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Titel: Ein Soldatenvater
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 574
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[574] Ein Soldatenvater. Der verstorbene General von Hartmann, der Führer des zweiten bairischen Armeecorps. war im Dienst scharf und streng, sorgte aber dabei für seine Untergebenen in wahrhaft väterlicher Weise. Zeugniß davon giebt unter Anderem ein Brief, welcher im Schwaighof bei Tegernsee, einem von biederen Bauersleuten gehaltenen Schwefelbad, aufbewahrt wird. Dieser Brief, schön hinter Glas und Rahmen gebracht, befindet sich in einem Raume, welchen wir Badegäste die „Bildergalerie“ nennen, eine einfache Kammer, deren Holzwände mit zahlreichen Neu-Ruppiner Schlachtgemälden aus dem letzten Franzosenkrieg geschmückt sind. Welchen Eindruck die weltbewegenden Ereignisse dieses Krieges überhaupt auf das Volk der bairischen Alpen gemacht haben, davon sprechen die Bilder des Kaisers Wilhelm, des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des Prinzen Friedrich Karl, Bismarck’s und Moltke’s, die man neben den Bildern des bairischen Königs und der beiden bairischen Führer, von der Tann und von Hartmann, hier in so mancher Bauernstube findet.

Zur Erläuterung jenes Briefes sei vorausgeschickt, daß die vom Tegernsee stammende Frau eines Dachdeckers in Nürnberg, der im Juli 1870 mit hinausgezogen war in den Krieg, zu Anfang des Jahres 1871 Mutter ihres ersten Kindes geworden war. Da sie mittellos und in bedrängten Verhältnissen war, so hatte sie sich nach vorläufigem Abschluß des Friedens an General von Hartmann mit einem Gesuch gewendet, in welchem sie um Beurlaubung ihres Mannes bat. Darauf erhielt sie von Jenem folgenden eigenhändigen Brief, welcher zum ehrenden Gedächtniß Hartmann’s bekannt zu werden verdient:

Coulommiers, 9. April 1871.

     Liebe Frau Kretschmann!

In Erwiderung auf Ihren Brief vom 28. vorigen Monats benachrichtige ich Sie, daß ich Ihrem Manne heute Urlaub gegeben habe, um nach Hause zu gehen. Damit Sie aber bis zu seiner Heimkehr nicht hungern, sondern Ihrem kleinen Kinde gute Muttermilch geben sollen, lege ich einen Fünfthalerschein hier bei.

Empfangen Sie Ihren Mann nur recht freundlich und seien Sie ihm eine liebevolle und aufmerksame Frau, um ihn für die großen Anstrengungen zu entschädigen, die er, wie wir Alle, in dem vergangenen schweren Krieg haben aushalten müssen.

Ich grüße Sie herzlich als die Frau eines braven, mir untergebenen Soldaten, die ich Alle als meine Kinder betrachte.

Hartmann, G. d. J.“

Wirklich traf der Mann kurze Zeit darauf bei seiner jungen Frau glücklich wieder ein, die ihm zum Willkomm ein gesundes Töchterchen auf den Armen entgegenbrachte. Leider sollte die Freude der Wiedervereinigung nicht lange dauern. Es war ein tragisches Geschick, daß kaum drei Monate nach seiner Rückkehr aus Frankreich der Dachdecker von dem First eines hohen Hauses in Nürnberg herabstürzte und augenblicklich seinen Geist aufgab. So mußte gerade der Urlaub, welchen die sorgende Gattin ihrem Mann ausgewirkt hatte, diesem daheim den Tod bringen, welchem er in allen Kriegsgefahren glücklich entgangen war.

General von Hartmann, welcher von diesem Unglücksfall in den Zeitungen gelesen hatte, nahm sich der armen Wittwe an und unterstützte sie wiederholt mit ansehnlichen Geldbeträgen. Dieselbe zog später mit ihrem kleinen Kinde zurück in ihre Heimath am Tegernsee, wo sie als Büglerin in einer Waschanstalt für die Wäsche der Sommergäste ihr Fortkommen sucht. Ihr zweiundeinhalbjähriges Mädchen, das sie nicht mit in die Arbeit nehmen kann, hat sie in einer Bauernfamilie für sechzig Gulden jährlich untergebracht. Da sie täglich vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein und sogar fast den ganzen Sonntag über beschäftigt ist, so kann sie höchstens Sonntagabends ihr Kind einmal sehen und mütterliche Liebe genießen lassen.
Dr. Adolf Müller.