Eine Sachsenburg in Siebenbürgen

Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Eine Sachsenburg in Siebenbürgen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 333–334
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Repser Burg.0 Originalzeichnung von R. Püttner.

Eine Sachsenburg in Siebenbürgen.

Im Jahrgang 1869, Nr. 30 stellte die „Gartenlaube“ ihren Lesern zwei Burgen des Siebenbürger Sachsenlandes, das Honigberger Castell und die Burg Rosenau, in Wort und Bild dar. Dort ist auch die Erklärung über den Ursprung und die Bedeutung dieser Befestigungen gegeben. Es waren und sind nicht Ritterburgen, sondern Bürger- und Bauernburgen. Dem Orden der deutschen Ritter war allerdings von dem ungarischen König Andreas II. das wüste Burzenland zur Niederlassung angewiesen, und sie hatten mit staunenswerther Rührigkeit dort in kürzester Zeit Festen, wie namentlich die Marienburg, als ihren Hauptsitz, gebaut, deutsche Colonisten herbeigezogen und ihr Gebiet durch Eroberungszüge in die Walachei vergrößert. Da sie aber den mit dem König abgeschlossenen Vertrag wohl hier und da außer Acht ließen, mußten sie schon nach dreizehn Jahren, 1225, das Land wieder räumen und zogen von da nach Preußen. Mit ihnen erlosch der Ritterstand bei den Sachsen.

Die Lage des Landes, in der Nähe der gefährlichsten Feinde, zwang die deutschen Bürger und Bauern selbst zu beständiger Wehrhaftigkeit, und da sie in der Werkstatt wie auf dem Acker stets die Waffen zur Hand haben mußten, so lehrten Erfahrung und Noth sie bald auch, für Weib und Kinder und das bewegliche Hab und Gut Schutz zu suchen: sie verwandelten das festeste Gebäude jedes Orts, die Kirche, zum Castell und bauten, wo sich ihnen ein passender Berg oder Hügel in nächster Nähe dazu bot, je der Größe des Orts und seiner Bewohnerzahl entsprechende Burgen. Die meisten Kirchen lagen in der Mitte der Ortschaften, und so sind die Castelle, wo sie oder ihre Trümmer sich erhalten haben, noch heute ihr Schmuck. Sie bestehen aus einem starken, mit Vertheidigungsthürmen versehenen Mauerring, an welchem im Innern ein oft mehrere Stockwerke hoher Anbau mit so viel Kammern, als Familien untergebracht werden mußten, angebaut war. Auch durfte es nicht an Schwibbogen, Gewölben und Kellern zur Unterbringung von Vieh und Geräthschaften fehlen. Noch heute werden namentlich die Kammern in den erhaltenen Bauten oft zur feuersicheren Aufbewahrung der Ernten benutzt. In den Burgen findet man natürlich dieselbe Einrichtung, nur daß diese weit fester und vertheidigungsfähiger waren.

Eine der umfangreichsten und stärksten dieser Burgen war die des Marktfleckens Reps, einst der Zufluchtsort von etwa zweitausend Bewohnern des Orts. Reps gehört zu den ältesten deutschen Niederlassungen in Siebenbürgen, es war, nachdem König Geisa II. (1141 bis 1161) zum Schutz seines Landes und seiner Krone gegen die walachischen Raubhorden Colonisten aus Flandern und vom Niederrhein in’s Land gezogen, nach Hermannstadt, Leschkirch und Schenk die vierte Colonie. Die Burg ist schon im 13. Jahrhundert erbaut, eine gewaltige Feste mit dreifacher Ringmauer. Wenn man auf der Eisenbahn von Schäßburg nach Kronstadt der Stelle sich nähert, wo dieselbe in das Homorod-Thal eintritt, öffnet sich zur Rechten das Koßbachthal und der Blick auf Reps mit dem etwa 120 Meter über der Thalsohle aufragenden Basaltberg, von welchem uns die Burg entgegenschaut. Die Besteigung derselben ist an der Süd- und Ostseite des Weges nicht schwer, da hier die Häuser und Obstgärten des Orts bis nahe an die erste Ringmauer aufsteigen, während nach Nord und West die Felsen steil abfallen.

Das hart auf den Fels aufgesetzte Mauerwerk erscheint in seinem Altersgrau wie mit diesem verwachsen. Vieles an Thürmen und Mauern ist zerfallen, nur auf dem höchsten Felsplateau steht ein neu hergestelltes Häuschen, und von hier ist der freie Blick in die Landschaft ein entzückender. Da strecken sich am Fuß des Bergs die langen geraden Gassen von Reps aus mit ihren netten Häusern, stattlichen Wirthschaftsgebäuden und üppigen Obstgärten. Die Häuser der Deutschen zeichnen sich im Sachsenland überall durch soliden Steinbau mit Ziegelbedachung aus, während die Ungarn sich mit leichtem Holzbau begnügen und die Walachen meist in Lehmhütten hausen. Auf dem Repser Marktplatz mit der evangelischen Kirche, dem Rathhaus, der Schule und Pfarrwohnung und den stattlichsten Wohngebäuden fühlt man sich wie mitten in Deutschland, nicht wie wenige Meilen von der ehemaligen türkischen Grenze entfernt. Daß der Ort sich eines Schwefelbades und einer Salzquelle erfreut, sei nur nebenbei bemerkt.

Richten wir den Blick in die Ferne, so eröffnet sich nach Osten das Altthal bis zu den spitzen Felsenkegeln der Kalkgebirge von Rákos und Uermös, im fernen Süden grüßen die Gebirge des Burzenlandes und der Zeidner Berg herüber, und nach Westen ragt über das wellige Hügelland mit seinen Auen und Wäldern und Dörfern mit hellleuchtenden Kirchen und Thürmen empor das Fogarascher Hochgebirg mit dem ewigen Schnee seiner Häupter. [334] Während wir aber von dem hohen Standpunkt durch das Trümmerwerk zurück vor das Burgthor wandeln, mag sich wohl unserem Herzen ein Vergleich aufdrängen, der uns das Auge trübt. Unwillkürlich denkt man an Albert’s Lied von der Repser Burg:

„Aus Gartengrün und Aehrengarben,
In hoher trotziger Gestalt,
Erhebt der Berg, gefurcht mit Narben,
Die Felsenstirne von Basalt.

D’rauf ruht, dereinst dem Feind zum Hohne,
Und blickt in’s Land so kühn, so weit
Die thurmgeschmückte Mauerkrone –
Ein Zeuge der vergangnen Zeit.

O Felsenburg! mit ernstem Mahnen,
Zeigst du in die Vergangenheit,
Ein Grabesdenkmal uns’rer Ahnen;
Ein Bild vielleicht auch uns’rer Zeit.

Weh’, wenn wir diesen Mauern gleichen,
So trüb erhellt vom Abendschein,
Ein öder Bau voll Trümmerleichen,
Ein still zerfallendes Gestein!“

Gottlob ist noch keine Furcht vonnöthen, daß dieses traurige Bild zur Wahrheit werde, wie bitter wir auch die Zustände der Gegenwart im alten Sachsenlande beklagen müssen. Gerade diese Bauernburgen sind die lautesten Zeugen für die Unverwüstlichkeit eines Volksstammes, der seit siebenhundert Jahren den fürchterlichsten Kriegsstürmen von außen und unsäglichen Bedrängnissen im Innern getrotzt hat. Jede dieser Bauernburgen hat ihre blutige Geschichte. Man wird nur schwer ein zweites Völkchen von der Macht der Sachsen aufstellen, das an Kämpfen und Drangsalen Gleiches bestanden hat und doch noch besteht. Wie oft haben sie in ihren Kämpfen gegen Walachen und Türken, ja selbst gegen die Ungarn und ihre eigenen Gewalthaber auf Leben und Tod gefochten, wie oft haben die Bewohner weiter Strecken nichts als das nackte Leben in ihre Dorfcastelle oder Bergburgen gerettet, wie oft ist ihr Hab und Gut in Flammen aufgegangen, und sie mußten Alles, vom verwüsteten Feld bis zu Haus und Hütte von Neuem bauen, – und immer blühte neues Leben aus allen ihren Ruinen. Wahrlich, wir Deutsche dürfen stolz sein auf ein solches Volk deutschen Stammes und Namens. Aber auch den Ungarn gebührte es und stände es gar wohl an, die Geschichte dieses tapferen Völkleins mit gerechtem Stolze der Geschichte Ungarns einzuverleiben. Wenn der Magyar seine Ritterlichkeit auf das Glänzendste vor aller Welt bethätigen will, so muß er vor Allem die Tapferkeit ehren und würdigen, und wenn er seine Geschichte nicht selbst erniedrigen will, so muß er es dankbar rühmen und preisen, daß mehr als einmal der sächsische Heldenmut, die tüchtige Bewaffnung und Kriegführung der Sachsen die ersten Anstürme der schlimmsten Feinde Ungarns aufgenommen, mehr als einmal sich für Ungarn geopfert hat. Eine ritterliche Nation darf solche Blätter ihrer Geschichte nicht vergessen, der wahre ritterliche Sinn wird lieber einem tapferen Gegner die Hand zum Bunde reichen, als seinen Stolz darin suchen, diesen Gegner zu knechten, seiner angeborenen geistigen Würde zu berauben und ihn zu dem feilen Haufen zu werfen, der sich – gesinnungslos und feig oder um schnöden Vortheils willen jede beliebige Nationalität aufprägen läßt. Wir möchten uns sehr gern der Ueberzeugung freuen, daß diese Ritterlichkeit in dem tapfern Volke der Magyaren noch zum Sieg gelangt, ihm zur höchsten Ehre. Friedrich Hofmann.