Textdaten
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Autor: Adolph Mirus
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Titel: Eine Häuser-Fabrik
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[128] Eine Häuser-Fabrik. Wer von Stuttgart aus einen Ausflug nach der berühmten landwirthschaftlichen Akademie zu Hohenheim unternimmt, dem kann das rege Leben und Treiben nicht entgehen, das sich auf den hart an die Straße anstoßenden kolossalen Bauplätzen entfaltet; wer aber näher herangeht, falls ihn nicht der „verbotne Eingang“ oder die Stentorstimme des Portiers zurücktreibt, und nun gewahr wird, wie hier Massen von Steinen behauen, dort Balken zugerichtet werden, dort der Ambos von kräftigen Schlägen ertönt, dort die Feile des Schlossers schrillt, in allen Ecken und Enden der umliegenden Gebäude sich Hunderte geschäftiger Hände regelt, und das Gewerbe in allen seinen Gestalten hervortritt, den wird, wenn man ihm sagt, daß das eine Häuser-Fabrik sei, ein um so größeres Verlangen ergreifen, diese in ihren Einzelnheiten näher kennen zu lernen, als ein solches Unternehmen, in dieser Ausdehnung wenigstens, vielleicht einzig bis jetzt auf dem Continent dasteht.

Fragen wir nach der Entstehung eines so originellen Etablissements, so ist diese in der mehr und mehr gesteigerten Baulust zu suchen, welche sich der würtembergischen Residenz zu dem letzten Jahrzehnt bemächtigte, und welche die dortigen Bauhandwerker nicht mehr entsprechend befriedigen konnten. So kam es, daß im Jahre 1858 die Herren Schöttle und Comp. einen Geschäftsbetrieb in’s Leben riefen, welcher den Zweck hatte, sowohl ganze Häuser, von der Grabarbeit an bis zur gänzlichen Vollendung, mittelst Selbstbetriebs für eigene Rechnung zum Wiederverkauf herzustellen, als auch für Rechnung Anderer Bauten und Baureparaturen aller Art, sei es auf Grund gemachter Angaben und vorgelegter Pläne, oder auf Grund selbstgefertigter Baubeschreibungen und Zeichnungen zu übernehmen, und entweder nach allen oder nach einzelnen Theilen durch eigenen Betrieb bis zur letzten Vollendung auszuführen.

Wie zu erwarten, erhob sich aus der Mitte der zünftigen Gewerbe ein lebhafter Widerspruch gegen Errichtung eines solchen Etablissements, die Centralstelle für Gewerbe und Handel aber setzte die Ertheilung der Fabrikconcession an die Unternehmer durch, weil es deren tieferer Einsicht nicht entging, daß gerade ein solches Unternehmen anregend und hebend auf die gesammten Baugewerbe einwirken müsse und dabei einem fühlbaren Bedürfniß abgeholfen werde. Und so hat auch die Erfahrung gezeigt, daß die Schöttle’sche Fabrik auf die Bauthätigkeit Stuttgarts den günstigsten Einfluß ausgeübt hat, und indem sie durch eine Reihe von Bauausführungen darthat, von welch günstigem Erfolge die ökonomische Herstellung zweckmäßig eingerichteter, mit anständigem Aeußern versehener Wohnungen begleitet sei und welchen Vorzug es verdiene, wenn ein Bauunternehmer nur mit einer Firma statt mit so und so viel einzelnen Gewerben es zu thun habe, rief sie ähnliche Unternehmungen von Seiten der zünftigen Gewerbsmeister hervor, welche nun stärker beschäftigt waren als früher.

Um nun auf die Organisation dieses weitschichtigen Geschäfts etwas näher einzugehen, so begeben wir uns zunächst, da man bei jedem Hausbau mit dem Riß beginnen muß, in das architektonische Büreau, wo man ein Personal, zahlreicher als bei mancher Baubehörde, vorfindet; hier werden die Baupläne nach jedem beliebigen aufgegebenen Baustyle selbst gefertigt, bezüglich aus einer auserlesenen Sammlung architektonischer Werke entnommen. Um aber auch die Bauunternehmer in den Stand zu setzen, sich die namentlich bei dem Ausbau, bezüglich der innern Decoration eines Hauses erforderlichen Materialien und Zuthaten selbst nach Belieben auswählen zu können, unterhält die Fabrik ihr eigenes Musterlager von meist englischen, französischen und amerikanischen Musterstücken, welches immer mit den neuesten Erzeugnissen auf das Vollständigste assortirt wird; darin finden wir namentlich ein ausgewähltes Sortiment von Papier- und Ledertapeten, Verzierungen an Thüren, Fenster, Treppengeländer, Thür- und Fensterbeschläge, Thürgriffe, Glockenzüge, alle Arten Schlösser und Schloßvorrichtungen, Ventilatoren für Zimmer, Oefen und Kamine, kurz alle zu dem erwähnten Zwecke gehörigen Requisiten. Außerdem aber sind noch dort, mehr um einen instructiven Ueberblick über die im Geschäft erforderlichen Werkzeuge zu geben, als für den eigentlichen Geschäftsbetrieb selbst, alle Arten Werkzeuge zu Erd- und Steinarbeiten, Hämmer, Bohrer, Schraubenzieher, Hobel- und Stemmeisen, Mauerkellen, gleichfalls nach den neuesten und zweckmäßigsten Modellen. An das architektonische Büreau schließt sich ein kaufmännisches, verbunden mit einer Magazin-Verwaltung, an.

Der technische Betrieb erfolgt zum größten Theil in der zu Stuttgart gelegenen Fabrikanlage, nur einige Branchen werden auswärts betrieben. Dies ist zunächst der Steinbruchbetrieb, welcher 5 Keuperbrüche, 4 Sandsteinbrüche und 1 Süßwasserkalkbruch umfaßt, ferner die Dampfsägerei, verbunden mit einem Holzlager und Zimmerplatz in der Nähe von Berg, bewegt von einer Dampfmaschine von 40–45 Pferdekraft, welche nicht allein große und kleine Kreissägen, sondern auch die zu den Zimmerarbeiten bestimmten 4 Maschinen treibt. Sodann gehört hierher noch eine gleichfalls auswärts befindliche Ziegelei, wo eine Dampfmaschine von 8–10 Pferdekraft sämmtliche hierzu erforderliche Maschinen treibt: dies sind 2 Lehmquetschmaschinen, 3 Backsteinmaschinen, von denen die größte in 10 Arbeitsstunden 20,000 Stück liefert, 2 Aufzüge, um die geformten Waaren in die oberhalb des Fabriklocals befindlichen Trockenräume und von da wieder zurück in die Oefen zu bringen. Weiter sind dort noch im Gange ein Pferdegöpelwerk zum Thonmahlen, 6 Ziegelöfen, je 15,000 Stück fassend, 2 Kalköfen, 1 Thonwaarenofen nach eigentümlicher Construction, eine Thon- und Sandmühle mit Staubmühle und andere Vorrichtungen, die wir, da hieraus schon der gewaltige Umfang des Geschäfts zur Genüge hervorgeht, nicht weiter anführen mögen.

Die Steinhauer- und Maurerarbeiten, die Zimmer- und Wagnerarbeiten, die Schlosser-, Schmiede- und Flaschnerarbeiten, die Schreiner-, Glaser- und Dreherarbeiten, die Maler-, Tapezierer- und Anstrichsarbeiten gehören gleichfalls zum Geschäftsbetrieb der Fabrik, und werden soweit thunlich in dieser selbst gefertigt; den verschiedenen Werkstätten jeder Branche stehen Arbeitsmeister vor. Sämmtliche in diesen Werkstätten erforderlichen Maschinen, von deren einzelner Aufzählung wir absehen, werden durch eine Dampfmaschine von 25 Pferdekraft getrieben. überdies werden, namentlich zum Transport von Baumaterial, noch 50 Pferde verwendet. Die durchschnittliche Anzahl der Arbeiter beträgt zu Sommerszeiten gegen 1500, im Winter etwa die Hälfte davon.

Dr. Mirus.