Eine wahre Geschichte (Gartenlaube 1853)

Textdaten
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Titel: Eine wahre Geschichte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 250
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[250] Eine wahre Geschichte. In einem Theile des Antillenmeeres liegt eine Gruppe kleiner Inseln, die wegen ihres üppigen und reizenden Ansehens vielfach von Vorübersegelnden besucht werden. Auf einer der schönsten trug sich vor einigen Jahren eine Geschichte zu, die selbst die rohen Matrosen nicht ohne Rührung erzählen: Ein deutscher Student (aus W.) verliebte sich einst vor circa 12 Jahren in ein deutsches Mädchen, da aber wahre Liebe nie einen sanften Lauf hat, so waren Vater und Mutter und Verwandte beider Theile gegen die Verbindung von zwei schlichten Seelen, die einander auf’s Innigste liebten. Die Liebendem beschlossen daher, alle Bande der Natur oder der Freundschaft, die sie an das alte Vaterland fesselten, zu zerreißen und in einem wilden entlegenen Theile der Erde eine neue gemeinsame Heimath zu suchen. Sie hatten von diesem Archipelagus unbewohnter Feeninseln gehört und segelten daher, nachdem sie all’ ihre Habe in Geld verwandelt hatten, nach der Boca S. Juan, von wo er in einer Piragua mit seiner Gattin und einem ansehnlichen Gepäck nach den Inseln fuhr. Da der Deutsche die Piragua für einige Monate gemiethet hatte, so waren die Bootsleute ihm behilflich, auf der Insel, die er auserwählt und in Besitz genommen, die ersten nöthigen Hütten zu bauen. Hierauf gab der Ansiedler dem Steuermanne des Fahrzeugs den Auftrag, ihm einen Majordomo und Arbeitsleute zu senden, und das junge Paar blieb sich selber überlassen.

Die Dienstleute langten an und der Aufseher oder Majordomo war ein starker kräftiger Mestize, der ein sehr gutes Zeugniß mitbrachte, welches er aber, wie sich in der Folge herausstellte, keineswegs verdiente.

Der Deutsche machte seine Insel urbar, pflanzte Zuckerrohr und schickte bald so viel Rohzucker und Federvieh entweder nach der Mündung des S. Juan oder nach Granada, daß er nicht nur alle Kosten decken, sondern auch noch etwas erübrigen konnte. Er machte sogar auch noch eine kleine Nachbarinsel urbar und baute ein einrudriges Boot zur Verbindung zwischen den zwei Eilanden. Er war eben damit beschäftigt, die zweite kleine Insel mit Zuckerrohr zu bepflanzen und beaufsichtigte seine damit beschäftigten Leute, als sich auf der größern ein furchtbares Ereigniß zutrug, das alle seine Pläne zerstörte.

Der Majordomo war von der Schönheit der deutschen Inselbewohnerin bezaubert worden und hatte ihr dies mehrere Wochen vor dem traurigen Vorfall mit deutlichen Worten gestanden. Sie selber hatte thöriger Weise ihrem Gatten nichts davon gesagt, weil sie befürchtete, er möchte sich mit einem Manne, der ihm bedeutend überlegen war, in einen Streit einlassen; am Abend vor dem verhängnißvollen Tage erklärte sie jedoch ihrem Gatten, daß sie nicht länger an einem Orte leben könnte, wo ihr fortwährend beleidigende Zumuthungen gemacht würden. Er versprach, den nächsten Tag alles zu ordnen und den Majordomo nach dem Festlande zu schicken.

Am nächsten Morgen fuhr der Deutsche mit seinen Arbeitern nach der kleinen Insel und ließ unklug genug auf der größeren außer seiner Gattin niemand zurück als den Majordomo. Nach einer zwei- oder dreistündigen Arbeit wurden die Arbeiter durch den Anblick einer auf der Hauptinsel aufsteigenden Rauchsäule erschreckt. Sie eilten nach dem Boote und ruderten schnell hinüber, aber wer beschreibt das Entsetzen des Gatten und der Indianer, als sie bei ihrer Ankunft an der Hazienda das Haus in Flammen fanden, während die junge unglückliche Deutsche mit durchschnittenem Halse und allen Merkmalen schamloser Mißhandlung in der Hausflur lag.

Der Majordomo hatte sich nach Verübung dieser scheußlichen Gewaltthat in sein eigenes Boot geflüchtet und war nach dem südlichen Ufer des Sees gefahren, wo er in dem dichten Walde eine sichere Zuflucht zu finden geglaubt hatte, er wurde jedoch drei Tage später erschossen, aber nicht in Folge irgend einer Bemühung des unglücklichen Deutschen, der von dem unerwarteten furchtbaren Schlage gänzlich betäubt und überwältigt war. Es vergingen Monate, ehe er wieder seine Geschäfte besorgen konnte und dann begab er sich nach Deutschland. Darauf kehrte er nach seinem Eiland zurück, um es nicht wieder zu verlassen

Das arme junge Weib! – Sie schläft in Frieden! Ihr Grab ist von einigen prächtigen Bäumen beschattet und mancher schöne Strauch ziert den kleinen Raum, wo sie, frei von allen Leiden, die vielleicht noch ihr Loos gewesen wären, im Schooß der Erde liegt.