Einsegnungsunterricht 1917/5. Stunde
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und zwar fassen wir ins Auge:
- 1. die weltgeschichtliche Vorbereitung,
- 2. den bedeutsamen Ausgangspunkt,
- 3. die sieghafte Weiterführung
- 4. die sichtliche Bewahrung und
- 5. die tatsächliche Ausgestaltung.
Auch eine andere Erfindung aus anderem, noch mehr äußerlichem Gebiet mußte in gewissem Sinn zur Vorbereitung einer neuen Zeit dienen. Das ist die schon 100 Jahre vorher ebenfalls in Deutschland gemachte Erfindung des Schießpulvers, das nachweislich erstmals 1415 in der Schlacht bei Azincourt zur Verwendung gekommen ist. Damit wurde dem Rittertum allmählich ein Ende gemacht. Die Schlacht zwischen Mühldorf und Ampfing im Jahr 1322, in welcher Ludwig der Bayer, der erste Kaiser aus bayrischem Stamm, seinen Gegner, Friedrich den Schönen von Oesterreich besiegte, wird als die letzte eigentliche Ritterschlacht bezeichnet. Bis dahin kämpften die Ritter; jetzt durch Erfindung des Schießpulvers fiel das Hauptgewicht auf das Fußvolk und zunächst auf die Landsknechte. Der Ritterstand hatte seine Bedeutung als einziger wehrhafter Stand verloren. An die Stelle des Ritterwesens im Mittelalter trat das Bürgertum.
So ist bedeutsam im Zusammenhang damit das Emporkommen der Städte, das kurz vor der Reformationszeit besonders hervortrat in seinem Bestreben von den Landesherren sich unabhängig zu machen und womöglich unmittelbarer Reichsstand zu werden. Der Bürgerstand hat den Fortschritt der Zeit getragen und die Städte sind es besonders gewesen, in welchen das Reformationswerk am meisten Anklang und begeisterte Aufnahme fand. Was hat eine Stadt wie Magdeburg der Kirche der Reformation alles getan in schwerer Zeit und in ihrer Weise auch die Stadt Nürnberg. Auf anderem Gebiet muß hingewiesen werden auf die Entstehung der Universitäten, der Hochschulen, als höchster Bildungsstätten derer, die als Führer des Volkes auf geistlichem oder weltlichem Gebiet berufen waren. Es ist doch nicht zufällig, daß Luther seinem Hauptberuf nach sein Leben lang Professor der Theologie an der Universität Wittenberg gewesen ist. Die Universitäten als universale, d. h. allumfassende Stätten der höchsten Bildung, kamen zunächst in Italien auf. In Deutschland sind die ältesten Universitäten Prag 1348, Heidelberg 1383 und Leipzig 1409 gegründet. Die Universität Wittenberg war im Anfang des 16. Jahrhunderts im Jahre 1502 von Kurfürst Friedrich dem Weisen gestiftet worden.| Auf den Universitäten lernten fortan auch diejenigen, die Diener des Wortes werden wollten und man darf sagen, bis auf diesen Tag hat die evangelische Universität doch vorherrschend die Führung auf theologischem und kirchlichem Gebiet gehabt und behalten. Auch diese Einrichtung mußte der Reformation den Weg ebnen.Eine neue freiere Geistesrichtung machte sich aber auch geltend wie aus der hohen Schule so in den gebildeten Kreisen überhaupt. Eine höchst merkwürdige Ursache, die Entdeckung von Amerika 1492, mußte mit dazu dienen, den Gesichtskreis des Wissens erheblich zu erweitern. Ging durch die Entdeckung der neuen Welt der Blick in die Weite, so ist eine andere Geistesrichtung, die wir heute früh schon genannt haben, in die ferne Vergangenheit eingedrungen: das war der Humanismus. Humanismus heißt eigentlich Menschentum und ist, wie schon früher gesagt, das Bestreben der Ausbildung aller menschlichen Geistesgaben und der Erforschung aller menschlichen Lebensverhältnisse auf Grund dessen, was die alten Bildungsvölker, die Griechen und Römer geschaffen haben. Dieser Humanismus, diese Richtung auf menschliche Erkenntnis aus den den Menschen von Gott verliehenen Gaben, ist durch ein merkwürdiges Geschehnis geweckt und befördert worden. Dazu mußte die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken dienen, deren wir schon Erwähnung getan haben, weil dadurch das oströmische Reich, das byzanthinische Kaisertum sein Ende erreichte. Dadurch, daß die Türken Konstantinopel eroberten, sah sich eine Menge griechischer Gelehrten veranlaßt, westwärts zu fliehen und so brachten sie nach Italien die Kenntnis der griechischen Sprache und die Geisteswerke des griechischen Volkes. Dadurch wurde diese Erneuerung der Wissenschaft auf dem abendländischen Geistesgebiet herbeigeführt. In Italien hat sich der Humanismus nach seiner gefährlichen Seite hin entwickelt, die ich auch schon betonte; da bei diesem an sich berechtigtem und notwendigem Bestreben die Gefahr besteht, den Menschen ausschließlich auf sich selbst zu stellen. Ja, in Italien hat der Aufschwung, den die Wissenschaft und Kunst genommen hat, vielfach geradezu ein neues Heidentum herbeigeführt. In Deutschland nahm er eine ernstere Gestalt an. Ich erwähnte schon, welch großen Dienst die deutschen Humanisten der Reformation erwiesen haben, durch die Belebung der Wissenschaft und durch die Kenntnis der hebräischen und griechischen Sprache. Nach dieser Seite hin werden ihnen wir Evangelischen stets Dank wissen und besonders Gott dankbar sein für den Mann, der aus einem Humanisten einer der treuesten Bekenner und Luthers nächster Gehilfe geworden ist, nämlich Philipp Melanchthon.
Doch darf zur Vorbereitung der Reformation auch das nicht übergangen werden, was auf kirchlichem Gebiet geschah. Dazu ist zu rechnen, daß das Verderben doch immer offenbarer wurde und| immer allgemeiner anerkannt wurde. Rom selbst wurde zwar ein Sitz der Künste und Wissenschaften, aber auch eines neuen Heidentums und die Päpste haben vor der Reformation und bis tief in die Reformationszeit hinein doch eigentlich nur Politik getrieben. Es war ihnen hauptsächlich um die Hebung ihres Länderbesitzes, ihres sogenannten Kirchenstaates zu tun. Ueber dem vergaßen sie alles andere und übersahen selbst die Gefahr, welche die deutsche Bewegung der bisherigen römischen Kirche bringen mußte. Wir wissen, daß Luther, als er in Rom weilte, den damaligen Papst Julius II. zum erstenmal sah, als derselbe an der Spitze eines Heeres aus dem Kriege zurückkehrte; auch ein eigentümliches Bild für den Statthalter Christi, der sich den Knecht der Knechte nennt. – Aber auch die Zeugen der Wahrheit vor der Reformation hatten nicht umsonst gewirkt, besonders die gesunde Mystik, die der Reformation sehr unmittelbar die Wege bereitet hat. Das zeigt der Name eines Mannes, der so wichtig und bedeutsam für Luthers Lebensweg war, D. Johann v. Staupitz. Er hat Luther der Rechtfertigung geben können. Zu bedauern ist, daß diesem Mann die volle Erkenntnis gefehlt hat, daß es eine Kirche Christi gibt. Er begnügte sich damit, daß er für seine Person die Wahrheit hatte und sie im engen Kreis betätigte; vor der Kirche dafür einzutreten, dazu entschloß er sich nicht. Er zog sich, nachdem er Luther die größten Dienste erwiesen, – ihn innerlich gefördert und äußerlich auf den richtigen Posten nach Wittenberg gestellt hatte –, ganz und völlig zurück, trat aus dem Augustinerorden, um dem Kampf aus dem Wege zu gehen, aus, trat zum Benediktinerorden über, ward Abt des St. Petersklosters in Salzburg und liegt auf dessen Friedhof begraben, nachdem er auf einer Erholungsreise in St. Zeno in Reichenhall am 28. Dezember 1524 verschieden war. So können wir sagen: der ersehnte Zeitpunkt war herbeigekommen.
Und nun gab Gott dem Reformationswerk seinen bedeutsamen Ausgangspunkt.
Was dieser Ausgangspunkt war, braucht im Jubeljahr des Reformationsbeginns nicht gesagt zu werden, aber zu zeigen ist, wie das ein von Gott gegebener Ausgangspunkt gewesen ist – der Kampf gegen den Ablaß. Was war der Ablaß? Nicht Sündenvergebung, das hat die römische Kirche nie gelehrt; aber es ist von Ablaßpredigern freilich so hingestellt und vom armen Volk so hingenommen worden. Ablaß ist an sich der Nachlaß der Büßungen oder Genugtuungen, die in der Beichte aufgelegt werden mußten und von denen unter Umständen zu befreien die Kirche sich das Recht zuschrieb. Auf einen falschen Begriff von Buße weist das natürlich hin, Buße ist nach der Schrift Sinnesänderung und umfaßt| im weiteren Sinn beides Reue und Glauben, im engeren Sinn nur die Reue, die Abkehr von der Sünde, wo dann neben sie die Heimkehr zu Christo, der Glaube tritt. Beiderlei Bedeutung des Wortes findet sich in der Schrift. Die Buße oder Reue ist notwendig als Voraussetzung des Glaubens, weil nur der zum Glauben kommen kann, der in Buße erkannt hat, daß er einen Heiland braucht. Die päpstliche Kirche sah die Buße an als eine äußere Handlung, die von Zeit zu Zeit, ja möglichst oft wieder vollzogen werden muß und die drei Bestandteile in sich schließt: Zerknirschung des Herzens, Bekenntnis mit dem Munde und Genugtuung mit der Tat. Neben der Zerknirschung und neben dem Bekenntnis in der Ohrenbeichte sind auch Genugtuungen mit der Tat notwendig um die zeitlichen Strafen der Sünde damit abzubüßen, wie es jetzt die katholische Kirche hinstellt, während sie zu Luthers Zeit mehr geneigt war zu lehren: das Verdienst Christi vergebe die Schuld der Erbsünde, aber für die Tatsünden müsse der Mensch selber Genugtuung leisten. Jedenfalls wurde gesagt, daß diese Genugtuungen auch erlassen werden könnten aus dem Schatz überschüssiger guter Werke heraus, die sich in der Kirche ansammeln. Wenn Werke notwendig sind vor Gott neben dem Glauben, dann besteht allerdings die Möglichkeit, daß mehr getan werden, als unbedingt nötig sind. Die nun sehr viel gute Werke getan und eine besondere Vollkommenheit erlangt haben, können als Heilige fürbittend für Andere eintreten; aber auch durch Christen insgemein sammelt sich ein Schatz überschüssiger guter Werke an, den der päpstliche Stuhl in Verwahrung hat und aus diesem Schatz heraus kann Ablaß gewährt werden. Seit 1300 sollte dies alle 100 Jahre geschehen. Auch beim Beginn des jetzt laufenden Jahrhunderts, Weihnachten 1899 wurde ein feierliches Ablaßjahr verkündet. Eine besondere sonst zugemauerte Türe der Peterskirche wurde geöffnet, wobei der Papst selbst mit einem goldenen Hammer die letzten Steine herausstieß; das bedeutete die geöffnete Gnadentür. Es wurde damals bekannt gegeben, daß, wer im Laufe dieses Gnadenjahres nach Rom gehe und in 3 bestimmten Kirchen Andachten verrichte, für sich und für andere dadurch Ablaß erwerbe. Das ist der Ablaß zum Jahrhundertanfang. Aber die hundert Jahre wurden immer mehr abgekürzt. Es wurde auch Ablaß aus anderem Anlaß in Rom gewährt und zuletzt auch so, daß statt der kostspieligen Reise nach Rom auch durch Geldleistung für kirchliche Zwecke dieser Ablaß erworben und die Büßungen erledigt werden konnten. So veräußerlichte sich die Sache schließlich zu einem Gelderwerb, wie denn die meisten großen Kirchen durch Ablaßgelder erbaut wurden. So wurde denn von Papst Leo X. ein Ablaß ausgeschrieben, der dem Ausbau der Peterskirche in Rom zu gut kommen sollte und für Deutschland, wenigstens für einen großen Teil desselben war noch ein anderes Geschäft| damit verbunden. Der Kardinal-Erzbischof von Mainz, Albrecht von Hohenzollern, hatte dem Papste eine große Summe zu entrichten. Er war ursprünglich Bischof von Halberstadt gewesen und nun Bischof von Magdeburg und Mainz dazu geworden und zwar gegen alles Kirchenrecht, welches solche Häufung der Würden verbot; aber der Papst konnte dispensieren und so dispensierte er ihn um die Summe von 30000 Goldgulden, das sind etwa 600000 Mark. Dieses Geld mußte Albrecht von dem Bankhause der Fugger in Augsburg entlehnen und wußte nicht wie sie abzahlen, da er seine Einkünfte reichlich verbrauchte. So erbot er sich den Ablaß für Deutschland zu übernehmen unter der Bedingung, daß die Hälfte des eingehenden Geldes ihm zur Bezahlung seiner Schuld überlassen werde. Infolgedessen reisten Angestellte des Bankhauses mit den Ablaßpredigern herum um immer die Hälfte der Geldsumme in Empfang zu nehmen, zu quittieren und abzuliefern. So war in der Tat ein schmählicher Geldhandel aus der Sache geworden und es galt nun möglichst viel Geld herauszuschlagen. Fürsten sollten 25 Goldgulden (etwa 500 Mark) für den Ablaßzettel entrichten, Handwerker 1—11/2 Goldgulden (ungefähr 20-30 Mk.), immer doch noch wenig, wenn damit eine Reise nach Italien erspart wurde. Für Tote genügte auch 1/4 Goldgulden (oder 5 Mk).
Durch göttliche sichtliche Bewahrung, die über dem Reformationswerk waltete.
Der Reichstagsabschied war gegeben; dadurch war Luther in die Acht erklärt. Der Kaiser war der mächtigste Mann, den es in der Welt damals gab, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, da er auch Amerika beherrschte und doch ist er der Reformation nicht mächtig geworden. Das war eine sichtliche, göttliche Bewahrung. Gott hat es so eingerichtet, daß bald im Osten bald im Westen sich Feinde gegen den Kaiser erhoben, im Westen die Franzosen und im Osten die Türken. Schon im Jahre 1521 begann der 1. Krieg gegen den König Franz I. von Frankreich, der sein Nebenbuhler schon bei der Kaiserwahl gewesen war und von dem Habsburger Länderbesitz die Länder an sich gerissen hatte, in denen jetzt der Krieg an der Grenze zwischen Belgien und Frankreich tobt. Solange der Krieg währte, war es dem Kaiser nicht möglich gegen Luther vorzugehen. Im Jahre 1525 erlangte Karl V. durch die Landsknechte unter Frundsberg den berühmten Sieg in der Schlacht von Pavia, dem der Frieden von Madrid folgte. Sofort wendete er sich, nachdem er freie Hand hatte, gegen die evangelische Bewegung. Es war der Reichstag in Speyer beisammen; da wurde nun verlangt, daß das Wormser Edikt doch zur Ausführung komme. Aber zum Glück, während der Reichstag noch tagte, kam die Doppelkunde, daß im| Osten bei Mohacs die Türken unter Suleiman siegreich kämpften und daß, während sie den Sieg über die Deutschen und Ungarn davongetragen hatten, im Westen ein neuer Zusammenschluß gegen den Kaiser gebildet werde. Das vernahmen auch die evangelischen Fürsten. Nun konnten sie entschieden gegen den römischen König Ferdinand, Kaiser Karls Bruder und Stellvertreter in Deutschland, auftreten. So kam es zu dem günstigen Reichstagsabschied von 1526, der dahin ging, daß man in Sachen des Glaubens es halten möge, wie jeder Reichsstand es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne; also tatsächlich Religionsfreiheit für die Reichsstände. Wieder ungünstiger wurde es 1529. Als der Krieg mit Frankreich beendet wurde, durch den sogen. Damenfrieden von Cambrai – wieder zu Gunsten Karls, wenn auch nicht so günstig, wie in Madrid –, sofort wurde es wieder ungünstig für die Evangelischen. In Speyer war wieder der Reichstag versammelt 1529. Weil nun der Kaiser die Macht zu haben glaubte, wurde bestimmt, das Wormser Edikt müsse in katholischen Ländern unbedingt durchgeführt werden und in den andern müsse zunächst jede Neuerung unterbleiben. Dagegen haben die evangelischen Reichsstände protestiert – daher der Name Protestanten, mit dem die Katholiken uns zu nennen pflegen. Im folgenden Jahr 1530 kam der Kaiser wieder nach Deutschland, das er in den letzten 9 Jahren überhaupt nicht betreten hatte, zum Reichstag in Augsburg. Der Abschied war wieder ungünstig, doch nicht so ganz und völlig, weil der Kaiser die Hilfe der Evangelischen brauchte gegen die Türken. Er gab ihnen Frist bis zum nächsten Jahr. Da aber wurde die Türkengefahr so brennend, denn sie näherten sich Wien, daß der Kaiser 1532 zu einem den Evangelischen sehr günstigen Reichstagsabschied im Sinn von 1526 sich entschließen mußte. Man nennt ihn gewöhnlich den Religionsfrieden von Nürnberg. Erst 1544 schloß der Kaiser den letzten Frieden mit dem französischen König. Nun wandte er sich aber auch mit aller Macht der Unterdrückung der evangelischen Lehre zu, wie er dem Papst gelobt hatte. Und es zeigte sich bald, daß er jetzt die Uebermacht hatte. Luther brauchte den Ausbruch des Krieges in Glaubenssachen nicht mehr zu erleben; er wurde vorher im Frieden heimgerufen. Im Jahre nach seinem Tod ging der schmalkaldische Krieg sehr ungünstig für die Evangelischen aus, nachdem in der Schlacht bei Mühlberg der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen vom Kaiser besiegt, ja gefangen genommen wurde. Im nächsten Jahr erließ der Kaiser das sogenannte Augsburger Interim (Interim = dazwischen, einstweilige Ordnung der Dinge bis zu einer endgültigen Einigung). Es blieb den Evangelischen von ihrem gesamten Bekenntnisstande nur der Laienkelch und die Priesterehe. Doch kam es nicht zur Durchführung. Magdeburg hat den stärksten Widerstand geleistet. 1551 wandte sich Moritz von Sachsen, früher auf Seiten des Kaisers wegen Ländergewinns| und Erlangung der Kurwürde, wieder seinen Glaubensgenossen zu. Er verbündete sich mit dem König von Frankreich, dem er die im Krieg so oft genannten Städte Metz, Toul und Verdun überließ, schnitt den Kaiser von seinen Hilfsquellen ab und zwang ihn 1552 zu dem Passauer Vertrag, dem 1555 der Religionsfriede von Augsburg gefolgt ist. Da mußte der Kaiser noch am Ende seiner Regierung den Evangelischen Religionsfreiheit zugestehen. Er legte im Jahre darauf, 1556, ein fast einzigartiges Beispiel, die Kaiserkrone nieder, nachdem er hatte erleben müssen, daß, was er erreichen wollte, von Gott verhindert worden war. Er ging ins Kloster St. Just in Spanien, wo er 1558 gestorben ist. So sichtlich hat die Hand Gottes über dem Werk der Reformation gewaltet. So konnte es
zur tatsächlichen Gestaltung der Kirche der Reformation kommen. Den Weg zeigte der Reichstag von Speyer 1526. Man kann sagen, daß dieser Reichstag, auf dem der Kaiser das erstemal gestattete, „daß jeder Reichsstand, Fürst oder Stadt, in Glaubenssachen es halten möge, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne“, die Geburtsstunde der protestantischen Landeskirche ist. Mit Notwendigkeit mußte die evangelische Kirche Landeskirche werden, es war der von Gott ihr deutlich zugewiesene Weg. Die Bischöfe wären berufen gewesen, dem Evangelium freie Bahn zu machen, aber sie wollten nicht; weil sie hohe weltliche Würde und große Macht besaßen, standen sie zum Papst. Nur wenige haben sich dem Evangelium zugewendet, wie der Hochmeister des „Deutschen Ordens“, der sein bisheriges Ordensland in ein weltliches Herzogtum Preußen verwandelte und es damit dem Evangelium gerettet hat. Anders ist es in den nordischen Ländern, Schweden, Dänemark und Norwegen gewesen. Da haben die Bischöfe selbst das Evangelium angenommen. So haben diese nordischen Landeskirchen evangelische Bischöfe bis auf diesen Tag, freilich ohne damit etwas anderes als eine protestantische Landeskirche geworden zu sein. Die mittelalterliche Papstkirche wurde auf dem Boden der Reformation durch die evangelische Landeskirche abgelöst. Der Grundsatz bestand schon längst, daß die Religion des Landesfürsten für die Religion der Untertanen maßgebend sei. Luther hat es so angesehen, deshalb weil die berufenen Führer, die Bischöfe, versagten, sei es Pflicht der Landesherrn als hervorragender Glieder der Kirche ihr diesen Dienst zu leisten; – nicht als ein Recht der landesherrlichen Gewalt an sich, sondern als einen Dienst der Liebe, der hervorragenden Gliedern zusteht. – Dazu kam, daß der Kaiser überhaupt nur mit den Reichsständen also den Landesherrn verhandelte und daß er nur ihnen, nicht den Untertanen, Religionsfreiheit zubilligte.
| So entstanden von 1526 bis 1529 und dann wieder von 1532 an nach dem sogenannten Nürnberger Religionsfrieden evangelische Landeskirchen. Von 1526 auf 1527 gestaltete sich zunächst die sächsische Landeskirche durch die Visitation, an der Luther selbst teilnahm; 1528 beschloß der Markgraf Georg von Ansbach die Reformation einzuführen. Schon 1525 hatte sich der Sieg der Reformation in Nürnberg entschieden. Die meisten evangelischen Landeskirchen entstanden von 1532 an. Im Jahr 1533 kam die Reformation in unserer heimischen Gegend zum Abschluß durch die brandenburgisch-nürnbergische Kirchenordnung, die eigentlich noch immer die Grundlage unseres Kirchenwesens bildet. Im Markgraftum Ansbach ist es besonders Johann Brenz gewesen, der – seit 1522 in Hall tätig – von dort aus die Einführung der Reformation beriet. In Nürnberg war es eine Anzahl trefflicher Theologen: Melchior Vollbrecht, Prior des Augustinerklosters, Andreas Osiander, aus Gunzenhausen, Prediger von St. Lorenz, und Veit Dietrich, Prediger an St. Sebald, die das evangelische Kirchenwesen gestalteten. Neben ihnen sind als würdige Vertreter der Gemeinde zu nennen: Lazarus Spengler „vorderster Ratsschreiber“ von Nürnberg, der bekannte Hans Sachs und auch der bedeutende Künstler Albrecht Dürer. So ist es gekommen, daß durch diesen Gang der Dinge in den evangelischen Landeskirchen heute noch die Landesherrn maßgebend sind. Es ist nicht zu verkennen, daß diese Einrichtung viel Gutes in sich schloß. Unter eine gute Hut ist die Landeskirche gestellt gewesen, denn den Fürsten der Reformationszeit muß man das Lob lassen, daß sie würdige Vertreter der gereinigten Kirche gewesen sind. Man kann ferner sagen: viele heilsame Ordnungen und gute Sitten sind dem evangelischen Volk unter landesherrlichem Kirchenregiment erwachsen, ein enger Bund ist damit geschlossen worden zwischen dem deutschen Wesen und dem evangelischen Christentum, eine große Tür wurde dem Evangelium aufgetan ähnlich wie einst durch den Uebertritt Konstantins zum Christentum. Die Schattenseiten verkennen wir auch nicht: die Möglichkeit der Einmischung der Staatsgewalt in die kirchlichen Angelegenheiten, die oftmals auch zum Unheil der Kirche eingetreten ist.Wir können, wenn wir diesen Gang der Ausgestaltung der Reformation der Kirche überblicken nur dankend sagen: Vom Herrn ist es geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.
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