Einsegnungsunterricht 1917/6. Stunde
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Wir stellen die Fragen:
- 1. Wie ist das Bekenntnis der Kirche der Reformation zu Stande gekommen?
- 2. Was hat an demselben die Kirche der Reformation?
- 3. Was ist die Lehre der Kirche der Reformation?
- 4. Was haben an derselben ihre Glieder?
Wir haben gesagt, daß das Werk der Reformation sich nicht nur auf Lehre und Erkenntnis allein bezogen hat, sondern auf das ganze Leben, den ganzen Bestand der Kirche. Deshalb ist aber doch und bleibt die Lehre hochwichtig und grundlegend. Die katholische Kirche nennt sich stolz die alleinseligmachende, die morgenländische Kirche bezeichnet sich als die rechtgläubige, die Reformierten schreiben sich indem sie sich so nennen zu, daß sie die rechte reformierte, recht erneuerte Kirche seien. Wir nennen uns wohl auch die wahre Kirche, aber in dem Sinn daß wir sagen, unter den verschiedenen Kirchen, die eben bestehen, ist unsere Kirche diejenige, welche Gottes Wort rein und lauter lehrt. Wir erinnern uns, wie Melanchthon im 7. Artikel der Augsburgischen Konfession die Kirche definiert, daß sie ist die Versammlung der Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein und lauter gelehrt und die Sakramente laut des Evangelii gereicht werden. Also wenn es sich beim Werk der Reformation auch nicht nur um Lehre und Erkenntnis gehandelt hat, sondern um das ganze Wesen und Leben der Kirche, so ist doch Lehre und Bekenntnis das Grundlegende und bleibt es. Die katholische Kirche legt für ihren Zusammenhalt alles Gewicht auf äußerliche, weltliche Verfassung mit dem Papst als höchster Spitze. Die reformierte Kirche legt ihr Hauptgewicht auf die Kirchenzucht und in gewissem Sinn wieder auf die Verfassung. Uns lutherischen Christen ist das Bekenntnis der Kirche das Entscheidende, das Zusammenhaltende.
Wie ist es nun zu einem Bekenntnis der Kirche der Reformation gekommen? Wir sagten schon, daß unsere Kirche auch Kirche Augsburgischen Bekenntnisses genannt wird. Gott hat es so gefügt, daß auf dem Reichstag in Augsburg ein schönes Bekenntnis in feierlicher Weise abgelegt worden ist. Ich erinnere an das gestern| Dargelegte von der wunderbaren Bewahrung der Reformation der Kirche. Der Kaiser bekam erst im Jahre 1526 und zwar nur für kurze Zeit, dann wieder 1529 auch nur insofern freie Hand, daß er vorübergehend Frieden mit dem König Franz, seinem Hauptgegner erlangte; doch bestand im Jahre 1529/30 immer noch die Türkengefahr, wenn auch nicht so stark wie ein Jahr später, sodaß der Kaiser die Hilfe des deutschen Reichstages nicht ganz entbehren konnte. Die Fürsten des Reichstages mußten ihm Gelder und Hilfstruppen bewilligen. So hat der Kaiser um jene Zeit eine zwiespältige Stellung eingenommen, im Ganzen gegen das Evangelium doch ohne zu wagen, sofort von Gewalt Gebrauch zu machen. Im Jahre 1530 kam er seit dem Wormser Reichstag, also seit 9 Jahren zum erstenmal wieder nach Deutschland. Er hatte sich in Bologna (Italien) vom Papste zum König von Italien krönen lassen, die letzte Krönung, die ein deutscher Kaiser vom Papst verlangt und erlangt hat. Von dort aus schrieb er den Reichstag aus zur Hilfe gegen die Türken und zur Beilegung der Streitigkeiten in Sache der Kirche. Er schrieb ihn aus auf den 7. April, aber es fiel ihm gar nicht ein, an diesem Termin schon anwesend zu sein, für unsere Verhältnisse unglaublich. Die evangelischen Fürsten stellten sich sehr zeitig ein. Der Kaiser näherte sich der Stadt Augsburg höchst langsam und erließ von unterwegs aus schon ein Verbot, fernerhin in Augsburg evangelische Prediger auftreten zu lassen. Doch solange der Kaiser fern war, kümmerten sich die evangelischen Fürsten um dieses Verbot nichts weiter. Am 15. Juni hielt er seinen Einzug, wobei er den päpstlichen Gesandten Campegins neben sich reiten ließ um zu zeigen, wie seine Gesinnung sei. So hatte er auch absichtlich seine Ankunft in Augsburg auf den Tag vor Fronleichnam gelegt. Die evangelischen Fürsten mit den übrigen Fürsten holten den kaiserlichen Herrn feierlich ein und geleiteten ihn in seine Herberge. Dort lud der Kaiser die evangelischen Fürsten zu der am nächsten Tag stattfindenden Fronleichnams-Prozession ein. Das lehnten die evangelischen Fürsten schlechthin ab. Damals war es der Markgraf Georg von Ansbach, der dem Kaiser erklärte, daß er lieber seinen Kopf wolle abhauen lassen, als in Glaubenssachen nachgeben. Weitere verlangte der Kaiser nochmals die Einstellung der evangelischen Predigten. Da diese Prediger nicht in Augsburg im Amt standen, gaben die Evangelischen nach, doch nur unter der Bedingung, daß die katholischen Geistlichen sich aller polemischen Angriffe gegen die Reformation enthielten. Am 20. Juni kam es dann zur feierlichen Eröffnung des Reichstages. Die evangelischen Fürsten holten mit den andern den Kaiser ab und der Zug ging zuerst zu einer Messe in den hohen Dom. Daran nahmen die evangslischen Fürsten teil, weil es eine politische Obliegenheit war. Der Kurfürst von Sachsen z. B. hatte bei dieser Gelegenheit dem Kaiser das Reichsschwert| voran zu tragen. Doch als es in der Messe zum Klingeln kam bei der Segnung und Wandlung und alle niederfielen, blieb der Kurfürst von Sachsen unmittelbar neben dem Kaiser aufrecht stehen wie ein Pfeil und die evangelischen Fürsten mit ihm zum Zeichen, daß sie am abgöttischen Wesen der Messe keinen Anteil hatten. Darüber erzürnte sich der Kaiser höchlichst. Am 25. Juni kam es dann zur Verlesung der Augsburgischen Konfession und es zeigte sich, wie doch das lange Zögern des Kaisers, das an sich so rücksichtslos war, gerade gut sein mußte für die Herstellung des Bekenntnisses. Da der Kaiser zögerte, hatten die evangelischen Fürsten und ihre Theologen genugsam Zeit, über ein gemeinsames Bekenntnis einig zu werden.Die Unterschriften lauteten:
Ew. Kaiserl. Majestät
untertänigste
Johannes, Herzog von Sachsen, Kurfürst
Georg, Markgraf zu Brandenburg
Ernst, Herzog von Lüneburg.
Philipp, Landgraf zu Hessen
Johann Friedrich, Herzog zu Sachsen
Franciscus, Herzog zu Lünneburg
Wolfgang, Fürst zu Anhalt
Die Stadt Nürnberg
Die Stadt Reutlingen.
Die Vorrede wurde von den Kursächsischen Kanzler Dr. Brück verfaßt; verlesen wurde das Bekenntnis in deutscher Sprache durch den Kursächsischen Kanzler Dr. Beyer. Der Kaiser hatte mit Absicht einen kleinen Raum in der bischöflichen Pfalz, in der er wohnte, für die Verlesung gewählt. Da derselbe aber zu ebener Erde lag, so konnten die im Hof stehenden Ritter jedes Wort bei der klaren und deutlichen Verlesung vernehmen.
So bleibt denn das Grundbekenntnis unserer Kirche die ungeänderte Augsburgische Konfession. Melanchthon hatte bei seiner Aengstlichkeit und Gewissenhaftigkeit die Eigentümlichkeit, an seinen Werken stets zu ändern und zu bessern, so auch an der Augsburger Konfession. Im Jahre 1540 gestaltete er einige Artikel etwas anders, um den Reformierten und teilweise den Römischen noch etwas mehr entgegenzukommen, was die Kirche nicht billigte. Luther soll zu ihm gesagt haben: „Es ist nicht euer, es ist der Kirche Buch“. Jedenfalls hat sich unsere Kirche stets nur zu der ungeänderten Augsburgischen Konfession des Jahres 1530 bekannt. Doch blieb sie nicht das einzige Bekenntnis der Kirche der Reformation. Der Kaiser hatte bei der Verlesung der Augsburger Konfession anfangs etwas hingehört und dann schlief er ein. Das war sein Interesse an der Sache. Er nahm dann die beiden Exemplare an sich, übergab das Deutsche dem Erzbischof von Mainz, weil im Reichsarchiv die deutsche Schrift sein sollte; die lateinische scheint er behalten und nach Spanien genommen zu haben. Beide Urschriften sind nicht mehr vorhanden. Er befahl nun den päpstlichen Theologen eine Widerlegung der Augsburgischen Konfession zu verfassen. Diese brauchten wochenlang bis sie sie zustande brachten und sie fiel schwächlich genug aus. Am 3. August wurde diese Konfutation verlesen. Die Evangelischen baten sich ein Exemplar aus, um sich darüber erklären zu können. Das wurde ihnen unfreundlich verweigert. Melanchthon aber, der anwesend gewesen war bei der Verlesung, vermochte durch sein Riesengedächtnis und mit Hilfe einiger Notizen, die er sich gemacht hatte, eine Widerlegung der Konfutation zu verfassen und das ist die Apologie oder Verteidigung, die er ein Jahr darauf selbst, nachdem ihm inzwischen ein Exemplar der Konfutation doch zu Handen gekommen war, in umgearbeiteter Gestalt herausgab. In dieser Gestalt ist sie den Bekenntnisschriften einverleibt als wertvolle nähere Ausführung und| Erklärung der Augsburger Konfession. In einzelnen Punkten steht Melanchthon noch auf dem Standpunkt der mittelalterlichen Kirche, wie er z. B. die Beichte noch als ein Sakrament erklärt. Aber im Uebrigen haben wir an der Apologie eine schriftgemäße, klare Begründung und nähere Auseinandersetzung der in der Augsburger Konfession enthaltenen Festsetzung der Kirchenlehre. – Aber zu noch weiteren Bekenntnissen kam es. Im Jahre 1537 war es, daß der Kaiser wieder einmal ernstlich vom Papst die Einberufung eines Konzils, einer allgemeinen Kirchenversammlung verlangte. Die Evangelischen gaben sich keinen großen Hoffnungen hin, doch lehnten sie eine Beteiligung an einem Konzil, wenn es ein freies wäre, keineswegs ab. In Schmalkalden 1537 versammelten sich die lutherischen Theologen unter Luthers Vorsitz. Da wurden von Luther die Schmalkaldischen Artikel verfaßt, um auszusprechen was festgehalten werden solle. Sie atmen Luthers Art und Luthers Geist. Da kommen zuerst die hohen Artikel der göttlichen Majestät, über die kein Zwiespalt in der Kirche ist, die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit und der Gottheit Christi. Dann kommen die Artikel, welche Amt und Werk Christi und unsere Erlösung betreffen. Da steht die Rechtfertigung voran „von der man nicht weichen kann oder nachgeben, es falle Himmel und Erde oder was nicht bleiben will.“ Unter diesem Gesichtspunkt der Rechtfertigung aus dem Glauben stellte Luther dann weiterhin dar die Messe, die Wallfahrten, die Reliquien, den Heiligendienst, das Papsttum, überall voller Klarheit urteilend, daß das, was der Rechtfertigung und dem Glauben widerspreche, nicht geduldet werden könne, also eine nachdrückliche Absage an Rom. Dann kommen noch die Artikel der Lehre, über welche man sich unter gutgesinnten Leuten verstehen sollte, deren der Papst nicht achtet, für die er gar kein Verständnis hat. Das sind die tiefergehenden Lehren von der Sünde, vom Gesetz, von der Buße, vom Evangelium. Die Theologen unterschrieben, Luther voran, aus Nürnberg D. Osiander und Veit Dietrich, von denen schon gesprochen wurde. Melanchthon unterschrieb mit dem Beisatz, daß, wenn der Papst nur Kraft menschlichen Rechtes seine Stellung in Anspruch nehmen wolle, man ihn als Oberhaupt der Kirche zulassen könne, nur nicht aus göttlichem Recht. Das führte dazu, daß noch ein Traktat von Gewalt und Amt des Papstes und der Bischöfe Gewalt von Melanchthon verfaßt wurde, den die Theologen ebenfalls unterschrieben. Großen Wert hat dieses Zeugnis Luthers selber, da es die Abrechnung mit dem mittelalterlichen katholischen Bekenntnis bedeutet. Aber diese Schmalkaldischen Artikel konnten immer noch nicht den Abschluß des Bekenntnisses bedeuten. Nach Luthers Tod ist eine der schwersten und trübsten Zeiten über die evangelische Kirche hereingebrochen, äußerlich, wie wir gestern hörten, in dem nun ausbrechenden Schmalkaldischen Krieg. Der Kurfürst von Sachsen| wurde besiegt und gefangen genommen und der Kaiser glaubte jetzt im Ernst der evangelischen Bewegung ein Ende machen zu können. Um jene Zeit verfaßte Nikolaus von Amsdorf das Kinderlehrgebet um Erhaltung des reinen Worts: „Wir danken dir, lieber, himmlischer Vater, daß du uns das selige Licht deines Wortes so gnädig angezündet und bisher hast leuchten lassen. Wir bitten dich, du wollest zu dieser Zeit ob solchem Lichte gnädiglich halten, dem Satan und der bösen Welt nicht gestatten, daß sie es auslöschen. Laß dich unser erbarmen, lieber Vater, über welche solcher Jammer sonderlich würde ausgehen. Wir sind noch jung und unerzogen und bedürfen für und für, daß wir in deinem Worte unterrichtet werden und dich von Tag zu Tag je länger, je mehr und besser erkennen lernen. Nun aber gehen die Feinde deines Wortes damit um, daß sie uns in Abgötterei und Finsternis führen und daß Wort unß gar entziehen. Solchem Jammer lieber Vater, wehre du, um deines Namens willen. Du sprichst, du wollest dir ein Lob zurichten aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge. Um solche Gnade bitten wir dich jetzo, lieber Vater! Gib deiner Kirche Frieden und wehre allen Feinden deines Worts, die uns bedrängen, auf daß wir und unsere Brüder und Schwestern, die täglich heranwachsen, solch gnädiges Licht auch haben und dich mit unserm Gebet früh und abends loben, anrufen und bekennen, der du unser einiger Trost bist mit deinem Sohn, unserm Herrn Christo und dem heiligen Geiste. Amen.“
Was hat an ihrem Bekenntnis die Kirche der Reformation?
Oft kann man die Frage hören von entschieden gläubigen Leuten, gegenwärtig besonders von denen, die der Richtung der Gemeinschaft angehören: Wozu braucht man Bekenntnisse, man hat doch die Schrift. Die Notwendigkeit eines Glaubensbekenntnisses in der Christenheit läßt sich schon geschichtlich erweisen, denn frühe kam es in der Kirche zu formulierten Bekenntnissen. Die Anfänge gehen bis zur Zeit der Apostel zurück, denn bei der Taufe treten uns als älteste Bekenntnisse die Taufsymbole entgegen, auch Glaubensregeln genannt, von denen wir im Apostolikum eines noch heute haben. Dann aber wurden ausführlichere Bekenntnisse erfordert durch das Auftreten von Irrlehren, wie man sehen kann am Nicänum, welches das Apostolikum erweitert durch näher bestimmte Aussagen über die wahre Gottheit Christi: „Gott von Gotte, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahrem Gott, geboren, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“ Noch ausführlichere Bekenntnisse aber sind notwendig geworden, seit die Kirche nicht mehr eins ist, sondern in verschiedene Konfessionen getrennt. Da muß jede Kirche aussagen was sie glaubt und lehrt. So unterscheiden wir denn allgemeine Glaubensbekenntnisse, welche die ganze Christenheit auf Erden gemeinsam hat und besondere Glaubensbekenntnisse, welche die einzelnen Kirchen für sich haben. So haben wir die Augsburgische Konfession mit ihrer Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und die Konkordienformel als unsere besonderen unterscheidenden Bekenntnisse, wie dann die anderen Kirchen auch wieder ihrerseits| besondere Bekenntnisse besitzen. So hat sich von selbst im Lauf der Geschichte ein Glaubensbekenntnis als unentbehrlich erwiesen, aber auch die innere Notwendigkeit ist unschwer aufzuzeigen. Wir sagten schon, die Schrift ist die Urkunde der göttlichen Offenbarung, aber sie ist kein Lehrbuch, kein Katechismus mit Lehrsätzen, sondern das Zeugnis von der Heils-Offenbarung Gottes in Christo. Die Kirche soll das, was im Wort der Schrift ihr mitgegeben ist auf ihren Weg erkenntnismäßig erfassen unter Leitung des heiligen Geistes, vielfach gerade im Kampf gegen falsche Lehre. Und was die Kirche erkenntnismäßig erfaßt, muß sie bekenntnismäßig auch zum Ausdruck bringen in verschiedenen Zeiten, die dazu auffordern und fähig sind. Und so geben uns die reformatorischen Bekenntnisse die Ergebnisse der Erkenntnis der heilsamen Lehre, zu denen Gott die Kirche in den Tagen der Reformation geführt hat. Wir leugnen nicht daß die Bekenntnisse, von Menschen verfaßt, auch sehr menschliche Art an sich tragen, zeitlich sind in Ausdruck und Darstellung, vielfach von unvollkommener Gestalt. Sie wollen geschichtlich erfaßt sein, daß man weiß, in welchen Lehrstreitigkeiten sie den Ausgleich geben wollten. Ihr Verhältnis zur Schrift ist das, daß sie lehrmäßig aussprechen, was in der Schrift und als göttliche Offenbarung urkundlich dargeboten ist. Die Bekenntnisse führen nicht von der Schrift weg, sondern führen vielmehr zu ihr hin. Für uns haben die Bekenntnisse wie schon gesagt, die große Bedeutung, daß sie das Einheitsband unserer Kirche bilden. Rom ist zusammengeschlossen durch seine äußere Verfassung unter seinem Oberhaupt; die Reformierten wollen ein Gottesvolk im alttestamentslichen Sinn sein; das Einheitsband unserer Kirche ist ihr gemeinsames Bekenntnis der göttlich geoffenbarten Wahrheit, entstanden unter Leitung des heiligen Geistes, der in der Kirche waltet. Ferner sind die Bekenntnisse von großer Bedeutung für das Amt der Kirche. Dasselbe ist an das Bekenntnis der Kirche gebunden und jeder Geistliche unserer Kirche übernimmt, wo es recht steht, bei der Ordination die feierliche Verpflichtung, nach der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche zu lehren und zu unterrichten. Das Bekenntnis der Kirche ist wichtig und notwendig für die Einzelnen als Anleitung zum rechten Verständnis der Schrift. Darum ist es wichtig und war sehr wohlgetan, daß unter die Bekenntnisschriften unserer Kirche auch der Kleine und Große Katechismus Luthers aufgenommen worden sind, zum Zeichen, daß die Bekenntnisse für alle da sind, nicht nur für die Theologen. Dettelsauer Schwestern sollten im Besitz des Konkordienbuches sein und es wäre eine schöne Feier des Reformations-Jubiläums, wenn die Bekenntnisse, nicht nur die Augsburgische Konfession, die Sie in ihren 21 ersten Artikeln sich einigermaßen gedächtnismäßig eingeprägt haben, sondern auch die übrigen, die Schmalkaldischen Artikel, die Luthers Geist und Kraft atmen und der große Katechismus| Luthers, dazu die Konkordienformel wenigstens in ihrem ersten Teil gemeinsam gelesen und besprochen würden. Der Gewinn wäre, daß das Herz fest würde in der Erkenntnis der göttlichen Wahrheit.
Und was haben nun an der Lehre der Kirche der Reformation ihre Glieder?
Von diesem Mittelpunkt des Christenstandes aus werden wir alle andern Lehren in ihrer Weise klar erkennen. Wir sehen daraus die Wichtigkeit der Versöhnungslehre, nämlich, daß die Versöhnung der Welt mit Gott dadurch bewirkt ist, daß Gott unsere Sünde Christo zurechnet, der sie freiwillig auf sich nahm mit allen ihren Folgen, wie 2. Kor. 5, 18ff. gesagt ist. Die Lehre von der Person Christi wird klar, denn wir wissen, Gott und Mensch mußte der Erlöser sein, damit er der Mittler werden konnte zwischen Gott und Menschen. Auch die Grundlehre der Christenheit von der göttlichen Dreieinigkeit wird uns von der Rechtfertigungslehre aus erst recht praktisch und tritt gleichsam in unser eigenes, inneres Leben herein. Der Vater ist es, der auch uns zu Seinen Kindern annimmt. Jesus, der Mittler des Menschengeschlechtes tritt für uns beim Vater ein. Und der Geist wirkt in uns den Glauben und gibt uns auch die Gewißheit des Heils. Ferner ergibt sich aus der| Rechtfertiungslehre das rechte Verhältnis von Glauben und guten Werken, von Gesetz und Evangelium. Wie die Konkordienformel sagen kann, daß man weiß, was Gesetz und was Evangelium ist, wozu sie beide dienen, das Gesetz um zur Buße, das Evangelium um zum Glauben zu führen, das ist ein helles Licht, das in der Zeit der Reformation der Kirche erst richtig aufgegangen ist, wie die Konkordieuformel schön sagt: „Gesetz ist alles, was die Sünde straft, Evangelium ist alles, was Gnade verkündigt.“Selbst die entferntesten Punkte der kirchlichen Lehre werden von der Rechtfertigung aus klar, wie etwa die Lehre vom Sonntag, die Melanchthon in der Augsburgischen Konfession mit sieghafter Klarheit echt evangelisch dargestellt hat. Ja von der Rechtfertigungslehre ist die rechte Beurteilung des ganzen kirchlichen Wesens möglich. Da hat man alsobald gewußt, was man vom Ablaß, vom Klosterwesen u. s. w. zu halten hat. Sie gibt auch die rechte Stellung zur Schrift selber, daß Luther sagen konnte, was Christum treibt und was die Rechtfertigung aus dem Glauben lehrt, das gehört wahrhaft ihr zu, oder wie wir auch sagen dürfen: alles das darf uns Denkmal und Urkunde der Offenbarung Gottes sein und erweist sich als Bestandteil der Schrift, die Christum zum Mittelpunkt hat. So haben wir von der Rechtfertigungslehre aus klar und deutlich den Weg zur Seligkeit: Buße und Glauben, tägliche Vergebung der Sünden, die Liebe, die aus dem Glauben kommt und die in guten Werken sich erweist.
Ein weiterer großer Hauptpunkt in der Lehre unserer Kirche ist die richtige Lehre von den Sakramenten. Die römische Kirche übertreibt sie wie durch Mehrung ihrer Zahl so darin, daß sie dieselbe als Kanäle betrachtet, durch welche die Gnade gleichsam eingeflößt wird, sodaß sie wie zauberhaft wirken und die Aneignung durch den Glauben nicht erforderlich ist. Die reformierte Kirche unterschätzt die Sakramente, indem sie sie geradezu willkürlich mindert, wie denn die Heilsarmee das Heilige Abendmahl hat fallen lassen. Unsere Kirche erkennt die Sakramente als reale wirkliche Gnaden und Gaben, als Unterpfänder des Heilsstandes an. Wir empfangen unter dem sichtbaren Zeichen das himmlische Gnadengut. Großes haben wir an der richtigen Lehre von den Sakramenten, nämlich die Erkenntnis von der Gewißheit des Heilsstandes. Die katholische Kirche findet die Garantie des Heilsstandes für den Einzelnen in der einfachen Zugehörigkeit zur alleinseligmachenden Kirche. Die reformierte Kirche weist hinsichtlich der Heilsgewißheit auf die Lebenserneuerung hin, wodurch wieder ein gesetzlicher Zug in die reformierte Kirche hereinkommt. Unsere Kirche findet die Heilsgewißheit dargeboten durch die Gnadenmitel, besonders durch die Sakramente als die sichtbaren Unterpfänder. So gewiß ich getauft bin, bin ich in die Gemeinschaft Christi aufgenommen; so gewiß| ich vom gesegneten Brot und Wein empfangen darf, so gewiß vereinigt sich Christus aufs neue mit mir.So dürfen wir sagen, die Lehre unserer Kirche zeigt uns die wahre Heilsquelle, das rechte Heilswerk, den einzigen Heilsweg und die sichere Heilsgewißheit und führt uns zugleich zur Gemeinschaft der Kirche, zur Gemeinde der Gläubigen. Und so halten wir dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. Und darum laßt uns halten an dem Bekenntnis! Amen.
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