Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine pariser Restauration
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 494
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[494] Eine pariser Restauration. Ich will die Beschreibung von Paris, meldet man von dort, nicht abbrechen, ohne Ihren Lesern die neue Restauration in der Rue de Montesquieu, dicht am Palais Royal, zu schildern. In dieser kurzen, aber hübschen Straße existirte seit Jahren ein Tanzsaal für die Loretten und Köchinnen des Stadtviertels. Als der Miethcontrakt des Saalpächters zu Ende war, verlangte der Eigenthümer einen höheren Miethzins, und der Pächter zog sich zurück. Neben dem Saal existirt ein großes Modewaarengeschäft, „au coin des rues,“ genannt, dessen Besitzer den großartigen Entschluß faßte, diesen Saal seinem Magazine einzuverleiben und dadurch die ihm gegenüberliegende, sehr bekannte Modewaaren-Handlung, die sich mit impertinenter Ironie „au pauvre diable“ nennt, legaler Weise zu ruiniren. Aber der furchtbare Wirth des Saales verlangte, glaube ich, 30,000 Fr. jährliche Miethe, und die machten den „Straßen-Eck“ schwanken. Kaum hatte nun aber der „arme Teufel“ von der Gefahr gehört, die ihm bevorstand, als er den „Saal des Geistes der Gesetze“ à tout prix miethete, obgleich er ihm für sein auf der anderen Seite der Straße gelegenes Magazin gar nichts nützen konnte. Nun wurde in dem Saale nicht mehr getanzt, und es wurde auch kein Bazar aus ihm, wozu in aller Welt konnte er verwendet werden? Es giebt in Paris einen Fleischer, Namens Duval, der die Idee hatte, Restaurationen zu errichten, wie Paris noch keine besaß. Eine Garküche ist ein neutraler Boden, und der „arme Teufel“ nahm keinen Anstand, Herrn Duval den Saal um einen bei weit billigeren Preis zu untermiethen. Was sind auch funfzehn- bis zwanzigtausend Franks jährlicher Verluste gegen die Gefahr, von dem „Straßen-Eck“ ruinirt zu werden! Ich habe nun neulich die Restauration dieses genialen Fleischers besucht und finde, daß der Mann so gut einen Orden verdient, wie der oder jener Tuch- oder Leinwandfabrikant. Er hat wirklich ein Problem gelöst.

So wie man in die Vorhalle tritt, erhält man von einem Beamten (es ist hier Alles wie in einer großen Administration eingerichtet) eine gedruckte Speisekarte, aus welcher die zu habenden Gerichte und Getränke mit Angabe der Preise verzeichnet stehen. Man ist über die Billigkeit erstaunt und geht an ein paar Tischen, auf denen das rohe Fleisch erster Qualität ausgestellt ist, vorbei in den Speisesaal. Dieser bietet nun einen äußerst interessanten Anblick dar. Rechts und links lange Reihen kleiner Marmortische, ringsherum breite Galerien, auf denen ebenfalls gespeist wird. In der Mitte des Saales selbst stehen zwei große offene Dampfküchen, deren ökonomische Einrichtung und Sauberkeit bewundernswerth ist. Sehr anständig gekleidete Frauen von seltener Reinlichkeit holen aus den ungeheuren Töpfen die Speisen und die Stücke Fleisch heraus, schneiden ab, und man hat hier den Vortheil, der einem in Paris nicht immer zu Gebote steht: zu sehen, was man eigentlich ißt. Sobald man eine Speise bestellt hat, macht der Kellner auf die Speisekarte, die man von der Thür mitbrachte, ein Kreuz. An jedem Marmortische ist eine aufrechtstehende Röhre angebracht, an welcher sich zwei Drücker befinden. Aus diesen Röhren, die unter den Tischen fortlaufen, strömt so viel Selterwasser als man trinken will und für das Recht, diese Röhren bei Tische zu benutzen, bezahlt man bei der allgemeinen Rechnung zwei Sous (kaum einen Sgr.). Ist man mit Essen fertig, so geht man mit seiner Karte hinaus. Man kommt von selbst an den Comptoiren vorbei, an denen mehrere Damen sitzen, welche im Nu die Rechnung, die man mit der Karte ja selbst präsentirt, zusammenaddiren. Hat man gezahlt, so erhält man die Karte zurück, und giebt sie beim Herausgehen einem Controleur ab. Trinkgeld an den Kellner wird nicht verabreicht. Alle Speisen sind einfach zubereitet, aber äußerst geschmackvoll, und in keiner Restauration kann man besseres Fleisch essen, als hier. Anderthalb Francs (12 Sgr.) sind zu einem Diner genügend. Der Erfolg dieses Etablissements ist so außerordentlich groß, daß zwischen sechs und sieben Uhr in der Regel 800 Personen auf einmal in dem Saale essen, so daß man für kurze Zeit die Gitter schließen muß. Herr Duval errichtet im Ganzen zwölf Anstalten der Art in Paris, und zwei kleinere existiren bereits in andern Stadttheilen.