Die Rabenauer Möbelindustrie

Textdaten
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Autor: Theodor Goebel
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Titel: Die Rabenauer Möbelindustrie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 28–30
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Deutschlands große Industrie-Werkstätten.

Nr. 16. Die Rabenauer Möbelindustrie.

Was nicht alles in dem gewerbreichen Sachsen aus einem alten finstern, am Felsen hangenden Raubritternest werden kann! Eine freundliche, ausgedehnte Möbelfabrik ist aus einer solchen Ritterburg in Rabenau entstanden, eine Möbelfabrik, die innerhalb der deutschen Reichsgrenzen einzig in ihrer Art ist, wenn wir von einigen nur sehr kleinen Firmen in Sachsen und Baiern absehen. Die Sächsische Holzindustrie-Gesellschaft, die Besitzerin des Etablissements, hat hier einen blühenden Wiener Industriezweig, die Fabrikation gebogener Möbel, eingeführt, betreibt denselben neben der Handfabrikation mit vollem großindustriellem Hochdruck und hat ihn in kurzer Zeit zu hoher Blüthe gebracht.

Diese merkwürdige Wandelung steht in Sachsen nicht einzig da. In der stolzen Albrechtsburg wurde bekanntlich über hundert Jahre lang Porcellanerde geknetet, und in dem alten Jagdschlosse Kaiser Karl’s des Vierten zu Mylau wird noch immer flott Kattun gedruckt. Doch wie dort ist auch in Rabenau die Romantik dabei ein wenig in’s Gedränge gekommen; die modernen fabrikmäßigen Zubauten sind dem alten malerischen, tannenumrauschten Gemäuer hoch über den Kopf gewachsen, aber die Leser werden am Ende des Artikels doch mit der Wandelung zufrieden sein, und wenn sie noch so romantisch veranlagt wären.

Die Möbelfabrikation zu Rabenau, einem Bergstädtchen unfern Tharandt im rührigen Erzgebirge, mag schon im frühesten Mittelalter aufgekeimt sein, und als erste und vornehmste Ursache dazu ist der Wald anzusehen, der sich von hier in unabsehbaren Beständen bis auf den Kamm des Gebirges hinaufzog und der noch heute die Gegend zu einer der holzreichsten in ganz Sachsen macht.

Die Ansiedler zu Füßen des Raubnestes genossen volle Holzfreiheit. Das wollte nun nicht viel mehr bedeuten wie „freies Herdfeuer“; denn gegen ein Verfrachten der Hölzer legten die tiefen schluchtartigen Felsenthäler, die noch heute bei den Fuhrleuten in üblem Ansehen stehen, Protest ein. Die betriebsamen Wäldler wußten diese Schwierigkeit auf sehr praktische Weise zu beheben; sie begannen die Hölzer durch Arbeit zu veredeln und machten sie auf diese Weise frachtfähiger; sie bauten zunächst Truhen, Schemel, massige breite Tische mit Kreuzfüßen, wie man sie noch heute in Bauerstuben antreffen kann; sodann bildeten sie Reffs, Hitschen und größere Haus- und Küchengeräthe, leicht herzustellende und leicht verkäufliche Objecte. So entwickelte sich hier ein sehr bedeutender Industriezweig mit Hunderten von kleinen Werkstätten, in denen die Sägen kreischten, die Hobel zischten und die Drehspähne aufsprühten, daß es eine Lust war.

Diese Hausindustrie überstand die Raubritterperiode; sie überlebte auch mehrere Rittergeschlechter droben in der Burg, die das Gewerbe ihrer Vorsassen nicht fortbetrieben; sie überstand den Dreißigjährigen Krieg; ja selbst die Einziehung der Holzfreiheit konnte nicht die Grundvesten ihrer Existenz erschüttern – aber eines ging ihr doch beinahe an’s Leben: der Geist der neuen Zeit mit seinen erhöhten Anforderungen an Stil, Geschmack und Solidität.

Die Rabenauer Stuhlbauer- und Tischlerbevölkerung – die ganze Stadt führt den Hobel – konnte sich von den alten traditionellen Formen, deren Pappschemas schon von Urväterzeiten her über den Werkbänken hingen, nicht losreißen; nur die Füße der Schemel und die Platten der Tische waren mit dem Wachsen der Holzpreise und der Gesellenlöhne dünner und dünner geworden, dabei wurden aber auch die Abnehmer dünner und dünner und der Vertrieb mit jedem Tage schwieriger.

Der sonst gering geschätzten „Fabrikwaare“ blieb es vorbehalten, die ausgedehnte Hausindustrie, die noch immer 112 selbstständige Meister mit über 1000 Gesellen und mehreren Tausend Rohrflechterinnen aufweist, zu regeneriren und in die alten soliden Bahnen wieder hinein zu lootsen. Der Fabrikwaare ist es lediglich zu danken, daß heute die Rabenauer Stuhlbeine, Tischplatten und Schrankthüren nicht nur wieder kräftiger und stämmiger aussehen, sondern auch gefälligere Formen angenommen haben. Hierdurch stiegen auch die Preise in die Höhe, die vordem ganz erbärmlich niedrig waren.

In der Zeit des Niedergangs der Industrie tauchte in Rabenau ein wirthschaftliches Talent Namens Reuter auf; längst war er schon Meister und litt, wie alle seine Genossen, unter dem Drucke des Verfalls, der den Gewerkzweig ergriffen. Da raffte er sich auf und ging als vierzigjähriger Mann in die Fremde, um in den großen Werkstätten der österreichischen Metropole der neuen Zeit an den Puls zu fühlen. Wir können hier nicht seiner Mühsale und selbst der Gefahren, welchen er ausgesetzt war, gedenken; erwähnt sei nur, daß ihn die böhmischen Arbeiter einer Wiener Möbelfabrik um eines Modells willen todtschlagen wollten – kurz, der Mann kam zurück und begründete in der alten Raubritterburg eine Möbelfabrik auf modernen Grundlagen, mit neuen geschmackvollen Modellen und uralter Solidität. So ist diese alte finstere Burg ein heller Segen der weiten Umgebung geworden; sie giebt innerhalb ihrer Mauern 560 Arbeitern Lohn und Brod, und gegen 2000 Rohrflechterinnen finden außerhalb einen sehr willkommenen Nebenverdienst.

Die wirkliche Bedeutung der Fabrik werden wir jedoch erst beim Besuch derselben kennen lernen. Machen wir uns also auf den Weg! Unfern von Tharandt, dem allerliebsten Thalnest, auf Station Hainsberg, verlassen wir die Eisenbahn und dringen entweder neben der neuen Rabenauer Secundärbahn in den wildromantischen Felsklüften des Rabenauer Grundes vor oder streben über den Berg direct auf das Städtchen los.

Im ersteren Falle zeigt sich uns die Fabrik mehr im Reiz ihrer Historie; sie trotzt noch genau so romantisch von ihrer Felshöhe herab, wie einst die Ritterburg; nur wollen sich die Schaaren fröhlicher Tischlergesellen, welche den Burgpfad hinauf zur Arbeit eilen, gar nicht recht in das feudal-mittelalterliche Bild einfügen. Von der Höhe des Berges gesehen, liegt dagegen das Etablissement in voller Ausdehnung vor unseren Blicken, freilich auf Kosten des malerischen Effectes.

Auf große Holzlager darf man in einer Möbelfabrik schon gefaßt sein, doch gewiß nicht auf so großartige, wie sie sich hier im Burghof aufthürmen. Vor Allem sind es silbergraue Buchen- und dunkle Eichenstämme, und darunter finden sich Exemplare, unter denen schon die Heerhaufen des Dreißigjährigen Krieges [29] gelagert haben könnten. Uebrigens scheint die Sehnsucht von der Palme und der Fichte, wie sie Heine so wunderbar einfach und stimmungsvoll besingt, sich an diesem Orte erfüllt zu haben; denn im Tode vereint lagern hier tropische Hölzer in stiller, friedsamer Geselligkeit neben den nordischen Kindern – bis die gefräßigen Sägen dem träumerischen Stillleben ein jähes Ende bereiten.

Es ist ganz erstaunlich, was dieses Heer von Gatter-, Cirkel, Band- und Handsägen mit ihren Haifischzähnen in Jahr und Tag aufzehren, und man möchte dem Schöpfer danken, daß die schönen Zeiten des Freiholzes in sagenhafte Fernen gerückt sind. Diese einzige Fabrik hätte sicher in nicht zu langer Frist ganz Sachsen kahl gefressen. Jetzt betheiligen sich, dank den Eisenbahnen, weite Länder daran, den Rabenauer Holzbedarf zu decken. Nur die weichen Hölzer liefert ausschließlich noch immer Sachsen; die Eichen schafft hauptsächlich Oesterreich-Ungarn herbei, und den Hauptbedarf decken, die grünen Buchenwälder im nördlichen Deutschland. Auf der rothen Erde besitzt die Fabrik einen eigenen Forst mit einer Schneidemühle, welche gleich die zugeschnittenen Stuhlbeine und ähnlichen Massenbedarf nach Rabenau abliefert.

Die Rabenauer Möbelfabrik.
Nach einer Skizze von A. Flamant.

Besonders sehenswerth ist die fabrikmäßige Herstellung des Rabenauer Hauptartikels, der sogenannten gebogenen Möbel, die ja aller Welt bekannt sind. Vielleicht sitzt so mancher Leser auf einem Rabenauer Kaffeehausstuhl Nr. 14 oder liegt hingegossen auf einem Schaukelstuhl Nr. 19 b, wenn er diesen Artikel zu Gesicht bekommt. Für diesen Fall möchte der Verfasser bitten, der Beschreibung durch die Anschauung zu Hülfe zu kommen.

Das zierlich verschlungene Holzwerk eines solchen Möbelstückes, welches sich in graziösen Schwingungen und Windungen so gefällig an einander schmiegt und in einander verläuft, unterscheidet sich in rohem Zustande kaum von einer gewöhnlichen Zimmermannslatte. Einige Dutzend Rundhobelmaschinen bearbeiten zunächst diese vierkantigen Holzstäbe, die in vielen Tausenden der Veredlung harren, und geben ihnen die feineren Nuancen in der Stärke, die Verjüngungen und Anschwellungen, welche ein Element der Arabeske bilden.

Auf diese Weise schafft man sich ganz bedeutende Vorräthe von kurzen und langen, dünnen und dicken Stuhl-, Tisch- und Sophabeinen, Sitzen und Lehnen, die zunächst nur harte Stäbe darstellen. Aber man schichtet sie in großen Dampfretorten eng zusammen, setzt sie unter einen Dampfdruck von vier Atmosphären [30] und macht sie dadurch buchstäblich windelweich. Mit Befremden gewahrt man, wie sich nunmehr die strammsten Reckstangen gleich einem spanischen Rohr über jede Form legen lassen. Hier ist das Holz nicht mehr Holz, sondern eine Masse, von welcher man nicht mehr weiß, was man denken soll.

Freilich, lange währt diese Gefügigkeit auch nicht, und die Arbeiter müssen sehr rasch an’s Werk gehen, wenn sie diesen charakterlosen Zustand für ihre Zwecke ausnützen wollen: denn mit dem Erkalten kehrt auch die alte Zähigkeit und Festigkeit der Hölzer wieder zurück. In den Biegeräumen brütet aus diesem Grunde eine Wärme von circa 40° R., und die Leute sind gezwungen in dieser schier unerträglichen Temperatur auch noch mit großer Hast zu arbeiten. Ueberhaupt machen diese Räume einen höchst unheimlichen Eindruck. Man denke sich einige Dutzend halbnackte Männer, geschwärzte Wände, heiße Oefen und dazu eine Unzahl von eisernen Formen, daumschraubenähnlichen Zwingen und Marterbänken – und die Folterkammer ist fertig. Kein Wunder, daß sich das Holz hier so gefügig erweist; mir däucht, der Mensch wird hier in kurzer Zeit ebenso willenlos wie ein ausgekochtes Stuhlbein oder wie eine Stuhllehne, die sich cravattenähnlich um ihre Form wickeln läßt.

Die Trockenräume bilden nur eine weitere Instanz in dem hochnothpeinlichen Proceß. Die Hölzer müssen innerhalb der Formen wieder getrocket werden, und zwar bei einer Temperatur von 60 bis 70° R. Auch in dieser Gluth müssen noch Arbeiter thätig sein; denn sie speichern die feuchten Möbeltheile auf und tragen die getrockneten wieder ab. Anders als splitternackt können sie es hier nicht aushalten, auch währt die Schicht nur 30 Minuten. Auffälliger Weise sind diese Leute recht gesund; sie haben zwar kaum ein Loth Fett an sich, dafür sind sie aber muskulös; beim sie befinden sich eben in einer Art von Training, wie ihn die englischen Reitknechte zuweilen in Gesellschaft ihrer Pferde, sicher nicht zu ihrem Schaden, durchmachen.

Von den Trockenräumen wandern die Möbeltheile, wenn sie nicht auf’s Lager gehen, in die Raspelei und dann in die Montirsäle. Strenge Arbeitstheilung vereinfacht hier den Proceß des Zusammensetzens ungemein. Da steht ein Dutzend Männer, die jahraus jahrein nur Schrauben zwischen Sitz und Stuhlbein anbringen, dort dreht ein anderes Dutzend dieselbe Sorte Schrauben zwischen Rücklehne und Füllung hindurch, und wieder ein anderes bohrt ununterbrochen Löcher etc. Selbstverständlich helfen auch Maschinen. Abgesehen von anderen Möbelstücken verlassen täglich 500 Stühle diese Montirsäle, und das Rohrgeflecht dieser Stühle erfordert allein über 95,000 Bohrlöcher per Tag, die sämmtlich einzeln, wenn auch von Maschinen, gebohrt werden müssen.

Nach der Montage beginnt die eigentliche Toilette. Man beizt die rohen Holzflächen entweder nußbraun, mahagonibraun oder ebenholzschwarz und giebt ihnen hierauf in den Polirsälen die Politur. Kräftige Mädchen, zumeist aus dem nahen Böhmerland gebürtig, führen hier das Polirtuch mit großer Energie und Gewandtheit, ohne den Spiritus, der massenweise zur Verwendung gelangt, anders als nach Vorschrift zu gebrauchen. Die männlichen Polirer dagegen sollen nicht immer den Sprit in’s Polirtuch gießen – natürlich nur aus Versehen.

Verlassen wir die Polirsäle, wo man schon vom Dunst der vielgenannten Flüssigkeit angeheitert werden könnte, so thuen sich die Rohrflechtersäle vor uns auf, in denen abermals die weiblichen Arbeitskräfte in der Ueberzahl sind. Man darf diese Arbeit als bekannt voraussetzen; sie wird auch nur zum kleinsten Theil in der Fabrik selbst betrieben und ist in der Hauptsache noch immer Hausindustrie. Aus Ortschaften, drei bis vier Stunden weit von Rabenau entfernt, holen sich die Frauen eine Last Stuhlsitze oder Rücklehnen und fertigen das Geflecht je nach Zeit und Gelegenheit neben ihren häuslichen Beschäftigungen an. Der Verdienst ist leider nur ein sehr mäßiger.

Neben dieser Fabrikation gebogener Möbel blüht noch eine ausgedehnte Hausindustrie mit über 150 wohlgelernten „zünftigen“ Tischlergesellen innerhalb der Fabrikräume. Dieselbe verdiente eine eigene kunstgewerbliche Abhandlung, doch wir müssen uns leider mit der dürftigen Angabe begnügen, daß die anmuthigen überaus formenschönen Rabenauer Renaissancemöbel gleich den gebogenen auf den Weltausstellungen die höchsten Auszeichnungen erlangt haben.

Die Lager der Rabenauer Fabrik sind schon allein durch ihre erstaunlichen Waarenmassen interessant. Man will auf jeden Fall gerüstet sein, und wird irgendwo ein neues Hôtel ausstaffirt, ein Bazar, ein Wiener Café eröffnet, läuft ein neues Auswandererschiff von Stapel, etablirt sich ein Theater, ein großes Gartenrestaurant oder kommen ein halbes Dutzend Brautpaare zu gleicher Zeit angefahren – sie alle können sofort befriedigt werden.

In den Verpackungsräumen wüßte ich nicht, was den Leser interessiren könnte, wenn es nicht die für den Export bestimmten Möbelstücke vermögen. Man zerlegt sie wieder in einzelne Theile und reiht sie in großen Kisten eng und gleichmäßig an einander, wie Kieler Sprotten.

So hätten wir die lärm- und menschenerfüllte Fabrik mit ihren vielfenstrigen, hellen Werkstätten, ihren Hobelspähngebirgen und ihren kreischenden und schreienden Maschinen hinter uns; es bleibt nur noch ein neuangelegter Trockenraum für Hölzer zu erwähnen, der vielleicht für die ganze nutzholzconsumirende Menschheit von Tragweite werden kann. Harte Hölzer trocknen nämlich in der Luft überaus schwer, und erst nach zwei bis drei Jahren geben sie einige Garantie, daß sich die daraus gefertigten Möbelstücke nicht mehr werfen und ihre Flächen nicht mehr zerspringen. Dadurch werden für den Möbelfabrikanten große Holzlager nothwendig, die wiederum große Capitalien bedingen und Zins- und Zeitverluste fordern. Man hat zwar mit der künstlichen Wärme Versuche angestellt, aber sie wollten bis jetzt nicht recht glücken. Die neue Trockenanlage der Rabenauer Fabrik bezweckt nun, die künstliche Wärme doch heranzuziehen, ohne ihre Schattenseiten mit in den Kauf nehmen zu müssen. Die Einrichtung selbst ist noch Geheimniß; nur so viel sei verrathen: die Hölzer spüren’s gar nicht, wie sanft sie trocknen.

Im Jahre 1881 verließen 129,984 Möbelstücke die Fabrik. Mit etwa zwanzig solcher Stücke läßt sich ein großer Salon schon überreich ausstatten, und mag der Leser an dieser Bemerkung ermessen, wie weit verbreitet die Rabenauer Möbel sind. Sechseinhalbtausend Salons könnten ja mit einer einzigen Jahresproduction dieser Fabrik complet möblirt werden.

Große Gewinne haben trotzdem weder die Fabrik noch die Rabenauer Hausindustrie zu verzeichnen, aber die Arbeit ist eine constante, und die Löhne sind auskömmlich. Die Beschäftigung ist eine gesunde, und so trifft man hier auf einen heiteren Menschenschlag, der in freundlichen, höchst behaglichen Wohnungen haust, der sich eines gesicherten Brodes erfreut, kurz, der trotz bescheidener Existenzgrundlagen ein glücklicher genannt werden kann.

Gewiß, auch die romantischen Naturen werden, wie ich Eingangs hoffte, mit der Wandlung einer Raubritterburg in eine Möbelfabrik nicht unzufrieden sein. Lassen wir die Romantik in Frieden fahren! Dafür weht uns der Hauch einer gesünderen Poesie entgegen; es ist die Poesie der Arbeit, die aus den hellen Fensterreihen der „Sächsischen Holzindustriegesellschaft“ und aus den blanken Rabenauer Tischlerwohnstätten frohmüthig herauslacht.

Th. G.