Ein Privilegium der gelehrten Stände

Textdaten
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Titel: Ein Privilegium der gelehrten Stände
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 708
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[707] Ein Privilegium der gelehrten Stände. Die alten mit einem Erziehungsinstitut oder Internat verbundenen Gelehrtenschulen in Deutschland können sich an Volksthümlichkeit mit den entsprechenden höchst eigenartigen englischen Anstalten mit der in Eton z. B., nicht messen, aber auch die auf diesen deutschen Schulen bestehenden Einrichtungen und Gewohnheiten bieten mancherlei Eigenartiges und Merkwürdiges. Eine der angesehensten deutschen Schulen solcher Art, das im Jahre 1607 in dem Städtchen Joachimsthal gegründete, später nach Berlin und im Jahre 1880 aus der Mitte Berlins in eine Vorstadt verlegte Joachimsthalsche Gymnasium ist von Dr. Eduard Schulte, einem früheren Schüler dieser Anstalt, in einer kleinen Schrift mit Liebe und Humor geschildert worden (Verlag von Max Achilles in Freienwalde a. d. Oder), und wir entnehmen dieser Schilderung einen Abschnitt aus dem Kapitel, das den von den Internatsschülern oder Alumnen getragenen Schlafrock behandelt, also „das“, wie der Verfasser sagt, „von Rechtswegen zu den Privilegien der gelehrten Stände gehörige Kleidungsstück.“ Vom zwölfjährigen Tertianer an besaß fast jeder ein solches Gewand, und zwar war der Alumnenschlafrock vielleicht die bemerkenswertheste Spielart seiner Gattung.

Schulte erzählt z. B.: „Mein Senior“ – so heißen die mit der Würde der Aeltesten auf den Wohnsälen der Zöglinge bekleideten Primaner – „mein Senior trug einen Schlafrock, dessen linke Vorderhälfte vom Halse bis unten auf den Saum abgerissen war und nur am Saume noch mit dem Rocke zusammenhing. Kochte dieser junge Mann Kaffee, so legte er das abgerissene Stück auf das linke Knie; ging er im Saale auf und ab, so wickelte er es um den Arm wie ein Römer seine Toga. Nach dem Anblick dieses Gewandes habe ich als Neuling es für recht gehalten, meinen damals noch unzerrissenen Schlafrock mit halb verächtlichen, halb feindseligen Blicken zu betrachten und ihm damit eine Gesinnung zu verrathen, welche seinem Wohlergehen schwerlich förderlich gewesen ist. Eines Tertianers Schlafrock war so mitgenommen, daß die Saalgenossen sich dieses Rockes bemächtigten und ihn im Feuer des Saalofens verbrannten, nachdem entdeckt war, daß, von anderen Schäden abgesehen, ein Aermel des Rockes ganz fehlte, weil er im Kampfe ausgerissen und als Siegeszeichen nach einem Nachbarsaale entführt worden war, und daß der Rock an einer Stelle, wo die Durchsichtigkeit desselben am wenigsten zulässig schien, ein hauptsächlich durch Brandschaden entstandenes Loch aufwies, welches, laut Feststellung des berufensten Mathematikers unter den Saalgenossen, die Größe eines Quadratfußes nicht unwesentlich überstieg. Dieses Vorgehen wurde auf dem Alumnat überwiegend abfällig beurtheilt. Die Forderung der Thäler, daß Löcher in der Größe eines Quadratfußes und darüber unzulässig sein sollten, erschien zu streng; man beklagte die Abnahme der schuldigen Rücksicht für bewährte Ueberlieferungen und Schlafröcke. Die Hilfe des Schneiders pflegt der Alumnus für seinen Schlafrock nicht anzurufen, weil er sich dann auf einige Zeit von einem Kleidungsstücke trennen müßte, das ihm das liebste und nothwendigste ist, und die Ausbesserungen, welche die Mutter alle Vierteljahre einmal vornimmt, wenn der Sohn in die Ferien nach Hause kommt, finden eben im Verhältniß zu den hohen an den Rock gestellten Anforderungen zu selten statt, als daß sie ihm den Jugendschein erhalten könnten.“ Freilich sind diese Alumnenschlafröcke, wie der Verfasser mitthellt, seit der letzten Verlegung der Anstalt in Abnahme gekommen und er meint,

„– da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt!“