Textdaten
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Autor: R. H.
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Titel: Ein technisches Räthsel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 672
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Vgl. „Ein technisches Räthsel“, Heft 51; Eine naturwissenschaftliche Vexir-Frage, Heft 52; Noch einmal das technische Räthsel in Die Gartenlaube (1865), Heft 20
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[672] Ein technisches Räthsel. Noch giebt es trotz der enormen Leistungen und Fortschritte der Wissenschaft unserer Zeit im Gebiet der Naturwissenschaft und Technik ein ganzes Heer von Aufgaben und Räthseln, deren Lösung dem Uneingeweihten so nahe liegend, so leicht scheint und welche in der That noch ungelöst sind. Ein solches unscheinbares Räthsel ist es, welches hier in Kurzem vorgeführt werden soll – die Sache liegt auch dem gewöhnlichen Menschenverstande so nahe, daß sicherlich mancher Leser der Gartenlaube, auch wenn er kein gelehrter Physiker oder Techniker vom Fach ist, wenn er sich nur für die Sache interessirt, Erfahrungen sammeln kann, die zur Lösung des Problems beitragen. Schon in mehreren Hauptversammlungen des sächsischen Ingenieur-Vereins und des Vereins deutscher Ingenieure ist der Gegenstand besprochen worden; aber eine ausreichende, alle Entgegnungen beseitigende Erklärung der Erscheinung, von welcher die Rede ist, läßt noch immer auf sich warten. Jedermann kann die Beobachtung anstellen, um die es sich hier handelt: er begebe sich um die Zeit, wo gegossen wird, in eine Eisengießerei, werfe ein Stück festes Eisen in die flüssige Eisenmasse, und er wird die sonderbare Bemerkung machen, daß das feste Eisen auf dem flüssigen schwimmt.

„Ist das denn nun etwas so gar Wunderbares?“ wird man sagen; „weiß man doch, daß auch festes Eis auf dem flüssigen Wasser schwimmt, und ist Eis weiter nichts als gefrorenes Wasser, so ist auch festes Eisen weiter nichts, als flüssiges Eisen, welches gefroren ist. Wenn man also eine Erklärung dafür hat, daß Eis auf Wasser schwimmt, so wird dieselbe wohl auch für unsern ganz ähnlichen Fall des auf flüssigem schwimmenden festen Eisens gelten.“ Weit gefehlt! Die Sache verhält sich anders, und zwischen Eis und Eisen ist ein Unterschied. Wir wollen sehen, worin dieser liegt. Eis schwimmt auf Wasser, weil ein Stück Eis weniger wiegt, als ein Quantum Wassers, welches denselben Raum einnimmt. Daraus kann man schließen, daß Wasser, wenn es gefriert, sich ausdehnt, und dies geschieht auch in der That. Allerdings weiß man, daß alle Gegenstände bei sinkender Temperatur sich zusammenziehen;, allein dies Naturgesetz findet nicht ohne Ausnahme statt. Wenn sich heißes Wasser abkühlt, so zieht es sich ebenfalls immer mehr und mehr zusammen, aber nur bis zu einer gewissen Grenze, bei welcher es seine größte Dichtigkeit erreicht; diese Grenze liegt aber noch über dem Gefrierpunkte, und unterhalb dieser Grenze bis zum Gefrierpunkte dehnt sich das Wasser wieder aus. Hier ist also die Erklärung richtig. Eis schwimmt auf kaltem Wasser, weil es wirklich relativ leichter ist, als dieses. Will man nun diese Erklärung auf die Erscheinung des schwimmenden Eisens anwenden, so wird man finden, daß sie nicht genügt. Es läßt sich nämlich nachweisen, daß kaltes festes Eisen nicht dünner und relativ leichter, sondern wirklich dichter und relativ schwerer ist, als flüssiges. Es ist bekannt, daß das Modell, nach welchem ein Gegenstand in Eisen gegossen wird, um ein Gewisses größer sein muß, als der eiserne Gegenstand selbst werden soll. Da man nun auch weiß, daß das flüssige Eisen die Formen, in welche es gegossen wird, sehr genau ausfüllt – und hiervon kann sich Jedermann an den äußerst fein und sauber ausgeführten Kunstgußgegenständen überzeugen – so muß der Raum, welchen festes Eisen einnimmt, kleiner sein, als der, welchen ein gleiches Gewicht flüssigen Eisens eingenommen hat; d. h. festes Eisen ist wirklich relativ schwerer, als flüssiges. Mit der Erklärung durch „schwer“ und „leicht“ ist es also nichts. Hiernach hat man andere Kräfte zur Erklärung hervorgesucht. Der Eine sagt: Jede Flüssigkeit besitzt einen Zusammenhang seiner Theilchen, welchen ein untersinkender Körper überwinden muß und nur überwinden kann, wenn er um ein Gewisses schwerer ist, als die Flüssigkeit. Aber würde wohl, wenn dies richtig wäre, das feste Stück Eisen wieder emporschnellen, wenn man es in der flüssigen Eisenmasse untertaucht? Ein Anderer führt die Strömungen an, welche in jeder sich abkühlenden heißen Flüssigkeit entstehen dadurch, daß die sich zuerst erkältenden oberen Schichten, welche schwerer sind, untersinken und die heißen unteren emporsteigen; der Strom nach oben in der Mitte des Gefäßes soll nun die tragende Kraft hergeben. Nur schade, daß dieser Erklärung die Beobachtung entgegensteht, daß in flüssigem Eisen die kälteren Schichten die oberen und die wärmeren die unteren sind.

Endlich wird noch angemerkt, daß das feste Eisen ebenso wie alle festen Körper Luft und Wasser einsaugt und beim Erwärmen beides wieder ausströmen läßt; dieser Gasstrom soll nun wiederum die tragende Kraft ausüben. Auch diesem läßt sich entgegnen, daß das feste Eisen sehr bald anfängt, an seiner Oberfläche zu schmelzen, während es immer weiter schwimmt; dann kann aber wohl schwerlich noch von ausströmenden Gasen oder wohl gar von einer sich um den festen Körper bildenden Gashülle die Rede sein. Alles aber, wie es geschehen ist, als die Wirkung der „tragenden Kraft der Wärme“ zu erklären, ist eines Physikers oder Technikers unwürdig; wenigstens liegt in dieser Erklärung weiter nichts, als die Erklärung: „Ich habe keine Erklärung.“ Ebensowenig wie die Physiologie durch die Einführung des Begriffes der Lebenskraft, welche die Erscheinungen des Lebens erklären sollte, bereichert worden ist, ebensowenig ist durch den Begriff der tragenden Kraft der Wärme unser Phänomen aufgeklärt worden. Kurz, die Zukunft erst soll dieses Problems Lösung bringen.

R. H.