Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Electricität ein Weber
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 520
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Elektricität als Kunstweber, 1860
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Bearbeitungsstand
fertig
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[520] Electricität ein Weber. Der Blitz, ehemals ein Monopol des Obersten unter den Göttern, ist jetzt in den Händen moderner Wissenschaft, Kunst und Industrie, Neuigkeitsbote, erster Briefträger des Universums, erster Portraitmaler, Thronfolger der Oel- und Gaserleuchtung, Erbe des Stubenheizens mit Holz oder Kohlen, Rheumatismusableiter und gründlicher Gichtbeulen-Operateur geworden. Und was kann noch Alles aus ihm werden? Zunächst hat ihn noch Ponelli in Sardinien zum ersten Weberkünstler gemacht. Die Weberei vermittelst Elektricität, nach dem von Ponelli erfundenen Apparat, ist einfacher, sicherer und bei Weitem billiger, als mit den vollkommensten Einrichtungen der Jacquard-Webstühle. Statt der zahllosen und kostspieligen Cartons, die zur Ausführung künstlicher Muster gehören, sieht man in dem Ponelli’schen elektrischen Webstuhle kleine eiserne Stäbe, die jedesmal magnetisch werden, so oft sie mit dem Strome galvanischer Elektricität in Verbindung gebracht werden, so daß nur die Richtungen dieser Stäbe verändert zu werden brauchen, um das Muster auszuführen, während bisher bei jedem Rucke des Weberschiffes Cartons geändert werden müssen. Jetzt weist der elektrische Strom mechanisch ohne Zuthun der Menschenhand den Stäbchen ihre Richtungen an, oder vielmehr die magnetische Polarität mit ihrer Anziehung und Abstoßung und zwar genau im Verhältniß der Zähne des Kammes, durch welchen das Muster angelegt und regulirt wird. Ohne Zeichnung und Ansicht ist dies schwer deutlich zu machen. Vielleicht können wir bald damit aufwarten. Die Anziehung und Abstoßung in den magnetischen Stäbchen steht in Verbindung mit der bald isolirten, bald verbundenen elektrischen Strömung, so daß man genau sagen kann, es seien eigentlich die nach dem Muster geleiteten Spiele polarischer Elektricität und Magneticität, welche weben. Diese Erfindung übertrifft bei Weitem das Wunder des elektrischen Teleraphen von Bain, mit welchem man Hunderte von Meilen weit einen Brief vor die Augen des entfernten Freundes in demselben Augenblicke schreiben kann, als man ihn Hunderte von Meilen fern selbst schreibt. Mit dem elektrischen Webstuhle kann man jedes Muster vergrößert oder verkleinert arbeiten lassen, gleichsam mit dem „Storchschnabel“ und Alles dies, ohne während der Arbeit nur eine jener Tausende von mühsamen Aenderungen, welche bei den Jacquard-Stühlen nothwendig wird und die Kunstweberei so kostspielig macht, vornehmen zu müssen. Auch kann man gemischt, sowohl mit Cartons, als mit Elektricität arbeiten; Turin sah dieses neueste und größte Wunder für die Industrie zuerst in Thätigkeit, hernach Genua, Lyons und Paris. Der Erfinder wird mit seinem neuen größeren Instrumente sich nächstens in London und Paris zeigen und es in der Pariser Ausstellung von 1855 arbeiten lassen. Die Erfindung ist in ganz Europa und Amerika bereits patentirt und an drei Banquiers in Turin und Lyons für eine Million Thaler verkauft worden. Muster und Modelle des neuen elektrischen Webstuhls werden nach allen Hauptplätzen der Industrie versandt, damit sie als Vorbilder für industrielle Anwendungen dienen. Es ist kaum zu sagen, von welchem Einfluß diese Erfindung sein wird. Unter allen Umständen macht sie die bisher kostbarsten und schönsten Gewebe schöner und wohlfeiler, so daß durch sie eine Menge Lebensverschönerungsmittel weiter hinab in’s Volk reichen, um dort Geschmack und Anmuth zu verbreiten, wo bisher so oft das Nothwendige und die Schmucksachen in Haus und Kleidung eben so dürftig als geschmacklos aussehen. Die textilen Künste, wie man jetzt das Reich des Webens nennen muß, nehmen unstreitig die allererste Rolle im ganzen modernen Leben ein, und sind sogar oft geheim oder offen das eigentliche Pathos der Politik, sogar von Kriegen gewesen, so daß eine so unabsehbar große Erfindung in dieser Sphäre jedenfalls wichtiger ist, als zehn gewonnene und verlorene Schlachten.