Ein geschichtlicher Roman von Ernst Wichert

Textdaten
<<< >>>
Autor: Unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein geschichtlicher Roman von Ernst Wichert
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 371
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[371] Ein geschichtlicher Roman von Ernst Wichert. Einer unserer gediegensten Romanschriftsteller ist Ernst Wichert, mag er sich nun auf geschichtlichem Boden bewegen oder in Genrebildern das Volksleben schildern. Die starken Wurzeln ihrer Kraft hat seine Muse in der ostpreußischen Heimath des Dichters: in seinen litauischen Dorfgeschichten giebt er uns von Land und Leuten treue, lebensvolle Schilderungen, ansprechende Genrebilder von großer Anschaulichkeit, und in seinen geschichtlichen Romanen erscheint er als der Walter Scott Ostpreußens; er erinnert mehr an den ausgezeichneten englischen Schriftsteller als Gustav Freytag in seinen „Ahnen“ und Felix Dahn in seinen Völkerwanderungsromanen; er hat mit Walter Scott das verweilende Behagen in der Beschreibung und Schilderung gemein, und wie dieser und die erwähnten deutschen Schriftsteller hat er die gründlichsten geschichtlichen Studien gemacht. Sein „Großer Kurfürst“ ist ein Werk, in welchem ostpreußisches Leben aus jener Zeit warm pulsirt und zugleich der Hintergrund von Stadt und Land treu und farbenreich ausgemalt ist. Die hervorragenden Männer sind scharf charakterisiert; am schärfsten hebt sich das Bild des bedeutenden Fürsten von den Gruppen der handelnden Gestalten ab.

Besondere Anziehungskraft hat auf den Dichter die Geschichte des Deutschen Ordens ausgeübt. In seinem „Heinrich von Plauen“ hat er eins der interessantesten Kapitel derselben, deren Held lebhafter Antheilnahme gewiß ist, mit einer oft dramatischen Lebendigkeit ausgeführt; in seinem neuesten Romane, „Tileman vom Wege“ (Leipzig, Carl Reißner), schildert er uns den Orden bereits im Niedergang; er führt uns eine der bewegtesten und unglücklichsten Epochen desselben vor, wo sich die Städte und Ritter der von ihm beherrschten Lande gegen ihn empören und einen Bund schließen, durch den zuletzt die Polen mit ihrem König Casimir ins Land gerufen werden und vieler Städte, auch der Marienburg, sich bemächtigen. Die Seele dieses Bundes ist der Bürgermeister von Thorn, Tileman vom Wege, der zugleich eine persönliche Unbill zu rächen hat, da der Hochmeister des Ordens, Ludwig von Erlichshausen, früher seine Frau verführt hat. Diese hat Tileman weit fortgebracht und im Walde ausgesetzt; er hält sie für todt; doch sie lebt mit ihrer Tochter Ursula als eine Waldfrau in der Nähe von Heilsberg und wird allmählich in den Kreis der Handlung wieder mit hereingezogen. Dem tyrannischen ingrimmigen Tileman vom Wege steht der zum Orden haltende wackere Bürgermeister von Marienburg, Bartholomäus Blume, gegenüber, welcher die Stadt tapfer gegen die Bündischen und die Polen vertheidigt und nach der Erstürmung derselben hingerichtet wird. Die Liebe seiner Tochter Magdalena zu Jost, dem Sohne des Thorner Bürgermeisters, und seines Sohnes Marcus zur Tochter der Waldfrau, Ursula, bildet den romantischen Einschlag in das geschichtliche Gewebe. Auf den ernsten Leser, der ein Bild jener Zeit, der damals sich bekämpfenden Interessen, der handelnden Personen und ihrer Beweggründe gewinnen will, wird der Roman große Anziehungskraft ausüben, denn oft wird der Romanschriftsteller vom Geschichtschreiber abgelöst. Alle Leser aber werden sich an der lichtvollen Deutlichkeit erfreuen, mit welcher die Vorgänge uns vor Augen gestellt werden, an den Schilderungen der Ordenswirthschaft in der Marienburg und den andern Schlössern, der Thorner Unruhen, der Kämpfe und Belagerungen und der eingeflochtenen anmuthigen Naturbilder, wie der innigen Herzensneigungen, die zum Theil nach flüchtiger Abirrung zum dauernden Bunde führen.