Für Mütter. Nach der Impfung

Textdaten
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Autor: Dr. -a-
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Titel: Für Mütter. Nach der Impfung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 139
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[139] Für Mütter. Nach der Impfung. Der fünfzehnte Paragraph der Instruction für Impfärzte lautet: „Nach Ausführung der Impfung ertheilt der Impfarzt den Angehörigen des Impflings, beziehentlich diesem selbst, die erforderlichen Belehrungen bezüglich der während des Verlaufes der Kuhpocken zu beobachtenden Maßregeln.“

Das Impfgesetz sucht zwar durch diese wohlgemeinte Verordnung den Nachtheilen zu begegnen, welche die Impfung in seltenen Fällen, besonders bei falscher Behandlung der Schutzpocken, mit sich bringt, doch kann der obige Paragraph in seiner jetzigen Fassung nur bei Impfungen in der Privatpraxis von Erfolg begleitet sein, bei den Massenimpfungen dagegen, wo die Kenntniß desselben gerade besonders nothwendig ist, verhindert die Menge der Impflinge seine genaue Ausführung. Der gewöhnliche Verlauf der Schutzpocken ist bekannt: Am dritten Tage gelinde Röthung an der Impfstelle; auf der gerötheten Hautpartie entwickelt sich eine kleine wasserhelle Blase, welche an dem achten Tage zu ihrem vollen Umfange gelangt. Der Inhalt trübt sich darauf, trocknet zu einer Kruste ein, und unter dieser bleibt die erst rothe, später weiße Impfnarbe zurück. Die Abweichungen, welche die normale Abheilung erleidet, sind in der Regel zweifacher Art. 1) Die beinahe stets um die Pusteln bestehende sonst [140] geringe Entzündungsröthe breitet sich weiter aus und ergreift schließlich bei sehr reizbarer Haut den ganzen Oberarm; 2) die Impfstellen fließen, besonders wenn vermittelst langer Querschnitte geimpft wurde, bei scrophulösen, blutarmen Kindern zu einem unter Umständen thalergroßen, langsam heilenden Geschwüre zusammen. An dieser verderblichen Ausdehnung, welche der sonst so gutartige Proceß gewinnt, trägt aber nicht die Impfung, sondern allein das nicht rechtzeitige Einschreiten von Seiten der Mutter die Schuld. Schon vom Beginne an ist das beliebte Bedecken der Impfpusteln mit Fett oder Hirschtalg streng zu verwerfen. Im Sommer zersetzen sich die Fette rasch zu riechenden gährenden Stoffen, welche die wunde Stelle nur reizen und entzünden. Es muß dem Fette eine die Zersetzung hindernde Substanz beigesetzt werden, am besten Carbolsäure (ein halbes Gramm Carbolsäure aus dreißig Gramm Fett). Mit dieser Salbe wird vom dritten Tage an das zweimal täglich zu erneuernde Leinwandstückchen dünn bestrichen, darüber eine leinene Binde nicht zu fest gebunden und, um jede Reibung zu verhindern, der Arm mit unter dem Kleid befestigt. Sollte sich dennoch die Entzündungsröthe oder Eiterung steigern, so bringen kalte Umschläge, wenn möglich mit Eis gemischt (Servietten in das Wasser getaucht, ausgedrückt, um den Arm geschlungen, mit einem wollenen Tuche bedeckt und höchstens eine Viertelstunde liegen gelassene dieselben binnen Kurzem zum Stillstande. Selten entwickeln sich gleiche Impfpusteln wie am Arme auch an anderen Körperstellen, sie gelangen gleich diesen gefahrlos zur Abheilung.

Ungerechtfertigt ist die Furcht so mancher Mutter vor dem Abimpfen; die Oberfläche der Pustel, ein todtes Stückchen Haut, wird nur angestochen; der Inhalt tritt von selbst heraus, ohne den geringsten Nachtheil oder Schmerz für das abgeimpfte Kind hervorzurufen. Leider herrscht aber heute die Ansicht, die Impfung habe den schlechten Zustand unserer Generation verschuldet; man bedenkt nicht, daß die angeborenen Körperstörungen, wie Scrophulose und englische Krankheit, sich erst nach dem ersten Jahre offenbaren, und eine unparteiische Beobachtung zeigt genügend andere, freilich für die Eltern nicht so schmeichelhafte Entstehungsursachen wie die Impfung. Der Arzt möchte verzweifeln, wenn eine vollständig scrophulöse Mutter ihm ihr augenkrankes Kind mit den Worten bringt. „Sehen Sie, Herr Doctor, das kommt nur vom Impfen.“

Vor Kurzem verschoben wir die Impfung eines Kindes wegen eines anhaltenden Hustens. Zufällig entwickelte sich bei dem bis dahin vollständig gesunden Knaben (Vater aber schwindsüchtig) gerade unterhalb der Impfstelle am Arme eine scrophulöse Drüseneiterung, welche sogar die Mutter zu dem Ausspruche veranlaßt: „Wie gut, daß Sie ihn nicht impften! Ich hätte sicher nur hierin den Grund der Erkrankung gesucht.“ Die „Gartenlaube“ hat nicht die Pflicht, wie immer noch Anfragen fordern, die Scheingründe der Impfgegner zu besprechen. Dagegen möchten wir die Letzteren bitten, vorurtheilsfreier als zeither in manchen Fragen der Medicin zu urtheilen und vor allem endlich die Spitzpocken von ihrer Pockenstatistik auszuschließen. Gegen letztere übrigens ungefährliche Kinderkrankheit, welche, wie jetzt wissenschaftlich feststeht, nichts anderes mit den Pocken gemein hat, als eine oft sehr große Aehnlichkeit, kann die Impfung ebenso wenig schützen, wie gegen Masern und Scharlach. Im Interesse der Impfung ist es aber dringend wünschenswert, die oben beschriebenen Abweichungen dadurch zu vermeiden, daß:

a. entweder in den Impflocalen gedruckte Verhaltungsmaßregeln ausliegen oder der Impfling, weil ein richtiges Verständniß solcher Verordnungen oft einige Schwierigkeit verursacht, noch zu einer kurzen dritten Besichtigung bestellt wird;

b. man sich an Stelle der immer noch vielfach üblichen langen Querschnitte überall kurzer, vollständig gefahrloser Längsschnittchen bediene.

Dr. -a-.