Textdaten
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Autor: F. H.
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Titel: Ein gerettetes Bild
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 710–712
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[710]

Ein gerettetes Bild.

Eine freudige Ueberraschung bot der Abend des zehnten November 1868 den Mitgliedern des Schillervereines in Leipzig, die, wie seit 1840, wo Robert Blum, Gustav Kühne, Karl Beck, Robert Friese, Ed. Burckhardt u. A.. den ersten Anstoß dazu gaben alljährlich, zur Feier des Geburtstags ihres Dichters in den Sälen des Hotel de Pologne versammelt waren.

Nach bewährtem Herkommen zerfällt eine solche Schillervereins-Feier in zwei Theile: einige durch Schiller’sche Poesie, die Kunst der Musik und die Festrede irgend eines namhaften deutschen Gelehrten verherrlichte Stunden, und dann den geselligen und geistigen Genuß einer Festtafel.

Der erste Theil war vorüber, die Festrede des Professor [711] Gosch aus Halle über den Torso „Demetrius“ die Declamationen hervorragender Mitglieder der Leipziger Bühne und die Vorträge der berühmtesten Meister der Gewandhaus-Capelle hatten die Stimmung der Versammlung von allem Alltags- und Geschäftsüberzug gereinigt und die Empfänglichkeit für alles Schöne sichtlich erhöht. Da geschah etwas Ungewohntes. Eine mit weißem Tuch verhängte Staffelei ward auf das für die Vorträge der Künstler errichtete Podium getragen und Oswald Marbach, dermal Vorsitzender des Vereins-Vorstandes, wendete sich an die Festgenossen mit folgendem dichterischem Wort:

Friedrich von Schiller.
Nach dem Originalbilde von F. A. Tischbein, im Besitz des Schillervereins in Leipzig.

[712]

„Ihr kennt sie so, die rührende Gestalt,
Die sanft das Haupt zur Erde niedersenkt,
Sich beugend vor des Todes Allgewalt
zum Staube träumerisch die Blicke lenkt.

5
So neigt die reife Aehre sich zur Erde,

Wenn ihr der Schnitter mit der Sense naht,
Und bietet mit demüthiger Geberde
Ihm ihre Früchte dar als neue Saat

Er war der unsre‘ - so, so stand er da:

10
‚Den Leiden und dem Tode früh vertraut‘,

Bevor das Unvermeidliche geschah, -
So haben unsre Väter ihn geschaut!
Er war der unsre - nein. wir sind die Seinen!
Er ist und lebt! kein Tod hat ihn geraubt!

15
Und nie und nimmer wird der Tag erscheinen,

Wo Er zum Staube neigt sein edles Haupt!

Er lebt und strahlt, wie heut, so immerdar,
Geschlechter schau’n Ihn im Vorübergehn
Und neigen Ihm sich, den unwandelbar

20
Sein Licht ausstrahlend sie am Himmel sehn.

Das ist der Dichter, der befreit vom Scheine
Der Sterblichkeit vor Geistesaugen schwebt!
,Was uns noch Alle bändigt, das Gemeine,
Liegt hinter ihm’: Er hat gesiegt! Er lebt!“

Und als in diesem Augenblick die Hülle fiel, mußte vor diesem Bilde Jedermann der Wahrheit Beifall zollen von Marbach’s Schlußworten.

„O sehet, wie mit ahnungvollem Graus
Der Künstler unsern Schiller einst geschaut.
So blickt der Dichter in die Welt hinaus,
Die ihm gehört, die sich sein Geist erbaut!
So steht er da verklärten Angesichtes,
Vom Weltbeherrschermantel stolz umwallt,
Aus seinen Augen quillt ein Strom des Lichtes,
Ans seinem Munde Geistes-Allgewalt!“

Ja, so lebensstolz in Haltung und Blick tritt aus dieser Leinwand Friedrich Schiller’s Haupt hervor, als ob sein „Freude, schöner Götterfunken“ ihn noch auf den Lippen schwebte. Es ist offenbar, daß hier ein Künstler es gewagt, die gewöhnlichere Auffassung Schiller’s, die uns neben dem tiefen Denker den körperlich leidenden Mann nicht vergessen läßt, zu vermeiden und das gesunde, kühne, geistige Wesen des großen Dichters in dessen bildlicher Erscheinung allein wiederzugeben.

Woher kam aber dieser seltene Schatz? In einer Leipziger Auction ward das Gemälde vom Vereins-Vorstand erstanden, zu dessen Pflichten es gehört, alle literarischen und artistischen Werke, welche für seine Schiller-Andenken-Sammlungen in dem, dem Vereine gehörigen Häuschen in Gohlis, in welchem Schiller 1785 gewohnt, sich eignen, aus der Vereinscasse zu erwerben. So unscheinbar und verschwärzt das Bild war, so ließ es doch Schiller’s energische Züge und einen guten Künstler nicht verkennen. Aber erst nachdem ein Meister in der Restaurirung, der Leipziger Maler A. F. Schiertz, es in seiner ursprünglichen Schönheit wieder hergestellt und links am Rande die Inschrift entdeckt hatte. „Tischbein p. 1804“, erkannte man seinen Werth ganz und fand es angemessen, die Uebergabe desselben an den Verein der Festfeier einzuverweben.

Für Leipzig hat das Bild sogar doppeltes Intereste, insofern es von einem seiner Akademie-Directoren herrührt. Den Namen Tischbein tragen zwölf Maler und zwei Malerinnen. Johann Friedrich August Tischbein, 1750 in Maestricht geboren, wurde, nachdem er sich in Frankreich und Italien gebildet und in Holland, Arolsen und Dessau sich als Familienportraitmaler Ruf erworben, im Jahre 1800 Oeser’s Nachfolger als Director der Kunstakademie in Leipzig. Dort verkehrte er mit Schiller im December 1801 und im April 1804, und damals wurde unser Bild, und zwar im Auftrag von Schiller’s Verleger Crusius, gemalt und im folgenden Jahre auf der Kunstausstellung in Dresden gezeigt.

Eine Copie in Oelfarben hat mit Bewilligung des Vorstandes des Schillervereins der Maler Robert Krause in Leipzig für den Componisten Richard Wagner ausgeführt. Um das für alle Zeit hochbedeutsame Werk Tischbein's der Nachwelt sicher zu erhalten, hat der Vereinsvorstand dasselbe mit Vorbehalt des Eigenthumsrechtes des Leipziger Schillervereins dem Städtischen Museum zu Leipzig übergeben, für das Schillerhaus zu Gohlis aber eine lebensgroße Copie in Kreidezeichnung von dem Maler M. Müller herstellen lassen; demselben Künstler wurde zugleich gestattet, das Werk in kleinerer Ausführung nachzubilden, und so ist es jetzt den weitesten Kreisen zugänglich gemacht.

F. H.