Textdaten
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Autor: Th. Schwartze
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Titel: Eine brennende Frage
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 122
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[122] Eine brennende Frage. Neben der die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehenden und die höchsten Erwartungen erweckenden Elektrotechnik sehen wir, wenn auch zur Zeit erst als Project, eine andere hochwichtige technische Neuerung auftauchen: die Versorgung der Städte mit centralisirter Gasheizung.

Unstreitig gehört die künstliche Erzeugung von Wärme zu den dringlichsten Bedürfnissen des menschlichen Lebens. Uralt ist der Gebrauch des häuslichen, zur Geselligkeit lockenden Feuerherdes; derselbe verwandelte sich mit der Zeit in das Kamin und dieses in den Ofen, der gegenwärtig in den verschiedensten Constructionen benutzt wird.

Mit fortschreitender Cultur entstanden neben den häuslichen Heizapparaten auch zahlreiche industrielle Feuerungsanlagen, und alle diese in einer großen Stadt zu Tausenden zählenden Feuerherde senden ihre Verbrennungsproducte mit Ruß vermischt in schwarzen Rauchwolken durch die Schornsteine in die Lüfte, sodaß die hierdurch in Bezug auf Reinlichkeitssinn und Gesundheitspflege entstehende Belästigung einen hohen Grad erreicht hat. Es ist daher natürlich, wenn die Frage nach Mitteln zur Beseitigung des Rauches gegenwärtig mit großer Lebhaftigkeit behandelt wird.

Fast unzählige Vorschläge liegen hinsichtlich der Erzielung einer rauchfreien Verbrennung bereits vor, aber nur von einem Mittel darf man sich radicale Abhülfe versprechen, und dieses Mittel besteht darin, daß die Häuser in ähnlicher Weise, wie dies schon mit Wasser und mit Leuchtgas durch Centralanstalten geschieht, auch mit Heizgas versorgt werden.

Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die centralisirte Versorgung der Städte mit gasförmigem Brennstoffe große Annehmlichkeiten bieten wird, indem dadurch gegenüber den jetzigen Heizmethoden jedenfalls Bequemlichkeit, Reinlichkeit sowie Zeit gewonnen werden können und wohl auch Geldersparniß zu erreichen ist.

In Erkenntniß dieser Umstände ist das Problem der centralisirten Gasheizung auch schon in das Bereich der praktischen Erwägungen seitens fachmännischer Kreise gezogen worden, wie die jüngsten Verhandlungen der deutschen Gasfachmänner über die Heizgasfrage lehren; nur über die Art und Weise der Ausführung gehen die Meinungen noch etwas aus einander.

Bereits vor längerer Zeit wurde Seitens einiger Techniker der Vorschlag gemacht, die Braunkohlen der 45 Kilometer von Berlin gelegenen Gruben bei Fürstenwalde an Ort und Stelle in Gas zu verwandeln und mittelst Druckpumpen dieses Gas durch Röhren der Metropole für Heizzwecke zuzuführen. Die Bemühungen, ein bezügliches Unternehmen in’s Leben zu rufen, scheiterten aber an dem zur Ausführung nöthigen großen Capital von circa 40 Millionen Mark, welches für die Heizgasversorgung von ganz Berlin berechnet wurde, obschon dabei ein Reingewinn von ungefähr 15 Procent in Aussicht gestellt worden war.

Diese weit sich erstreckende Gasleitung stellt der Ausführung keineswegs unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Eine ähnliche Anlage, wenn auch nicht in so großem Umfange, besteht z. B. schon in England, wo von Beckton auf 16 Kilometer Entfernung stündlich 6000 Cubikmeter Leuchtgas durch 1,2 Meter weite Röhren bis nach dem Mittelpunkte von London geführt werden. Andere ähnliche Unternehmen liegen in der von Centralstationen ausgehenden Beschickung ganzer Stadttheile mit Hochdruckdampf zur Heizung und Krafterzeugung vor, wie solche zu Boston und New-York bereits in Betrieb gesetzt sind.

Es lag auf der Hand, daß man sich in Anbetracht dieser Umstände zunächst mit der Frage befaßte, ob es sich lohnen würde, die bereits bestehenden Leuchtgasanstalten zur Versorgung der Städte mit Heizmaterial heranzuziehen.

Nach Versuchen von Professor Wagner ergeben 1,5 Cubikmeter Leuchtgas ungefähr denselben nutzbaren Heizeffect wie 1 Kilogramm Petroleum, sodaß das Leuchtgas als Küchenbrennstoff sich nicht viel theurer als Petroleum stellt, und deshalb wohl wegen seiner Reinlichkeit, Bequemlichkeit und größeren Sicherheit den Vorzug vor letzterem verdient. Nach anderen seiner Zeit in der Quedlinburger Gasanstalt angestellten Versuchen beträgt der jährliche Gasverbrauch für die Küche eines bürgerlichen Haushaltes von 6 Personen durchschnittlich 454 Cubikmeter und stellt sich daher bei dem Preise von 20 Pfennig pro Cubikmeter auf rund 90 Mark, sodaß durchschnittlich auf den Tag 25 Pfennig kommen, wobei der Kochapparat 6 normale Esser mit Hausmannskost versorgte und alle sonstigen culinarischen Operationen (früh Kaffee, Abends Suppe oder Thee etc.) mit der Gasflamme ausgeführt wurden.

Es ist bei alledem nicht zu leugnen, daß das Leuchtgas für Koch- und Heizzwecke zur Zeit noch theurer ist, als die festen Brennstoffe, und dies hat die Veranlassung zur Fabrikation billigerer Gassorten gegeben, welche keine oder sehr geringe Leuchtkraft besitzen, dabei aber beim Verbrennen bedeutende Hitze entwickeln. Als erster gelungener Versuch nach dieser Richtung hin ist das „Wassergas“ hervorzuheben. Dasselbe wird erzeugt, indem man magere Kohlen oder Coks unter Mitwirkung von Luft und Wasserdampf vergast, wodurch ein Gemisch aus Kohlenoxyd und Wasserstoff zu gleichen Theilen entsteht. Bei der Herstellung des Wassergases ist man in der Auswahl des Rohmaterials weniger beschränkt, als bei der Leuchtgasbereitung, und außerdem wird dabei der Coks, der auch nicht immer vortheilhaft zu verkaufen ist, mit in Gas umgewandelt.

Das Wassergas wird in Amerika bereits in sehr großem Maßstabe fabricirt; allein in den letzten zwei Jahren sind daselbst 34 solcher Gasanstalten gebaut worden, und gegenwärtig sind nach dem Berichte des Herrn von Quaglio, eines der eifrigsten Förderer dieser neuen Gasbereitung, in Chicago und San Francisco neue Wassergasanstalten von großartigen Dimensionen in der Ausführung begriffen. Das Wassergas ist, wie schon bemerkt wurde, an sich gar nicht oder doch nur schwach leuchtend; da es aber durch Zuführung von Naphthadämpfen leuchtend gemacht wird, so kann man dasselbe nicht nur als Heiz-, sondern auch als Leuchtgas benutzen. Das hier zu verwendende Naphtha-Oel gewinnt man in den großen amerikanischen Petroleumfabriken, und es ist dasselbe dort in solchen Massen und zu so billigen Preisen zu haben, daß man in Deutschland vorläufig noch nicht daran denken kann, ein solches billiges Rohmaterial für denselben Zweck zu erhalten. Indessen ist auch für unsere Verhältnisse die Frage nach der Verwendung des Wassergases zur Heizung und Beleuchtung gegenwärtig durch die Erfindung des Gasglühlichtes in ein neues Stadium getreten.

Das Gasglühlicht wird mittelst der sogenannten Incandescenzbrenner erzeugt, unter denen die von dem berühmten Physiker Clamond in Paris die bekanntesten und vollkommensten sind. Das Princip dieser Brenner beruht in der Hauptsache darauf, daß mittelst einer Anzahl kleiner, nichtleuchtender Gasflammen, die an den Seiten eines verticalen Rohres herausbrennen, ein über dieses Rohr gestülpter länglich konischer Korb aus zusammengeflochtenen dünnen Magnesiafäden bis zum Glühen erhitzt wird. Das Material zu diesem Korbe wird aus der gewöhnlichen pulverförmigen Magnesia bereitet, die mit einer geeigneten Flüssigkeit zu einem steifen Teig zusammengearbeitet und dann durch eine Nudelpresse getrieben wird, sodaß man fadennudelartige Magnesiafäden erhält. Früher mußte zur Speisung dieser Brenner gepreßte Luft verwendet werden, weshalb bei deren Benutzung ein kleiner Gasmotor nöthig war; der neueste Clamond’sche Incandescenzbrenner wird aber wie ein gewöhnlicher Argandbrenner auf den Gasarm aufgeschraubt und braucht nur mit einem den Luftzug bewirkenden Glascylinder versehen zu werden. Wie Herr von Quaglio in der jüngst zu Frankfurt am Main abgehaltenen Versammlung der deutschen Gasfachmänner mittheilte, geben diese Brenner im Vergleich mit der elektrischen, sowie auch mit der gewöhnlichen Gas- und Oelbeleuchtung ein äußerst angenehmes und dabei sehr reichliches Licht, bei welchem man die feinsten Farbennüancen unterscheiden kann. Durch diese Brenner wird der Leuchtwerth des Gases verdoppelt, sodaß das Gasglühlicht für gleiche Lichtstärke nur halb so viel kostet, wie das gewöhnliche Gaslicht.

Nach alledem handelt es sich also mit Bezug auf die Gasheizung nur noch um die Beantwortung der Frage: Liegt die Möglichkeit vor, ein für Heizung und Beleuchtung gleichzeitig geeignetes Gas zu genügend billigem Preise herzustellen? Es bedarf noch weiterer Versuche, um diese Frage zu beantworten. Th. Schwartze.