Emin Pascha und Casati
Emin Pascha und Casati.
Noch hat sich die Aufregung nicht gelegt, welche Stanleys Buch über seine Expedition von der Westküste Afrikas nach dem Albertsee zur Rettung Emin Paschas in allen Ländern Europas und Amerikas geweckt hat, noch sind der Aerger und die Enttäuschung nicht verwunden, welche die Rivalen Deutschlands
im Wettbewerb um die Kolonisirung Ostafrikas durch Emin Pascha erfuhren, als er nach seiner Genesung in Sansibar, statt in die Dienste der Engländer oder des Kongostaates zu treten, seine Kräfte dem Deutschen Reiche zur Verfügung stellte: und schon hat der kühne Mann wieder die Fluthen des Victoria-Nyanza befahren, hat er an dessen Ufern der Wissenschaft und dem Welthandel, aber auch der Kolonialmacht Deutschlands neue Stationen und Bollwerke errichtet.
Während er aber auf solche Weise die gegen ihn von Stanley erhobene Beschuldigung, ein Mann ohne Unternehmungsgeist und entschlossener Thatkraft zu sein, sofort nach Herstellung seiner schwer gefährdeten Gesundheit aufs glänzendste durch Entschlüsse und Thaten widerlegt hat, die überzeugender wirken, als es auch die gründlichste Vertheidigung in geschriebener Rede vermöchte, hat der Italiener Casati nach der Rückkehr in seine lombardische Heimath Muße gefunden, der Welt in einem Buche ausführlich zu erzählen, was er im Laufe seines zehnjährigen Aufenthalts in Aequatoria mit Emin zusammen oder doch wenigstens im Bezirk von dessen Wirksamkeit Großes und Grausiges, Schönes und Schreckliches erlebt hat.
„Zehn Jahre in Aequatoria und die Rückkehr mit Emin Pascha“ (Bamberg, C. C. Buchner) ist der Titel des Buchs, das gleichzeitig mit dem italienischen Original in alle europäischen Hauptsprachen übersetzt und mit reichem Bilderschmuck versehen soeben erscheint. Das außerordentliche Interesse, das man dem Werke des Capitano Gaëtano Casati entgegenbringt, entspricht der Bedeutung, welche gegenwärtig Ostafrika und seine fruchtbaren Hinterländer nicht nur auf dem Gebiete der geographischen Forschung, sondern auch im Bereiche der internationalen hohen Politik genießen. In Deutschland ward dieses Interesse noch erhöht durch die allgemeine persönliche Theilnahme für Emin Pascha und die Hoffnung, der italienische Reisegefährte Emins auf der beschwerdereichen Wanderung unter Stanley von Kawalli nach der Ostküste werde die „Ehrenrettung“ des Paschas übernehmen gegenüber den unverdienten Herabsetzungen, mit welchen Stanley das widerstrebende Opfer seines Rettungseifers in dem Buche vom „dunkelsten Afrika“ bedacht hat.
Diese Erwartung wird durch Casatis Werk jedoch nur zur kleineren Hälfte befriedigt. Wohl weiß er außerordentlich viel von den Begebenheiten und Ereignissen zu erzählen, welche in den verschiedenen Theilen der Provinz unter den eingeborenen Stämmen sich vollzogen, während Emin unter dem Drucke des Vordringens der Mahdisten seine militärische Macht erst in Ladò und dann weiter südlich in Wadelai konzentrirte. Obgleich lange Zeit ohne andere Beziehung zu Emin Pascha als die eines Schutzbefohlenen, wie sie dem Verhältniß eines unabhängigen Forschungsreisenden aus Europa zu dem europäischen Statthalter in dem Gebiet seines Forschens naturgemäß entspricht, hatte er schon frühe wiederholte Gelegenheit, Kenntniß von manchen politischen Maßnahmen des gelehrten Gouverneurs zu erhalten. Nach Stanleys Ankunft und namentlich auf der Rückreise wurde das Verhältniß intimer. Casatis Mittheilungen über Stanleys Handlungen und Unterlassungen bestätigen durchaus, daß Stanleys Expedition zum Entsatz Emins in so hilfsbedürftigem Zustand am Albertsee ankam, daß die vor allem nöthige Hilfe, statt von Stanley geleistet zu werden, von diesem beansprucht werden mußte.
Sie bestätigen weiter, daß Stanley, nachdem er die ihm anvertraute Hilfstruppe erst getheilt, dann die Vorhut in unbegreiflicher Verblendung durch völlig fremde Urwaldwildniß gezwängt und dabei im Kampf mit ihren Gefahren mehr als die Hälfte der Männer geopfert hatte, sich besser von Emin hätte an die Küste zurückführen lassen, statt diesem auf der Reise jedes Führerrecht zu bestreiten. Sie bestätigen schließlich, daß Emins Lage erst durch Stanley, sein langes Ausbleiben, das Zurücklassen der halben Mannschaft und der für Emin bestimmten Vorräthe in Jambuja, seine wiederholte Abreise und langsame Wiederkehr eine so gefährliche und verzweifelte wurde, wie sie schließlich war, als Stanley endlich bereit stand, mit Emin und seinen Truppen den Marsch an die Ostküste anzutreten. Casati zeigt, daß Emin gerade im Begriffe war, im Süden seiner Provinz an Macht zu gewinnen, was er im Norden infolge des siegreichen Vordringens der Mahdisten eingebüßt hatte, daß er mit dem mächtigsten Negerkönig im Seengebiet in Beziehungen stand, die ihm den schon von [142] Junker benutzten Weg nach Uganda und damit nach der Ostküste offen hielten, als gerade die Ankunft Stanleys das Vertrauen dieses Königs zu Emin erschütterte. Das Buch klärt uns darüber auf, daß Emins Weigerung, ohne die ihm anvertrauten ägyptischen Soldaten und Beamten Stanley zu folgen, nicht nur auf dem Treugefühl eines Führers zu seiner Truppe beruhte, sondern noch erhöht ward durch das bei Emins gelben und schwarzen Untergebenen bestehende Mißtrauen, die Hilfe Stanleys werde nur den Weißen zugute kommen, während sie sich selbst überlassen blieben. Dieses Mißtrauen, welches mit ängstlich eifersüchtigen blicken Emin umlauerte, das Verlangen seiner Truppe, er, der Pascha, der sie in ihre isolirte Lage gebracht, müsse auch ihr weiteres Schicksal theilen, versetzte ihn im Bunde mit den edlen Eigenschaften seines Herzens in jene Lage des Zuwartens und der Ablehnung, die Stanley auf Emins vermeintlicher Energie- und Planlosigkeit zu erklären gesucht hat, während ihre weitere Ursache doch in Stanleys Unfähigkeit lag, Emin sammt seinen Schutzbefohlenen die von diesem mit Recht erwartete Hilfe unbedingt und rechtzeitig zu gewähren. Auch Stanleys Doppelspiel, in welchem er an Emin bald als Bevollmächtigter des Khedive, bald als Vertreter des Kongostaats, bald als Agent der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft mit sich widersprechenden Rathschlägen und Anerbieten herantrat, geht aus Casatis Darstellung deutlich hervor.
Aber bei dieser Gelegenheit zeigt sich auch, daß Casati selbst kein einwandfreier Zeuge ist. Auch er schiebt dem Pascha für sein Zögern Beweggründe unter, die ihn als eitel, planlos, eingebildet und phantastisch erscheinen lassen, ohne doch dafür stichhaltige Beweise zu bringen. Durch sein ganzes Buch zieht sich der Vorwurf, daß Emin durch die hartnäckige Ablehnung der guten Rathschläge, die er – Casati – ihm gegeben, all sein Unglück sich selbst zugezogen. daß er ihm nicht genügend Vertrauen geschenkt und es unwürdigen Rathgebern zugewendet habe. Es ist daher ganz falsch, wenn der deutsche Prospekt zu dem Werke von dessen Autor sagt: er habe Emins volles Vertrauen genossen und sei mit diesem in den Jahren des gemeinsamen Aufenthalts in Aequatoria „durch die Bande der innigsten Freundschaft auf das Engste verknüpft“ gewesen.
Diese Ausdrücke entsprechen ebensowenig dem Sachverhalt wie die Versicherung, das Buch enthalte Emins Ehrenrettung. Trotz des sichtlichen Bestrebens, gegen den von ihm als Forscher und Mensch aufrichtig verehrten Mann gerechter zu sein als Stanley, trotz der scharfen Vorwürfe, die er dem letzteren wegen seines Verhaltens gegen den Pascha macht, steht er selbst unter dem Einfluß persönlicher Verstimmung und Voreingenommenheit, wenn auf sein eigenes Verhältniß zu dem berühmteren und bedeutenderen Genossen im Felde der Afrikaforschung die Rede kommt. Und diese Verstimmung hat ihren guten Grund.
Casati war sichtlich bestrebt, nachdem die gefährliche Lage im offenen Land Emin veranlaßt hatte, den italienischen Forscher von seinem Studiengebiet in den sicheren Schutz seiner Residenz zu laden, auf die Regierung des Gouverneurs Einfluß zu gewinnen. Während Dr. Junker aus dem von Norden her bedrohten Ladò die Rückkehr südwärts über Uganda antrat, blieb Casati bei Emin und suchte sich nützlich zu machen. Es stellte sich dabei sehr bald ein scharfer Gegensatz der Ansichten heraus: Casati schwärmte für offenen Kampf gegen die Mahdisten, Vereinigung der Kräfte zu diesem Zweck in den nördlichen Stationen; im Falle der Ablehnung dieses Plans war er für einen geschlossenen Rückzug in nordwestlicher Richtung durch die Gebiete friedlicher Negerstämme, deren Sinnesart ihm bekannt war. Emin dagegen, der bei der hoffnungslosen Lage des von dem Mahdi eroberten Sudan nicht an die Möglichkeit glaubte, eine freie Bahn in nördlicher Richtung nach dem Unternil zu finden, setzte seine ganze Hoffnung auf die südlichen Stationen und eine den offenen Kampf vermeidende Politik, die sich durch kluge Verhandlungen mit dem Negerkönig von Unjoro den Weg nach den Missionsstationen in Uganda offen hielt. Auf diesem Weg allein erhielt er denn auch Nachrichten und Weisungen aus Sansibar, Kairo und Europa, auf diesem Weg allein erwartete er die Hilfe, die er sich erbeten, auf diesem Weg allein hatte er Aussicht, ohne nutzloses Vergeuden seiner Kräfte und zweckloses Blutvergießen im Nothfalle einen Rückzug nach Sansibar unter Verzicht auf fremde Hilfe durchzuführen.
In alledem scheint er uns das Richtige getroffen und mehr Klugheit und Ueberlegung entfaltet zu haben als der heißblütige, kampflustige Italiener. Daß seine Politik zweimal gestört und durchkreuzt wurde durch den Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen Unjoro und Uganda, während deren er es weder mit der einen Partei noch mit der anderen halten konnte, weil er es mit keiner verderben durfte, dies waren unvorhergesehene Schicksalsschläge, denen auch der vorsichtigste Stratege nichts entgegenstellen kann als Geduld und Ruhe im Erwarten besserer Umstände. Und in der Entfaltung von Ruhe und Geduld an der Spitze von aufgeregten Truppen, die täglich mit Unbotmäßigkeit drohten, hat Emin in jenen Jahren – ein zweiter Fabius cunctator – um so Bewunderungswürdigeres geleistet, als er mit dieser Zurückhaltung eine rastlose Thätigkeit verband, um die Zeit zum Besten der Civilisirung der von ihm beherrschten Gebiete und für wissenschaftliche Erforschung ihrer allgemeinen Lebensverhältnisse nach Kräften auszunutzen.
Uebrigens muß, nachdem Emin einmal sein Hauptquartier von Ladò nach Wadelai verlegt hatte, dem thatenlustigen Kapitän die „südliche“ Politik Emins schließlich doch in dem Grade eingeleuchtet haben, daß er freiwillig im Dienste derselben einen wichtigen Auftrag übernahm. König Tschua von Unjoro, auch Kabrega genannt, sprach in den Verhandlungen, die Emin selbst mit einem persönlichen Besuch bei ihm eingeleitet hatte, den Wunsch aus, daß ein Vertreter Emins seinen ständigen Aufenthalt in Dschuaja, seiner Residenz, nähme. Tschua hatte versprochen, den Boten, die Emins Briefverkehr über Uganda mit Sansibar vermittelten, offenen Weg durch sein Land zu gewähren. Zur Ueberwachung dieses Verkehrs sollte ein Beamter Emins nach Dschuaja kommen. Casati erbot sich zur Uebernahme dieses Postens und wurde von Emin mit der wichtigen Aufgabe betraut. Er entfaltete im Anfang mit gutem Erfolg die trefflichen Eigenschaften seines mannhaften, energischen und für den Verkehr mit den stets mißtrauischen Schwarzen auch theilweise recht glücklich veranlagten Wesens. Als er aber Ursache fand, in den guten Willen des gewaltthätigen, waffen- und ländergierigen Negerdespoten die stärksten Zweifel zu setzen, als er allerlei Intriguen desselben entdeckte und sich selbst umspäht und umlauert sah von geheimen Beobachtern, schließlich gar von nächtlich seine Wohnung umschleichenden Meuchelmördern, da betrat auch er den Weg der List und Intrigue, ließ durch von ihm Bestochene die Berathungen des Königs belauschen, forderte dann dessen Haß durch Drohungen heraus und gerieth dadurch mit diesem in Konflikte, die nicht nur ihn, Casati, beinahe das Leben kosteten, sondern auch die Interessen Emins aufs Spiel setzten.
Emin, der durch Boten erfahren hatte, daß Casati mit seinen Getreuen sich unter dem Fluche des Blutbannes auf der Flucht nach der Grenze am Albertsee befände, rettete ihn zwar, indem er mit seinem Dampfer das Ufer absuchte, aber der Gerettete sah sich als „Gefallener“ begrüßt, gefallen in der Gunst Emin Paschas. Er habe die Lage der Regierung durch seine überaus schroffe Haltung erschwert, die Beziehungen zu dem Könige von Unjoro und den Großen leichtsinnig und starrköpfig behandelt, die Zukunft der Statthalterei untergraben: das war das Urtheil Emins, welches den Flüchtling am Bord des „Khedive“, nachdem die Freude über seine Rettung schnell verstummt war, empfing. Casati fühlte sich im Innersten gekränkt, er nahm den Tadel mit Schweigen auf. Das peinliche Verhältniß wurde auch nicht behoben durch Emins spätere Erklärung, er habe inzwischen den König Tschua durch unmittelbare Verhandlung wieder zu versöhnen gewußt. Erst der gemeinsame Aerger über das Verhalten des bald danach endlich in Kawalli am östlichen Ende des Sees eingetroffenen Stanley knüpfte wieder das Verhältniß zwischen beiden Männern fester und brachte über der gegenseitigen Verstimmung wärmere Empfindungen zur Blüthe.
Eine vollkommen unparteiische Beurtheilung Emin Paschas und der Art, wie er sich als Statthalter des Khedive unter den schwierigsten Umständen in Aequatoria behauptet hat, bietet also auch Casatis Buch nicht. Die so wünschenswerthe völlige Aufklärung ist auch nach Lage der Dinge nur von Emin Pascha allein zu erwarten. Der Hauptwerth des Casatischen Buches besteht dagegen in der Fülle von sorgfältig gesichtetem, klar dargestelltem Material wissenschaftlicher Beobachtungen, die er mit seltenem Forscherglück und echtem Forscherernst während seines zehnjährigen Aufenthaltes in Aequatoria gesammelt hat. So gründlich und so umfassend wie er hat noch kein Forscher die Naturverhältnisse, die Kulturzustände in den so verschiedenartigen Landstrichen und unter den vielen, von den arabischen Sklavenhändlern bedrängten Negerstämmen [143] Aequatorias erforscht. Durch seine erwähnte diplomatische Sendung erhielt er die Gelegenheit, die Zustände eines kulturell sehr hochstehenden, bisher fast unbekannten Negerstaates bis ins einzelne kennenzulernen. Bei dem Interesse, das gerade das fruchtbare Ländergebiet zwischen dem Albert- und Viktoriasee und damit die beiden großen Reiche von Unjoro und Uganda. gegenwärtig für die deutsche Kolonialpolitik haben, sind die inhaltlichen Kapitel, die von Casatis Aufenthalt beim König Tschua handeln, für die Gegenwart von größter Bedeutung. Mit Staunen erfahren wir, daß hier neben grausamen Gewohnheiten und ekelhaften Sitten sich im Betriebe der Landwirthschaft und blühender Gewerbe sowie in vielen Staatseinrichtungen ein Kulturzustand spiegelt, wie man ihn am wenigsten bei den wilden Bewohnern von Ländergebieten erwarten konnte, die bis vor kurzem der europäischen Kultur gänzlich entrückt waren. Nicht minder interessant sind die Ergebnisse seiner Forschungen im Uellethal, die jenen späteren Erlebnissen vorausgingen. Sie bildeten die eigentliche Aufgabe, die ihn Ende 1879 zum Verlassen der Heimath veranlaßt hatte, als die Redaktion des römischen „Esploratore“ von Gessi Pascha aus dem Sudan den Wunsch erhielt, sie möchte eine geeignete jüngere Kraft zur eingehenden Erforschung des seiner Verwaltung unterstellten Gebietes ihm senden.
Gaëtano Casati war damals 41 Jahre alt. Als Sohn eines Arztes in Lesmo (Brianza) geboren, hatte er sich der militärischen Laufbahn bei den Bersaglieri gewidmet und mit seinem Bataillon elf Jahre lang dem abenteuerreichen Beruf obgelegen, die südlichen Provinzen Italiens von den Briganten zu säubern. Dann war er zwei Jahre lang Lehrer an der Normalschule der Bersaglieri und nach dem Feldzug von 1866 trat er in die topographische Abtheilung des Instituts ein und nahm Theil an der Anfertigung der großen Generalstabskarte von Italien. Diese Thätigkeit steigerte sein Interesse für die geographischen Wissenschaften; er wurde Mitarbeiter des „Esploratore“ und über dem Lesen von Berichten der italienischen Entdeckungsreisenden aus fernen Ländern regte sich bei ihm die Lust, in ihre Reihen zu treten. Die zehn Jahre in Aequatorial-Afrika haben ihn inzwischen in die allererste Linie derselben gestellt und sein Werk über jene zehn Jahre wird sich als dauerndes Denkmal seiner Verdienste wie seiner temperamentvollen, ehrlichen, tapferen Persönlichkeit bewähren, gerade weil es auch deren Fehler und Schwächen in naiver Offenheit enthüllt.
Es ist in einem lebhaften, anschaulichen Stile geschrieben; namentlich in den Kapiteln, die seine aufregenden Erlebnisse am Hofe von Dschuaja bei König Tschua schildern, ist die Darstellung voll dramatisch wirkender Kraft. Die Schilderung des Lebens in der Residenz dieses viehzüchtenden Monarchen gehört zu den fesselndsten Abschnitten der neuesten Afrikaforschung überhaupt.
Da sitzt der finstere König und entwirft seine Pläne, er vergiftet seine unbequemen Minister, mordet die Großen, um mit den „Kleinen“ zu regieren; um ihn sammelt sich seine Prätorianerwache, meist entlaufene Soldaten und Sklaven aus den Nachbarländern. Die höchste Ehre, die er einem Gaste erweist, ist die Ceremonie des gemeinsamen Milchtrunks; denn seine Rinderherden sind sein Stolz und die Milch ist ihm das vornehmste Getränk trotz der großen Rolle, welche das berauschende Bananenbier bei seinen Gelagen spielt. Ein Krieg mit Uganda bricht aus und Menschenopfer werden dargebracht. Fünf Tage lang dröhnt in der Residenz unheimlich die große blutbefleckte Pauke, ahnungslose Wanderer werden unterwegs aufgegriffen und zur Opferbank geschleppt – und am fünften, am letzten Opfertage steht der König mit der Lanze in der Hand und vor ihm defllieren die Großen des Reiches – er berührt einen von ihnen mit der Spitze des Speeres und sein Haupt rollt unter dem Opferbeil zur Erde. Das ist der Hintergrund zu dem Ränkespiel, welches gegen Casati an diesem Hofe geschmiedet wird. Der Gesandte muß in der Nacht Wachen um sein Haus stellen, und siebenmal vereitelt er die Ueberfälle der vom Könige ausgesandten Meuchelmörder! Endlich wird er ergriffen, qualvoll an einen Baum gebunden und verhöhnt, und während man seine Habe raubt, seine Tagebücher vernichtet, entscheidet über sein Schicksal das „Scherbengericht“ der Häuptlinge. Man schenkt ihm das Leben, verbannt ihn aber, da er sich gegen Unjoro verschworen habe, aus dem Lande. „Keine Nahrung, keine Führer!“ so lautet der Befehl des Königs an sein Volk. Verflucht vom Könige, verurtheilt vom Gericht der Großen, verfolgt von den Negern, deren Dörfer er berührt, flieht nun Casati nach dem Ufer des Albertsees und leidet Qualen und Demüthigungen ohne Zahl, bis er auf dem Dampfer Emins Rettung findet. H. P.