Textdaten
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Autor: Eduard Pechuel-Loesche
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Titel: Eine große Zeitungsthat
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 642–644
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Eine große Zeitungsthat.


Von M. E. Plankenau.


Es war ein um die ganze Erde laufendes und die gesammte cultivirte Menschheit freudig erregendes Telegramm, welches zuerst die Kunde brachte: Dr. Livingstone ist gefunden!

Wer ist Livingstone? So fragten aber auch Tausende damals, denn der Mann war so lange verschollen und so oft vergeblich gesucht, daß namentlich vor den ungeheuren Ereignissen der letzten Jahre sein Name und sein Schicksal für die große zeitungslesende Menge in den Hintergrund getreten und in Vergessenheit gekommen war. Trotzdem beschränken wir uns in diesem Artikel auf die Bemerkung, daß Dr. David Livingstone der bedeutendste von allen den Forschungsreisenden ist, die uns Afrika erschlossen haben, und daß er auch der glücklichste ist, insofern er mit nur kurzen Unterbrechungen zweiunddreißig Jahre lang unter den wilden Völkerstämmen Südafrikas lebte, ohne daß ihn das Schicksal so vieler Forscher, ein Opfer der Eingeborenen oder des Klimas zu werden, ereilte. Die Darstellung seines sehr interessanten Jugendlebens und der für geographische Forschung sehr erfolgreichen Reisen von 1840 bis 1864 sparen wir unsern Lesern für einen besondern Artikel auf. Heute ist es unsere Aufgabe, sie vor Allem mit der in mehr als einer Beziehung einzig dastehenden Art der Rettung dieses englischen Afrikaforschers bekannt zu machen. Wenn dies anscheinlich etwas spät geschieht, so ist daran neben der zeitraubenden Herstellung unseres Blattes die Vorsicht schuld, die uns gebot, zur Mittheilung an unsere Leser erst authentische Nachrichten über diesen außerordentlichen Fall abzuwarten. Diese Vorsicht war doppelt [643] nöthig, weil allerdings manche der ersten Zeitungsberichte mancherlei Widersprechendes und Falsches enthielten.

Schon lange vor Christi Geburt erweckte die Erforschung der immer noch unbekannten Nilquellen das Interesse der damals um das mittelländische Meer gruppirten Culturvölker; schon Herodot erwähnt die Quellen des Nils, nach ihm auch Ptolemäus; daher das fabelhafte Mondgebirge und die mächtigen Quellen von unergründlicher Tiefe, aus welchen der Nil seinen Lauf nach Norden nehmen sollte. Burton und Speke, welche 1857 bis 1862 von Sansibar aus nach Westen bis zum Tanganyikasee kamen und dann nach Norden marschirend den ungeheuren Ukerewesee (englisch Victoria Nyanza) berührten, glaubten diesen für den eigentlichen Quellsee des Nils halten zu dürfen; Baker, welcher von Aegypten aus den Nil aufwärts zog, hielt den 1864 von ihm entdeckten ebenfalls ungeheuren Mwutan Nsige (englisch Albert Nyanza) für einen zweiten Quellsee des Nils. In diesen hat der Ukerewe seinen Abfluß; beide liegen unter dem Aequator. Hiermit schien das Problem der Nilquellen gelöst. Livingstone aber beruhigte sich nicht hierbei; getreu der Ansicht, daß kein großer Strom aus einem See entspringe, wollte er nun alle Kräfte daran setzen, um die eigentlichen Nilquellen noch weiter südlich zu suchen. Im Westen und Südwesten der drei oben genannten Seen liegt das ungeheure Gebiet von Innerafrika, in welches noch kein Forscher eingedrungen ist und welches noch auf allen Karten als eine leere Fläche erscheint. In dieses Gebiet wollte Livingstone nun von Osten her eindringen.

Im Herbst 1865 verließ er, damals in noch sehr fester Manneskraft von achtundvierzig Jahren, England, segelte nach Bombay und von dort nach Sansibar. Im Frühjahr 1866 setzte er nach dem Festlande über und fuhr den Rovuma aufwärts; bei einem ihm freundlich gesinnten Häuptlinge hielt er sich längere Zeit auf und zog dann mit seinen dreißig Begleitern westwärts nach dem Nyassasee. Während dieses Marsches entliefen ihm die meisten derselben und verbreiteten bei ihrer Rückkunft nach Sansibar die Nachricht: der berühmte Reisende sei, nachdem er über den Nyassa gegangen, von einem Trupp Eingeborner überfallen und erschlagen worden, sie selbst hätten sich durch die Flucht gerettet. Sie verstanden so meisterlich zu lügen, daß man ihnen glauben mußte.

Um sich Gewißheit zu verschaffen, sandte im Juli 1867 die englische Regierung eine Expedition unter Young ab. Dieser fuhr in einem Dampfer den Zambesi und Schire aufwärts, ging dann über Land zum Nyassa-See und erreichte den Ort, wo Livingstone ermordet sein sollte. Alle Erzählungen von dessen flüchtig gewordenen Begleitern erwiesen sich als Lügen, erfunden, um sich vor Strafe zu sichern. Livingstone hatte den Nyassa im Süden umgangen, unter den dort lebenden Stämmen neue Begleiter angeworben und war wohlbehalten in nordwestlicher Richtung weitergezogen. Hierdurch beruhigt, kehrte die Regierungsexpedition zurück. Bald gab auch der Reisende selbst ein Lebenszeichen von sich. Im April 1868 brachte ein Bote Briefe von ihm nach Sansibar, welche am 2. Februar 1867 zu Bemba (zehn Grad südlicher Breite, zweiunddreißig Grad östlich von Greenwich) geschrieben waren. Später trafen noch weitere Berichte vom December 1867 und Juli 1868 ein. Ein vierter Brief war von einem weiter nordöstlich gelegenen Orte, von Udschidschi am Ostufer des Tanganyika-Sees, den 30. Mai 1869 datirt

Seit jener Zeit blieben alle Nachrichten von Livingstone aus. Alle von Eingeborenen und arabischen Händlern über sein Schicksal erlangten Angaben erwiesen sich nur als vage Gerüchte: der große Forscher war und blieb verschollen.

Der englische Consul in Sansibar, Dr. Kirk, suchte Livingstone Unterstützungen zukommen zu lassen und Genaueres über sein Schicksal zu erfahren; da aber der Verkehr mit dem Binnenlande außerordentlich mühsam und zeitraubend ist, so verstrichen viele Monate, ohne daß man durch Warten gewonnen hätte. Eine größere wohlausgerüstete Unterstützungs- und Aufsuchungsexpedition, welche endlich organisirt wurde, mißglückte vollständig in Folge der auftretenden Cholera. Da die englische Regierung keine weiteren energischen Maßregeln ergriff, um das Schicksal des Verschollenen aufzuklären, beschloß die „Londoner Geographische Gesellschaft“, die Aufsuchung desselben zu einer Ehrensache für sich zu machen. Zu Anfang des laufenden Jahres gingen denn auch die Führer der projectirten Expedition, die Seeofficiere Lieutenants Henn und Dawson, welchen sich Livingstone’s in England lebender Sohn, Oswald, angeschlossen hatte, nach Sansibar ab. Ihre Expedition sollte aber nur ein Project bleiben; was sie erstrebten, war von anderer Seite, wo Niemand es erwarten konnte, längst ausgeführt worden.

Zwei Privatmänner, von denen der eine die Mittel gewährte, der andere diese mit frischer Energie benutzte und gleichsam, als wenn es einen kleinen Abstecher gelte, einen Zug in das Innere von Afrika unternahm, den Viele vorher monatelang bedächtig erwogen, geprüft und dann abermals nach Monaten vielleicht in’s Werk gesetzt hätten, – zwei junge Männer, gewöhnt zu handeln, statt zu reden, hatten das Problem in ganz geräuschloser Weise in Angriff genommen und in kurzer Zeit glücklich gelöst.

Der Eine derselben ist James Gordon Bennett, Besitzer der großen amerikanischen Zeitung „New-York-Herald“, der Andere Henry M. Stanley, Correspondent des vorbenannten Blattes. Des Ersteren Name wurde schon vor Jahren von vielen Zeitungen genannt. Er, als Eigenthümer der Yacht „Henrietta“, hatte mit den Besitzern der Yachten „Vesta“ und „Fleetwing“ eine Wettfahrt über den atlantischen Ocean, von New-York nach England, verabredet und lief nach einer äußerst stürmischen, aber glücklichen Fahrt am Weihnachtsabend 1866 in Cowes, Insel Wight, als Sieger ein, den Siegespreis von neunzigtausend Dollars gewinnend.

Mit welchen Mitteln die ihm gehörige Zeitung arbeitet, die sein nun verstorbener Vater gegründet hat, läßt sich schon daraus entnehmen, daß sie eigens mehrere schnelle Dampfer besitzt, welche vom Hafen von New-York nach der hohen See hinauslaufen, die von fernen Häfen kommenden Schiffe um Neuigkeiten ansprechen und, sobald sie solche von einiger Wichtigkeit erlangt haben, unter vollem Dampf zurückkehren und das inzwischen druckfertig hergestellte Material an die Redaction abliefern – dies Alles nur, damit der „New-York Herald“ die Mehrzahl der wichtigen Nachrichten um oft kaum wenige Stunden früher bringen kann als andere Blätter. Das amerikanische Publicum weiß solchen Eifer allerdings auch gebührend zu schätzen. Ich glaube überdies kaum zu irren, wenn ich weiter anführe, daß der „Herald“ über einige der wichtigsten Strecken der Union sein eigenes Telegraphennetz gespannt hat; ebenso werden ihm politische Nachrichten von Europa und, wenn sie wichtig genug sind, selbst die längsten Reden unverweilt Wort für Wort hinübertelegraphirt, so daß man sie in Amerika gleichzeitig mit uns in Europa liest.

Wie die besseren Correspondenten eines solchen Blattes gestellt sind, läßt sich aus Vorstehendem errathen. Henry M. Stanley gehörte sehr jung schon, während des amerikanischen Bürgerkrieges zum Stabe des „Herald“, wurde 1867 als Berichterstatter über den Befreiungskampf der Griechen nach Creta geschickt, begleitete 1868 die englische Armee nach Abyssinien und zog dann kreuz und quer durch Asien bis nach Bombay. Auf seine Anfrage, was er nun weiter thun solle, wurde ihm der lakonische Bescheid: „Gehen Sie nach Innerafrika, suchen Sie Livingstone auf.“ Sofort machte er sich auf den Weg: der Zweck war einfach und klar, die Kosten Nebensache.

Anfang Januar 1871 war Stanley schon in Sansibar und traf seine Vorbereitungen; bald nachher setzte er nach dem der Insel gegenüber am Festland liegenden Hafenplatz Bagamoyo über, dem Ausgangspunkt der für das Innere bestimmten Karawanen. Seiner frischen Energie, verbunden mit hinreichenden Geldmitteln, gelang es, in wenigen Monaten – für die dortigen Zustände eine außerordentlich kurze Zeit – eine wohlausgerüstete Expedition zu organisiren, und am ersten April schon brach er nach dem Innern auf. Anfang Juli erreichte er die Landschaft Unyanyembe, welche ungefähr zwei drittel des Weges zwischen der Küste und dem Tanganyikasee liegt und eine Art Sammelplatz für alle kommenden und gehenden Karawanen bildet. Von dort aus sandte er seinen ersten Bericht an den „Herald“. Je weiter westwärts Stanley vordrang, desto bestimmter traten die Nachrichten über Livingstone auf, so daß er fest hoffen durfte ihn lebend anzutreffen.

Von Unyanyembe weiter ziehend, traf er auf sich häufende Schwierigkeiten; einige der kleinen eingeborenen Herrscher waren unter sich und mit den arabischen Händlern in Streit gerathen und führten nun Krieg auf echt afrikanische Weise. Hierdurch [644] wurde Stanley der Weg versperrt. Schnell entschlossen verbündete er sich mit der einen Partei, um die andere rasch zu überwältigen und so auf die einfachste Weise Frieden zu stiften. Mit seinen Verbündeten überrumpelte er glücklich einige Dörfer des Feindes und durfte schon hoffen sich bald den Weg gebahnt zu haben, da verhinderte ihn ein böser Fieberanfall an der Erwerbung weiteren afrikanischen Kriegsruhms. Er ging eine kurze Strecke zurück, um sich zu erholen und während dieser Zeit wandte sich das Glück des Krieges dem Gegner zu, so daß Stanley schließlich mit den Resten seiner Expedition nichts übrig blieb, als die mit Krieg überzogenen Gebiete auf weiten Umwegen zu umgehen. Auch dies war keine leichte Aufgabe: offener oder versteckter Widerstand und Böswilligkeit der Eingeborenen, Ungehorsam seiner eigenen Leute, schlechtes Wetter und Krankheiten verzögerten seinen Marsch. Anfang November endlich erreichte er den Tanganyika-See und zog am 3. November 1871 unter dem landesüblichen Höllenlärm mit Trommeln, Hörnern und Flintensalven in der Ortschaft Udschidschi ein.

Unter den ihn in gleicher Weise empfangenden Einwohnern bemerkte er einen dürftig europäisch gekleideten graubärtigen Mann, welcher eine goldbordirte Marinemütze trug. Wohl wissend, wie sehr die Araber den Werth eines Mannes nach der Würde bemessen, mit welcher er sich repräsentirt, benutzte Stanley einen schicklichen Augenblick, um sich dem Manne mit der Mütze zu nähern, als befände er sich mit ihm in Berlin oder Paris.

Höflich grüßend beginnt er: „Doctor Livingstone, glaube ich?“

Und noch einfacher lautet die lächelnd gegebene Antwort: „Ja.“

So war denn der berühmte Forscher gefunden, der Hauptzweck der Reise erfüllt. Livingstone war noch frisch und rüstig und fest entschlossen nochmals westwärts zu gehen, um auch die letzten Unklarheiten bezüglich der Frage über die Nilquellen zu beseitigen. Die Resultate seiner letzten Wanderzüge sind in der Kürze folgende: Westlich vom Nyassa-See zwischen zehn und zwölf Grad südlicher Breite erstreckt sich in großer Ausdehnung von Ost nach West die Wasserscheide von Südafrika, ein bewaldetes, bis zu vier- und fünftausend Fuß ansteigendes, von einzelnen Bergspitzen noch bedeutend überragtes Hochland. In diesem erblickt Livingstone das fabelhafte Mondgebirge der Alten; auch die gewaltigen Quellen finden sich dort. Am Südabhange entspringt der Zambesi mit verschiedenen seiner Nebenflüsse, nach Norden zu rieseln unzählige Bäche in ein weites Thal hinab, vereinigen sich dort zu mehreren großen Flüssen und diese zu einem majestätischen Strome, welcher vielfach gewunden nach Westen und Norden fließt. Letzterer passirt im Westen des Tanganyika eine Reihe großer Seen, zwischen welchen er verschiedene Namen, wie Luapula, Lualaba führt; der Entdecker hält ihn für den eigentlichen Nil. Mancherlei Mißgeschick verhinderte ihn leider, den Flußlauf bis in schon von Norden her erforschte Gebiete zu verfolgen. So bleibt es vorläufig noch unentschieden, ob er wirklich den Oberlauf des Nils entdeckt hat, oder den des Kongo oder des Ogowai, die an der Westküste Afrikas in den Atlantischen Ocean münden. Der Chambeze, nicht zu verwechseln mit dem Zambesi, als dessen Nebenfluß er früher galt, ist von diesem durch die Wasserscheide getrennt und giebt sein Wasser an den neuentdeckten Hauptstrom ab.

Dies sind die hauptsächlichsten Entdeckungen des hochverdienten Forschers. Seine Berichte lassen leider in Bezug auf Klarheit viel zu wünschen übrig; es ist dies wohl erklärbar: verschiedene derselben sind verloren gegangen; es fehlte ihm schließlich an Papier; in die seinem Tagebuch entnommenen Auszüge, welche bei sich bietender günstiger Gelegenheit hastig zusammengestellt wurden, konnten sich leicht genug Irrthümer einschleichen, und der Zustand seiner Instrumente erlaubte ihm überdies nicht, sichere Höhenmessungen und Ortsbestimmungen vorzunehmen. Eine vollständige und klare Uebersicht dessen, was er geleistet hat, wird erst durch eine kritische Bearbeitung des ganzen von ihm gesammelten Materials ermöglicht werden, und diese dankbare Arbeit scheint er sich selbst vorbehalten zu haben.

Westlich vom See Tanganyika fand Livingstone einen Völkerstamm, die Manyema, welche entschiedene Menschenfresser sind, doch bereiste er glücklich ihr Gebiet, ohne ihrem Appetite zum Opfer zu fallen. Alle Eingeborenen, welche die Hochländer der Wasserscheide bewohnen, schildert er als intelligente, kräftige und wohlgeformte Menschen und rühmt namentlich die für Negervölker ungewöhnliche Schönheit und helle Hautfarbe des weiblichen Geschlechtes.

Es mußte ein hoher Genuß für Livingstone sein, nachdem er eine Reihe von Jahren jeden persönlichen Verkehr mit civilisirten Menschen entbehrt hatte, sich mit seinem Entdecker Stanley zu unterhalten und von ihm zu erfahren, welcher großartige Umschwung der Verhältnisse sich unterdessen in Europa vollzogen hatte. Er wußte aber auch diese Zeit nutzbar zu machen, indem er mit dem Abgesandten des „Herald“ schon am 20. November das Nordende des Tanganyika besuchte und endgültig feststellte, daß dieser See mit dem Mwutan Nsige (Baker’s Albert Nyanza) in keinem Zusammenhang stehe. Zurückgekehrt nach Udschidschi verlebten die beiden Reisenden dort das Weihnachtsfest und brachen Ende December ostwärts nach Unyanyembe auf, wo sie bis Mitte März 1872 verweilten. Dann trennten sie sich. Stanley ging mit den Berichten Livingstone’s nach der Küste, Letzterer kehrte nach Udschidschi zurück, um dort die ihm sofort von Sansibar nachzusendende neue Ausrüstung zu erwarten und dann seine Forschung zum vollständigen Abschluß zu bringen.

Unterdessen hatte die von der Londoner Geographischen Gesellschaft veranstaltete Expedition ihre Ausrüstung in Sansibar vollendet und war nach Bagamoyo übergesetzt, um von dort ihren Zug nach dem Innern anzutreten. Während dieser Zeit waren aber von Stanley verschiedene Nachrichten angelangt, welche den glücklichen Fortgang und endlichen Erfolg seines kühnen Unternehmens meldeten; mit Spannung sah man weiteren Mittheilungen entgegen. Da, am Abend des 7. Mai knatterten plötzlich Flintensalven außerhalb der Ortschaft und inmitten seiner Getreuen zog Stanley selbst ein, frisch und energisch wie immer, obgleich arg mitgenommen von Fieber und Strapazen. Echt amerikanisch und doch sehr bedeutungsvoll in ihrer Kürze ist die Bestimmung seines eigenen Körpergewichtes: als er auszog, wog er hundertachtundsiebzig Pfund, bei seiner Rückkehr nur noch hundertzwanzig Pfund.

Nach einer Conferenz mit den schon früher genannten Führern der englischen Expedition wurde diese aufgegeben. Aus ihren Vorräthen wählte Stanley die von Livingstone gewünschte Ausrüstung und sandte diese durch einige fünfzig auserwählte Leute, welche angeworben sind, um den Forscher auf allen seinen weiteren Zügen zu begleiten, nach Udschidschi ab. Die englischen Bevollmächtigten und selbst Livingstone’s Sohn zogen es vor, die Expedition nicht zu begleiten und nach England zurückzukehren. Auch Stanley reiste, nachdem alle seine Geschäfte erledigt waren, über Suez, Marseille, Paris nach England. Die Kosten seiner Expedition nach Innerafrika allein werden sich auf nicht weniger als fünfundzwanzigtausend Dollars belaufen und wachsen noch bedeutend durch die Summen, welche für die telegraphische Uebermittelung verschiedener, viele Spalten des „Herald“ füllender Berichte nach New-York bezahlt wurden.

Ehre sei dem Herrn James Gordon Bennett, dem Besitzer des „New-York Herald“, welcher zu diesem edlen Zwecke solche bedeutende Mittel zur Verfügung stellte, und Ehre sei dem Herrn Henry M. Stanley, welcher unter Preisgebung seiner eigenen Persönlichkeit diese Mittel mit solchem Erfolge benutzte! Möchten doch in Zukunft recht viele Zeitungen in Stand gesetzt sein, auch auf solche Weise im Dienste der Menschlichkeit und Wissenschaft zu wirken, und möchten sie immer energische Männer finden, welche in diesem Sinne handeln!