Textdaten
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Autor: Rudolf Löwenstein
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Titel: Elfenwirthschaft
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 612–614
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
illustriert von Theodor Hosemann
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[612]
Elfenwirthschaft.
Von Rudolph Löwenstein, illustrirt von Theodor Hosemann.


     In einer kleinen Stadt am Rhein
Kehrt’ ich einmal ermüdet ein.
Es war schon Nacht, der Wächter rief
Die zwölfte Stund’. Rings Alles schlief,

5
Am Regenhimmel, ach, kein Stern,

Kein Lämpchen irgend, noch Latern’!
     Die dunklen Straßen kreuz und quer
Ging ich, verschmachtend fast, umher,
Und endlich kam ich vor ein Haus –

10
Es sah wie eine Herberg’ aus.

Ein breites Schild auf breitem Thor,
Ich stand unschlüssig nun davor,
Doch – was kann’s schaden? dacht’ ich dann
Und klopft’ am Fensterladen an.

15
     Da öffnet sich ein Schieber schnell,

Zwei Augen seh’ ich blitzen grell
Und eine Nase, riesengroß.
     Ein Männlein fragt: „was ist denn los?
Was willst Du, kleiner Knirps, denn hier?“

20
     „Ach,“ fleht’ ich, „nur ein Nachtquartier!“

     Das Männlein lacht hellauf und spricht:
„Hast vor Gespenstern Angst Du nicht,
So komm’ herein! im Kämmerlein
Wird Platz genug noch für Dich sein!“

25
     Ich trat in’s Haus. Beim Kerzenstrahl

Sah ich ein Männlein grau und fahl;
Doch schien’s nicht bös, wie ich gedacht;
Hat Speis’ und Trank mir gleich gebracht,
Mich viel gefragt, woher ich wär’,

30
Wie alt, ob fleißig, und noch mehr.

Dann führt’ es mich in’s Kämmerlein,
Sprach: „Willst Du ruhig nicken ein,
So zähm’ die Neugier mit Gewalt,
Guck’ nicht durch jener Thüre Spalt,

35
Wir haben just die Geisterstund’,

Gut’ Nacht, mein Söhnchen, schlaf gesund!“
     Ich streckt’ mich auf die Diele hin,
Doch kam kein Schlaf mir in den Sinn.
Stockstill und finster mein Gemach,

40
Daneben aber Ach und Krach,

Ein Lärmen, Toben und Getos,
Als wären hundert Böcke los.

[613]

Bald scharrt es hier, bald schnarrt es dort,
Bald kommt es nah’, bald läuft es fort,

45
An mir vorbei in wildem Trab,

Gestalten huschen auf und ab.
Jetzt pickt mich was am großen Zeh,
Jetzt zwickt es mich am Ohr, o weh!
Es zupft mich hier, es rupft mich da,

50
Weiß selber kaum noch, wie’s geschah,

Doch zog es zu der Thüre Spalt
Mich heimlich weiter mit Gewalt.
     Was sah ich nun? Vom Mondesschimmer
Erhellt ein weites, weites Zimmer,

55
Und an den Wänden Kruken und Kannen,

Und Flaschen und Schachteln, Krausen und Pfannen,
     Und Alles inwendig
     Urplötzlich lebendig!
     Aus jedem Schübchen

60
     Guckt ein Bübchen,

     Aus jedem Töpfchen
     Ein muntres Köpfchen,
     Aus jedem Schälchen
     Ein heitres Seelchen,

65
     Aus jedem Gläschen

     Ein pfiffiges Näschen.
     Es rollten
     Die Kleinen
     Auf lustigen Beinen

70
     Kopfüber, kopfunter,

     Und trollten
     Sich munter,
Bis eine Stimme im Feldherrnton
Rief: „Stillgestanden vor Oberon!“

75
     Da machten die Kleinen Front sofort,

Und der König begann mit festem Wort:
„Ich grüß’ Euch, Liebe und Getreue,
Die Ihr versammelt um mich auf’s Neue,
Euch Alle, die sich aus fernen Landen

80
Zu meinem Dienst zusammen fanden.

Erdgeister, Ihr vom Flammenstrome –
(Da neigte sich tief das Heer der Gnome),
Ihr Blumengeister, sonnenklar –
(Da neigte sich der Elfen Schaar),

85
Ihr Quellengeister von Bach und See –

(Da neigte sich dankend Nix und Fee),
Ich habe so eben in dieser Nacht
Die Runde durch die Stadt gemacht.
Dort liegt ein Kindlein

90
Krank in den Windlein –

     „Schnell mischt ihm ein Tränkchen
     Aus Euren Schränkchen!
Dort liegt ein Krieger, ein todeswunder
     Auf, braut jetzunder

[614]
95
     Und häufelt

     Und träufelt,
     Daß er gesunde,
     Ihm Balsam in die brennende Wunde!
Dort, bei der kranken Mutter droht

100
Mit kalter Hand der bleiche Tod.

     Auf, helfet dort
     Und jaget fort
     Den bleichen Gesellen!
     Laßt Leben quellen

105
     Und Lebenswonnen

     Aus Euren Bronnen!
Dort klagt ein Greis – mischt Eure Kräutchen!
Ein Jüngling dort und dort ein Bräutchen,
Dort giebt’s zu trösten und dort zu helfen,

110
An’s Werk! an’s Werk! ihr guten Elfen!“


Da kamen die Kleinen – Eins, Zwei, Drei! Herbei,
Und schleppten Zucker heran und Manna,
Und aus der Havanna
Die Nicotiana.

115
Es kam der Mohn und brachte stumm

Sein Opium,
Nachtschatten, Schierling und Bilsenkraut
Brachten herbei, was sie gebraut.
Stechapfel, Schöllkraut und Kellerhals

120
Und der wilde Lattich ebenfalls,

Der Finger-, Eisen- und Pfaffenhut,
Sie brachten Säfte, frisch und gut,
Auch Bella Donna bot sich an:
„Ich helfe, wo ich helfen kann!“

125
Und mit den Giften kam zum Schluß

Der Nieswurzmann, Herr Helleborus.
Da niesten Kobold, Nix und Elf
Und Oberon sprach sein: „Gotthelf!“
Es stellten zum Dienst sich freudig alle

130
Kobolde der Steine und Metalle,

Es eilte her auf flüchtigem Fuß
Des Weines Geist, Herr Spiritus,
Benamst der große Alkohol,
Und sprach: „o Herr, zu der Menschheit Wohl

135
Magst Du nach Willkür und Vergnügen

Frei über Deinen Knecht verfügen!“

Drauf sprangen sie in buntem Gemisch
     An die Arbeit frisch,
     Sie pochten und kochten,

140
     Sie stampften und dampften,

     Zerrieben und hieben,
     Sie rührten und schürten,
     Schmierten und schnürten,
     Sie hoben mit festen

145
     Händen die Schwengel

     Und preßten
     So Blüthen, als Kapseln und Stengel
     Und zogen Essenzen –
     Ihr könnt mir’s glauben –

150
     Und sogen Potenzen

     Aus Dolden und Trauben,
     Aus Körnern und Dörnern,
     Aus Bast und Borke
     Und stopften und klopften

155
     Die Flaschenkorke,

     Sie wägten und wippten,
     Kippten und nippten,
     Es füllten die Gase
     Aus Helm und Blase

160
     Und Wohlgerüche

     Die Zauberküche.

Herr Oberon, der lief dazwischen,
Sah zu, daß die Kleinen richtig mischen,
Und rief zu Kobold, Elf und Fee

165
Ein lustiges „Recipe! Recipe!“


     Die Händchen ruhten
     Nicht zehn Minuten,
     Und eh’ ich’s gedacht,
     War Alles vollbracht –

170
Die Pulver, Pillen und Mixturen,

Die Näpfe gebunden mit festen Schnuren,
Die Salben fertig und fertig die Dütchen,
Auf jeder Flasche ein blaues Hütchen,
Ein langer Zettel auch dran gebunden,

175
Die Zahl der Löffel zu bekunden.

Herr Oberon schaute fröhlich drein:
„Mög’s allen Armen zum Segen sein!“

Da schlug es Eins – und mit einem Ruck
Verschwunden war der Geisterspuk.

180
Ich aber hab’ die ganze Nacht

Gewacht und still bei mir gedacht:
„Dank Ihm, der auch durch Giftes Kraft
Noch Wunder thut und Leben schafft,
Dank sei dem Herrn, der Solches thut,

185
Wir steh’n in guter Geister Hut!“


Was meint Ihr wohl, wo ich gewesen?
Ich hab’s am nächsten Morgen gelesen,
Es war gemalt an des Hauses Schild
Gar lieblich eines Knaben Bild

190
Mit Flügeln und einem Lilienstengel.

     Und an der Wand
     Darunter stand:
„Die Apotheke zum goldnen Engel.“