Gallerie historischer Enthüllungen/7. Fürstin Eboli

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Autor: Julius Bacher
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Titel: Gallerie historischer Enthüllungen/7. Fürstin Eboli
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 434–438
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Gallerie historischer Enthüllungen.

Nr. 7.0 Fürstin Eboli.

Die Stellung der Fürstin Eboli am Hofe Philipp’s des Zweiten von Spanien war eine bei Weitem einflußreichere, als Schiller sie ihr in seinem „Don Carlos“ einräumt. Die Macht der Fürstin verdunkelte sogar das Ansehen der Königin. Ihre vornehme Geburt, ihre Fähigkeit, sich überall Geltung zu verschaffen, noch mehr aber ihr angeborener Stolz, der sich bis zum Hochmuthe steigerte, lehnen die Vermuthung, die Fürstin hätte die ihr von Schiller in seinem Trauerspiele angewiesene nicht gerade einflußreiche Rolle in der Umgebung der Königin wirklich gespielt, durchaus ab. Doch dem Dichter sind ja zu seinen Zwecken dergleichen Freiheiten gestattet, und es handelt sich in unserer Mittheilung auch nicht darum, diese unserem großen Schiller nachzuweisen; wir wollen hier nur den außergewöhnlichen Einfluß, den die Fürstin Eboli auf Philipp’s Handlungsweise ausübte, etwas näher betrachten.

Die Fürstin Eboli, Donna Anna Mendoza de la Cerda, war einer der ältesten, angesehensten und reichsten Grandenfamilien Spaniens entsprossen. Sie hatte kaum ihr achtzehntes Jahr erreicht, als ein Heer von Bewerbern sich um ihre Gunst stritt, ohne daß es einem derselben gelungen wäre, ihren Beifall zu erringen. So schön Donna Anna war, ebenso stolz und ehrgeizig war sie, und ihre Wünsche richteten sich daher auf eine Vermählung mit einem der vornehmsten Granden Spaniens.

Sie sollte in ihren Ansprüchen nicht getäuscht werden; denn als sie am Madrider Hofe erschien, errang sie durch ihr Wesen sofort die Herzen Aller, und wo sie sich sehen ließ, kam man ihr huldigend entgegen. Aber nicht nur der Hof bewunderte sie, sondern auch der König war von ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit sogleich so sehr hingerissen, daß er bald die heftigste Leidenschaft für sie hegte. Die Donna, geschmeichelt durch des allmächtigen Königs Liebe, verstand sich um so schneller zu einem vertraulichen Verhältnisse mit dem Gewaltigen, als sie zur Fürstin erhoben werden sollte. Um seinen Beziehungen zu ihr einen beschönigenden Schleier zu verleihen, verheirathete sie nämlich der König mit einem seiner bevorzugten und in jeder Hinsicht ausgezeichneten Günstlinge, dem Fürsten Eboli Ruy Gomez de Silva, der Staatsbeamter war. Diese Vermählung der Donna diente nicht nur dazu, ihr einen vornehmen Rang zu verleihen, sondern auch dem Könige die Gelegenheit zu verschaffen, mit ihr ohne Aufsehen und nach Belieben zu verkehren. Seine Leidenschaft für sie war so groß, daß er sie täglich zu sehen verlangte, und da der Fürst im königlichen Schlosse eine Wohnung erhalten hatte, so konnte dies leicht geschehen.

Mehrere Jahre hatte dieses Verhältniß bereits ungetrübt bestanden, während welcher sich des Königs Leidenschaft eher gesteigert, als vermindert hatte. Von des Gewaltigen Liebe und Gunst zum höchsten Ansehen gehoben, stand die schöne Fürstin auf dem Gipfel ihres zweideutigen Glückes, als ein Mann in Madrid und am Hofe erschien, der auf dieses Verhältniß einen großen Einfluß ausüben und dasselbe im Laufe der Zeit sogar zu seinem und dem Unglücke der Fürstin zerstören sollte.

Dies war Antonio Perez, ein natürlicher Sohn des Staats-Secretairs Gonzalo Perez, der bereits unter Karl [435] dem Fünften dasselbe Amt bekleidet hatte und sich wegen seiner seltenen Bildung und staatsmännischen Vorzüge der ganz besonderen Gunst Philipp’s erfreute.

Gonzalo hatte seinen Sohn als seinen Neffen erziehen und auf das Sorgfältigste ausbilden lassen, und die seltene Befähigung Antonio’s hatte seine Bemühungen auf das Beste unterstützt. Dieser war nicht allein durch eine hohe Bildung, sondern auch durch die liebenswürdigste Persönlichkeit und ein einnehmendes Wesen ausgezeichnet und überdies höchst geschickt in der Erledigung diplomatischer Geschäfte.

Gonzalo unterließ nicht, seinen Sohn sowohl dem Fürsten Eboli, wie auch dem Könige vorzustellen, und es gelang dem jungen Perez, sich sofort in die Gunst des Letzteren zu setzen, sodaß, als Gonzalo Perez bald darauf starb, Philipp ihn zum Staats-Secretair und später sogar zu seinem Staats-Minister erhob und sich ganz von Perez’ Rath leiten ließ.

Perez war bei seinem Erscheinen am Madrider Hofe sogleich der vergötterte Liebling der Frauen geworden, und auch die Fürstin Eboli vermochte dem Zauber des jungen Staatsmannes nicht zu widerstehen. Perez aber empfing von der Fürstin den lebhaftesten Eindruck und entbrannte in leidenschaftlicher Liebe für sie. Trotz der großen Gefahren, welche sich mit einem vertraulichen Umgange für die Liebenden verbanden, siegte dennoch die Leidenschaft, und jener entspann sich bald nach ihrer Bekanntschaft. Unter Beobachtung der höchsten Vorsicht und Klugheit bestand dieses Verhältniß eine gewisse Zeit, als der Tod des Fürsten Eboli dasselbe noch mehr begünstigte. Auch hatte sich Perez nach seiner Erhebung zum Staats-Minister vermählt, sodaß dadurch ein etwa laut werdender Argwohn gegen ihn beschwichtigt werden mußte.

Gestützt auf die höchste Gunst des Königs, hielten die Liebenden sich jede Besorgniß fern, ihr Verhältniß könnte jemals dem Könige verrathen werden, auch dünkten sie sich viel zu mächtig und sicher, um nicht überzeugt zu sein, schon durch ihr Ansehen jeden Verdacht, falls man einen solchen gegen sie etwa laut werden zu lassen wagen sollte, sogleich und für immer zu vernichten. Das sich stets gleichbleibende gütige Verhalten des Königs gegen sie bestärkte sie noch mehr in der Ueberzeugung, daß derselbe auch nicht den leisesten Argwohn hegte und sie daher nichts zu fürchten hätten. Diese Sicherheit, sowie seine bevorzugte Stellung verleiteten Perez jedoch bald zur Ueberschätzung seines Werthes und zu anmaßendem Stolze, sowie zu dem Bestreben, durch Glanz und Pracht die Großen Spaniens zu überstrahlen. In seinem mit dem höchsten Luxus ausgestatteten Landhause bewirthete er seine Gäste mit fürstlicher Verschwendung und umgab sich mit allem Pomp, den man nur bei gekrönten Häuptern zu finden gewöhnt ist. Die nächste Folge von allen diesen Ausschreitungen war eine Menge Neider, die er sich schuf und die zugleich seine Feinde wurden und sich mit jenen Personen verbanden, die Perez schon lange wegen der ihm verliehenen Macht und königlichen Gunst haßten. Es waren dies meist Männer aus den alten Adelsfamilien, die sich durch Perez’ stolzes Verhalten gegen sie um so mehr verletzt fühlten, als er nicht einmal einer legitimen Ehe entsprungen und lediglich ein glücklicher Emporkömmling war, dem sie sich unterordnen mußten.

Schon lange keimte in ihnen das lebhafte Verlangen, den verhaßten Günstling des Königs zu stürzen. Bei der Stellung des Perez und seiner Macht war das jedoch eine schwierige Aufgabe, besonders da dieser klug und vorsichtig genug war, keine Schwächen zu zeigen, welche ihnen für ihre Absicht hätten nützen könnten. Aber Haß und Neid ruhen nicht, und so gelang es auch endlich ihren unaufhörlichen Bemühungen, Perez’ Verhältniß zu der Fürstin Eboli zu entdecken. Nach dem Tode ihres Gemahls hatte dieselbe das königliche Schloß verlassen und ein Palais unweit der Kirche Santa Maria bezogen; hier, dem Auge des Königs mehr entzogen und sich freier und sorgloser bewegend, sah sie ihr Verhältniß zu dem heimlich geliebten Manne sehr bald von den nie ruhenden Spähern und Neidern entdeckt. Perez’ Feinde frohlockten über diese Entdeckung; sie sagten sich, daß der König bei seiner großen Zuneigung zu der Fürstin, bei seinem Stolz und seiner Eitelkeit durch diesen Betrug auf das Empfindlichste getroffen werden müßte und daß damit auch Perez’ Sturz nun gewiß wäre.

Es wäre jedoch ein sehr gewagtes Unternehmen gewesen, auf ein bloßes Gerücht hin gegen Perez und die Fürstin vorzugehen; denn es fehlten alle Beweise, welche zu einer offenen Anklage in diesem Falle durchaus nothwendig waren.

So sahen die Feinde des Perez sich gezwungen, zu warten, bis ein glücklicher Zufall irgend einen Vorgang herbeiführte, der ihrem Zwecke entgegen käme. Sehr bald trat ein ganz Madrid in den höchsten Aufruhr setzendes Ereigniß ein, das ihrer Absicht dienen konnte. Seit einiger Zeit befand sich nämlich der Secretair von Philipp’s Bruder – dieser selbst, Don Juan d’Austria, lebte damals in Flandern – zur Erledigung von Staatsangelegenheiten in Madrid; eines Morgens fand man denselben, von mehreren Degenstichen durchbohrt, todt in der Nähe seiner Wohnung liegen. Dieses Verbrechen, an einem Diener von Philipp’s Bruder begangen, mußte um so folgenschwerer erscheinen, als Escobedo – so hieß der Secretair – sowohl bei Hofe wie überhaupt sehr geachtet war. Da man dem Manne überdies nichts Uebles nachsagen konnte, so verbreiteten sich die verschiedensten Gerüchte über die Veranlassung zu seiner Ermordung. Diesen Vorfall ergriffen nun Perez’ Feinde, um, unterstützt von sorgsam gesammelten scheinbaren Beweisen, ihre Absicht auszuführen.

Sie bezeichneten Perez öffentlich als den Urheber dieses scheußlichen Mordes und als Grund dafür die Besorgniß des Perez und der Fürstin, ihr vertrauliches Verhältniß von Escobedo verrathen zu sehen, womit dieser der Fürstin gedroht, nachdem er Kenntniß von demselben erhalten hatte. Nachdem sie dieses Gerücht zu verbreiten bemüht gewesen, traten sie mit einer förmlichen schriftlichen Anklage gegen Perez und die Fürstin hervor, welche sie dem Könige einreichten. Sie begründeten ihre Anklage folgendermaßen: Perez stünde schon seit längerer Zeit mit der Fürstin in einem vertrauten Verhältniß; Escobedo, mit dem verstorbenen Gemahl der Fürstin befreundet, hätte jenes zufällig entdeckt, sei darüber in hohem Grade entrüstet gewesen und habe der Fürstin Vorstellungen deshalb gemacht und sich bemüht, sie zum Aufgeben desselben zu bewegen, da dasselbe die Ehre ihres verstorbenen Gemahls befleckte. Seine gute Absicht sei jedoch von der Fürstin sehr übel aufgenommen und er mit den hochmüthigen Worten abgewiesen worden: „daß Kammerdiener nicht darein zu reden hätten, was vornehme Frauen thäten.“

Escobedo, durch eine so schnöde Antwort tief verletzt, aber auch von der wohlmeinenden Absicht erfüllt, dem übeln Treiben der Fürstin ein Ende zu machen, hätte darauf gedroht, dem Könige dasselbe zu verrathen, wenn sie davon nicht lassen würde. Die Folge dieser Drohung sei nicht nur die heftigste Feindschaft zwischen dem Secretair und der Fürstin gewesen, sondern Escobedo habe diese auch auf Perez, den Theilnehmer des Vergehens, übertragen. Aber es habe damit nicht sein Bewenden gehabt, sondern Perez sowohl wie die Fürstin, von der Besorgniß erfüllt, Escobedo könne seine Drohung wirklich ausführen, hätten den Entschluß gefaßt, den Secretair so rasch wie möglich zu beseitigen, um sich die angedrohte Gefahr fernzuhalten. Zu diesem Behufe habe Perez seinem vertrauten Haushofmeister den Befehl gegeben, Escobedo bei einem in seinem Hause gegebenen Gastmahle zu vergiften. Dies sei jedoch mißlungen, so auch andere ähnliche Versuche, sodaß Perez endlich befohlen, Escobedo niederzustechen.

So lautete die Anklage, welche feindliche Rachsucht ersonnen.

Der König kannte das Gerücht, das Perez als den Anstifter des Mordes bezeichnete. Er hatte auch mit Perez, der sich darüber bei ihm beklagte, gesprochen und ihn dieserhalb beruhigt, aber dennoch blieb die Anklage nicht ohne Wirkung. Denn kaum hatte Philipp die veranlassende Ursache zu dem Morde – Perez’ vertrauliche Beziehungen zu der Fürstin – aus der Anklage entnommen, als sein Zorn gegen seine Günstlinge in hellen Flammen ausbrach. Wenige Stunden schon nach Empfang der Anklage ließ er Perez verhaften und gegen denselben eine Untersuchung wegen Escobedo’s Ermordung einleiten. Man wird aus dieser Maßnahme die ganze Wuth des Königs gegen Perez entnehmen, wenn man erfährt, daß Escobedo lediglich auf Befehl des Königs ermordet und Perez damit beauftragt worden war.

Dies hing so zusammen: Perez hatte vom päpstlichen [436] Nuntius am Madrider Hofe erfahren, daß Escobedo seine Vertrauensstellung daselbst mißbrauchte und mit den auswärtigen Mächten, besonders mit Frankreich, in geheimer Verbindung stehen sollte, um mit dem Beistande desselben England niederzuwerfen und alsdann Don Juan d’Austria daselbst zum Könige zu erheben. Perez theilte dies dem Könige mit, und dieser erachtete es für nothwendig, Escobedo auf irgend eine Weise von dem Madrider Hofe zu entfernen. Auf seinen Befehl war darauf der Staatsrath zusammengetreten, um über die geeigneten Schritte dazu zu berathen, und das Resultat der Berathung war, daß man die Ermordung Escobedo’s als das geeignetste Mittel zu seiner Beseitigung vorgeschlagen. Der König war damit einverstanden und beauftragte Perez mit der Ausführung des Mordes, wozu sich dieser bereit erklärte.

Diese Bereitwilligkeit von Seiten Perez’ verdächtigt freilich seinen Charakter und ließ dem Könige die Anklage nur um so begründeter erscheinen, besonders als Perez’ Feinde später, als es bekannt wurde, daß der Mord auf Befehl des Königs geschehen wäre, diesem versicherten, Perez habe ihn lediglich durch Vorgeben von Escobedo’s Schuld in der Absicht getäuscht, um unter dem Deckmantel des königlichen Befehls seinen sowie der Fürstin gefährlichsten Feind beseitigen zu können.

Alle diese Momente kamen dem Könige sehr gelegen, um in dieser das allgemeinste Aufsehen erregenden Angelegenheit nicht nur den guten Schein zu wahren, sondern sich auch die Mittel zu verschaffen, sich für den ihm von seinen Günstlingen gespielten Betrug rücksichtslos zu rächen. Die Fürstin Eboli, zu welcher das Gerücht von Perez’ Verhaftung sowie die gegen sie geführte Anklage sogleich gedrungen war, wurde dadurch tief erschüttert; sie behielt jedoch Muth und Besonnenheit genug, keine Blöße zu zeigen, um dadurch ihre Schuld nicht zu verrathen.

Der festen Ansicht, daß nur ein kühnes und sicheres Benehmen die Anklage beseitigen und den König von ihrer Schuldlosigkeit überzeugen könne, zögerte sie nicht, sich zu Philipp zu begeben, um persönlich auf ihn zu wirken, ihn ihrer Schuldlosigkeit zu versichern, ihn zu versöhnen und die gegen Perez erhobene Anklage zu vernichten. Sie irrte jedoch in ihrer sicheren Voraussetzung; denn der König ließ sie abweisen und ihr zugleich sagen, daß er ihre Besuche ferner nicht annehmen würde. Erschreckt und tief gebeugt, ließ sich die Fürstin nicht abhalten, den König schriftlich anzugehen, die Anklage gründlich zu prüfen und sich dabei zu erinnern, daß dieselbe von des Perez’ und ihren eigenen Feinden ausgegangen, indem sie ihn zugleich ihrer Treue und tiefsten Ergebenheit versicherte.

Aber auch diese Bemühungen blieben wirkungslos. Philipp war vor solchen Aufregungen in den Escurial geflohen, und so war die Fürstin der Gelegenheit beraubt, mit ihm in Berührung zu kommen. Denn noch immer hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, des Königs Zuneigung würde ihren Umgang nicht lange zu entbehren vermögen, und er, wenn sein Zorn verraucht und einer ruhigeren Ueberlegung gewichen, sich ihr wieder versöhnend nähern. Sie sollte bald erfahren, wie arg sie sich getäuscht hatte. Sie übersah den mißtrauischen Charakter des Königs. Die Erwägung, daß er bereits bejahrt und daher wenig geeignet sei, Frauenherzen für sich zu entflammen, mußte ihm einen Vergleich zwischen sich und dem blühenden, schönen Perez nahe legen und ihn zur Anerkennung der Schuld der Fürstin um so geneigter machen. Aber eben, weil er seine Ohnmacht als Mensch in diesem Falle mehr denn sonst erkannte, gefiel sich der König darin, diese Ohnmacht durch seine Gewalt zu rächen. Hören wir, in welcher Weise dies geschah.

Nach einem etwa vierzehntägigen Aufenthalt im Escurial war er wieder nach Madrid zurückgekehrt, und die Fürstin bereitete sich zu neuen Schritten vor, überzeugt, daß ihr jetzt eine Versöhnung mit ihm nicht mehr schwer fallen würde. Ehe sie diese jedoch auszuführen vermochte, bemerkte man eines Tages beim Neigen der Sonne, daß vor einer abgelegenen Pforte der Kirche Santa Maria eine einfache Sänfte hielt, aus welcher ein in einen dunkeln Mantel tief verhüllter Mann stieg, der mit eiligen Schritten in die Kirche huschte. Ein Diener, der die Sänfte begleitete, folgte ihm. Das Palais der Fürstin Eboli lag der Kirche gegenüber, so daß man von hier aus bequem sehen konnte, was in dem ersteren vorging.

Etwa eine Viertelstunde nach Ankunft des bezeichneten Kirchenbesuchers fuhr vor das fürstliche Palais ein von mehreren Reitern umgebener Reisewagen, aus welchem ein Officier stieg, der sich sofort in das Palais begab und die Fürstin zu sprechen verlangte. Wie maßlos war ihr Schrecken, als der Officier ihr einen königlichen Befehl vorwies, welcher ihn beauftragte, sie in dem bereitstehenden Reisewagen sofort nach der Festung Pinto zu bringen. Die Fürstin war einer Ohnmacht nahe, faßte sich jedoch und erklärte, daß sie sich keiner Schuld bewußt wäre und daß ihr fürstlicher Rang sie vor dergleichen Gewaltmaßregeln schützen dürfte. Der Officier äußerte sein Bedauern, den königlichen Befehl schlimmsten Falles mit Gewalt ausführen lassen zu müssen, und so sah sich die Fürstin genöthigt, ihm nach der Festung zu folgen, wo sie, bis auf Weiteres im Gewahrsam bleiben sollte. Nur von ihrer Kammerfrau begleitet und in der Eile für den Festungsaufenthalt und die Reise nur nothdürftig vorbereitet, fuhr die entrüstete Frau bald darauf durch das Thor ihrem Gefängnisse zu.

Unter welchen schmerzlichen Empfindungen die Fürstin ihre Reise antrat und fortsetzte, braucht kaum näher bezeichnet zu werden; um wie viel schmerzlicher wären dieselben jedoch gewesen, hätte sie gewußt, daß der Verhüllte, der vorher in die Kirche schlüpfte, Niemand anders, als der König selbst war, der sich dahin begeben hatte, um von dort aus ungesehen sich an dem Vorgange ihrer Verhaftung und ihrer Angst und Bestürzung zu weiden! – Diese Handlungsweise des stolzen und allmächtigen Philipp, in dessen Reichen die Sonne nicht unterging, ist geschichtlich festgestellt und wohl geeignet, ihn als Menschen zu kennzeichnen. Aber sie dürfte auch den Maßstab für die Größe seiner der Fürstin geschenkten Zuneigung geben.

Es muß hier noch angeführt werden, daß der König vor der Fürstin Verhaftung sie hatte auffordern lassen, sich mit der Familie Escobedo’s auszusöhnen; ein ähnliches Ansuchen hatte er auch an Perez gestellt, beide hatten jedoch dasselbe mit den Worten abgelehnt, daß sie dazu keine Veranlassung fühlten, und die Fürstin noch hinzugesetzt, daß sie nicht gewöhnt sei, mit Personen so niederen Standes in freundschaftlichen Verkehr zu treten. Ihre Weigerung erbitterte den König und veranlaßte ihre Verhaftung.

Philipp’s Entrüstung über die Ablehnung seines Befehls war darum so groß, weil dieser eigentlich nichts weiter, als eine List war, die Fürstin wie Perez durch Befolgung seines Befehls zur Anerkennung ihrer Schuld zu verleiten. Wie wir erfuhren, waren sie klug genug, des Königs Absicht zu durchschauen, und das eben kränkte den eiteln Philipp tief. Obgleich die Fürstin nach diesen gegen sie gebrauchten verletzenden Gewalt-Maßregeln erkannt haben mußte, daß der König jedes mildere Gefühl für sie verloren und sich nur noch in der Rache gegen sie und ihren Freund gefiel, gab sie doch der Hoffnung Raum, daß der König sie durch die Verhaftung nur habe einschüchtern wollen und diese daher in kurzer Zeit endigen würde. Ebenso war sie überzeugt, daß die eingeleitete Untersuchung gegen Perez auch diesem bald die Freiheit bringen mußte, da ihr bekannt war, daß Escobedo lediglich auf Philipp’s Befehl ermordet worden und seine Unschuld daher leicht bewiesen werden konnte.

Vergebliche Hoffnung! Nachdem der König die Fürstin in solcher Weise gestraft, wandte er seine ganze Rachsucht dem noch mehr als die Fürstin gehaßten Perez zu. Seit seiner Verhaftung wurde dieser unausgesetzten Untersuchungen unterzogen, wobei man sich zuletzt sogar der Tortur bediente, um ihn zum Eingeständniß seiner Schuld zu nöthigen. Es handelte sich für den König dabei zugleich darum, durch Perez’ Geständnis, vor der Welt als schuldlos an Escobedo’s Ermordung zu erscheinen und den Minister zur Herausgabe von Briefen zu veranlassen, die der König in dieser Angelegenheit mit Perez gewechselt hatte. Da sich der Letztere dessen weigerte, so wurde er in der Untersuchung für schuldig befunden und zu zwei Jahren Festungshaft, zehnjähriger Amtsentsetzung und acht Jahren Verbannung vom königlichen Hof, so wie zu einer Geldbuße von fünfzigtausend Ducaten verurtheilt. Als man Perez verhaften wollte, entfloh er, suchte Schutz in einer Kirche, wurde hier jedoch trotz des Widerspruchs der Geistlichen verhaftet und nach der Festung Turnégano gebracht, wo er einstweilen verblieb.

Obgleich Perez’ Gemahlin später von dem Könige das Versprechen erhielt, daß ihrem Gatten die Freiheit wiedergegeben werden solle, geschah dies doch nicht, auch dann nicht, als Perez [437] dem Könige endlich die verlangten Briefe wegen Escobedo’s Ermordung zusandte. Zwar bewilligte Philipp eine vorübergehende Freilassung des Perez, aber bald folgten ihr neue Anklagen und sogar eine neue Verhaftung des eben Freigegebenen. Staatsverbrechen aller Art, an welche der Unglückliche gar nicht gedacht, wurden ihm zur Last gelegt.

Diese ewigen Quälereien des einst so bewunderten und angesehenen Ministers riefen eine allgemeine Entrüstung hervor und veranlaßten Perez endlich, sich denselben durch die Flucht zu entziehen, da er nur zu wohl erkannt hatte, daß die Rache des Königs ihre Sättigung allein in seinem Untergange finden würde. Von Madrid aus floh er mit Hülfe seiner Freunde in Frauenkleidung nach Arragonien, unter dessen Gerichtsbarkeit, die von derjenigen Madrids durchaus unabhängig war und ihm darum Schutz gewährte, er sich stellte. Aber der König verfolgte ihn auch bis dahin, indem er neue Anklagen gegen ihn erhob. Diese Maßnahmen Philipp’s waren jedoch fruchtlos, denn das arragonesische Gericht schützte den Flüchtling, und als der König ihn auch dort in’s Gefängniß werfen ließ, erhob sich das Volk und befreite ihn. Der Aufstand dehnte sich nach Saragossa aus, wohin Perez zuletzt geflohen war; es kam zum Kampf mit den königlichen Truppen, wobei Viele von beiden Seiten getödtet wurden und Perez sich in der höchsten Gefahr befand, dem Könige ausgeliefert zu werden. Bereits zum Tode verurtheilt, flüchtete er und gelangte endlich nach langem Umherirren im Gebirge und Ueberwindung höchster Gefahren nach dem Schloß [438] Sallen, das einem seiner Freunde gehörte. Von hier aus wandte er sich mit der Bitte um Aufnahme an die Prinzessin Katharina, eine Schwester Heinrich’s des Vierten von Frankreich, die in Bearn residirte und sich damals in Pau befand. Obgleich es seine Absicht war, die Antwort der Prinzessin in Sallen abzuwarten, sah er sich doch durch die ihm zugegangene Nachricht, daß ihn die Inquisition sowie königliche Schergen verfolgten, genöthigt, in der Kleidung eines Hirten zu entfliehen. Das Glück begünstigte ihn dabei; er langte glücklich in Pau an und wurde von der Prinzessin gütig aufgenommen.

Daß Perez jetzt zu den erbittertsten Feinden des Königs zählte, kann nicht überraschen, ebensowenig, daß er sich bemühte, die Prinzessin zu bestimmen, den Arragonesen, die sich erhoben hatten und denen sich Valencia, Catalonien und die Morisken anschließen wollten, mit einem Heer zu Hülfe zu kommen. Die Prinzessin sicherte ihm auch zwanzigtausend Mann für den Fall des Aufstandes zu; dieser jedoch scheiterte; die königliche Macht siegte, so daß die Prinzessin sogar das Einrücken spanischer Truppen in Pau fürchtete und ihr Versprechen in der Besorgniß zurückzog, es könnte ein allgemeiner Krieg herbeigeführt werden.

Die letzte Lebenszeit und das Ende des Perez, dieses unglücklichen Opfers der Rachsucht des Königs Philipp, war eine sehr traurige. Perez blieb in Bearn, stets auf Rache gegen Philipp sinnend, und ging dann an den französischen Hof, ohne jedoch durch diesen seine Begnadigung zu erlangen. Philipp gestattete ihm nur, seine Titel zu führen und sich an dem französischen Hofe aufzuhalten, auch gewährte er ihm eine Pension. Trotz alledem behielt Philipp Perez’ Familie noch immer in der Gefangenschaft, obwohl dieselbe schon viele Jahre währte. Erst des Königs Tod gab ihr die Freiheit wieder.

Auch Philipp’s Nachfolger auf dem Thron gewährte Perez die Rückkehr nach Spanien nicht; ebenso blieben weitere Bemühungen fruchtlos, und der einst so viel bewunderte, geistvolle Staatsmann endete sein Leben in einem kleinen Orte in Frankreich, nachdem man ihm auch die Pension entzogen hatte. Er starb im Jahre 1611 am 3. November, einsam, hülflos und von seinen Freunden verlassen. Und alle diese Leiden gingen ursprünglich aus der Rachsucht Philipp’s hervor, der Perez niemals den gegen ihn mit der Fürstin Eboli geübten Treubruch vergeben konnte.

Auch die Fürstin ward von des Königs Rache hart getroffen; denn fast ein und ein halbes Jahr hielt man sie in der Festung Pinto gefangen, ehe der König ihr die Freiheit wieder gab und die Rückkehr nach Madrid gestattete. Eine Aussöhnung zwischen Beiden hat nicht stattgefunden. Der König vermied es, der Fürstin zu begegnen; sie durfte fortan nicht mehr am Hofe erscheinen. Doch duldete er ihren Aufenthalt in Madrid, wo sie bis zu ihrem im Jahre 1592 erfolgten Tode ohne Anfechtung von Seiten des Königs in strenger Zurückgezogenheit lebte.
Julius Bacher.