Ein Vorschlag in Güte
[464] Ein Vorschlag in Güte. Der bekannte amerikanische Dichter Longfellow lebte vor einigen Jahren zu Newport in tiefster Zurückgezogenheit, mit der Abfassung eines neuen poetischen Werkes beschäftigt, das seiner „Evangeline“ in keiner Weise nachstehen sollte. Eines Tages begehrte ein Fremder ziemlich ungestüm, den Dichter zu sprechen, wurde jedoch von dem Dienstmädchen rund abgewiesen. Er wollte sich dies durchaus nicht gefallen lassen, und die Dienerin ging, weil der Unbekannte hartnäckig darauf, bestand, ihren Herrn selbst noch einmal zu fragen, ob er den Mann empfangen wolle, allein der Dichter wünschte durchaus ungestört zu bleiben. Als der Besucher diesen Bescheid erhielt, schob er das Mädchen ohne Weiteres bei Seite und drang in das Studirzimmer des überraschten Dichters ein, der den Eindringling mit finsterer Miene empfing.
„Mr. Longfellow,“ sagte der Letztere, „Sie müssen meine Dreistigkeit entschuldigen, allein mich führt ein Geschäft hierher, welches bei Weitem wichtiger für Sie als für mich ist, und ich komme deswegen extra von Boston aus hierher. Dort existirt nämlich eine große Stiefelwichsfabrik, die Ihnen wohl bekannt sein wird, Sie wissen ja – Warren und Compagnie. Diese Leute halten sich einen Dichter, der ihnen gereimte Annoncen und Etiketten für ihre Wichse verfertigt, und sie machen durch diese Verse sehr gute Geschäfte. Nun müssen Sie wissen, daß ich ebenfalls ein Wichsfabrikant bin, und so dachte ich, wenn wir in Compagnie arbeiteten – Sie lieferten die Reime und ich die Wichse – so könnten wir ein famoses Geschäft machen, noch viel besser als Warren und Compagnie. Sie würden dabei nicht schlecht fahren, sage ich Ihnen – was meinen Sie dazu?“
„Werft ihn hinaus! Werft ihn hinaus!“ rief Longfellow im höchsten Zorn, und so verließ der indiscrete Wichsfabrikant das Zimmer mit noch größerer Eile, als er es betreten hatte, indem er dabei viel von „unpraktischen Menschen, die ihren Vortheil nicht einsehen“, vor sich hin murmelte.