Ein neuer Zier- und Zimmervogel

Textdaten
<<< >>>
Autor: Alfred Brehm
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein neuer Zier- und Zimmervogel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 434–438
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[434]
Ein neuer Zier- und Zimmervogel.


Von Brehm.


Die Liebhaberei für Stubenvögel ist neuerdings eine andere geworden, als sie in früheren Zeiten es war. Unsere Väter und Großväter hielten sich fast ausschließlich heimathliche Vögel, sich mit ihnen begnügend, weil ihre vortrefflichen Eigenschaften gebührend würdigend; die heutigen Liebhaber befassen sich mehr mit fremdländischen Vögeln, welche in einer von Jahr zu Jahr steigenden Unzahl bei uns eingeführt und gegenwärtig schon bis in entlegene Dörfer versandt werden. Ueber den ausländischen Webevögeln hat man die inländischen Finken fast vergessen, um so mehr, als einzelne Schriftsteller, in Folge ihres beschränkten Gesichtskreises, jene Webefinken über alles Maß gerühmt und gepriesen und in unzähligen Zeitschriften schier bis zum Ueberdruß abgehandelt haben. Gefällt man sich doch sogar, die abgeschmackte Behauptung aufzustellen, daß diese an und für sich niedlichen, in mancher Hinsicht auch anmuthenden, im Allgemeinen aber doch langweiligen Geschöpfe unsere Edelsänger, die Nachtigallen und ihre Verwandtschaft, oder auch fremdländische Kerbthierfresser zu ersetzen, daß sie unserer Liebhaberei vollständig zu genügen vermöchten. Eine solche Behauptung läßt sich blos dadurch erklären, daß die Verherrlicher der Webefinken eben nur sie kennen gelernt haben, nicht aber auch die eigentlichen Sänger, die Stubenvögel, in ihrer höchsten Vollendung, zu beurtheilen im Stande sind. Ich bekenne mich noch heutigen Tages zur alten Schule: ich gehöre, nachdem ich Tausende von Vögeln in einer Auswahl von Hunderten von Arten jahrelang gepflegt habe, zu den Liebhabern von altem Schrot und Korne, welche Nachtigall und Sprosser, Roth- und Blaukehlchen, Rothschwanz und Steinröthel, Grasmücken und Laubvögel, Schilfsänger, Drosseln und andere singende Weichfresser, wie der Liebhaber die Kerbthierräuber zu nennen pflegt, allen übrigen Stubenvögeln vorziehen und neben ihnen höchstens noch einige fremdländische Verwandte als ebenbürtig gelten lassen; ich vermag den Finknern, wie sie in früheren Zeiten in Ruhla und anderen Ortschaften Thüringens zu finden waren, höchstens nachzufühlen, aber das vollkommene Verständniß für den Finken und seine Leistungen, ich möchte sagen die Hohepriesterschaft der Finknerei geht mir zu meinem Bedauern ab; ich vertheidige deshalb auch unbedingt, weil ohne jegliches Bedenken, den Vogelsteller, welcher hier oder da im freien grünen Walde Netz und Schlinge stellt, um sich in Besitz eines wenig begehrenden und viel leistenden, Herz und Sinn durch trefflichen Gesang erheiternden, manche trübe Stunde verscheuchenden und sonnige Frühlingstage selbst während der Winterzeit in das Zimmer täuschenden Singvogels zu setzen.

[435]

Glanzstaare.
Nach der Natur gezeichnet von Emil Schmidt.

[436] Daß ich damit weder der sinnlosen Vernichtungswuth nützlicher Vögel das Wort reden, noch es auch nur billigen will, wenn solche in Anlagen, Lustwäldern und sonstigen dem öffentlichen Verkehr dienenden Orten weggefangen werden, brauche ich wohl kaum zu versichern, nachdem ich seit Jahren mehr als manch Anderer für den Vogelschutz gewirkt und meine Ansicht auch bereits in der Gartenlaube entwickelt habe. Ich will mich nur dahin äußern, daß mit unseren Edelsängern und deren fremdländischen Verwandten alle übrigen ausländischen Stubenvögel sich eben nicht vergleichen lassen.

Indessen giebt es unter diesen Fremdländern immer eine Anzahl von Arten, welche wohl im Stande sind, selbst den anspruchsvollen Liebhaber zu befriedigen. Ich will jetzt nicht der trefflichen Sänger gedenken, welche Nordamerika, Westafrika und Südasien unseren Käfigen liefern, vielmehr eine Gruppe besprechen, welche sich, wenn auch nicht durch Gesang, so doch durch außerordentliche Pracht des Gefieders, Zierlichkeit und Gewandtheit der Bewegung und Anmuth des Wesens besonders hervorthut, und deren Behandlung außerdem kaum Schwierigkeiten verursacht.

„Wenn man durch das Düster des afrikanischen Urwaldes geht,“ so habe ich mich früher ausgesprochen, „geschieht es wohl manchmal, daß plötzlich ein heller Schimmer in die Augen fällt, vergleichbar einem Sonnenstrahle, welcher von einer spiegelnden Metall- oder Glasfläche zurückgeworfen wird. Der Schimmer ist wirklich nichts anderes als Sonnenschein, welcher von dem Gefieder einer Glanzdrossel oder eines Glanzstaares abprallte; denn wenn man letzteren aufgefunden hat, kann man gewahren, daß er bei günstiger Beleuchtung mit jeder Bewegung einen Sonnenstrahl wiederspiegelt. Gleich nach dem Tode verliert das Gefieder den größten Theil seiner Schönheit; seine volle Pracht zeigt es nur, so lange der Vogel lebt.“ Ebenso wie im Walde trifft man auch in dünnbebuschten Steppen oder auch auf Triften eine oder die andere Art der Gruppe an, stets zur Freude des Beobachters. Mit Entzücken erinnere ich mich noch einer Art dieser hochbegabten Gesellschaft, des Schuppenstaares, welcher, namentlich im Fliegen, ein anfänglich kaum begreifliches Farbenspiel hervorruft und bald in das Amethystblaue, bald in das Goldigkupferfarbene schimmert, je nachdem er von dieser oder jener Seite Sonnenlicht empfängt und wieder zurückgiebt.

Man hat eine große Anzahl von Arten der Glanzstaarenfamilie aufgestellt, welche in mehrere unter sich übereinstimmende Gruppen oder Sippen zerfallen. Bei der großen Mehrzahl ist ein prachtvolles metallisches Grün die Grundfärbung und besteht die Zeichnung aus einzelnen sammetigen Flecken, welche namentlich auf den Flügeln in bänderartiger Anordnung stehen; bei anderen gehen Kopf- und Hals-, Bauch-, Schwingen- und Schwanzfedern in ähnliche Metallfärbungen über; andere endlich sind doppel- oder mehrfarbig, oberseits grün oder blau, unterseits weiß oder braun etc. Jede einzelne Art zeigt ihre besondere Pracht, und alle wetteifern miteinander um den Preis der Schönheit. Diese wird durch munteres und regsames Treiben noch gehoben. Die Glanzstaare insgesammt gehören zu den beweglichsten und lebhaftesten Vögeln ihrer Heimath, treiben sich so ziemlich während des ganzen Tages in einem verhältnißmäßig ausgedehnten Gebiete umher, beschäftigen sich ununterbrochen, sei es mit Aufsuchen ihrer Nahrung, sei es mit dem Vortrage ihres Geschwätzes, welches nur ein besonderes Wohlwollen als Gesang bezeichnen kann, sei es, indem sie unter sich gesellig sich vergnügen oder aber indem sie sich mit anderen Vögeln beschäftigen, diese neckend oder sonstwie behelligend. In ihrem Auftreten ähneln sie am meisten unseren Staaren. Wie diese treiben sie sich in der Steppe oder auf frisch bestellten Feldern umher, gern die Nähe von Viehgehegen oder weidenden Heerden aufsuchend, um die durch den Dung herbeigelockten Kerbthiere zu erbeuten, setzen sich auch wohl geradezu auf die in jenen Gegenden arg von Zecken, Fliegen, Bremsen und deren Maden geplagten Rinder, wie unsere Staare dies ja ebenfalls zu thun pflegen, und reinigen dabei ihre gehörnten Freunde, welche in Afrika überhaupt regelmäßig eine Gesellschaft gefiederter Reiter umherschleppen und diese als Ableser der lästigen Schmarotzer gern dulden.

Aufgescheucht, schaaren sich die Glanzstaare in dichte Schwärme, stoßen dabei ihren Lockruf aus und fliegen nun eine Strecke weiter, entweder wiederum auf dem Boden sich niederlassend oder einem hohen Baume sich zuwendend. Der Flug derjenigen Arten, welche unseren Staaren am nächsten stehen, ist rasch und kräftig, der Flug anderer, entsprechend dem sammetigen Gefieder, weich und etwas schleppend, auch verhältnißmäßig langsam, während der erwähnte Schuppenglanzstaar wiederum fliegend alle Verwandten übertrifft und sich in den verschiedenartigsten Schwenkungen gefällt, gerade als wolle er dem Sonnenlichte Gelegenheit geben, seine volle Pracht zu entfalten, das wunderbare Farbenspiel in jeder Weise zur Geltung zu bringen. In den frühen Morgenstunden und gegen Abend sammeln sich die Glanzstaare auf gewissen Bäumen, um von dort aus ihr Lied, oder richtiger ihr Geschwätz, vorzutragen. Die langschwänzigen Arten leben in kleineren Gesellschaften und erinnern, entsprechend ihrer Gestalt, eher an Elstern als an Staare, obgleich ihr Flug von denen der genannten Rabenvögel sich nicht unwesentlich unterscheidet. Ueber die Fortpflanzung konnte ich selbst keine Beobachtungen anstellen; Heuglin dagegen erwähnt, daß die Glanzstaare im Juli und August gesellschaftlich große, freistehende Nester aus grobem, dürrem Reisig errichten, dieselben innen mit feinem, trocknem Grase, Federn, Wolle und dergleichen sauber ausfüttern, mit drei feinschaligen, spärlich bepunkteten Eiern von mehr oder weniger lebhafter, bläulich-grünlicher Färbung belegen und bei einer späteren Brut wiederum benutzen.

Bis zum Jahre 1865 gehörten Glanzstaare zu den seltensten Erscheinungen in unseren Käfigen; nur der erste Thiergarten der Erde, der zu London nämlich, hatte einige Paare aufzuweisen. Im gedachten Jahre aber kamen plötzlich viele dieser Vögel auf den europäischen Thiermarkt, angeblich durch Vermittlung eines in Westafrika lebenden Franzosen, welcher über hundert Stück der prachtvollen Geschöpfe nach Bordeaux gesandt hatte. Seitdem sind die Händler, welche zwischen Europa und Westafrika hin- und herreisen, auf die ebenso schönen als dankbaren Vögel[WS 1] aufmerksam geworden, und gegenwärtig bringt uns jedes Jahr eine Anzahl von ihnen, so daß das Berliner Aquarium zur Zeit bereits sieben Arten aufzuweisen hat. Kein einziger der über alles Maß gepriesenen kleinen Webefinken, kein Fasänchen, Astrildchen, Elsterchen, Silberschnäbelchen und wie sie sonst noch heißen mögen, kann sich mit diesen Gefangenen auch nur im Entferntesten messen. Bei jenen haben wir es mit einer Gesellschaft zu thun, welche höchstens durch schmucke Haltung und gegenseitige Zärtlichkeit der Gatten zu fesseln und durch die Leichtigkeit, mit welcher sie sich auch unter der Pflege des Ungeübten fortpflanzen, zu befriedigen vermag; in den Glanzstaaren aber treten uns kluge, lebhafte, selbstbewußte Vögel entgegen, deren ganzes Wesen mit der unbeschreiblichen Pracht des Gefieders in Einklang steht, und welche deshalb Jedermann ansprechen und den, welcher sie zum ersten Male sieht, zur Bewunderung hinreißen. Gerade die Glanzstaare des Berliner Aquariums, gegenwärtig eine Gesellschaft von etwa dreißig Stück, zählen zu den hervorragendsten Erscheinungen des noch heute unübertroffenen, ja nirgends auch nur annähernd erreichten Vogelhauses und fesseln alle Besucher, nicht wenige von ihnen stundenlang. Im Bewußtsein ihrer Schönheit bekunden sie unverkennbar eine gewisse Gefallsucht, halten deshalb ihr Gefieder stets ängstlich rein, mischen sich nicht unter das Gewimmel ihrer Käfiggenossen, sondern sich vielmehr und verkehren nur mit ihres Gleichen, außer der Brutzeit mindestens in erträglicher Eintracht mit den Erstgenannten.

So scheu und vorsichtig sie anfänglich sich zeigten, so bald gewöhnen sie sich an den Pfleger, lernen diesen binnen wenigen Tagen von Anderen unterscheiden, antworten auf dessen Anruf, kommen herbei, sobald er sich zeigt, und nehmen ungescheut von ihm die allbeliebte Leckerei, Mehlwürmer, zu sich. Im Uebrigen machen sie wenig Ansprüche an die Nahrung. Gewöhnliches Drosselfutter genügt ihnen vollständig zu ihrem Unterhalte, umsomehr als sie nebenbei auch verschiedene Körner, Knospen und Früchte verzehren. Wer aber will, daß sie zur Fortpflanzung schreiten, muß ihnen allerdings reizendere Nahrung, nämlich ein mit Ameisenpuppen reichlich gewürztes Nachtigallenfutter und die nöthige Menge von Mehlwürmern reichen. Befinden sie sich unter solcher Pflege in einem geräumigen Käfige mit den nöthigen Nistgelegenheiten, und wissen sie sich ungestört, so schreiten sie ebenso leicht als gefangene Staare, leichter als manche Webevögel zur Fortpflanzung, und nun erst entfalten sie ihre volle Liebenswürdigkeit.

Aus dem Schwarme heraus sondern sich die Pärchen, und diejenigen, welche sich gefunden, halten fortan treuinnig zusammen, [437] verlassen sich keinen Augenblick lang, thun Alles gemeinschaftlich und theilen fortan Freud und Leid. Daß auch das Letztere nicht ausbleibt, erklärt sich von selbst; denn mit der Liebe in ihrem Herzen regt sich die Eifersucht, und jedes Männchen sieht nunmehr in einem anderen seiner Art, auch trotzdem es mit ihm im besten Einvernehmen lebte, einen Nebenbuhler, welchen es ärger hassen zu müssen glaubt als sonst ein Wesen, und mit dem es in ernster Fehde lebt, bis es die unbedingte Herrschaft errungen, oder aber entschieden besiegt worden ist. Von allen Glanzstaaren, welche ich seit Jahren pflege, habe ich nur einen einzigen an der sogenannten Darre verloren, fast ein halbes Dutzend dagegen durch nebenbuhlerische Kämpfe eingebüßt. Ehe man recht in’s Klare gekommen ist, daß ein Pärchen sich verbunden hat, liegen zwei Männchen sich in den Federn, und bevor man Gelegenheit fand, sie auseinander zu bringen, ohne dadurch das verbundene Paar zu trennen, ist das eine Männchen durch Schnabel und Klauen eines anderen bereits so zugerichtet worden, daß es wenige Stunden oder Tage später seinen Geist aufgiebt. Mit anderen Arten dagegen, und mag die Verwandtschaft derselben noch so innig, mögen sie einander noch so ähnlich sein, kämpfen die liebeglühenden Glanzstaare nicht, und somit lösen sich durch dies Betragen sehr bald etwaige Zweifel über Zusammengehörigkeit oder Verschiedenheit der Arten, Zweifel, welche bei diesen so überaus ähnlichen, ungemein schwer zu bestimmenden Vögeln recht wohl vorkommen können. Die erste Bedingung also ist, von jeder Art nur ein Paar in einem größeren Käfige zu halten, die zweite, für jedes von diesen die nöthige Nistgelegenheit zu beschaffen.

Die von mir gepflegten Glanzstaare, welche gebrütet haben oder zum Brüten sich anschickten, dachten nicht daran, freistehende Nester zu errichten, wie man nach Heuglin’s Angabe hätte vermuthen müssen, wählten sich zur Anlage ihres Nestes vielmehr Höhlungen von hinreichender Größe und passend eingerichtete Nistkästen, welche sie mit Stroh, Heu, Moos und Federn ausbauten. Das Nest ist zierlicher, als es bei Höhlenbrütern sonst der Fall zu sein pflegt; die Halme werden hübsch geordnet und theilweise so angelegt, daß sie das eigentliche Nest bis auf ein weites Schlupfloch überwölben; die innere, zumeist aus Federn bestehende Auskleidung, wird wohl geglättet, so daß die Wiege der Kinder allen Anforderungen entspricht. Beide Geschlechter betheiligen sich fast mit gleichem Eifer an dem Brutgeschäft, nur daß das Weibchen, wie üblich, mehr Verarbeiter, das Männchen mehr Zuträger der Stoffe ist, wie jenes auch länger auf den Eiern brütet als dieses. Es gewährt ein reizendes Schauspiel, beide Vögel beim Bau dieses Nestes zu beobachten. Obwohl sie sich, wenn sie zum Nisten schreiten, vollkommen sicher und wohlgeborgen fühlen, und obwohl die Höhlung, in welcher das Nest angelegt wird, vor Aller Augen liegt, arbeiten sie doch so verstohlen wie möglich, lesen eilfertig die Baustoffe zusammen, mehr als ob sie spielen, denn als ob sie dieselben verwenden wollten, fliegen mit ihnen auf diesen und jenen Zweig, nach der einen oder anderen Seite des Käfigs, nähern sich sodann plötzlich und unerwartet dem Eingangsloche zu ihrer Höhle und verschwinden in dieser, wobei regelmäßig das eine der Geschlechter, meist wohl das Männchen, Wache zu halten pflegt, als wolle es den Gatten vor jeder vermeintlichen oder wirklichen Gefahr rechtzeitig warnen. Sobald der eingeschlüpfte Glanzstaar innen die Stoffe richtig verbaut hat, erscheint er wieder am Eingange des Nistkastens, wirft rasch einen Blick über den ganzen Käfig, schlüpft heraus, setzt sich in der Nähe auf einen Ast, ruft dem bisherigen Wächter anscheinend ermuthigend zu, und dieser huscht nun ebenso verstohlen wie Jener in das Innere, um seinerseits die in dem Schnabel herbeigeschleppten Baustoffe abzugeben. Nachdem dies geschehen, pflegt der Zweite wiederum, diesmal mit leerem Schnabel, in den Nistkasten zu kriechen, wahrscheinlich um die von dem täppischen Männchen eingefügten Baustoffe noch zu ordnen, mindestens um sich zu überzeugen, ob dasselbe nach Wunsch gearbeitet habe. Erst hierauf begeben sich beide wieder zum Boden herab, auch von hier aus noch immer rasch einen Blick nach dem Neste werfend, um neue Stoffe zusammenzulesen und in der beschriebenen Weise wiederum dem Neste einzuverleiben. Bei gutem Wetter arbeiten die Glanzstaare außerordentlich eifrig, und das Männchen findet dabei doch immer noch Zeit, sein singendes Geschwätz vorzutragen; bei trüber und regnerischer Witterung dagegen setzen sie oft einen ganzen Tag und mehr mit dem Bauen aus oder tragen höchstens von Zeit zu Zeit einige wenige Stoffe nach dem Neste. Wie dem aber auch sein möge, in Zeit von zehn bis zwölf Tagen ist die Wiege für die kommende Brut vollständig hergerichtet, und das Weibchen beginnt nun seine Eier zu legen.

Jetzt folgt ein Stillstand, wenigstens scheint es so. Das Männchen singt nach wie vor, baut aber nicht mehr; das Weibchen ist verschwunden, im Innern des Nistkastens mit Brüten beschäftigt. Ob es zeitweilig vom Männchen abgelöst wird, wie ich annehmen möchte, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen, weil die Geschlechter der Glanzstaare nur an ihrer verschiedenen Größe zu erkennen sind, sich aber blos dann unterscheiden lassen, wenn man sie nebeneinander sieht. Aber auch die Brutzeit kann ich nicht angeben, weil ich mich wohlweislich stets gehütet habe, die seltenen Vögel während der wichtigsten Beschäftigung ihres Lebens zu stören, also auch nur durch Nachsehen zu behelligen. Etwa vierzehn Tage, nachdem immer nur einer der Vögel außerhalb des Nestes zu sehen war, bemerkte ich, daß beide weit dreister als sonst sich herandrängten, wenn Mehlwürmer gefüttert wurden, daß sie von diesen buchstäblich einen Schnabel voll packten und mit ihnen dem Neste zuflogen. Ueber den glücklichen Fortgang der Brut aber wurde ich erst versichert, als die sorgsame Mutter, nachdem sie mit Atzung dem Neste zugeflogen war, um mich so auszudrücken, die Windeln reinigte, d. h. ein zart umhäutetes Kothklümpchen ihrer Jungen getragen brachte und an einer entfernten Ecke des Käfigs niederlegte. Jetzt wußte ich nicht nur, daß Junge vorhanden waren, sondern auch, daß dieselben vortrefflich gediehen, mit einem Worte, daß im Neste Alles in bester Ordnung war. Nunmehr handelte es sich darum, den Jungen die nötige Atzung zukommen zu lassen. Das verursachte aus dem Grunde Schwierigkeiten, als in dem von meinen Glanzstaaren bewohnten Gesellschaftsraume mindestens noch zweihundert andere Vögel sich befanden, von denen kein einziger Mehlwürmer und Ameisenpuppen verschmähte, und unter denen es so arge Fresser gab, daß auch für mehrere Thaler dieser Larven zur täglichen Befriedigung der Gesammtheit nicht ausgereicht haben würden. Die Glanzstaare selbst halfen über alle Schwierigkeit hinweg. In ihrem Eifer, den Jungen die nöthige Atzung zu verschaffen, ließen sie jegliche Rücksicht vor größeren und stärkeren Vögeln, welche sie bis jetzt beherrscht hatte, schwinden, erschienen, sobald ich mich oder der Futtermeister mit der Mehlwürmerschüssel sich nahte, ungescheut und nahmen uns, so zu sagen, die Mehlwürmer aus den Händen weg. Schon nach einigen Tagen wußten sie genau, daß nur ihnen zu Liebe mehr als einmal täglich Mehlwürmer gereicht wurden; denn während alle übrigen Vögel des Raumes sich zurückzogen, wenn wir sie scheuchten, ließen sich die Glanzstaare dadurch nicht im Geringsten beirren, erkannten es im Gegentheile dankbar an, daß wir ihnen die lästigen Gesellen vom Leibe hielten. Beide Gatten des Paares waren mit gleichem Eifer thätig, wenn auch das Weibchen, wie erklärlich, immer voranging und sich nach Mutterart durch größere Fürsorge hervorthat. Höchst komisch sah es aus, daß jeder der Vögel sich bemühte, von den Käferlarven so viele wie immer möglich mit einem Male fortzutragen, wie er dabei zusammenraffte, so viel der Schnabel fassen wollte, seine liebe Noth hatte, zehn bis zwölf lebende Mehlwürmer ordentlich festzuhalten, ohne einen davon zu verlieren, und wie er beim Auffluge nach dem Nistkasten geschickt allen beabsichtigten Diebereien von Seiten anderer Vögel zu entgehen wußte.

Alles ging vortrefflich, und nach etwa drei Wochen erschienen drei wohlgestaltete Junge meist gleichzeitig mit den Köpfen an dem Eingange zum Nistkasten, sobald eines der Eltern sich zeigte. Etwa acht Tage später waren sie ausgeflogen und wenigstens so weit erstarkt, daß sie ihren Eltern überall hin folgen konnten. Das täppische Wesen, welches sie anfänglich noch zeigten, verlor sich ebenfalls bald, und schon nach Monatsfrist, vom Tage ihres Ausfliegens an gerechnet, thaten sie es den Alten vollständig gleich, ließen sich auch nur an dem gelblichen Schnabelrande von diesen unterscheiden, da ihr Gefieder, welches anfänglich an Pracht hinter dem ihrer Eltern merklich zurück war, bald den vollen Glanz und Schimmer des Alterskleides erhielt, ohne daß eine Mauser stattgefunden hätte. Nach Jahresfrist durften sie als vollkommen ausgewachsen, zeugungs- und fortpflanzungsfähig angesehen werden.

[438] Dies war das erste Mal, daß ich gefangene Glanzstaare bei ihrem Brutgeschäfte beobachten konnte, das zweite Mal überhaupt, daß sie in Gefangenschaft zur Brut geschritten waren, vorausgesetzt, daß die einzige mir bekannte Angabe über ein solches Vorkommniß überhaupt richtig ist. Gegenwärtig, während ich diese Zeilen schreibe, bauen sechs Paare, vier verschiedenen Arten angehörig, sehr eifrig, zum Beweise, daß bei geeigneter Pflege nicht allein die oben erwähnten langweiligen Körnerfresser, sondern auch Weich- und Kerbthierfresser im Käfige zur Fortpflanzung schreiten. Ich hätte somit alle Veranlassung, die Glanzstaare jedem Liebhaber auf das Wärmste zu empfehlen, gäbe es nicht ein Bedenken, den hohen Preis nämlich, in welchem diese Vögel zur Zeit noch stehen. Unter dreißig Thalern wird man kaum im Stande sein, sich ein Pärchen dieser Prachtvögel zu verschaffen; von den selteneren Arten kostet das Paar sogar vierzig bis sechzig Thaler, ein Preis, welcher unzweifelhaft Viele zurückschrecken muß, obgleich er in Anbetracht der unbeschreiblichen Pracht, des liebenswürdigen Wesens und der Dauerhaftigkeit dieser köstlichen Stubenvögel für Denjenigen, welcher auf seine Liebhaberei größere Summen verwenden kann, durchaus nicht zu hoch erscheint.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vagel