Eine deutsche Bürgerstochter

Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Eine deutsche Bürgerstochter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 212–215
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Philippine Welser und Schloss Ambras in Tirol
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Eine deutsche Bürgerstochter.

Innsbruck zeigt trotz seines alten Ursprunges eine sehr moderne Architektur; fast möchte man sagen, seinen Straßen und Häusern sei der Alles nivellirende Charakter der Büreaukratie, denn diese beherrscht den Platz, aufgedrückt. An Werken der Baukunst, wie sie den Wanderer in mancher kleinen Stadt aus dem Mittelalter anheimeln, wird es vom nahen Hall übertroffen, die größten geschichtlichen Erinnerungen Tyrols knüpfen sich weder an seinen Namen, noch an die der Obrigkeit gegenüber stets zahme und ergebene Einwohnerschaft; die schöne Natur liegt vor seinen Thoren, und der eingeborene Bürger kümmert sich um diese auch sehr wenig, es sei denn irgendwo ein Wirthhaus, wo man guten Wein trinkt, oder eine Bauernhütte, in welcher süße Maibutter mit Zimmt gewürzt aufgetragen wird. Darum möge mir der Leser in das Freie folgen; bald haben wir die staubigen Straßen hinter uns, zur Seite rauscht die Sill, das Korn wogt im Winde und der duftige Klee lockt die Bienen auf die Wiese. Schon stehen wir am Eingange der Schlucht, welche der Waldbach tief in den grauen Schiefer gegraben, feuchte Kühlung weht uns entgegen, Büchsenknall von der Höhe rechts erinnert uns, daß da droben der Schießstand des Berges Isel sei. Der Berg Isel! kaum ein Hügel gegen die Riesen im Hintergrunde und doch hell beleuchtet vom Glanze großer Thaten! Hier warfen die Schützen von 1809 den französischen Marschall in die Flucht, daß er ohnmächtig grollend seiner Siege an der Weichsel und des Herzogstitels von Danzig vergessen mußte. Jetzt ist es Frieden, tiefer Frieden, kein Tropfen Blut färbt den Abhang mehr, den die rothe Steinnelke schmückt, und statt des Kampfgetöses tönt der laute Schrei des Falken, der nebenan auf einer Klippe sein Nest hat.

Wir wenden uns links, ein kunstloser Pfad leitet durch das Gebüsch, aus welchem hie und da ein neugierige Meise oder ein Rothkehlchen guckt; bisweilen öffnet eine Lichtung dem Blicke das

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Philippine Welser.

schöne Innthal, endlich zieht uns eine Gruppe mächtiger Tannen an. Wir treten auf einen offenen Platz, überall Kreuze und Inschriften, dort ein riesiges Crucifix, an dessen rothem Stamme menschliche Glieder, Kühe, Schafe und Pferde aus Wachs, wie sie die Andacht der Wallfahrer befestigte, hängen. Da war im vorigen Jahrhundert der Begräbnißplatz für die im Militärspitale verstorbenen Soldaten; man spricht von vielen Tausenden, welche, in Folge der schlechten Pflege zu Grunde gegangen, hier eingescharrt wurden. „Das war im vorigen Jahrhundert!“ sagte man noch vor Kurzem wohlgefällig, bis man im letzten Feldzug erfuhr, daß die österreichische Regierung auch hier noch die alte war und die verwundeten Krieger eben so barbarisch ihrem Schicksale überlassen hätte, wäre dieses nicht durch die Milde des Tyrolervolks abgewendet worden. Dieser traurige Platz war einst zu schöneren Dingen bestimmt; hierher zogen die artigen Cavaliere aus Schloß Amras, tummelten die Pferde und übten sich unter den Augen Philippine’s im Ringelstechen, nachdem die gefährlichen Kämpfe des Turniers längst aufgehört hatten. Dort erhebt sich das Schloß, ein ausgedehnter Bau im Style der Renaissance, die herrlichen Thiergärten ringsum sind verwildert, die Teiche, wo Schwäne schwammen, versumpft, in die kahlen Räume sind zwar wieder Bewohner eingezogen, die Musen jedoch, welche einst hier walteten, wurden nicht mehr eingeladen. Gleichviel! uns schwebt aus der Vergangenheit das Bild der holden Philippine Welser entgegen, umrankt von den schönsten Arabesken der Sage, denn das Volk bewahrte keine Erinnerung der diplomatischen Schachzüge von Fürsten, wohl aber weiß jedes Kind noch von der milden, herrlichen Frau zu erzählen. Dort stand sie auf dem Söller und blickte in [214] das Weite, vielleicht mitten in fürstlicher Pracht des väterlichen Bürgerhauses gedenkend. Es sagt ja ein Sprüchwort: „Eine Frau, welche über ihren Stand heirathet, muß jeden Winkel der Wohnung, in die sie einzieht, mit Thränen waschen.“ Hier am Thore theilt sie den Armen, welche sie überall aufsuchten, Almosen aus, wie sie ein Basrelief auf ihrem Grabe darstellt; dort auf dem Vorsprunge des Hügels saß sie unter den Bäumen und kredenzte dem Gatten den Becher; ihre Haut sei so zart gewesen, daß man, wenn sie trank, den rothen Tyrolerwein durch den Hals schimmern sah. Wer vermöchte ihren Reiz, ihre Anmuth zu schildern, welche selbst einen gelehrten Pedanten, wie den berühmten Doctor Roner, in einer lateinischen Rede zu dem Ausruf veranlaßte: „Wen rührt nicht ihre ausgezeichnete, bewunderswerthe Schönheit, wen entzückt nicht die edle, erhabene Gestalt, welche schon von fern die Fürstin verkündet? Wer sah nicht mit Wonne das holde Gesicht, worauf Majestät und sanfter Reiz der Liebe verschmolzen, das lebendige Feuer des Auges? Alle Vorzüge des Geistes und Körpers waren in ihr vereinigt.“ Darf man sich da wundern, wenn sie den jungen Kaisersohn bezauberte, wie früher die Badertochter Agnes Bernauer den Herzog von Baiern? Ihre Züge sind uns von Künstlern der verschiedensten Art überliefert worden. Das Portrait unserer Zeitschrift ist nach einem Gemälde, welches sich im Museum zu Innsbruck befindet.

Besuchen wir das Schloß. Die Kunstschätze, welche Ferdinand mit den Beiträgen der Tyroler Stände ankaufte und hier vereinigte, sind längst auf dem Inn und der Donau nach Wien geschifft; wer hätte nicht von Raphaels Madonna nel verde im Belvedere, dem Sarkophage des Phidias, den seltenen Waffen berühmter Helden, der kostbaren Gudrunhandschrift gehört? Vor einigen Jahren kam zwar die freudige Botschaft, Tyrol solle die ganze Sammlung zurück erhalten, bis jetzt wurde jedoch kein Stück nach Innsbruck geschickt, und man zweifelt bereits, ob es je geschehen werde. Was nicht nach Wien geschleppt wurde und an den Wänden des Rittersaales aufgehängt ist, verlohnt kaum einer langen Betrachtung.

Auf einigen Stufen abwärts gelangt man in eine kleine Kammer mit einer kupfernen Wanne. Hier pflegte Philippine zu baden. Man mag sich dabei gerne an jenes liebliche Gedicht Walters von der Vogelweide erinnern, der seine Gebieterin belauschte, wie sie in das Wasser stieg. Dem Volke gilt jedoch dieser enge Raum als eine verfluchte Stätte grauenvoller Missethat. Philippine war nämlich dem Adel, welcher, so lange die Ehe geheim blieb, der glänzenden Feste entbehren mußte und in Sorge stand, den Hof ganz zu verlieren, wenn Ferdinand keine standesmäßen Erben zeugte, sehr verhaßt, obwohl Bürger und Bauern sie anbeteten und für sie auf einen Wink durch das Feuer gegangen wären. Auch die Jesuiten, deren Messen sie nie besuchte, während ihr Gegner, der aus Fischart’s Schriften wohlbekannte Weihbischof Nasus, bei Hof Zutritt hatte und demselben predigte, waren ihr abgeneigt, um so mehr, da sie bei dem Bürgerkind von Augsburg Spuren lutherischer Ketzerei witterten und daher besorgen mußten, es könne durch sie ein Sprößling des Hauses Habsburg der alleinseligmachenden Kirche abspenstig werden. Nun heißt es, der Adel habe ihr durch einen bestochenen Arzt, ehe sie in das Bad ging, Opium reichen und dann die Adern aufschneiden lassen, so daß sie verblutete. Nach einer anderen Angabe wäre dieses im Auftrag des Papstes, vermuthlich unter Mitwirkung der Jesuiten, die man überall nur zu gern als Mitschuldige böser List nennt, geschehen. Beides ist jedoch völlig unwahr. Das Volk verdichtete nach dem Tode der edlen Frau den ohnmächtigen Haß von Adel und Jesuiten zur Frevelthat, die von Geschlecht zu Geschlecht überliefert wurde. Wer hätte auch gewagt, sich an ihr zu vergreifen? Das blieb erst Herrn Oscar von Redwitz vorbehalten, der sie in dem Thränenstrome seiner sentimentalen Poesie ertränkte. Er hatte jedoch schon einen Vorgänger an Schikaneder, welcher für Mozart das Textbuch der Zauberflöte schrieb und aus den Schicksalen Philippinens ein romantisches Schauspiel zurecht schnitt, in welchem unter dem größten Beifalle des Publicums Tyroler Bauern, Knappen, Ritter und Berggeister ihren Unfug trieben.

Suchen wir wieder das Licht. Dort öffnen sich die Thüren des Kellers, der Castellan Panzl bringt uns einige Flaschen Bier auf die Terrasse, da genießen wir zugleich die herrliche Aussicht in das Ober- und Unterland, bis der breite Fluß in der Ferne verschwindet, begleitet von den Ketten der Gebirge, links wild und felsig, rechts sanft schwellend mit üppigen Matten. Da und dort blickt auch ein Dorf aus den Bäumen, während Innsbruck von hier aus fast wie eine große prächtige Stadt aussieht und Hall mit seinem grauen Münzerthurm an den lustigen Herzog Siegmund erinnert, der dort beim Fackelschein sprang und tanzte. Da hört man gerne von der schönen Philippine erzählen; die Abendglocke wird zum Aufbruch mahnen, und auf dem Rückweg bewundern wir das Alpenglühen als die letzte Spur eines reinen, heiteren Tages.

Im Mittelalter leiteten die deutschen Geschlechter ihren Ursprung von Griechenland, Rom und Troja her, als ob sie sich der deutschen Urwälder schämten. So knüpfte auch die Familie der Welser ihren Stammbaum an den Namen des großen Gothenbezwingers Belisar, der vor dem Undank seines Gebieters in die Schluchten des Wallis fliehend dort ein neues Geschlecht gegründet haben soll, welches später nach Augsburg auswanderte und zu solcher Blüthe gedieh, daß Kaiser in seinem Hause wohnten und seine Flotten unter dem Befehle Dalsingers Venezuela eroberten, jedenfalls mehr als gegenwärtig der ganze deutsche Bund in Amerika zu leisten vermöchte.

Bei Frauen nach dem Geburtsjahr zu fragen, galt schon damals für eine Unart, wo dem Franz Welser von seinem Weibe Anna von Zinnenburg ein Töchterlein geboren wurde, das später in dem reichen Kranze deutscher Frauen einen ruhmvollen Platz einnehmen sollte. Kein Geschichtsschreiber weiß ihren Geburtstag anzugeben, und auch ihr Grabstein enthält gegen den gewöhnlichen Brauch keine Nachricht, als wäre es zum Zeichen, daß sie im Gedächtniß der Menschen ewig jung bleiben werde. Von ihrer Erziehung wissen wir nur, daß sie in jedem Sinne ausgezeichnet war; Musik übte sie sehr gerne, und auch die Noten des einfachen Liedes sind erhalten, das sie all den kunstvollen Tonverschlingungen, welche damals durch Niederländer und Italiener in Mode kamen, vorzog.

Sie mochte ungefähr das achtzehnte Jahr erreicht haben, als der große Reichstag nach dem schmalkaldischen Kriege eröffnet wurde. Am 20. October 1547 zog Karl der Fünfte, sein Bruder Ferdinand, der römische König, und dessen Sohn gleichen Namens in den Mauern der Reichsstadt ein, welcher unter dem Druck der Zeiten viel gelitten hatte. Ueber Liebesseufzer und Küsse wurden bis jetzt noch nie Urkunden mit Siegeln ausgefertigt, und so wissen wir auch nicht, wann der Herzensbund zwischen Ferdinand und Philippine geschlossen wurde. Im Besitz der Familie Welser befindet sich ein altes Oelgemälde, welches ihr Haus auf dem Heumarkt darstellt. Ferdinand reitet auf einem Schimmel vorüber und blickt grüßend zu Philippine empor, die von der Fensterbrüstung niederschaut. So mochte der erste Blick entscheiden; Gelegenheit sich zu sehen war bei den Festlichkeiten, welche jeden Congreß hoher Häupter begleiten, gewiß hinlänglich, da der Reichstag 8 Monate dauerte. Wir wissen nur soviel, daß Philippine auch dem Fürsten gegenüber genug weiblichen Stolz besaß, ihren vollen Besitz von der Ehe abhängig zu machen, ebenso daß er als deutscher Mann sie gerade deswegen für würdig hielt sein Weib zu werden. Ferdinand verdiente übrigens ihre Liebe; er war schön, groß und so stark, daß er zwei über einander gelegte Kronenthaler mit den Fingern zerbrach, einen zweispännigen Wagen im schnellsten Fahren aufhielt und eine Lanze von 28 Fuß weithin schleuderte. Ueberdies bestrahlte ihn der weiblichen Herzen so gefährliche Ruhm des Kriegers; er hatte in der Schlacht bei Mühlberg siegreich einen Flügel geführt. Was die Eigenschaften seines Geistes betrifft, so war er edel, mild und verständig. Daß er nich blos für die Interessen einer dynastischen Hauspolitik Sinn hatte, beweist die von ihm angelegte weltberühmte Amraser Sammlung. Ueberdies sah er Künstler und Gelehrte gern um sich, ja selbst als Dichter versuchte er die Schwingen, obwohl in keiner Literaturgeschichte sein Name erwähnt ist. Er mag manches glühende Lied an seine Philippine gesungen haben; uns blieb nichts erhalten, als ein moralisirendes Schauspiel, wo der überglückliche Ehemann an einer Stelle, die wir hier nicht mittheilen können und welche sich zweifelsohne auf Philippine bezieht, aus der Schule schwatzte.

Ueber den Fortgang des Verhältnisses ist ein Schleier gebreitet, den nur die Hand jenes Dichters, welcher uns Romeo und Julie schuf, lüften dürfte. Die Vermählung erfolgte heimlich am 24. April 1550 zu Innsbruck, und zwar, wie es scheint, nicht gegen den Willen von Philippinens Eltern, sodaß wir diese Geschichte mit keiner Entführungsscene ausschmücken können. Dies widerspräche auch dem reinen Charakter Philippinens, welche makellos in jedem Sinne gewiß nicht in eine Ehe getreten wäre, die [215] mit ihren kindlichen Pflichten in Widerspruch stand. Anders verhielt es sich mit Ferdinand, er hatte als Mann über sich selbst zu richten.

Die Habsburger waren stets stolz auf ihr Haus; so darf man sich nicht wundern, wenn der königliche Vater im ersten Grolle vom Sohne nichts mehr hören wollte, sodaß er ihm sechs Jahre nicht unter die Augen kam. Allein auch hier siegte Philippinens edle Weiblichkeit über das Standesvorurtheil und stellte das schöne echt menschliche Verhältniß wieder her, welches die Grundlage der Familie bildet und alle Glieder derselben innig zu einem Ganzen vereinigt. Sie mochte wohl oft einen Zug der Trauer im Gesicht des Gatten bemerken, den Schatten, welchen der Widerspruch des Lebens in seine Seele warf; sie wußte, daß der König zwar beleidigt war; sollte jedoch er, den man wegen seines Wohlwollens gegen alle pries, den Sinn des Vaters ganz abgelegt haben? Im Jahre 1558 befand er sich zu Prag. Sie reiste mit ihren Kindern hin und stellte sich, als er gerade Audienz gab, unter die Reihe der Bittenden. Vor die Stufen des Thrones hin knieend trug sie ihm unter falschem Namen ihr Schicksal vor und verklagte den Schwiegervater, der weder göttliches noch menschliches Recht achtend ihre Ehe nicht anerkennen wolle. Gerührt von ihrer Schönheit, ihren Bitten und den Thränen der Kinder erhob er sich vom Sitze und verhieß bei seinem kaiserlichen Wort, er werde Recht schaffen. Nun gab sie sich zu erkennen. Anfangs betroffen und fast unwillig, daß er so überrascht worden, mochte er doch sein Wort nicht zurücknehmen und reichte ihr versöhnt die Hand. Diese Scene hat jüngst ein braver Künstler, Malknecht aus Gröden, für das Museum zu Innsbruck in einem Gemälde dargestellt, dessen Vorzüge ihm den Beifall aller Kunstkenner erwarben. Den alten Fürsten sah man später, als er nach Innsbruck kam, im Saale der Hofburg mit seinen Enkeln scherzen. Ueber den Act der Versöhnung wurde 1561 eine Urkunde aufgenommen, in welcher Ferdinand und Philippine versprachen, ihre Ehe noch geheim zu halten und für die daraus erzeugten Kinder nicht die Rechte der Erzherzoge in Anspruch zu nehmen. Sie sollten einfach zum Taufnamen den Beisatz „von Oesterreich“ führen. Von den zwei Söhnen starb der eine ziemlich früh, der andere widmete sich dem Dienst der Kirche, erhielt vom Papste den Purpurhut und ist als Cardinal Andreas von Oesterreich bekannt. Wer da sehen will, wie sich Streusand auf den thauigen Rosen der Liebe ausnehme, für den setzen wir den Eingang jenes Schriftstückes her:

„Wir Ferdinand von Gottes Gnaden, Erzherzog zu Oesterreich, und Philippine, Seiner Durchlaucht demüthiges und unwürdiges Ehegemahl, bekennen hiermit, nachdem aus Schickung Gottes die Sache zwischen uns beiden dahin gerathen, daß wir uns für uns selbst, auch außerhalb Raths, Wissens und Willens derer, die wir billig ersuchen hätten sollen, in eheliche Verbindung durch einen Priester mit einander begeben, dadurch wir dann billig in der römischen kaiserlichen Majestät unseres gnädigen und liebsten Herrn und Vaters, sonderlich in Bedenkung, daß die Philippine Ehehochgenanntem, meinem gnädigsten und liebsten Herrn Ehegemahl an Stand und Würden bei weitem nicht gleich noch gemäß – schwere Ungnade und Zorn gefallen sind; und aber wie zur Milderung solcher Ungnade, auch daneben allerlei Unrath, so dieser Heirath halben in vielen Wegen entstehen möchte, zu verhüten, nicht allein Ihre kaiserliche Majestät um gnädigste väterliche Vergebung gebeten, sondern uns auch auf Ihre Majestät Begehren, doch freiwillig und ungedrungen und ungezwungen nachträglich sämmtliche Verpflichtung und Beschreibung gegen ihre Majestät aufrichten gewollt, so folgt.“

Von nun an lebten beide Gatten zu Innsbruck in Ruhe, und wie jene Frau die beste ist, von der man am wenigsten spricht, so darf man nicht an der Fortdauer des Glückes dieser Ehe zweifeln, bestätigten auch nicht andere Zeugnisse, daß Ferdinand seinen Schritt nie bereute und ihr stets mit gleicher Liebe zugethan blieb. Hier und da riefen ihn Staatsgeschäfte ab; so erwarb er sich gegen Halil Pascha, der mit türkischen Horden in Ungarn vorgedrungen war, neue Lorbeern.

Der Vater Ferdinands, welcher nach dem Tode Karls des Fünften den Titel eines römischen Kaisers angenommen hatte, starb 1564. Nun wurde die Ehe öffentlich anerkannt, Philippine zur Markgräfin von Burgau ernannt und stets als soche begrüßt. Ferdinand verleugnete auch die ihm keineswegs ebenbürtigen Verwandten seiner Frau nicht. Als ihr Neffe Boimund von Colowrat sich 1578 mit einem ihrer Hoffräulein vermählen wollte, richtete er dem Brautpaare eine glänzende Hochzeit ein, bei welcher Ritterspiele aufgeführt wurden, die den Adel von allen deutschen Gauen herbeizogen. Der Rennplatz vor der Hofburg zu Innsbruck hat noch die Erinnerung und den Namen davon behalten.

Aber kein Erdenglück ist beständig. Nach einer Verbindung von achtundzwanzig Jahren erkrankte Philippine, die Aerzte besorgten einen tödtlichen Ausgang und beriefen Ferdinand an ihr Bett. Wie sie gelebt, so starb sie, rein, edel und heilig. Der Hof war an ihrem Sterbelager versammelt, da verschob sich das Kleid an ihrem Arme, sie versuchte noch, es zu ordnen. Bald darauf begann sie schwer zu athmen, das letzte Wort, welches sie sprach, gehörte bereits der Ewigkeit: „Ich sehe den Himmel geöffnet und die Engel mir entgegen kommen.“ Als sie beerdigt wurde, strömte das Volk aus allen Thälern zusammen und betrauerte sie wie eine Mutter. – – – – – – – –

Der Abend ist angebrochen, schon lodern die Zinnen des Halljoches in heller Gluth; schlagen wir den Pfad neben dem See ein. Hie und da zittert das Schilf vom Flügelschlag eines Rohrhuhns, aus dem Korn fährt noch träumend eine Lerche empor, als brächte der Abendstern, der dort über der Martinswand funkelt, den Morgen, und laut dringt der Jodler eines Hirten durch die Luft, welcher bei seinem Diendl Fensterln will. Hier an der Biegung des Weges hemmen wir einen Augenblick den Schritt. Es erheben sich aus dem hohen Grase zwei Steine. Als Philippine zu Amras das erste Knäblein geboren hatte, setzte sich ein Page auf das schnellste Roß und sprengte im Galopp, um dem Erzherzog, welcher zufällig in Innsbruck war, die erste Kunde zu bringen. Er schlug dem Pferde die Sporen in die Weichen, es machte einen Sprung, dessen Weite eben diese zwei Steine andeuten, und brach todt zusammen, so daß er den Weg zu Fuß vollenden mußte. Blicken wir noch einmal zurück, ehe Amras auf seinem grünen Hügel in Nacht versinkt. Noch glüht ein Wölklein am Himmel und spiegelt aus den Fensterscheiben wieder, als sollten dieser Stätte nie die Rosen fehlen.

Wir haben Innsbruck erreicht, bereits brennen die Gasflammen. Laß uns in das ehrwürdige Dunkel jener Kirche treten. Zu beiden Seiten ihres Schiffes stehen zwischen rothen Marmorsäulen am Grabe des Kaisers Maximilian die ehernen Standbilder von Helden und Frauen der Vergangenheit, noch riesiger in der Dämmerung, und halten Wacht. Dort rechts die Treppe hinauf. Wir sind in einer kleinen Kapelle, welche das Volk von dem Reichthume des Altars die „silberne“ heißt. Auf einem Tragstein an der Wand kniet in betender Stellung ein geharnischter Ritter. Es ist die hohle Rüstung Ferdinands. Blicke zur Seite. Ein Grabmal im besten Style der Renaissance, das Meisterwerk des berühmten Collin aus Mecheln! Das Frauenbild, welches unter dem Marmorbogen auf dem Grabsteine ruht, ist Philippine. Ueber das weiße Antlitz zittert das Licht der ewigen Lampe und verklärt seine Züge zu neuem Leben. Ja, die Stätte ist geweiht und würdig, daß jedes deutsche Mädchen, welches durch die Alpen Tyrols wandert, sie besuche und als Vorbild echten weiblichen Wesens die Erinnerung an Philippine mitnehme.