Gefährlicher Augenblick im Manöver
[628] Gefährlicher Augenblick im Manöver. (Zu dem Bilde S. 617.) Den Truppenübungen im Herbst nachzugehen und sich das Stück „Krieg im Frieden“, das sich da abspielt, gemächlich zu betrachten, das hat für alle seinen Reiz, besonders aber für die Bewohner des abgelegenen Landes, denen die glitzernden Uniformen und die gefechtsmäßige Entfaltung der Soldaten unbekannte oder seltene Dinge sind. Man fühlt sich als solcher Schlachtenbummler selbst militärisch begabt, giebt da und dort ein gewichtiges Urtheil ab über den Gang der Dinge und holt am Schluß höchst befriedigt den mitgenommenen Mundvorrath aus der Tasche, um bei einem tüchtigen Imbiß im Magen, der gewaltsam sein Recht fordert, die ungewohnten Eindrücke zu konzentrieren und ausklingen zu lassen.
Indessen nicht immer erreicht das Schlachtenbummeln ein so behagllches Ende; unser Bild zeigt, daß auch der Krieg im Frieden seine bedenkichen Seiten haben kann. Da hat ein Häuflein Feldarbeiter sich für eine Stunde freigemacht und unter einem Baum einen bequemen Ausguck entdeckt, um das Hin- und Herwogen des Gefechts zu verfolgen. Plötzlich wird’s in unmittelbarer Nähe lebendig, ein Regiment Ulanen jagt aus seinem Hinterhalt wie der Sturmwind über die geneigte Fläche dahin, die Erde erdröhnt unter den Hufen der Pferde. Ein THeil der kleinen Gesellschaft ist so hingenommen von dem mächtigen Schauspiel, daß er die Gefahr gar nicht merkt, die im Rücken daherbraust, die andern aber blicken mit entsetzten Mienen der kommenden Minute entgegen, die ihnen sicheren Untergang zu bringen scheint. Und doch wird die Gefahr ebenso rasch abgewendet sein, als sie entstanden ist: schon hat der Stabsoffizier, der den Angriff leitet, das Zeichen zum rettenden Signal gegeben, und der ganze Auftritt wird nur die Folge haben, daß den Zuschauern der Genuß an dem militärischen Bilde für diesmal ernstlich vergällt sein dürfte. Indessen am Abend, wenn sie in ihrem Dorfe mit den Nachbarn zusammensitzen, regt sich wohl die geschäftige ausschmückende Phantasie, und dann erzählen sie mit Stolz und klingendem Wort ihr unverhofftes Kriegsabenteuer.