Entwischt! (Die Gartenlaube 1895/40)

Textdaten
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Autor: Karl Brandt
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Titel: Entwischt!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 669, 687–688
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[669]

Entwischt.
Nach einem Gemälde von P. Reiffenstein.

[687] Entwischt. (Zu dem Bilde S. 669.) Zweifellos ist von allem heimischen Getier Meister Reineke am bekanntesten und jedermann weiß dies oder jenes von seinen Thaten zu erzählen. Aber Wahrheit und Dichtung haben ihn in einer Weise verherrlicht, daß kaum der Jäger, der doch oft Gelegenheit hat, ihn zu beobachten, die poetische Umhüllung von seinem Lebensbilde abzustreifen weiß. Von allen seinen Eigenschaften ist es die Schlauheit, die am meisten hervorgehoben wird und ihn in einem Lichte erscheinen läßt, als stände er in Bezug hierauf dem Menschen nahe oder überträfe ihn sogar noch. Zweifellos handelt er öfters mit Ueberlegung und es macht seinem Verstande alle Ehre, daß er sich z. B. tot stellt, wenn sein teures Ich in großer Gefahr schwebt, und dann im günstigen Augenblicke seinen Balg zu retten weiß. Allein seine Veranlagung steht doch in anderen Punkten der manchen Wildes nach.

Reineke kann z. B. den an einem Baum lehnenden oder auch unbeweglich frei sitzenden Jäger nicht erkennen, während das Alttier (Hindin) und die Ringeltaube sofort durch ihre Flucht bekunden, daß sie die Gefahr erkannt haben. Ich sah einmal vom Deister aus auf weite Entfernung einen Fuchs im Felde mausen. Um so nahe heranzukommen, daß ich ihn „reizen", d. h. durch Nachahmen von Hasengeschrei heranlocken konnte, mußte ich durch einen Hudekamp, der rings von dichten Hecken umschlossen war. Durch diese führten zwei Triftlücken. Mitten im Kampe sah ich, daß Reineke ventre á terre auf die untere Einfahrt zu galoppierte, er war von einem Dünger fahrenden Bauern durch Peitschenknall beim Mausen gestört. Rasch entschlossen kniete ich nieder, stützte den linken Ellbogen aufs Knie, stach die Büchsflinte ein und erwartete meinen Freund. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten – aus seiner raschen Gangart war Trab geworden und er kam durchs Heckenloch spitz auf mich zu. Auf 70 Schritt blieb er stehen, drehte sich um, aber es schien ihm alles so sicher, daß ich noch nicht schoß – und Reineke fing auch wirklich wieder an, auf mich zuzuschnüren. Auf 15 Schritt blieb er stehen und fing an, mich zu mustern. Ich schloß die Augen so weit, als es ging, um noch sehen zu können, da alles Wild den Jäger am [688] leichtesten an den Augen erkennt. Jetzt äugte der Fuchs mir ins Gesicht. Ich sah, daß er seinen gelblich braunen Augenstern auf den meinigen richtete. Doch das nur einen Augenblick, dann war sein Blick wieder ins Unbestimmte gerichtet und er machte eine Viertelrechts-Wendung und trabte ruhig weiter. Ich bin überzeugt, daß er auf drei Schritt an mir vorübergetrabt wäre und mich erst durch den Wind erkannt hätte – – wenn meine Flinte nicht gewesen wäre.

Auch der uns vom Künstler auf dem Bilde „Entwischt“ vorgeführte Fuchs gehört nicht zu den schlauesten seiner Sippe. Er war nicht nahe genug herangeschlichen und wußte die Entfernung zwischen ihm und Wildente nicht richtig zu schätzen, sonst würde er die Beute im Sprunge ergriffen haben und brauchte sich nicht mit der Feder zu begnügen. Tröste dich, Reineke, mit anderen Jägern! Auch sie schießen vielfach, daß die Federn stieben, und schauen dann gerade so sehnsüchtig hinter dem Braten her, wie du es thust. Karl Brandt.