Textdaten
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Autor: T.
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Titel: Ein talentvoller Kater
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 623-624
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[623] Ein talentvoller Kater. Daß die katzenartigen Raubthiere durch Zähmung dahin gebracht werden, ihr hinterlistiges, blutgieriges und heimtückisches Naturell abzulegen, gehört gewiß zu den Seltenheiten. Selbst unsere zahme Hauskatze, mag sie noch so wohl erzogen sein, verleugnet ihre Gattung nicht. Um so interessanter war mir daher, was mir neulich einer meiner Freunde, von dessen Wahrhaftigkeit ich vollkommen überzeugt bin, von seinem Kater mittheilte. Dieser Kater war nicht blos ein ausgezeichneter Mäusefänger, sondern auch dem Naschen durchaus nicht ergeben. Spaßes halber ließ ihn mein Freund, neben einem Streifen Kuchen, der in der Fensterbank dicht vor seiner Nase lag, eine lange Zeit allein im Zimmer, ohne daß Herr Murr sich versucht gefühlt hätte, auch nur einmal daran zu riechen. Eine Wachtel und mehrere andere Vögel, die frei in der Stube umherhüpften, lebten mit ihm in der besten Freundschaft. Er ließ es sich sogar gefallen, daß der eine oder der andere von ihnen, wenn er schnurrend vor dem warmen Ofen lag, auf seinem Rücken umherspazierte. Seine Gutmüthigkeit hatte die Vögel nach und nach zutraulich gemacht. Doch seine Talente waren noch anderer Art und er entwickelte zugleich eine Intelligenz, die wirklich in Erstaunen setzte. Im Hause war nämlich noch eine Katze, die man ihm als Gemahlin beigesellt. Frau Katze besaß nun leider nichts von den lobenswerthen Eigenschaften ihres Herrn Gemahls, sie war, als echte Katze, naschhaft und stellte den Vögeln nach, wo sie nur konnte. Aus letzterem Grunde litt es der ehrsame, gestrenge Herr Gemahl durchaus nicht, daß seine Gemahlin zu den Vögeln in die Stube kam. Wagte sie es einmal, so trieb sie Murr, um seine Schützlinge zu sichern, mit Bissen und Klauenhieben wieder zur Thür hinaus.

Eines Tages klagte die Köchin, daß in der Speisekammer die Katze mehrere Speisen arg benascht habe. Mein Freund kam auf den Gedanken, den Kater als Observator in die Speisekammer zu sperren, um zu beobachten, wie derselbe den Extravaganzen seiner Gemahlin gegenüber, sich verhalten würde. Schon am folgenden Tage gab es Ehestandskrieg in der Speisekammer – Herr Murr tractirte seine nichtsnutzige Ehehälfte aus dem ff, weil sie eine Mettwurst von der Wand heruntergerissen. Von der Zeit an saß Herr Murr täglich mehrere Stunden, von Eßwaaren aller Art [624] umgeben, auf Posten in der Speisekammer, und nachdem er jene erste Execution einige Male mit Nachdruck wiederholt hatte, wagte sich die Frau Gemahlin nicht wieder in die Kammer. Im Garten hatte L. – so hieß mein Freund – eine sogenannte Meisenfalle, zum Einfangen von kleinen Vögeln, aufgestellt. Zu seinem Leidwesen bemerkt er, daß die Katze die in die Falle gerathenen Vögel herausgeholt und verspeist hat. Er läßt darauf den Kater in den Garten und ist nach einigen Stunden schon Zeuge, wie Freund Murr, neben dem Meisenkasten, seiner Frau das Fell wieder tüchtig zerzaust, weil sie im Begriffe stand, ein Rotschwänzchen aus der Falle zu holen. Der Meisenkasten wurde von da ab der Obhut Murr’s gleichfalls anvertraut und die Räubereien der Katze hörten auf. Dieses seltene Exemplar von Kater nahm ein trauriges Ende. Böse Buben hatten ihm den Unterkiefer und das Rückgrat zerschmettert. Er ward ärztlich verpflegt, allein sein Tod erfolgte nach einigen Tagen. L. versicherte mir, daß ihm der Tod dieses treuen Thieres Thränen ausgepreßt habe. T.