Fleischverkauf an Berliner Arme
[420] Fleischverkauf an Berliner Arme. (Zu dem Bilde S. 401.) Wen der Zufall einmal in den frühen Morgenstunden durch die Hauptstraßen Berlins, etwa durch die Leipziger- oder die Friedrichstraße, führt, der kann dort eigenthümliche Gruppen beobachten. Vor den Thüren der großen Schlächterläden sieht er ärmlich gekleidete Frauen und Kinder, mitunter wohl auch Männer sich drängen: sie warten oft schon seit der dritten Morgenstunde anf den Augenblick, da der Schlächter seine Thür öffnet und ihnen Fleischabfälle und Knochen um ein billiges Geld verkauft. Mancher Familie, auf deren Tisch sonst Fleisch ein unbekannter Gast bliebe, ist durch diese Einrichtung in der Lage, sich wenigstens ab und zu und in geringeren Mengen das kräftige Nahrungsmittel zu verschaffen, denn das Pfund wird bei diesen morgendlichen Ausverkäufen im Durchschnitt nur mit 25 Pfennig berechnet, und dabei handelt es sich nicht etwa um schlechte Ware, sondern um jene kleineren Brocken und Schnipsel, die beim Zuwägen der schönen großen Stücke in Abfall kommen. Nur ist der verfügbare Vorrath natürlich nicht allzu groß, und deshalb geschieht es immer, daß einige mit getäuschten Hoffnungen und leerem Korbe wieder abziehen müssen.
Unser Bildchen führt uns in einen gedrängt vollen Laden. Auf dem Tische stehen bereits Schinken und andere Delikatessen für die feineren Kunden des Tages, auf dem Hackblock zur Seite aber macht der Fleischergeselle die Portionen für die frühen Besucher zurecht, während die Ladnerin den Einzug der Nickel- und Kupfermünzen besorgt.