Friedrich der Große und der Schlaf

Textdaten
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Autor: A. v. Winterfeld
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Titel: Friedrich der Große und der Schlaf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 420_d
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[420_d] Friedrich der Große und der Schlaf. Die Arbeitsamkeit und Thätigkeit des Königs war so groß, daß er in den ersten Regierungsjahren fast gar nicht schlafen wollte, um stetig arbeiten zu können. Er hatte nur ein paar Stunden zur Ruhe bestimmt und trank, um sich des Schlafes zu erwehren, sehr häufig starken Kaffee. Hierdurch geriet aber sein Blut in so starke Wallung, daß man befürchtete, der Schlag würde ihn rühren. Er unterließ auch diese Lebensart bald.

Vor dem Siebenjährigen Kriege arbeitete er bis spät in die Nacht, oft bis 4 Uhr des Morgens. Einst hatte der Kammerhusar Deybert die Wache und stand hinter dem Könige, welcher schrieb, in einiger Entfernung. Endlich überfiel ihn die Ermüdung und er stürzte lang auf die Erde hin. Die Hunde des Königs bellten heftig. Der König sprang auf und fragte Deybert, der sich geschwind wieder aufgerichtet und auf seinen Posten gestellt hatte: „Was fehlt dir?“

„Ew. Majestät halten zu Gnaden,“ antwortete Deybert, „ich war wider Willen eingeschlafen, und da mußte ich fallen.“

Der König fragte: „Hast du keinen Schaden genommen?“

„Nein, Ew. Majestät,“ erwiderte Deybert.

„Nun, dann ist es schon gut. Wie spät ist es?“

„Halb Zwei, Ew. Majestät. – Da ist es wohl Zeit das Bett zu suchen.“

Indes sich der König entkleiden ließ, sagte er: „Du würdest kein guter Nachtwächter geworden sein, Deybert!“

„Die Nachtwächter,“ antwortete Deybert, „stehen aber auch nicht so lange auf ihrem Posten und schlafen bei Tage aus.“

„Ja ja, das ist recht gut,“ fuhr der König fort; „dann würdest du aber auch im Gehen fallen. Da hast du etwas für den Schreck.“ – Er schenkte ihm zehn Friedrichsdor.

In der Schlacht bei Torgau (am 3. November 1760) wandte sich der Sieg so spät auf preußische Seite, daß der König bis um 9 Uhr des Abends auf der Wahlstatt verweilen mußte. Da die Nacht schon eingebrochen und die Jahreszeit ziemlich rauh war, so wählte der König das hinter der Front zunächstliegende Dorf zum Nachtquartier. Aber alle Häuser waren voll Verwundeter, die der König nicht stören wollte. Nur die Dorfkirche war unbesetzt; in diese ging der König. Hier erwartete er den damaligen Kapitän und Flügeladjutanten von Cocceji, der unverzüglich als Kurier abgehen sollte, um die Nachricht von dem gewonnenen Treffen nach England und an den Kabinettsminister, Grafen von Finkenstein, zu bringen. Da nun nicht gleich ein Tisch herbeigeschafft werden konnte, setzte sich der König auf die unterste Stufe des Altars, stellte das Licht auf die oberste, und auf der mittelsten schrieb er, mit halb rechts gewandtem Körper, seinen Brief. Nachdem der Herr von Cocceji abgefertigt und die übrigen nötigen Befehle erteilt waren, setzte sich der König in einen Kirchenstuhl und schlief einige Stunden, brach aber mit allen Offizieren seiner Suite, die mit ihm die Nacht hier zugebracht hatten, noch vor Tage auf und ritt nach der Wahlstatt.

In der letzten Hälfte des Lebens sollte der Schlaf, nach seinem Plane, sieben Stunden währen; er dauerte aber wohl acht bis neun Stunden, wenn der König den für ihn so wohlthätigen Schweiß abzuwarten für nötig und nützlich erachtete. In den Monaten November, Dezember, Januar und Februar ging Friedrich der Große abends zwischen 9 und 10 Uhr zu Bett und stand am folgenden Morgen zwischen 5 und 6 Uhr wieder auf. Von Ende Februar an legte er sich von Woche zu Woche etwas früher nieder und stand früher wieder auf, so daß er zur Berliner Musterung wohl schon um halb 3 Uhr außer dem Bett und um 4 Uhr schon auf dem Pferde war. Nach den Truppenmusterungen und Sommerreisen kehrte er die Ordnung allmählich um.

Als sein Alter und seine Leibesschwäche zunahmen, begegnete es ihm einigemal, daß er etwas länger schlief, als er sich vorgesetzt hatte; er ärgerte sich darüber und befahl seinen Kammerlakaien, ihn nicht länger als bis auf die bestimmte Stunde schlafen zu lassen und ihn, wenn nötig, mit Gewalt zu wecken.

Einst kam ein Bedienter, den der König eben erst angenommen hatte, um diesen Befehl zu erfüllen.

„Laß mich doch noch ein wenig schlafen, ich bin noch gar zu müde!“

„Ihro Majestät haben mir befohlen, ich sollte so früh kommen.“

„Nur noch eine einzige Viertelstunde sag’ ich.“

„Keine Minute, Ihro Majestät, es ist 4 Uhr; ich lasse mich nicht abweisen.“

„Nun, das ist brav!“ rief der König, „du würdest übel angekommen sein, wenn du mich hättest liegen lassen.“

Zu Krossen hielt der König die jährliche Musterung stets bei Anbruch des Tages. Der Kammerhusar hatte einst den Befehl, den König mit dem Schlage zwei Uhr zu wecken. Dies geschah. Das Wetter war überaus stürmisch und es regnete sehr. Der König, noch sehr ermüdet, sagte beim Aufstehen: „Ach, wäre ich doch nur ein Kriegsrat geworden.“

Da dem Könige in seiner Krankheit einige Zeit der Schlaf gemangelt hatte, war ein Leibhusar, seines Metiers ein Chirurgus, so dreist, daß er bei der öfteren Klage des Königs sagte: „Majestät, ich sehe mit großer Verwunderung, daß auch der geschickteste Arzt in seiner Kunst fehlen kann. Ich habe,“ fuhr er fort, „in meiner Hausapotheke eine Medizin, die von der Beschaffenheit und guten Tugend ist, daß sie nicht nur den Schlaf befördert, sondern auch guten Appetit erregt.“

Der König lachte und sagte: „Nun, du hast auch wohl Lust, dir den Titel eines Hofdoktors zu erschleichen?“

„Nein, Majestät,“ war die Antwort, „dazu habe ich wohl nicht genug Talent; aber den Ruhm wünschte ich mir zu verdienen, als ein Ungelehrter dasjenige möglich gemacht zu haben, worüber oft tagelang ein großes einsichtsvolles Kollegium sich beratschlagt.“

„Nun gut,“ sagte der König, „ich will diesen Abend dein Arkanum versuchen und sehen, ob du ein Prophet aus den alten oder neuen Zeiten bist.“

Der Leibhusar gab dem Könige die Medizin, blieb die ganze Nacht bei ihm im Zimmer und sah mit Freuden den festen Schlaf des Königs, der erst des Morgens um 7 Uhr erwachte.

„Nun,“ sprach der König, „das heißt geschlafen! Du bist ein braver Medikus.“ Er füllte hierauf eine Tabatiere mit Friedrichsdor und gab sie dem Leibhusaren mit den Worten: „Sieh, mein Lieber, das ist für deine Treue gegen meine Person; für deine Kunst sollst du noch besonders belohnt werden.“

Bei diesem Arbeitseifer und bei dieser Arbeitsfülle kannte der König die Langeweile nicht. „Was ist Langeweile?“ fragte er einst den berühmten Arzt Zimmermann.

„Ew. Majestät würden es vielleicht erfahren, wenn Sie andere Höfe besuchten,“ war die Antwort, und Milord Mareschall, ein Freund Friedrichs, entgegnete auf die Frage, ob das Leben in Potsdam ihn nicht langweile: „Wie könnte ich die Unverschämtheit und die Anmaßung haben, von Langeweile zu sprechen, wenn ich sehe, wie das ganze Leben des Königs der Arbeit gewidmet ist.“ A. v. Winterfeld.