Friedrich König, der Erfinder der „Schnellpresse“

Textdaten
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Autor: Theodor Goebel
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Titel: Friedrich König, der Erfinder der „Schnellpresse“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 30–35
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Friedrich Koenig, der Erfinder der „Schnellpresse“.

Am 17. Januar 1833 starb zu Oberzell bei Würzburg Johann Friedrich Gottlob Koenig, der Erfinder der Buchdruckschnellpresse, nachdem er ein echtes Erfinderleben gelebt, reich an Sorgen und Enttäuschungen – zwar von Erfolg gekrönt durch das über Erwarten großartige Gelingen seiner Erfindung, aber des so schwer verdienten Genusses dieses Erfolgs viel zu früh durch den Tod beraubt.

Die Verdienste, welche Friedrich Koenig sich durch die Erfindung der „Schnellpresse“ um das geistige, gesellschaftliche und geschäftliche Leben der ganzen civilisirten Welt erworben hat, sind jedoch bis jetzt nur in dem Kreise der Drucker gewürdigt worden, während dem größten Theil unseres Volks die eigentliche Bedeutung und Tragweite dieser Erfindung noch völlig unbekannt geblieben ist. Man weiß nicht, wie schwerfällig vorher die Herstellung [31] eines Druckes war, wie wenig die fleißigsten Arbeiter an einem Tage vollenden konnten, wie theuer deshalb die Bücher und Zeitungen waren und wie sehr dies ihrer Verbreitung und damit der ganzen Bildungs- und Geschäftsförderung im Wege stand. Jetzt aber, wo man gewöhnt ist, seine sauber gedruckten Bücher für Schule und Haus, seine Unterhaltungsliteratur und Prachtwerke billig zu kaufen, sein Geschäfts- oder politisches Blatt mit unfehlbarer Regelmäßigkeit auf dem Frühstückstische liegen zu sehen, vergißt man darnach zu fragen, wem man denn eigentlich all diese Wohlthaten und Annehmlichkeiten verdankt.

Das Herannahen des halbhundertjährigen Todestages desjenigen, dessen Erfindung der Grundstein und Pfeiler eines nicht geringen Theils der Entwickelung der Neuzeit geworden ist, bietet demnach eine geeignete Gelegenheit, der gegenwärtigen Generation Leben und Wirken dieses Wohlthäters der Menschheit wieder in’s Gedächtniß zu rufen.

Friedrich Koenig wurde am 17. April 1774 zu Eisleben, der Geburtsstadt des großen Reformators, als der Sohn des dasigen Ackerbürgers Johann Christoph Koenig geboren. Mit seinem achten Jahr wurde er in das Gymnasium daselbst aufgenommen, und er verließ es 1790, um in die Buchdruckerei von J. G. J. Breitkopf in Leipzig in die Lehre zu treten. 1794 zum Gehülfen ernannt, hat er während der nächsten Jahre, über welche bestimmte Nachrichten fehlen, wohl als solcher an verschiedenen Orten gearbeitet, auch einen Onkel, Buchdruckereibesitzer zu Greifswald, besucht und sich bei ihm noch die Kenntniß des Buchhandels angeeignet; er hospitirte auch während dieser Zeit an der Universität Leipzig, und der berühmte Emst Platner war es hier namentlich, dessen Vorträge ihn fesselten. Den größten Theil des Tages aber mußte er dem Broderwerb in Buchdruckereien oder der Anfertigung niedrig bezahlter Uebersetzungen für Buchhändler zuwenden, und nur die Nächte gehörten ganz seinen Studien, von denen er mit Vorliebe Mathematik und Mechanik trieb.

Im Jahre 1802 finden wir ihn zu Eisleben, wo er einen Vertrag mit einem gewissen Riedel behufs Errichtung einer Buchhandlung schloß; dieselbe sollte wieder mit einer Buchdruckerei verbunden werden, und Koenig’s Compagnon erbot sich, hierzu die nöthigen Mittel zu liefern. Doch wurde der Plan bald aufgegeben; 1803 ist Koenig in Suhl mit dem Bau einer verbesserten Buchdruckpresse beschäftigt, und Riedel’s Einschüsse dienten mit dessen Genehmigung zu ihrer Fertigstellung. In seiner praktischen Thätigkeit an der alten, seit Gutenberg’s Tagen fast unverändert gebliebenen hölzernen Handpresse hatte er deren Mängel empfunden; die großen politischen Ereignisse jener Tage ließen aber einen vollkommeneren Druckmechanismus zur beschleunigteren Verbreitung der Tagesnachrichten dringend geboten erscheinen, und Koenig hatte sich die Aufgabe gestellt, ihn zu schaffen.

Suhl, damals schon ein bedeutender Eisenfabrikort, erschien ihm als der geeignetste Platz hierfür. Seine neue Presse sollte durch einen besonderen Mechanismus in Bewegung gesetzt werden, sodaß sie alle Manipulationen des Druckens, mit alleiniger Ausnahme des Einlegens und Auslegens der Druckbogen, vollkommen selbstthätig ausführte, wofür namentlich das Farbwerk eine ganz neue, von der bisherigen Methode des Einschwärzens der Druckformen mittelst Lederballen abweichende und eigenartige Construction erhalten hatte: die Ballen waren durch mit Leder überzogene Walzen ersetzt, denen außer der drehenden auch eine seitliche Bewegung gegeben war zur Erzielung einer vollständigen Vertheilung und Verreibung aller Farbetheilchen, eine Einrichtung, die sich so trefflich bewährt hat, daß sie selbst heute noch in fast allen Schnellpressensystemen beibehalten worden ist.

Mit dem Fortschreiten der Presse Koenig’s hielt aber auch die Erschöpfung seiner Mittel gleichen Schritt. Als der Antriebsmechanismus in Angriff genommen werden sollte, konnte sein Compagnon Riedel, der contractlich 5000 Thaler zugesagt, aber im Ganzen nicht volle 3000 eingezahlt hatte, nichts mehr senden, und so blieb derselbe unausgeführt, für den Erfinder aber begann eine Periode bitterer Enttäuschungen. Vergeblich suchte er, die bairische Regierung, die Behörden in Wien und namhafte Privatpersonen für seine Pläne zu gewinnen. Vergeblich blieb auch seine Reise nach Petersburg.

In England, dem Mutterlande der Technik, sollte er endlich die so lange und mühevoll gesuchte Unterstützung finden, und zwar in den Kreisen, die den Werth seines Strebens am besten zu würdigen verstanden: unter Geschäftsgenossen, Nachdem er zuvörderst zur Erlangung seines Unterhalts in Druckereien gearbeitet, schloß er am 31. März 1807 mit dem Londoner Buchdrucker Thomas Bensley einen Vertrag zur Ausführung seiner Erfindung, welchem, als die Versuche immer größere Summen beanspruchten, 1809 noch zwei andere Londoner Drucker, George Woodfall und Richard Taylor, beitraten.

Um diese Zeit trat Friedrich Koenig auch zu dem am 18. August 1783 zu Stuttgart geborenen Optiker und Mechaniker Andreas Friedrich Bauer, der 1805 zu seiner Ausbildung nach England gegangen war, in nähere Beziehungen, und es entspann sich hieraus jene Freundschaft, welche diese beiden Männer ihr ganzes Leben lang im gleichen Streben vereinigte und die nicht wenig beigetragen hat zur glücklichen Durchführung der Koenig’schen Pläne. Mit Bauer’s technischer Hülfe und mit der pecuniären der drei Londoner Drucker gelang es, die erste Druckmaschine, auf welche am 29. März 1810 ein Patent genommen wurde, zu vollenden, der Probedruck konnte aber, in Folge einer schweren Krankheit des Erfinders, erst im April 1811 vor sich gehen. Die Maschine war ganz nach den ersten von ihm aufgestellten Principien erbaut, nur war an Stelle des plumpen Holzgerüstes ein Gestell aus Eisen getreten, und statt einer Walze zum Auftragen der Farbe hatte Koenig deren zwei gesetzt zum Zwecke der Erreichung einer vollständigen Einschwärzung. Die Maschine erfüllte, was ihr Erfinder sich von ihr versprochen: sie druckte gut und ersparte die Arbeit eines Mannes, aber sie genügte doch nicht allen seinen Wünschen, und namentlich erreichte ihre Arbeitsleistung nicht den Grad der Schnelligkeit, welcher gerade das Hauptziel seiner Erfindung war.

Koenig erkannte somit, daß auf dem Wege des Flachdruckes die Quantität der Arbeit seiner Maschine stets eine relativ beschränkte bleiben müsse. Er hatte nämlich von der alten Gutenbergischen Presse die Einrichtung beibehalten, daß jeder Bogen flach auf die geschwärzte Druckform zu liegen kam; dies verursachte noch viel Zeitverlust, der nur verringert werden konnte, wenn der zu bedruckende Bogen auf einer großen Walze über die Druckform hinlief. Dieser Gedanke führte ihn zu Versuchen mit dem Cylinderdrucke, die über Erwarten gelangen. Unverweilt ging er jetzt an den Bau einer Maschine mit verändertem Druckprincipe; schon am 30. October 1811 konnte diese patentirt werden, und im December erfolgten die ersten Druckversuche. Ihnen wohnte Master John Walter, der Besitzer der „Times“, bei, der selbst verschiedene Männer, welche Druckmaschinen hatten bauen wollen, mit beträchtlichen Summen unterstützt hatte, ohne ein befriedigendes Resultat zu erlangen; die Koenig’schen Erfolge entsprachen indeß so vollkommen seinen Wünschen, daß er sofort zwei nach dem gleichen Principe zu construirende Doppelmaschinen in Auftrag gab. Mit höchster Anspannung aller Kräfte gelang es Koenig und seinem Freunde Bauer, dieselben bereits im November 1814 zu vollenden, und am 29. November konnte die „Times“ der Welt verkünden, daß sie zum ersten Male auf Druckmaschinen mit einer Schnelligkeit von 1100 Drucken in der Stunde (vorher eine Tagesarbeit!) hergestellt worden sei. Bei Bau und Aufstellung derselben aber hatte mit größter Heimlichkeit vorgegangen werden müssen, um Gewaltthätigkeiten seitens der Drucker, die sich in ihrer Existenz bedroht sahen, zu verhüten.

Koenig’s Erfolge reizten indeß auch zur Concurrenz an, die bald zu unehrlichen Mitteln griff. Zwei der Concurrenten Koenig’s, Edward Cowper und Augustus Applegath, suchten Thomas Bensley in ihr Interesse zu ziehen und in dessen Druckerei Eingang zu erlangen, was ihnen schließlich nur zu gut gelang. Dieser Letztere hatte Koenig’s Pläne und Arbeiten nur vom egoistischen Standpunkte, um aus denselben den thunlichst größten Vortheil zu ziehen, gefördert; als der Erfinder aber auf seine Absicht, nur eine beschränkte Anzahl von Maschinen für Zeitungen zu bauen, den Druckern von Werken jedoch keine zu überlassen, da er nur allein sie hierfür benutzen wollte, nicht einging, da lieh Bensley jenen Schleichern und Nachahmern offenes Ohr.

Koenig hatte inzwischen seine Erfindung noch erweitert und vervollkommnet; denn wenn nach seiner ersten Einrichtung jeder Druckbogen erst auf einer Seite (technisch „Schöndruck“ genannt) und dann auf einer zweiten Schnellpresse auf der anderen Seite („Wiederdruck“) bedruckt werden konnte, so baute Koenig nun eine Complet- oder Schön- und Wiederdruckmaschine, bei welcher der [32] Bogen, nachdem er durch einen Cylinder den ersten Druck empfangen, sofort auf einen zweiten Cylinder überging, um auch auf der anderen Seite bedruckt zu werden und dann, fertig gedruckt, die Maschine zu verlassen. Diese große Vervollkommnung ermöglichte, im Vergleich mit der einfachen Maschine, eine doppelte Druckleistung und namentlich auch ein exactes Register (das genaue Aufeinandertreffen der Vorder- und Rückseiten); sie wurde Koenig am 24. December 1814 patentiert – auf die in den „Times“-Maschinen verkörperten Verbesserungen hatte er am 23. Juli 1813 sein drittes Patent genommen – und mit ihr erachtete er seine Erfindung der Druckmaschine als vollendet.

Aber alle diese Patente konnten ihn nicht schützen in seinem Eigenthum. Bensley’s intimer Verkehr mit den Nachahmern seiner Erfindung war ihm nicht entgangen; durch einen neuen Gesellschaftsvertrag, abgeschlossen am 25. November 1816, hoffte er ihn festzuhalten und dem Treiben der Plagiatoren einen Riegel vorzuschieben. In diesem Vertrage war gesagt, daß Koenig und Bauer nach Deutschland zurückkehren und dort eine Fabrik gründen sollten behufs Erbauung von Druckmaschinen zur Lieferung an Bensley und Taylor, die sich bei hoher Buße verpflichteten, innerhalb zwölf Jahren solche weder von Anderen zu kaufen, noch selbst bauen zu lassen; zur selben Zeit jedoch, als Bensley den Vertrag unterschrieb, stand dieser ungetreue Compagnon auch schon in den intimsten Beziehungen zu Cowper und Applegath, und [33] die Unterzeichnung war ihm somit nur noch ein Mittel, den seine ganze Perfidie nicht ahnenden Koenig desto sicherer zu täuschen.

Mit schlauer Berechnung hatte er sich auch das Uebergewicht über seine Mitgesellschafter zu verschaffen gewußt durch Ankauf des Antheils Woodfall’s, als dieser 1814 aus dem Gesellschaftsverband ausgetreten war; er vereinigte jetzt 9/16 Antheile in seiner Hand, während Koenig nur 4/16 und Taylor 3/16 besaßen; die Stimmen aber waren nach Maßgabe dieser Sechszehntel vertheilt. Und dieses Uebergewicht brachte er sehr bald zur Geltung; als nämlich die Patentverletzungen der Nachahmer immer augenscheinlicher und offenkundiger wurden und Koenig und Taylor den Schutz des Gesetzes gegen sie anrufen wollten, da verweigerte er seine Einwilligung hierzu.

Doch auch den Erfinderruhm Koenig’s suchte man in England in Frage zu stellen. Ein längst vergessenes Patent, das ein gewisser Nicholson auf einige gänzlich unverarbeitete, lose Ideen bezüglich einer Cylindermaschine genommen hatte, wurde von Cowper und Genossen wieder hervorgesucht, um daraufhin Koenig nur als Nachahmer Nicholson’s darzustellen; Nicholson’s Patent war das Schild, hinter das man sich verkroch zum Schutze gegen Koenig und das Gesetz.

Unter Verkennung der Thatsache, daß nur die ausgeführte Idee eine Erfindung genannt werden könne, pries man den [34] als Erfinder, welcher nur einige Gedanken zu Papier gebracht, die indeß niemals das Stadium des Projects verlassen hatten. War es doch Nicholson selbst gar nicht in den Sinn gekommen, Ansprüche auf die Erfindung der Druckmaschine zu erheben, da dieselbe als aus Koenig’s Geiste hervorgegangen durch die „Times“ der Welt verkündet wurde zu einer Zeit, wo Nicholson noch am Leben und als Patentagent thätig war, als welcher er sogar dem mit Erlangung seines vierten Patents beschäftigten Koenig seine Dienste angeboten hatte. Der wirkliche Erfinder aber wurde selbst von Bensley verleugnet, dem Manne, der während eines vollen Jahrzehnts täglich Gelegenheit gehabt hatte, das Entstehen und die Entwickelung des großen Werkes Koenig’s zu beobachten. Damit war indeß das Maß Bensley’scher Niedertracht noch nicht gefüllt. Als Koenig, empört durch solche Treulosigkeit und Undankbarkeit, auf eine Auseinandersetzung mit seinen beiden Gesellschaftern und auf eine Entschädigung für seinen Patentantheil drang, da antwortete ihm dieser in einem höhnischen Briefe, daß man jetzt seiner Dienste nicht mehr bedürfe. Koenig’s gerechten, contractlich begründeten Ansprüchen aber ist er niemals durch Zahlung auch nur des geringsten Betrages nachgekommen! –

Am 10. August 1817 verließ der betrogene und tief gekränkte Erfinder das undankbare England: eine Monatsgage von zehn Pfund Sterling, die er während der Dauer des Baues seiner Maschinen aus den Gesellschaftsmitteln bezogen hatte, sein aus dem Preise der beiden Timesmaschinen ihm zugekommener Antheil, sowie die geringfügige von Taylor gezahlte Summe von dreihundert Pfund Sterling für Patentbenutzung, die aber zur Hälfte Bauer zufiel, das war Alles, was ihm seine Erfindung in England eingebracht hatte; ein trübseliger Lohn in der That für das mit dem Aufwande seiner geistigen und körperlichen Kräfte geschaffene, im Laufe so vieler Jahre vollendete Werk! Sein Freund Bauer verblieb noch in London, um eine für Taylor angefangene Maschine, die fünfte und letzte der daselbst von Koenig gebauten, zu vollenden; im Mai des Jahres 1818 konnte auch er England verlassen.

Beide Freunde hatten nun als Schauplatz ihrer Thätigkeit die 1803 säcularisirte Prämonstratenserabtei Oberzell bei Würzburg erwählt; sie war Koenig von der baierischen Regierung unter sehr günstigen Bedingungen käuflich überlassen worden, da letztere wünschte, die neue Maschinenindustrie in ihrem Lande heimisch zu machen. Die erste Arbeit, welche Koenig und Bauer in ihrem neuen Heim ausführten, war eine Vervollkommnung der Timesmaschinen behufs Erzielung größerer Druckschnelligkeit; sodann aber ging man an die Ausführung eines vom Besitzer der Haude- und Spenerschen Zeitung in Berlin und von dem Oberhofbuchdrucker Georg Decker daselbst erhaltenen, zuerst auf zwei einfache, nach Decker’s Tode jedoch auf vier Completmaschinen erweiterten Auftrags, der nach unsäglichen Mühen im November 1822 zu Ende geführt wurde.

Das Zusammentreffen einer Menge ungünstiger Umstände machte die Lösung dieser Aufgabe zu einer in der Gegenwart fast unbegreiflich schwierigen; vor Allem war der Stand der Maschinenindustrie in Deutschland damals noch ein so niedriger, daß Koenig und Bauer, nachdem sie sich ein Jahr lang mit einer Anzahl Handwerksgesellen gemüht, zu dem Radicalmittel greifen mußten, Eisenarbeiter aus den Bauern und Weingärtnern der umliegenden Dörfer heranzubilden, ein Unternehmen, das zwar schließlich zum Ziele führte, aber selbst Koenig’s Energie und Bauer’s Geduld und Ausdauer mehr als einmal zu erschöpfen drohte. Dazu kam der gänzliche Mangel an vollkommenen Werkzeugen und zweckmäßigen Hülfsmaschinen in Deutschland, die entweder zu Oberzell selbst gebaut oder aus England bezogen werden mußten; ferner das Nichtvorhandensein von Etablissements, deren Mitarbeiterschaft man hätte heranziehen können zur Erleichterung des eigenen Betriebes. Die nächste Eisengießerei war acht Meilen entfernt, und für die eigene Gießerei, die man sodann einrichtete, mußte man den Coak aus England kommen lassen.

In einem Punkte trafen aber fast alle diese verschiedenartigen Uebelstände zusammen: sie verursachten schwere Unkosten und nahmen weit bedeutendere Summen in Anspruch, als Koenig dafür in seinen mit großer Regelmäßigkeit ausgestellten Budgets angesetzt hatte. Die Beschaffung der Mittel für Einrichtung und Betrieb war trotz der von den Berliner Bestellern bereitwillig gezahlten Vorschüsse ein nie versiegender Quell der Sorge für ihn, den selbst ein anderer unverzinslicher Vorschuß von 20,000 Gulden, welchen die baierische Regierung im Jahre 1821 auf fünf Jahre gewährte, nur unvollkommen zu heben vermochte, da dessen Gewährung zugleich die Ausführung eines weiteren Planes Koenig’s, die Anlage einer Papierfabrik mit den damals noch neuen Maschinen zur Herstellung von Papier ohne Ende einschloß.

Nach der durch Bauer erfolgten Aufstellung und Inbetriebsetzung der nach Berlin gelieferten vier Maschinen reiste Koenig im Sommer 1823 nach England, um sich daselbst über alle in der Papierfabrikation gemachten Fortschritte zu unterrichten; die seiner Rückkehr folgenden Monate aber gehörten zur trübsten Zeit seines Lebens; denn nicht nur blieben die aus Deutschland erhofften Bestellungen auf Druckmaschinen aus, sondern es fehlte auch an Mitteln zur Fortsetzung der weiteren Einrichtungen von Oberzell und namentlich zur Inangriffnahme der Papierfabrik, sodaß eine tiefe Niedergeschlagenheit sich des in allen seinen Plänen eingeengten und gehemmten Erfinders bemächtigt hatte. Erst als Freiherr von Cotta, beeinflußt durch den Kronprinzen von Baiern, den nachmaligen König Ludwig den Ersten, für die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ eine Maschine bestellte und in der Folge auch Koenig und Bauer’s Compagnon für die Errichtung der Papierfabrik wurde, faßte ersterer neuen Lebensmuth und entschloß sich jetzt auch zu einem Schritte, der ihm das lange vermißte und ersehnte traute Familienheim gründen sollte: er verheirathete sich, und zwar als einundfünfzigjähriger Mann, mit einem siebenzehnjährigen Mädchen. Trotz der Ungleichheit der Jahre der beiden Gatten wurde diese Ehe eine der glücklichsten, nicht minder durch die trefflichen Eigenschaften des Herzens und Gemüths der jungen Frau, wie durch den geraden, liebenswürdigen und um die Seinen – die Ehe war von zwei Knaben und einer Tochter gesegnet – liebend besorgten Gatten.

Zur Erhöhung seines Wohlbehagens trug es auch bei, daß die Buchdrucker, namentlich die von Zeitungen, endlich ihre Vorurtheile gegen die Schnellpressen aufzugeben begannen und zu deren Anschaffung schritten, sowie daß ihre Einführung in Frankreich mit besserem Erfolg gelungen war, sodaß sich in den so lange nur dürftig benutzten weiten Sälen der Abtei Oberzell jetzt das regste Leben entwickelte, und die Arbeiterzahl auf 120 stieg. Neben Paris und anderen bedeutenden Städten Frankreichs erhielten nun auch fast alle größeren deutschen Städte Koenig’sche Schnellpressen, und sogar Kopenhagen und Petersburg sahen Erzeugnisse ihrer Thätigkeit.

Da kam die französische Julirevolutron, freudig begrüßt von dem allem Fortschritt huldigenden Koenig, der in ihr auch eine bessere Zeit erblicken zu sollen meinte für die Buch- und Zeitungsdrucker. Die Arbeiter in Paris benutzten jedoch die neue Freiheit, um in verblendetem Wahne die Druckmaschinen, sowohl die Koenig’schen, wie die aus England gekommenen, zu zerschlagen, und daß nicht auch in Leipzig Gleiches geschah, verdankte man nur der Ruhe und Geistesgegenwart des Chefs der Firma F. A. Brockhaus, Herrn Friedrich Brockhaus, welcher damals der einzige Besitzer von Schnellpressen in der Metropole des deutschen Buchhandels war.

Damit war der Aufschwung, den die Druckmaschinenfabrikation in Deutschland genommen, mit einem Schlage vernichtet; Niemand wollte noch fernerhin ein Werkzeug anschaffen, hinsichtlich dessen man in Bezug auf den von ihm gewährten Vortheil noch nicht alle Zweifel überwunden hatte, dessen Besitz jedoch zu Collisionen mit aufgeregten Arbeitermassen führen konnte. Die Bestellungen blieben in Oberzell aus, und Koenig blieb, fast am Schlusse seiner Laufbahn, der schwere Kummer nicht erspart, von seinen 120 Arbeitern schließlich nur noch einen Stamm von 14 erhalten zu können.

Der lebendige Unternehmungsgeist des Erfinders rastete indeß selbst in dieser schweren Prüfungsperiode nicht. Koenig hatte auf weitere Vervollkommnung seines Werkes gesonnen und diese in einer Schnellpresse für gleichzeitigen Druck von zwei Farben gefunden; ja er wollte sogar eine Maschine zum Druck von Rollen- oder sogenannten endlosem Papier (die jetzt in der großen Presse herrschende Rotationsmaschine) bauen, wenn dafür ein Bedürfniß vorhanden wäre. Aber wenn auch Koenig’s Geist mit voller Frische fortschuf an seinem Werke, den in Folge des Darniederliegens des Geschäfts auf ihn abermals hereinbrechenden Sorgen war sein durch Mühen und Anstrengungen erschöpfter Körper nicht mehr gewachsen. Am 15. Januar 1833 brach ein Schlagfluß die erschöpften und überreizten Kräfte, und am 17. Januar verstarb, ohne nochmals die Besinnung erlangt zu haben, der Erfinder der Schnellpresse.

[35] Das war das Loos des Mannes, dessen schöpferischem Geiste und nimmer erlahmender Energie die Welt eine Erfindung von weittragender Bedeutung verdankt, die in ihren Folgen eine der bedeutungsvollsten Schöpfungen geworden ist, welche je die Triumphe des menschlichen Wissens gebildet haben. A. F. Bauer, der auf Koenig’s Ideen einzugehen verstand und mit kunstfertiger Hand vollendete, was dessen Geist ersonnen hatte, führte nach des Freundes Heimgange dessen Werk weiter, unterstützt von der jungen, thatkräftigen und umsichtigen Wittwe desselben, bis endlich die beim Tode des Vaters noch im zartesten Kindesalter stehenden beiden Söhne Wilhelm und Friedrich herangewachsen waren und, in dessen Fußstapfen tretend, die Fabrik zu Kloster Oberzell auf den großartigen und blühenden Standpunkt erheben konnten, auf welchem sie sich unter ihrer Leitung heute befindet.

In nur flüchtiger Skizze haben wir hier unseren Lesern ein Lebensbild Friedrich Koenig’s zu geben versucht. Gebührt ihm, dem Erfinder, eine hervorragende Stelle in den deutschen Ruhmesannalen, so verdient er nicht minder ein ehrenvolles Andenken als Mensch. Unbeugsame, gerade Rechtlichkeit war Koenig’s erstes Princip in seinen geschäftlichen Beziehungen, an denen er selbst da festhielt, wo ihm schwerer materieller Schaden daraus erwuchs; seinen Arbeitern gegenüber war er im Geschäft der strenge, nach englischen Grundsätzen geschulte Fabrikherr, außerhalb desselben aber der oft über die eigenen Kräfte helfende Freund, dem namentlich auch ihre geistige Hebung am Herzen lag. Ein edles Herz war somit einem scharfen, forschenden Geiste, einem klaren, durchdringenden Verstande in dem Manne geeint, der vor fünfzig Jahren im Tode die Ruhe fand, die ihm ein bewegtes Leben verweigert.

Wird jetzt die Stadt Eisleben ihres zweiten großen Sohnes, wird die deutsche Nation des Vollenders der Erfindung Gutenberg’s gedenken und ihn ehren durch ein Denkmal,[1] das er vor vielen Anderen verdient hat?

     Stuttgart. Theod. Goebel.     


  1. Die Familie Koenig hat beschlossen, das Andenken ihres Ahnherrn damit zu ehren, daß sie eine ausführliche und authentische Biographie, verbunden mit einer Geschichte der Erfindung der Schnellpresse, verfassen ließ, die demnächst bei Gebrüder Kröner in Stuttgart im Druck erscheinen wird, das geeignetste Denkmal – neben dem zu Oberzell schon vor vielen Jahren errichteten Grabmonument –, welches kindliche Liebe und Pietät zu schaffen vermag.