als man erwarten sollte, ihre Folgen schwinden, wenn sie nicht allzu heftig waren, manchmal überraschend schnell.

Ganz anders wirkt ein dauernder Druck, selbst wenn er von geringer Stärke ist. Er stört sämmtliche Gewebe, auf die er sich erstreckt, in ihrer Ernährung, so daß in denselben die Stofferneuerung viel langsamer und unvollständiger von statten geht, als es sein soll. Nicht nur die weichen Gewebe, auch die Knochen werden auf diese Weise angegriffen. Jeder Theil des menschlichen Körpers nun, welcher sich nicht in normaler Weise entfalten kann, unterliegt einer mehr oder weniger hochgradigen Zerstörung. Am schnellsten aber und schwersten tritt dieselbe bei Organen auf, welche eine besondere Funktion ausüben, so bei den Drüsen und – was hier für uns vorwiegend in Betracht kommt – den Muskeln. Diese büßen von dem ihnen eigenthümlichen Stoffe mehr und mehr ein und werden an der betroffenen Stelle zum großen Theil in funktionsuntüchtiges Gewebe verwandelt.

Das ist die eine Hälfte der schädlichen Wirkung eines Strumpfbandes. Es übt einen beständigen Druck aus. Der Einwand, dieser sei doch sehr gering, gilt gar nichts, denn auf eine etwas größere oder kleinere Stärke kommt es nicht im geringsten an. Viel wichtiger ist der Umstand, daß der Druck nur eine verhältnißmäßig schmale Zone trifft, sich also nicht gehörig vertheilt und deshalb Schnürwirkung zeigt. Dabei ist es gleichgültig, ob das Band von Gummi, also elastisch ist oder nicht, die Wirkung ist immer dieselbe: Störung der Ernährung in der abgeschnürten Strecke, besonders aber in den Muskeln, daher Schwäche der Wadenmuskulatur. Wie stark der Druck wirkt, beweisen die tiefen Rinnen, welche durch ihn erzeugt werden und die selbst bei solchen Frauen nicht schwinden, welche seit Jahren keine Strumpfbänder mehr getragen haben. Am schädlichsten ist dieser Einfluß bei Personen, die sich in der Wachsthumsperiode befinden; hier kann er recht bedenkliche Entwickelungshemmungen zur Folge haben. –

Die bis jetzt angeführten Nachtheile des Strumpfbandtragens sind aber die am wenigsten wichtigen. Von weitaus größerer Bedeutung sind die dadurch erzeugten Kreislaufstörungen. Durch die Abschnürung des Unterschenkels wird der Zufluß von frischem (arteriellem) Blut erschwert, der Theil bekommt also zu wenig Nährmittel und kann sich nicht gehörig entwickeln. Er bleibt infolgedessen schwach und wenig leistungsfähig. In noch höherem Grade ist jedoch der Abfluß des verbrauchten (venösen) Blutes behindert. Hierdurch entstehen Stauungserscheinungen aller Art. Die nächste Wirkung sind die so häufigen und überaus lästigen Krampfadern mit ihren manchmal gefährlichen Folgeerscheinungen. Sie finden sich beim weiblichen Geschlecht weitaus häufiger als beim männlichen, und ein Hauptgrund hierfür ist das Strumpfband. Außerdem trifft man ungemein oft, zumal bei jungen Mädchen, Schwellung der Füße an, die abends am stärksten ist und ein vorzeitiges Gefühl der Ermüdung und Arbeitsunfähigkeit erzeugt. Die Kranken – diesen Namen verdienen sie – sind dann thatsächlich nicht mehr imstande, ihren häuslichen Pflichten nachzukommen, sie können nur unter großen Beschwerden gehen. Wird das Strumpfband weggelassen, so verschwindet die Stauungserscheinung fast immer schnell, wenn aber mit diesem Heilmittel zu lange gewartet wird, so können sich Veränderungen herausbilden, die den Gebrauch der Beine stark beeinträchtigen und nicht mehr rückgängig zu machen sind.

Fort also mit dem Strumpfband! Es ist ein schädliches und entbehrliches „Kleidungsstück“. Das letztere werden allerdings die Damen nicht zugeben wollen, allein es ist sehr leicht, Ersatz zu schaffen. Welcher Art dieser Ersatz sein soll, das zu entscheiden ist Sache der Damen, und ich würde, vorausgesetzt, daß meine Predigt gegen das Strumpfband überhaupt den wünschenswerthen Erfolg hat, nur dann wieder dreinreden, wenn auch er gesundheitsschädlich sein sollte. Das ist aber leicht zu vermeiden, wenn man nur im Auge behält, daß die Schädlichkeit des Strumpfbandes in seiner Schnür- und Druckwirkung begründet ist. Dr. K.