Ein Wunderborn, das deutsche Herz!

Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Ein Wunderborn, das deutsche Herz!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 842, 843
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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 Ein Wunderborn, das deutsche Herz!

 (Mit Abbildung.)

Ein Wunderborn, das deutsche Herz! Gar schwer ist’s zu ergründen,
Von seiner Lust, von seinem Schmerz der Urquell schwer zu künden.
Es schwärmt so gern, in aller Fern’ die Welten zu ermessen,
Und kann doch seiner Kindheit Stern in keiner Welt vergessen.

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Der Kindheit Stern, er wandelt mit, wohin das Ziel es locke; –

Da plötzlich hemmt den kühnsten Ritt die kleinste Abendglocke.
Aus ihren sanften Klängen webt das Heimweh seinen Schleier,
Auf dem das Herz hinüberschwebt zur Heimathabendfeier.

Und mahnet gar die Sternennacht an seiner Weihnacht Sterne,

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Dann ist im Nu der Lauf vollbracht heim aus der weit’sten Ferne.

Die Lichter glänzen allerwärts, wo Kinderstimmen locken –
So komm auch du, mein altes Herz, und laß uns mit frohlocken!

Im Waldthal schläft die graue Stadt; wie aus Urvätertagen
Sie treu ihr Bild bewahret hat, seh’ ich die Giebel ragen;

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Die Gassen noch so eng und krumm, wie ich sie einst verlassen, –

Und also schleich’ ich wiederum lustspähend durch die Gassen.

O, wie wird mir’ die Seele froh! Kein Wandel ist im Lieben!
Gottlob, die Kinder sind noch so wie ihre Lust geblieben!
Derselbe Baum, derselbe Tisch voll Christkind-Herrlichkeiten,

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Dieselben Aeuglein fromm und frisch – durch alle, alle Zeiten!


So kehr’ auch ich als Kind zurück! – Ich such’ mein kleines Bette –
Ich schlafe nicht – verschlief ja leicht des Wächters Ruf und Mette!
„Ihr Kinderlein, wacht auf, wacht auf! Lieb Christkind kommt gegangen,
Die Kirchenthür steht mächtig auf, Euch Alle zu empfangen!“

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Hui, auf! Und rasch in das Gewand, das Festgewand, das warme!

Das Kirchenlichtlein in der Hand, Gesangbuch unter’m Arme,
So ziehen wir die Gass’ entlang, ach, Vater, Mutter, Alle!
Wie heilig hallt der Glockenklang, wie strahlt die Kirchenhalle!

Da wimmelt’s in den Gassen hell, da grüßt’s von allen Seiten,

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Die hohen Dächer glänzen grell, die Erker, die beschneiten,

Der Bildstock und das Feuerfaß am Brunnen eingefroren –
Doch mich durchwärmt mit Wonne Das: „Lieb Christkind ist geboren!“

Und nun hinein in’s Gotteshaus mit feierlichem Herzen!
O, wie sieht’s da erst herrlich aus von Lichtlein und von Kerzen!

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Und wie erschallt „die neue Mär“, die uns beseligt heute:

„Vom Himmel hoch da komm’ ich her!“ – da weine ich vor Freude.

Und gar der Heimgang! Licht an Licht der Dämmerung entgegen!
Aus allen Fenstern jubelnd bricht des Christkinds Morgensegen:
Dort gucken bei dem Lichterschein und singen fromme Weisen

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Und pochen mit den Fingerlein die Kindchen bei den Greisen.


Du Wunderborn, du deutsches Herz, wie schwer auch zu ergründen,
Dich wollen wir doch allerwärts als unsern Stolz verkünden!
Du schwärmst so gern, in aller Fern’ die Welten zu ermessen,
Und kannst doch deiner Kindheit Stern in keiner Welt vergessen!

 Friedrich Hofmann.



[843]

Christmette im Waldstädtchen.
Originalzeichnung von R. Püttner.