Textdaten
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Titel: Eine Markgräflerin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 321–322
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[321]

Eine Markgräflerin.

Eine Markgräflerin. (Mit Abbildung.) Eine Landsmännin des gemüthreichen alemannischen Dichters Johann Peter Hebel sehen wir auf unserem Bilde vor uns, ein Mädchen aus dem gesegneten Landstrich zwischen Basel und dem badischen Städtchen Staufen, wo es neben einem Weine, der „wie Baumöl igoht“ (eingeht), auch noch

„Richi Herre, Geld und Guet,
Jumpfere wie Milch und Bluet“

giebt. Die, welche unser Bild darstellt, ist eine dieser „Jumpfere“ (Jungfern, Mädchen) und zwar „Eini, wo si cha sehe lo“ (eine, die sich sehen lassen kann). Heute hat sie sich aber auch ganz besonders hübsch gemacht, denn es ist Sonntag, und darum hat sie die gewöhnliche Werktagstracht mit einem Rock von feinem Tuch, das bunte, von der Großmutter ererbte „zwänzig Elle lange Mailänder Halstuech“ mit einem Spitzentuch vertauscht und eine „Chappe“ (Kappe, Mütze) mit besonders langen, mit Seidefranzen besetzten Flügeln aufgesetzt. Auch ein nagelneues seidenes „Fürtuech“ (Schürze) hat sie angelegt, denn – man sieht’s ihr recht gut an – sie will gefallen, wenigstens ihm, dem „Friedli“ (Friedrich), der ihr zum Kirchgang das Röslein geschenkt hat, welches sie noch in der Hand hält.

Und was sie beabsichtigt, wird sie wohl mit leichter Mühe erreichen: der Friedli müßte ja „ein Klotz“ sein, wenn ihm das hübsche „Maidli“ nicht gefiele. Wir brauchen uns deshalb wohl keine Sorgen zu machen! [322] enthält darum eine Fülle treulicher Skizzen aus dem Leben der afrikanischen Thierwelt.

Als Junker einmal bei dem Negerfürsten Semio weilte, befand sich in seiner Menagerie ein Pärchen rothgeschwänzter grauer Papageien. Die Anhänglichkeit der Vögel aneinander war wahrhaft rührend, sie gebärdeten sich bei ihren Liebkosungen und Spielen recht wie ein zärtliches Paar. Mit dem gewaltigen Schnabel, der sonst eine gefährliche Waffe ist, suchten sie sich scherzweise zu fassen, wobei sie die größte Behutsamkeit entfalteten, um sich nicht weh zu thun. Dann wieder legte sich das eine auf die Seite oder auf den Rücken und ließ sich vom Gefährten schaukeln und rollen, was es durch Liebkosungen erwiderte. Leider wurde das Paar von einem tragischen Ende ereilt. Man pflegte nämlich die Vögel oft unter den Palmen auf eine Querstange zu setzen, von der sie nach Belieben herabkletterten oder flatterten. Einst, als ihre Flügel eben frisch gestutzt waren, mochte das Männchen wohl unbedacht zu Boden geflattert sein und sich beim Aufschlagen auf die Erde innerlich verletzt haben, denn es entleerte gleich darauf blutige Flüssigkeit aus dem Schnabel. Junker brachte es in seine Wohnung, und dort lag es. nun bald auf der einen, bald auf der andern Seite, immer die Lage des Kopfes wechselnd, aber an die Stelle gebannt, bis es nach etwa einer Stunde mit ausgebreiteten Flügeln verendete. Gleich nachdem Junker das Männchen zu sich genommen hatte, kam auch das Weibchen herbeigetrabt. Es benahm sich nun höchst sonderbar. Es begann alle Bewegungen des kranken Gefährten genau nachzuahmen. Es kauerte sich in einiger Entfernung von dem Sterbenden ebenso nieder, wechselte gleichzeitig mit ihm die Lage, seufzte, legte das Köpfchen nach rechts und links, kurz, es gebärdete sich vollständig, als wäre es auf dieselbe Weise verunglückt.

Das Erstaunen Junkers ging aber bald in Rührung über. Der Paroxismus von Nachahmungstrieb dauerte nämlich fort und blieb nicht ohne Folgen für den Organismus des kleinen Geschöpfes. „Der Schmerz, den es empfand,“ berichtet Junker, „oder irgendwelche andre räthselhafte Einflüsse bewirkten bei ihm so eingreifende Funktionsstörungen, daß es schon in der ersten Trauer um den Verlust des Lebensgefährten ein jähes Ende fand. Ohne der Gefahr zu achten, kam es dem Feuer allmählich so nahe, daß ich es schließlich davon entfernen mußte. Aber es war nun aus mit ihm, es rührte selbst die liebste Nahrung nicht mehr an, und kaum zwanzig Minuten nach dem Verenden des Männchens war auch das Weibchen tot. Was soll man zu solchen keineswegs vereinzelten Fällen sagen? Welchen Namen soll man dem Räthsel geben? Nachahmungstrieb, Instinkt oder Seele, Liebesgram – in der kleinen Brust des kleinen grauen Papageis!?“ *