Fliegende Blätter Heft 29 (Band 2)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 29 (Band 2)
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aus: Fliegende Blätter, Band 2, Nr. 29, S. 33–40.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg, Commons
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[33]



Nro. 29.
5. II. Bd.
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handlungen, sowie von allen Postämtern und den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R. W.
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Lenardo und Blandine.
Tragische Pantomime in 5 Aufzügen nebst einem Vorspiele.
(Schluß.)




Vierter Akt.


Die Scene ist wie im dritten Akte, nur daß das Nachtlicht heller brennt und der Regen nachgelassen hat, statt dessen der keusche Mond vorwitzig durch die Mauerspalten guckt. Die Zugluft bringt wundersame klagende Töne hervor, ähnlich der unsichtbaren Stimme auf Ceylon. Blandine sitzt in reizendem Negligee auf dem bewußtlosen Kanapee.

Diese traurige Pause wird durch den Eintritt eines in schwarzen Flor gekleideten Lakaien unterbrochen, welcher mit einem herzerhebenden Entrechat der Prinzessin einen zerbrochenen Ring servirt und darauf verschwindet. Indem Blandine das Licht putzt, um sich denselben besser betrachten zu können, tritt ein Zweiter, henkermäßig kostümirter kachuchirend auf, und legt ihr ein verdecktes güldenes Schüsselein vor die zarten Füßchen. Die Verwunderung der Prinzessin ob dieser ungewöhnlichen Vorgänge thut sich mimisch durch ein sanftes Kneipen in die Rosenwangen und ein gelindes Raufen der Rabenlocken kund, dieselbe erreicht aber den höchsten Grad in dem Augenblicke, da ein Dritter in drap d’argent gehüllt ihr einen schwarz gesiegelten Brief überreicht, nach dessen Lesung sie unsanft zu Boden stürzt, eine lange Zeit hindurch nach Luft schnappt und zuletzt von einem konzentrirten Wahnsinn befallen wird. In dieser Wahnsinnsscene drückt sie Furcht, Hoffnung, Haß, Emancipation, Standesunterschied, Aktienschwindel, Sozialismus, Panslavismus, Herzbrechen und Hydropathie auf eine ergreifende Weise aus. Nach und nach wird sie ruhiger und agirt folgendes Rezitativ:



Blandine.

O wehe mir, unseligsten der Frauen,
Mein einzig Glück, sein Leben,
Hat er für mich dahingegeben!
Dies Unglück zieht mich in den Tartarus!
Ach, was beginn ich?
Ach, was ersinn ich?
Ihm zu folgen bin ich entschlossen –
Ist sein Blut für mich doch geflossen. –

[34]

Ha! dieser Ring, ihm gab ich ihn,
Und hier sein Herz in der blut’gen Schüssel!
Ach weh’ mir! Wehe! Wehe! Wehe!
– – – – – – – – –
– – – – – – – – –


Presto:

Heil mir, ich hab’ es gefunden,
So werd’ ich vom Grame gesunden!
Ich folge dir! – – –
Diesen Ring will ich verschlingen,
Dieses Herz, ich ess’ es auf!
Dann flieg’ auf des Todes Schwingen
Zu dir Geliebter ich hinauf!!!!


Sie setzt sich auf das Sopha, küßt den Ring und verschlingt ihn unter merklichen Anstrengungen; besser gelingt es ihr mit Lenardos Herzen. Nachdem sie den letzten Bissen mit sichtlichem Behagen zu sich genommen, harrt sie sehnlichst auf die gewünschte Wirkung; da diese nicht schnell genug eintritt, findet sie für gut, auch noch das güldene Schüsselein aufzuspeisen, nach welchem seltenen Leckerbissen sie heftige Magenkrämpfe bekommt und mit einem trefflich gestikulirten „Ich komme!“ – stirbt! Der fallende Vorhang endet ihre ferneren Leiden.


Ende des vierten Aktes.




Fünfter Akt.


Schlafzimmer des Königs von Burgund. Derselbe ist beschäftigt, Morgentoilette zu machen, und liest dazu die preußische Allgemeine.



Neben ihm an einem Seitentischchen sitzt der Molch und frühstückt spanischen Pfeffer mit Nesselnsalat. Da kracht es dem König in’s dumpfe Gehör, Prinzessin Tochter lebe nicht mehr! Er springt wüthend auf, wirft den erstaunten Friseur, der von dem Krachen nichts vernommen, hinter die Thüre, packt den Molch beim Kragen und agirt folgendes Cantabile:


Der König.

Du tückischer Molch, das hab’ ich dir Dank,
Daß mir in das Grab mein Töchterlein sank,
Dein Blut mir’s entgelte, das trinke Burgund,
Weil das mir gerathen dein giftiger Mund!
Ihr Blut dich verklaget vor höherm Gericht,
Das dir dein blutiges Urtheil schon spricht!




Bei den letzten Gesten zwingt er den Molch, die preußische Allgemeine zu fressen, worauf dieser unter gräulichen Zuckungen und Verwünschungsaktionen elendiglich dahin und schnurstracks in die tiefste Hölle fährt. Große Pause. Der König befiehlt, einen silbernen [35] Sarg anzufertigen, um Blandinen darin zu beerdigen. Unterdessen sind die Furien regdowakpolkirend hereingetanzt und treiben den alten König wild durch sein Schlafgemach, bis er erschöpft sich den Reichsapfel an den Kopf wirft und den Geist aufgibt. — Die Furien verschwinden, die Geister Lenardos, Blandinens, des Königs und des Molchs tanzen die Saragossa, und die Musik spielt eine entente cordiale-Slowanka, welche das Ende der Pantomine herbeiführt und den Vorhang zum Fallen zwingt.



Ende der Pantomime.




Kurze Nachbemerkungen über das deutsche Bühnenwesen.


Allgemein hört man, und zwar mit Recht, die Klage, daß die deutsche Schaubühne im Argen liege. Vielfach und leider vergeblich bemühte man sich, den Grund dieses Mißstandes zu erforschen. Der Verfasser vorstehender Pantomime glaubt endlich den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, wenn er die Behauptung aufstellt, daß der Mangel an guten Schauspielern auch auf die Produktion von Bühnenstücken außerordentlich störend zurück wirke. Warum haben wir aber keine guten Schauspieler mehr? Warum? Die Ursache liegt einzig in der schmählichen Vernachlässigung der Pantomime. In der Pantomime allein ist dem Schauspieler Gelegenheit gegeben, die unendlich nüançirte Darstellung menschlicher Leidenschaften zu studiren, die Seele in ihrer geheimsten Werkstätte zu belauschen, und sich daraus die Regeln für seine eigene Darstellungsweise abzuziehen. Die Pantomime hat noch einen zweiten großen Nutzen, nämlich es ist keine kleine Kunst, dieselbe in Scene zu setzen, und hier können die Regisseure, Maschinisten, Flugwerkdirigenten etc., unendlich viel lernen, von dem, was sie bis jetzt noch nicht wissen. Dem Kompositeur endlich bietet die Pantomime einen weit größeren Spielraum für seine Phantasie, als die Oper, zwingt ihn aber auf der andern Seite wieder, eine wahre Musik zu schreiben, weil nirgends wie hier das Unnatürliche so auffallend hervortritt. — Obige Pantomime ist im reinen Interesse für die deutsche Bühne geschrieben. Der Stoff bietet dem Künstler hinlänglich Spielraum, um seine Vortrefflichkeit im schönsten Glanze erscheinen zu lassen, und es ergeht hiemit an sämmtliche Direktionen Deutschlands die aufrichtige Bitte, diese Pantomime so bald als möglich dem Publikum vorzuführen, zumal, da der Verfasser weder Honorar, noch Tantiemen, ja nicht einmal freien Eintritt verlangt, und der Anfang zur Verbesserung nie früh genug gemacht werden kann.




Moderner Narrenspiegel.
(Fortsetzung).

3. Der Witzige.



Er hat die Verpflichtung, überall nach den Schlag- und Witzworten umherzuspüren, welche die Tagesgeschichte liefert, und bei oder nach der Tafel jede Gelegenheit zu benützen sie der Reihe nach anzubringen. Die Virtuosität des Witzigen besteht in der höchstmöglichen Trockenheit des Vortrags, wodurch auch der schlechteste Witz ergötzlich wirkt, und in einer gewissen hingeworfenen Unabsichtlichkeit, so daß es den Anschein hat, als wäre der Witz eben erst bei der gegenwärtigen Veranlassung entstanden. Seine Studien macht der Witznarr hauptsächlich bei Commis Voyageurs, zumal Weinreisenden, welche zugleich auf Witz und Anekdoten reisen, und wie Kouriere die neuesten Erfindungen des Witzes von Stadt zu Stadt tragen, und in jedem Orte, den sie besuchen, die neuesten Lokalwitze einsammeln. Da hierbei der Wortwitz als derjenige, welcher sich am leichtesten gewissen gelegentlichen Veranlassungen fügt, eine Hauptrolle spielt, so sind dem witzigen Tafelnarren die Schriften und Journale Saphirs vorzüglich zu empfehlen.

Haben die Hausfrau oder ihre Töchter einige Kenntniß des Französischen, so mag der witzige Tafelnarr die neuesten Nummern des französischen Charivari studiren, oder sich auch sonst allbekannte französische Wortspiele und Calembourgs einlernen. Es ist unglaublich, um wie viel Procent über pari sein Ansehen steigen wird!

Du lieber Himmel! Was fingen wohl so viele Tausende in Deutschland mit ihrem Geistesmangel und ihrem Zeitüberfluß an, wenn es nicht ein Frankreich, wenn es nicht französische Trachten, französische Musik, französische Criminalgeschichten und – französische Grammatiken gäbe? Deutschland hat leider noch immer keine andere Hauptstadt als Paris, die ihm [36] seine tyrannischen Gesetze mit großer Härte vorschreibt, und immer noch fortfährt, uns vampyrartig das alte treue deutsche Herzblut auszusaugen. Es ist furchtbar, wie bitter sich Frankreich für die Niederlagen seiner großen Armee bei Leipzig und Waterloo an uns rächt! Wie viel werden noch die künftigen Jahrhunderte zu thun haben, um uns vollständig aus dem Französischen zurück zu übersetzen und zu verdeutschen!

Ist an neuen Witzen und Schlagworten gerade Landesdürre eingetreten, so mag der Witzige gelegentlich seinen alten Vorrath an Witzen ausbeuten. Man kann sie nicht oft genug hören, und ohnehin wird in der Gesellschaft stets der Eine oder der Andere sich befinden, welchem dieser oder jener verrostete Witz vollkommen neu erscheint. Noch besser, wenn der witzige Tafelnarr durch natürliche Anlage oder Uebung die Fähigkeit besitzt, witzige Anspielungen zu erfinden. Mögen sie auch noch so hausbacken und albern sein, so verfehlen sie doch ihre Wirkung nicht, wenn sie nur mit dem richtigen Accente vorgetragen werden.

Es bemerkt z. B. Jemand gegen irgend wen: er sehe so angegriffen aus, so liegt das „Abgegriffen“ sehr nahe, oder man macht Wortspiele mit „Einsicht“ und „Aussicht“, mit „Absatz“ (z. B. „Stiefelabsatz“ und „Bücherabsatz“,) mit „Visite“ und „Viehsitte,“ mit „Lebenszwecken“ und „Stiefelzwecken,“ mit „Hauszucht“ und „Zuchthaus,“ mit „Rußland“ und „Landruß,“ mit „Made“ und „Mädchen,“ mit „Philosoph“ und „Vielsoff,“ mit „Professor“ und „Brodfresser,“ mit „Theetisch“ und „Aesthetisch“ u. s. w.

So oft diese Witze auch schon da gewesen sind, so scheinen sie doch, mit richtigem Accente vorgetragen und zu gelegener Zeit angewendet, immer wieder die Eingebung des Augenblicks zu sein.

Hierzu bedarf es nur der gespanntesten Aufmerksamkeit auf Alles und Jedes, was in der Gesellschaft vorgeht oder gesprochen wird, und wenn z. B. die Hausfrau gelegentlich bemerkt, sie müsse für eins ihrer Kinder Thee aus „Tausendgüldenkraut“ bereiten, so ist der witzige Narr rasch bei der Hand und äußert: „was ihn beträfe, so wäre ihm ein Tausend-Guldenkraut lieber;“ oder man stößt mit den Gläsern auf das Wohl des Wirths an, so bemerkt er: Ich stoße sonst zwar nicht gerne an, mache heut aber eine Ausnahme, obschon eine Einnahme mir lieber wäre.


4. Der Stellencitirer.



Ist nur eine Ab- und Nebenart des Vorigen. Er hat sich eine Menge leicht anwendbarer Stellen aus deutschen Klassikern, besonders aus Schiller gemerkt, um sie bei vorkommender Gelegenheit an den Mann, oder wie es gerade kommt, an die Frau zu bringen. Dahin gehören Stellen wie folgende: „Es gibt im Menschenleben Augenblicke,“ „das war kein Meisterstück, Octavio!“ „das ist das Loos des Schönen auf der Erde“, „ob rechts die Vögel fliegen oder links;“ „das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Uebel größtes aber ist die Schuld;“ „oder sind die Schulden“, wie der Stellencitirer die Phrase witzig verdreht; „Max, bleibe bei mir, geh nicht von mir, Max!“ (wenn er Jemand auffordern will, die Gesellschaft noch nicht zu verlassen). „Auf diese Bank von Stein will ich mich setzen“ (wenn man sich auf irgend eine Bank, selbst wenn sie nicht Stein, oder auf irgend einen Stein, selbst wenn er nicht Bank ist, niederlassen will); „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte“ (wenn er zu Zweien, welche in Unterhaltung begriffen sind, hinzutritt); „die Jungfrau geht, und nimmer kehrt sie wieder“ (wenn z. B. eine junge Dame das Zimmer verlassen will) u. s. w. Schiller eignet sich hierzu am besten[VL 1], außer ihm noch Müllner und einige Andere. Wenn z. B. ein starkes Geräusch eintritt, so ergreift der Stellencitirer diese Gelegenheit sogleich am fliegenden Haar und deklamirt: „Dieser Knall ist ein Schall, der den Fall eines Menschen kann bedeuten,“ oder bei anderer Gelegenheit: „das Warum wird offenbar, wenn die Todten auferstehen.“ Auch der überpathetisch und darum ergötzlich wirkende Vortrag größerer Partieen und Monologe gehört in das Departement des Stellencitirers.

(Fortsetzung folgt.)


Anmerkungen der Vorlage

  1. Noch schlimmer ist es, wenn der Stellencitirer auch über die Malerei kommt. Der freundliche Leser betrachte die Bilder der nächsten Seite, Scenen aus der Blüthezeit des menschlichen Lebens, jener Zeit des Schwärmens, wo die Erde für den Verliebten voll Nachtigallen, Rosen, Veilchen und sonstigen Zartheiten wimmelt und der Himmel voller Geigen hängt. Unter solche zarte Bilder setzt nun der Stellencitirer Verse eines Klassikers als Erklärung und gibt den ernsten Darstellungen der ersten Liebesfreude und des innigen Liebesschmerzes die entgegengesetzte Deutung.




[37]

 


Mit züchtigen, verschämten Wangen
Sieht er die Jungfrau vor sich steh’n etc.


 


Da faßt ein namenloses Sehnen
Des Jünglings Herz, er irrt allein etc.


 


Das Schönste sucht er auf den Fluren,
Womit er seine Liebe schmückt etc.


 


O daß sie ewig grünen bliebe
Die schöne Zeit der jungen Liebe etc.



[38]

Der Teufel will Arbeit.

„Das Volk ist hier zu matt und schlecht;
Ich seh’, Ihr brauchet einen Knecht,
Herr Vogt, den Ihr in Kält’ und Hitz
Recht schindet in Schindhudelwitz,

5
Und der nicht gleich für krank und todt

Hinfällt im ersten Abendroth,
Und der nicht immer Trank begehrt,
Und der nicht immer Speise zehrt,
Und der nicht ewig müßig steht,

10
Und der nicht immer tanzen geht!

Wie wär’s, wir schlössen den Contrakt? –
Ich bin so einer, der sich plackt.
Ich dusle nicht, wie Hinz und Hans,
Ich kenne nichts von Spiel und Tanz,

15
Ich esse nichts, ich trinke nichts,

Ich reiße, ich zerlumpe nichts,
Ich will nicht Lohn nicht Gaben;
Nur Arbeit muß ich haben,
Sonst werd’ ich schlimm!


 



20
Da sieht der Vogt den Schwarzen an

Und spricht: ich unterschreib! – Wohlan!
Nimm diesen Spaten, zieh dahier
Rings um das Gut den Graben mir:
Sechs Ellen tief, die Breite zehn;

25
Dann wollen wir schon weiter sehn! –

Der Schwarze pustet in die Hand
Und sticht den Spaten in das Land. –
Ho, ho, was wirft der Klöße auf!
Das fliegt und flurrt in vollem Lauf! –

30
Man sieht ihn hier, man sieht ihn da,

Bald ist er fern, bald ist er nah! –
Der Vogt, kaum traut er dem Gesicht,
Da steht er schon vor ihm und spricht:
Herr Vogt: das wäre nun erreicht!

35
Der Boden ist auch gar zu leicht!

Der Graben ist gegraben,
Und Arbeit muß ich haben;
Sonst werd’ ich schlimm!

So hau die Eichenknubben klein:

40
Es werden siebzehn Klaftern sein! –

Hm, sagt der Knecht, wo ist das Beil?
Flink her, ich habe lange Weil’! –
Da liegt der Stiel, er ist entzwei. –
Ganz oder nicht, mir einerlei!

45
Ich schlag’ die Knubben auf den Stein,

Da springen sie schon kurz und klein! –
Er schlägt und schmeißt: das fliegt umher
Als wenn’s Geschirr vom Töpfer wär! –
Die Spähne flirren über’s Haus,

50
Die Stücken weit zum Hof hinaus:

Er liest sie auf und macht dann Schicht,
Und geht zum Vogte hin und spricht:
Der Stein that seine Schuldigkeit,
Die siebzehn Klafter sind so weit!

55
Der Graben ist gegraben,

Und Arbeit muß ich haben;
Sonst werd’ ich schlimm!

Ho! sagt der Vogt: die find’t sich bald,
Geh’, wat’ im Schnee hinaus zum Wald,

60
Wo hundert alte Stöcke stehn,

Sieh zu ob sie herausser gehn;
Da hast ein Weilchen du zu thun,
Ich will indessen etwas ruh’n.
Ruht nicht zu lang, bald sind sie raus,

65
Denkt lieber neue Arbeit aus.

Im Hui! ist nun der Knecht im Wald
Und zerrt und rodet mit Gewalt,
Das Springen all der Wurzeln knallt
Als wenn der Donner kracht und schallt;

70
Er reißt die Stöcke kurz und klein

Und führt sie in den Hof herein.
Herr Vogt! die Stöcke liegen nun
Zersplittert wo die Knubben ruh’n,
Der Graben ist gegraben,

75
Und Arbeit muß ich haben;

Sonst werd’ ich schlimm!


 



Da wendet sich der Vogt im Schlaf:
Jetzt ist es Nacht, vertracktes Schaf;
Drum nimm die Hornlatern’ und geh’

80
Auf’s Feld hinaus, such’ unter’m Schnee:

Da ist manch angefrorner Stein:
Geh’ hin und lies den Acker rein! –

[39]

Pink! Feuer! die Laterne brennt,
Der Teufel nach dem Felde rennt;

85
Und scharrt und fegt und leuchtet drein,

Und pustet drein und rafft die Stein,
Und schmeißt sie, daß sie Feuer spei’n,
Auf einen Haufen überein:
Das ist der letzte! – Nun Herr Matz

90
Was Neues! Aus ist das Gekratz!

Der Acker ist von Steinen rein,
Und Stock und Knubb ist kurz und klein:
Der Graben ist gegraben,
Und Arbeit muß ich haben;

95
Sonst werd’ ich schlimm!


 


Da wendet sich der Vogt und spricht:
Wie lang du machst, du fauler Wicht!
Geh’ hin zum Schreiber, frage den:
Was der dich heißt, das soll gescheh’n!

100
Er wird etwas harthörig sein;

Doch schlag’ ihm nicht die Thüren ein! –
Er rennt zum Schreiber hin und klopft,
Doch Schreibers Ohren sind verstopft;
Er pfeift, ruft, klopft und flucht darein:

105
Soll hier die Arbeit Trommeln sein?! –

Nun schlägt er Wirbel auf der Thür; –
Da guckt der Küster doch herfür:
Hör’ auf mit Trommeln! Wer ist da? –
Ich! – Willst du Arbeit haben? – Ja!

110
Das Feld ist nun von Steinen rein,

Und Stock und Knubb ist kurz und klein,
Der Graben ist gegraben,
Und Arbeit muß ich haben;
Sonst werd’ ich schlimm!

115
Da spricht der Schreiber: spann nur an! –

Der Schwarze spricht: es ist gethan! –
Ich will zur Stadt; der Weg ist schlecht,
Flink her die Steine! fauler Knecht,
Und pflastr’ ihn immer vor mir her;

120
Sonst wird’s den Pferden allzuschwer!

Flink Hand an’s Werk! – Der Schwarze springt
Und holt und stampft, das Pflaster klingt;
Der Schreiber fährt gemach im Schritt:
Da kommt der Teufel prächtig mit.

125
Erst sind die Steine nicht so fern;

Da machts der Teufel flink und gern:
Der Schreiber fährt und singt und lacht
Und spricht: das hab’ ich gut erdacht!
Er ist mit Pflastern hübsch voraus,

130
Sein Springen nimmt sich drollig aus:

Ich laß die Pferde traben,
Der Kerl will Arbeit haben;
     Sonst wird er schlimm!


 


Er trabet immer schneller fort:

135
Da ruft der Teufel: Herr ein Wort! ’

Laßt sein den Trab, ich komm’ nicht mit!
Ich hab s zu weit; fahrt lieber Schritt! –
Eh! spricht der Schreiber: sei nicht faul!
Und haut ihn tüchtig über’s Maul. –

140
Da rennt der Teufel, was er kann,

Und schleppt und setzt von neuem an:
Und immer flinker wird sein Lauf,
Je ferner ist der Steine Hauff!
Doch endlich fährt, mit Saus und Braus,

145
Er in die Luft: ich halt’s nicht aus! –

Da lacht der Schreiber hinterdrein:
Fahr’ zu den Raben Hämmerlein!
Du bist ein Kerl, du wär’st was nütz
Zum Knechte für Schindhudelwitz!

150
Das ist ja zum begraben:

Solch’ Volk will Arbeit haben;
     Sonst wird es schlimm! –



[40]

Die kranken Kartoffeln.


 


Chirurg. Man untersuche sorgfältig jeden Patienten von außen, zertheile ihn 3–4 Mal mit kunstgerecht geführten Schnitten, schneide durch mein eigens hiezu erfundenes Operationsmesser und nach meiner später noch bekannt zu machenden Methode jede krankhafte Stelle aus, und zwar so, daß noch ¼ Schuh vom Gesunden mitgenommen werde –

Arzt. O quanta est tua ignorantia! Hier handelt es sich um eine innere Krankheit. Man lege die Patienten 3 Tage in guten Burgunderwein, verdampfe täglich einige Maaß Schwefeläther, und –

Bauer. Wer zahlt aber das? Ich meinte allweil, die ganz schlechten gibt man den Säuen, die bessern wäscht und stößt man, und backt dann ein gutes Brod daraus, – so meinet ich.



Geschichten, wie man sie sich in Pommern erzählt.
Zweite Geschichte.


Wissen Sie, wie man in Nordamerika die Hasen fängt? – Man fängt die Hasen in Nordamerika im Winter, zur Nachtzeit; es muß aber sehr kalt sein. Man nimmt eine Laterne, thut ein brennendes Licht hinein und geht damit hinaus auf ein Feld, wo viele Hasen sind. Dort setzt man die Laterne auf den Boden und versteckt sich hinter einen Busch. Die Hasen, die das Licht sehen, denken bei sich: „Schock Schwerenoth, wo kommt denn die Laterne her?“ und schleichen neugierig näher. Sie setzen sich im Kreise herum und gucken in das Licht. Von dem unverwandten Hinsehen gehen ihnen bald die Augen über; die Thränen laufen auf den Boden herab und sie frieren fest. Wenn sie festgefroren sind, tritt man vor, bricht sie ab, und steckt sie in die Jagdtasche.


 





Redaction: Caspar Braun und Friedr. Schneider. – München, Verlag von Braun & Schneider.
Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von Dr. C. Wolf & Sohn in München.