Textdaten
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Autor: Ferdinand Heyl
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Titel: Ein kaufmännischer Orden
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 238–239
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein kaufmännischer Orden.

Von Ferdinand Heyl.

Rhein und Wein sind von jeher zwei unzertrennbare Begriffe. Der Wein aber ist die Ursache des ausgesprochenen Humors, der sich im Charakter des ganzen rheinischen Volkes ausspricht; ein Humor, der besonders im Carneval seine tollsten Früchte treibt, Früchte, die um so verlockender sind, als auch sie unzweifelhaft vom rheinischen Rebensaft zur Blüthe und Entfaltung getrieben werden. Während im Mittelalter nur die Städte Augsburg und Nürnberg dem Carneval huldigten, hat der Rhein, lange Zeit als einzige Pflanzstätte dieses Volksfestes in Deutschland, diese Frühlingsfeier bis auf unsere Tage erhalten, und nicht zu verkennen ist, daß der Genuß des „neuen Weines“ bei diesen Festen den Haupttheil der erregten Heiterkeit auf seine Rechnung schreiben darf.

Der Wein spielt eben am Rhein in allen Dingen, nicht allein im Handels und Verkehrsleben, eine Hauptrolle. Das rheinische Lesefest hat die Gartenlaube vor nicht langer Zeit geschildert, der sogenannten „Zechgesellschaft“ in Oberwesel, welche schon im Jahre 1328 als eine „uralte“ erwähnt wird, gedenkt sie wohl gelegentlich, da deren Institutionen, Entstehen und Treiben der Aufzeichnung immerhin werth scheinen. Für heute wollen wir an der Hand chronistischer Nachweise einen „lustigen kaufmännischen Orden“ dem Schicksal des Vergessenwerdens entziehen, über den bisher nur wenig in die Öffentlichkeit gelangte, der aber nichtsdestominder eine deutsche, eine rheinische Sitte im drolligsten Gewande erscheinen läßt.

Schon zu Zeiten der Römer zog die einzige Heerstraße des Rheines am linken Stromufer hin, das Mittelalter behielt die Richtung der römischen Heerstraße von Köln nach Mainz auf linker Rheinseite mit unbedeutender Kürzung an einigen Stellen bei, während dem rechten Rheinufer eine eigentliche Chaussee jetzt noch fehlt. Nur sparsam unterhaltene schlechte Fahrwege verbinden auf dem rechten Rheinufer die einzelnen Ortschaften, und das Ländchen Nassau erhofft als einen Segen der Annexion endlich die Errichtung einer zusammenhängenden Fahrstraße auf der rechten Stromseite. Der Zug zu den Messen nach Nürnberg, Frankfurt, Leipzig vom ganzen Niederrhein, aus Frankreich, Belgien und Holland ging links am Rhein hinauf und berührte solchergestalt auch das freundliche Städtchen St. Goar, welches unter dem Schutze der über ihm thronenden Festung Rheinfels den zur Messe fahrenden Kaufleuten als Stationsort und bevorzugte Nachtherberge diente.

Hier hatte sich eine Sitte eingebürgert, deren Entstehung die Chronik auf die Zeit Karl’s des Großen zurückführen will. Wären nicht heute noch sichere, untrügliche Zeichen und Beweise vorhanden, man würde die Glaubwürdigkeit unserer nachfolgenden Mittheilung in Zweifel ziehen. Alle Zweifel aber widerlege die Chroniken der Stadt St. Goar und die noch vorhandenen Urkunden.

In St. Goar bestand der Burschband- oder Hanse-„Orden“. Jeder Reisende, der zum ersten Male nach St. Goar kam, mußte sich in diesen Orden aufnehmen lassen. „Am Rheinufer bei dieser Stadt, an der Seite des Walls bei dem Zollhause (Hauptwache), ohnweit dem Rheinthor“, befand sich ein messingenes Halsband, von Winkelmann das Burschband genannt. Nach dem alten rheinischen Antiquarius (1776) soll dies „berufene und berühmte Halsband von Kaiser Carl dem Fünften oder, nach Anderer Bericht, von Carl’s des Großen beyden Prinzen, Carl und Pipin dahin, als an den Ort ihrer Versöhnung und ihres brüderlichen Vertrags, seyn gestiftet worden. Anfänglich soll es von Eisen gewesen sein, als aber Churfürst Friedrich der Fünfte zu Pfalz seine Gemahlin aus Engelland geholet, hat er zwar ein silbernes Band, oder Ring dahin verehren wollen, aus Beysorge eines Diebstahls aber ein messingernes machen lassen, welches noch allda ist. Uebrigens hat er dabey die Armen reichlich bedacht.“

An dieses Halsband nun wurde der zu „Verhansete“ angeschlossen und feierlich „verhanset“. Er hatte dann Pathen (Göthen am Rhein) zu ernennen, welche als Hansezeugen ihm während der Ceremonie beistanden. Man legte darauf dem Verhanseten die Frage vor: „ob er mit Wasser oder mit Wein getauft sein wolle?“ Die Antwort: „mit Wasser“ trug ihm das Vergnügen ein, wider Willen ein Kopfbad aus einigen Kübeln kalten Rheinwassers aushalten zu müssen; man wollte dem Neuling dadurch den „Geizteufel“ austreiben. Auf die Antwort: „mit Wein“ folgte eine Contribution in Form eines Beitrags zur Armenbüchse, welche neben dem Halsband an der Hauptwache angebracht war, und der Verhansete wurde sodann feierlich in die Matrikelbücher des Hanseordens eingetragen. Die Aufnahme gegenzeichneten die „Göthen“ des Getauften. Diese Einzeichnung aber geschah unter einem besonderen Ceremoniel. Eine vergoldete Krone auf dem Haupte, hörte der Verhansete die Gesetze des Hanse-Ordens, die ihm vorgelesen wurden, mit an und trank dann aus einem mit perlendem Weine gefüllten „silbernen Becher, dem großen Hansebecher, welchen die Königin Christina von Schweden, oder, wie Andere wollen, eine gewisse Königin in Engelland, als sie vorbeigereiset, zum Andenken soll verehret haben, woraus er 1. des Kaisers Caroli Magni, 2. der Königin von Engelland oder Schweden, 3. des regierenden fürstlichen Hauses Hessen-Cassel, als des Orts Landesherrn und 4. der Pathen und der sämmtlichen Gesellschaft Gesundheit trinken mußte.“ Hierauf belehnte man „lebenslang“ den Neuaufgenommenen mit der „Jagd auf der Bank“, einem Felsen mitten im Rhein (Rheinstrudel), der nur wenig über den Stromspiegel hervorragte, und mit dem „Fischfang hoch oben auf der Lurlei und auf der Kemeler Haide“, einem ziemlich unwirklichen Plateau auf der rechten Rheinseite. Die Festlichkeit schloß in der Regel ein lustiges Gelage in einem Gasthof der Stadt, entweder im Grünen Wald oder in der Lilie, welch’ letzteres Haus heute noch existirt, als eines der ältesten Gasthäuser des Rheins. Bei diesen Trinkgelagen war noch ein anderer werthvoller Becher mit im Gebrauch, den das fürstliche Haus Hessen-Rheinfels und der Kurfürst von der Pfalz im Jahre 1595 gestiftet halten, woraus dann der „Verhansete“ die vorerwähnten Gesundheiten wiederholt trinken mußte. Letzterer Becher ist mit Wappen sämmtlicher Grafen und Ritter aus dem Gefolge des Kurfürsten geziert und trägt die Inschrift:

„Zu Ehren Sanctgoar am Rhein
Ist gar wohl und fein
Der Landgräflichen Verhanse-Stadt
Dieß Trinkgeschirr gemacht.“

Dieser Becher befand sich bisher im Besitz des Numismatikers Bohl in Coblenz. Ein zweiter Beitrag in die Armenbüchse, als „freywillige Beysteuer“ wurde während des Trinkgelages erhoben und diente „alsdann zur Verpflegung der armen Vorbeyreisenden in dem dasigen uralten Spital“. Es wurden so fünfzig bis hundert Gulden jährlich erlöst. In den Zeiten der Messe veranlaßte diese Ceremonie natürlich ein lustiges Leben und Treiben in dem Städtchen St. Goar. Die Besatzung der mit St. Goar durch Mauerwerk verbundenen Festung Rheinfels ließ sich, den Commandanten und die Officiere an der Spitze, „von den ältesten Zeiten her“ in den Hans-, Hals- oder Burschband-Orden aufnehmen. Der Orden selbst hatte Statuten, welche bei jedem Regierungswechsel von dem jeweiligen Landesherrn ausdrücklich bestätigt wurden. Kein Handelsmann durfte kraft dieser Statuten die beiden St. Goarer Messen mit Waaren beziehen, ehe er seine Aufnahme in den Hanse-Orden ordnungsmäßig bewirkt hatte.

Nach Tausenden zählten die Namen der Mitglieder in den Matrikelbüchern, und auch fürstliche Namen und jene hervorragenden Persönlichkeiten waren nicht selten. So fanden sich darin eingezeichnet: Kaiser Karl der Fünfte, Philipp der Großmüthige, Götz von Berlichingen, Franz von Sickingen etc. Viele der Namen waren beglaubigt durch das beigedrückte Petschaft des Unterzeichners. Die Landgrafen von Hessen-Rheinfels und Hessen-Cassel ließen ihre Aufnahme in den Orden in der Regel durch Bevollmächtigte bewerkstelligen. Kurfürst Friedrich der Vierte von der Pfalz ließ sich und seine Gemahlin auf einer Durchreise im Jahre 1595 in den Orden aufnehmen, bei welcher Gelegenheit er oben erwähnten Becher stiftete. Einen ähnlichen kostbaren Pocal stiftete Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, Graf von Niederkatzenellnbogen, im Jahre 1683, bei Gelegenheit seiner Aufnahme in den Orden. Er ist noch heute im Besitze der Stadt St. Goar. Ein noch kostbarerer Becher, den man als ein Geschenk Karl’s des [239] Großen gemeinlich ausgiebt, ist im Besitze des Herrn Linck, früheren Gasthalters zur Lilie in St. Goar. Er ist mit den Bildnissen Karl’s des Großen und seiner zwei Söhne Karl und Pipin geschmückt und ganz in getriebener Arbeit ausgeführt.

Zweifelhaft ist die Annahme, daß der Pocal von Karl dem Großen stamme, unzweifelhaft ist aber, daß wir es hier mit einer uralten interessanten Episode rheinischer Geschichte zu thun haben.

Ueber die Gründung und den Ursprung des Ordens geben nach dem verdienstvollen Historiographien der Stadt St. Goar, Al. Grebel, die Matrikelbücher folgende Auskunft:

„Als Karl der Große das Königreich zwischen seinen Söhnen Karl und Pipin theilen wollte, ward Pipin über den älteren Bruder so ergrimmt, daß er ihn drei Jahre lang verfolgte. Bei Gelegenheit einer Reise Karl’s des Großen den Rhein hinab trafen beide Bruder in der Capelle des heiligen Goar zusammen und Pipin war eben im Begriff, den Bruder zu tödten, als ,Gott und der heilige Goar’ den Haß und Bruderzwist plötzlich in Liebe und Freundschaft verwandelten, so daß sie sich vor Freude umarmt und dem Vater nachgeeilt seien, der sie, glücklich über die plötzliche Versöhnung, mit Jubel empfing. Zum Andenken an die Wiedervereinigung seiner Söhne stiftete Karl eine bedeutende Summe zum Besten des Hospitals in St. Goar und zur Verpflegung mittelloser Reisenden und schenkte er der Stadt das mehrerwähnte Halsband.“

Eine Stiftung Karl’s des Großen aus Freude über die Versöhnung seiner Söhne scheint historisch begründet zu sein. Muthmaßlich hat eben diese Stiftung die Veranlassung zur Gründung des Ordens gegeben, da auch hier die Unterstützung armer Reisender Hauptzweck war. Winkelmann’s hessische Chronik vom Jahre 1697, Dr. Brown’s Reisebeschreibung von 1668 und der Chronist Lucä um 1654 erwähnen den Orden als schon seit dem dreizehnten Jahrhundert bestehend, und im Jahre 1480, bei Gelegenheit der Aufnahme des hessischen Commandanten von Rheipfels, Volpert Schenck zu Schweinsberg, wird des Verhansens als eines uralten Gebrauches gedacht. Dies widerlegt die Annahme, als habe erst Karl der Fünfte den Orden gestiftet.

Die Matrikelbücher (Hansebücher) des Ordens enthielten absonderliche Artikel in Knittelversen abgefaßt, welche im Jahre 1627 „auf Cantate im Namen Georg’s des Zweiten, Landgrafen von Hessen, von Johann Wölfen zu Wietelshausen, genannt Schrautenbach, Rittern und der römischem kaiserlichen Majestät Kämmerer bestätigt worden“, so daß jeder Kaufmann, der die Märkte von Sanct Goar bezog, keine Waare feil bieten durfte, „er habe sich denn vorher verhansen lassen“. Generallieutenant von Mansbach war der letzte Commandant von Rheinfels, der sich mit seinem gesammten Officiercorps am 19. August 1750 in den Orden aufnehmen ließ. Der Gebrauch erhielt sich bis über die Zeit der französischen Invasion hinaus; während derselben trat bei dem Gesundheittrinken an die Stelle Karl’s des Großen der Name – Napoleon’s! Das Halsband verschwand in den Unruhen des Revolutionskriegs, und der Beginn der Dampfschifffahrt auf dem Rhein bezeichnet das Ende des Gebrauchs. Aufnahmen sind seit dem 2. Juli 1824, dem 27. März 1828 und dem 23. April 1835 nicht mehr vorgekommen – die letzten Unterzeichner in den Matrikelbüchern sind – Bonner Studenten, und zwar Alfred Piper aus Demgarten in Neuvorpommern, Carl von Pressentin aus Dömitz und Heinrich Sthamer aus Neubacker in Mecklenburg-Schwerin.

Die Matrikelbücher sind jetzt im Besitze des Gasthalters Wenzel zur Lilie, der heute noch die Hansebücher von 1713 an und die erwähnte alte Krone aufbewahrt, welche bei der Ceremonie diente.

Simrock erklärte das Wort „verhansen“ durch die erzwungene Aufnahme der Krämer und Verkäufer in die Innung der Sanct Goarer Kaufleute, die sich mit gleichem Rechte wie der große Hansabund, zu dem auch Sanct Goar gehörte, eine Hanse, einen Verein, nannte. Der neckische Charakter der Aufnahme in den Orden hat nach desselben Forschers-Meinung dem Worte „hänseln“ den Ursprung gegeben.

Der Orden hat seinen eigenen Historiographen in Johann Ludwig Knoch, Leiningen-Westerburg’schem Archivrath und Kanzleidirector gefunden, welcher 1767 eine „Historische Abhandlung vom Herkommen des alten Hanß- Bursch- oder Halsbands-Ordens zu Sanct Goar am Rhein und dessen annoch üblicher Ceremonie, aus glaubwürdigem Nachrichten in möglicher Kürze (anderthalben Bogen stark) zusammengezogen“, veröffentlichte.

Von ausländischen Schriftstellern ist der Orden und seine Bestrebungen oft mißverstanden worden; wie hätte auch eine andere Nation das richtige Verständniß für derartigen neckischen Humor, der immerhin in dem Gebrauche wurzelte? So schreibt Blainville, ein Engländer, die Einwohner von Sanct Goar hätten sich dieses Halsbandes nur bedient, um „auf eine sehr abgeschmackte Art die Fremden um Geld zu schneuzen“. Merkwürdig, daß gerade ein Engländer diesen Vorwurf ausspricht, da nirgends der Unsitte der Trinkgeldererhebung von Seiten dienstbarer Geister mehr gefröhnt wurde und wird, als in England.

Für die Geschichte des Handels im Mittelalter ist das bereits erwähnte Actenstück, ausgestellt „uff Cantate Anno 1627 von Johann Schrautenbach, Ritter und Oberamtmann zu Wietelshausen (Weitelshausen, im Auftrage des Landgrafen Georg des Zweiten von, Hessen Darmstadt“ höchst interessant. Es schrieb strenge die Aufnahme für jeden Kaufmann oder Krämer, der Sanct Goar besuchte, vor und setzte nicht unwesentliche Strafen in dreizehn Artikeln fest. So mußte sich Jeder eines guten Wandels befleißigen bei siebenundzwanzig Albus und drei Albus (Weißpfennig, eine Silbermünze) Strafe. Fluchen und Lästern war bei zwei Gulden und höherer Strafe für jedes Mitglied des Burschbands verpönt. Wer den Vorschriften des Schultheißen oder Hansemeisters nicht folgte, zahlte einen Albus, bei der zweiten Widersetzlichkeit zwei Albus. Wer Stangen oder sonstige Gegenstände zur Aufbauung seines Krams entlehnte und nicht pünktlich zurückerstattete, zwölf Albus und gebührende Entschädigung. Wer eines Andern Stand beengte oder beschädigte, büßte mit zwei Gulden. Streng verboten war falsch Gewicht oder falsche Elle. Die Strafe wurde von der Obrigkeit und dem Hansemeister erkannt. Gegenseitiges Schelten der Mitglieder des Burschbands wurde mit Verbot des Feilhaltens geahndet, ebenso durfte kein Krämer feilhalten, „der mit einer Dirne umbher zeucht“. Am sonderbarsten sind die Artikel, welche bei zwei Gulden Strafe und mehr verbieten, die Würde „eines Schultheiß, Hansemeister, Caplan, Schreiber oder Burschbands-Diener“ abzulehnen. Auch durfte bei sechs Albus Strafe kein Mitglied des Ordens ein anderes „von seinem Kram abrufen oder winken, sondern blos mit ihm reden, wenn er von ihme oder seinem Krame ginge!“ Strafen, welche durch den Schultheiß und die Hansemeister erkannt wurden, waren unumstößlich; nur auf eine persönliche Bitte und gegen Zahlung eines „halben Viertel Weins“ konnte eine Strafe gelindert werden.

Außer diesen Vorschriften enthält das Actenstück noch Bestimmungen, welche Waaren mit „schwer Gewicht“ und welche mit „Silbergewicht“ gewogen werden durften.

Große Aufregung rief eine Verordnung des Amtmanns Hermann Cappins im Jahre 1665 hervor. Er ließ eine leichtfertige Dirne zur Strafe an dem Halseisen anschließen und benutzte das Burschband als Pranger. Der Stadtrath führte darauf Klage bei der Justizcanzlei, indem er vorstellte, wie unschicklich es sei, das Halsband in Sanct Goar, „an dem Kaiser Karl der Fünfte und so viele andere Fürsten gestanden hätten“, zu so entehrender Bestrafung zu mißbrauchen. Die Justizcanzlei verordnete durch Decret vom 29. März 1665, daß in Zukunft leichtfertige Dirnen statt am Halse an den Füßen geschlossen und anderwärts ausgestellt werden sollten.

Wir haben uns gern der Mühe unterzogen, diese für die vielen kaufmännischen Leser der Gartenlaube gewiß nicht uninteressanten Mittheilungen aus den rheinischen Chroniken zusammenzutragen, da sie immerhin ein Stück Handels- und Verkehrsleben früherer Zeiten beleuchten.