Fingal’s „erstes Feld“

Textdaten
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Titel: Fingal’s „erstes Feld“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 589, 599
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[589]

Fingal’s „erstes Feld“.
Nach dem Oelgemälde von Edmund Herger.

[599] Fingal’s „erstes Feld“. (Mit Illustration S. 589) Der alte Oberförster Wolff – so erzählte kürzlich der Baron von S… im Kreise einiger Bekannten – war, wie dies bei einem Forstmanne nur selbstverständlich ist, ein vortrefflicher Jäger und galt allgemein als eine Autorität in der Abrichtung und Führung der Hunde für die Zwecke des edlen Waidwerks. Sein „Feldmann“ genoß darum eines gewissen Rufes und Ansehens in der Jägerwelt, sodaß neben ihm kein anderer Hund etwas gelten oder gar mit Feldmann verglichen werden konnte. Nun hatte ich mir einmal einen jungen Hund von vortrefflicher Rasse und Abstammung eingethan und ließ ihn bis zu seiner Gebrauchsfähigkeit bei einem mir bekannten Förster, Namens Maier, ebenfalls einer Autorität in der Hundedressur, erziehen. Dieser Tag, an welchem mein junger Fingal unter meiner persönlichen Führung zeigen sollte, was er gelernt hatte, der Tag „seines ersten Feldes“, war nun gekommen, und ich nahm ihn mit zu einer von Oberförster Wolff veranstalteten kleinen Jagd, auf welcher einige Hasen geschossen werden sollten.

Mit Kennerblick musterte der alte Hunde-Erzieher alsbald Bau, Behäng, Gebiß und Ruthe Fingal’s und sprach mir unverhehlt seinen Beifall aus. Als er jedoch hörte, daß Maier ihn abgerichtet und geführt habe, rümpfte er die Nase und sprach nur das eine Wort: „Schade!“ Natürlich bat ich ihn jetzt um Erklärung und Begründung dieses mir unverständlichen Mißfallens, worauf Wolff, der – wie ich später erfuhr – mit dem genannten Förster nicht gut stand, kurz erwiderte: „Maier versteht nichts von der Abrichtung, – alle von ihm geführten Hunde ‚schägern‘ und ‚schneiden an‘, – Sie werden sehen, das Hundchen ist verdorben, total verdorben. Schade, Sünd’ und schade dafür!“

Dies war mir natürlich eine höchst unangenehme Eröffnung, aber im Stillen hoffte ich doch, daß es nicht gar so arg sein werde und daß, wenn Fingal wirklich die genannten schlechten Eigenschaften haben sollte, diese ihm „durch energische Korallen“ abgewöhnt werden könnten. Dieses Trostes voll, koppelte ich Fingal von der Leine und ließ ihn ein Stück Feld absuchen. Er machte seine Sache ganz gut, aber – es mußte mir vor Abgang zur Jagd ein altes Weib über den Weg gelaufen sein: ich kam nicht zum Schuß. Endlich aber, schon fast zu Ende der Jagd, zog mein Fingal an; ein Hase stand auf und wurde flüchtig. Blitzschnell hatte ich da die Flinte am Backen und – ließ schnappen. Aber ich hatte entschiedenes Pech: der Hase machte einige Kreuz- und Quersprünge und – verschwand im nächsten Kornfelde. Fingal aber a tempo auf und, die Nase am Boden, ihm nach. Alles Rufen und Pfeifen half nicht – laut kläffend jagte er dem Hasen, den ich gefehlt zu haben glaubte, nach und verschwand wie dieser.

„Nun, was habe ich gesagt?“ rief da der Oberförster etwas schadenfroh zu mir herüber, „Sie sehen, daß ich Recht hatte: er schägert und schneidet sicher auch an, – das Vieh ist keinen Schuß Pulver werth!“

Mißmuthig warf ich die Flinte über den Rücken und wandte, neben dem Oberförster einhertrollend, meine Schritte heimwärts. Einmal noch kam ich unterwegs zum Schuß auf einen Hasen, den mir der „unfehlbare“ Feldmann apportirte, dann traten wir den Weg zum nahegelegenen Dorfe an, um daselbst gewohntermaßen den „letzten Trieb“ im „Adler“ abzuhalten. Aber kaum hatten wir uns daselbst niedergelassen, so schritt gravitätisch hinter dem Adlerwirth – mein Fingal zur Thür herein, einen Hasen regelrecht apportirend.

Ein allgemeines „Ah!“ entfloh da den Lippen meiner Jagdgenossen bei diesem unerwarteten Anblick, und der Oberförster nahm das eben angesetzte Deckelglas wieder vom Munde und rief sichtlich erstaunt: „Bei Sanct Hubert – ich glaube gar, der Fingal bringt Ihren Hasen, Herr Baron!“

Es war wirklich so. Der vermeintliche „Schäger“ hatte die Fährte des nur leicht angeschossenen Hasen aufgenommen und hatte diesen, der nur wenig am Hinterlauf schweißte, in seinem Feuereifer auf eine weite Strecke verfolgt und endlich gefaßt. Durch regelrechtes Schütteln, nicht durch Anschneiden, hatte er ihm den Garaus gemacht und unternahm es sodann pflichtgemäß, mir die gemachte Beute stolz zu überbringen. Aber der starke Hase war dem jungen Hund offenbar viel zu schwer. Wohl zwanzigmal mochte er ihn unterwegs abgelegt und wieder aufgenommen haben, weshalb er mit seiner Last erst dann zu der Stelle gelangte, wo er mich zu finden hoffte, als ich sie gerade verlassen hatte. Aber der wackere Hund ließ sich hierdurch nicht abschrecken: mit dem Hasen im Maul nahm er nun sofort meine zum Dorfe in den „Adler“ führende Fährte auf, wo er mich endlich glücklich fand und mir – ich möchte sagen – „stolz“ seine Beute ablieferte.

Von diesem Tage an war mein Fingal, der solchermaßen auf „seinem ersten Feld“ sein Meisterstück gemacht hatte, dem unfehlbaren Feldmann ebenbürtig. Sogar der Oberförster mußte dies zugestehen, jedoch jeweils mit dem Beifügen, daß dies nur Fingal’s eigenes Verdienst vermöge seiner Rasse und Begabung, nicht aber das des Försters Maier sei, denn dieser verstehe nichts von der Hunde-Abrichtung.

So schloß der Baron seine Jägern gewiß interessante Mittheilung. Ob er in dieselbe einiges „Latein“ verflocht, vermag ich allerdings nicht zu beurtheilen.