Textdaten
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Titel: Das Hirschhornsalz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 708
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[707] Das Hirschhornsalz. Gewiß hat manche Hausfrau es schon mit einiger Verwunderung bemerkt, daß das in der Küche zu verschiedenen Zwecken häufig gebrauchte Hirschhornsalz, wenn es in einer Tüte oder selbst in einer Blechbüchse aufbewahrt wurde, nach einiger Zeit sich in seiner Menge merklich verminderte und schließlich ganz verschwand. Nun ist man es wohl bei manchen Flüssigkeiten wie bei starkem Spiritus, Benzin, Hoffmannstropfen, Aether gewohnt, daß sie mit der Zeit verdunsten – „verwittern“, wie man sagt – wenn sie nicht in gut verschlossener Flasche aufbewahrt werden; bei einem festen Körper aber, in diesem Fall einem Pulver, hat es doch für menschliche Begriffe etwas Auffallendes an sich, wenn er wie ein Dieb in der Nacht verschwindet, weil eben in der allgemeinen Vorstellung und auch in der Wirklichkeit der Abstand zwischen dem greifbar festen und dem gasförmigen Zustand ein viel weiterer ist als zwischen dem flüssigen und dem gasförmigen Zustand. Und doch ist die Verflüchtigung des Hirschhornsalzes nur auf dem Wege einer Umwandlung in den Gaszustand zu denken.

Man wird nun aber bemerken können, daß das Hirschhornsalz stets kräftig nach Ammoniak – man pflegt das Salmiakgeist zu nennen – riecht, und diese Erscheinung wird uns auf die Erklärung der Thatsache führen.

Das Hirschhornsalz ist eine Verbinbung des Ammoniaks mit der Kohlensäure. Beide sind unter gewöhnlichen Verhältnissen Gase; daß zwei Gase in ihrer Vereinigung einen festen Körper bilden können, wird uns nicht weiter wundern, wenn wir uns erinnern, daß der Aggregatzustand eines Körpers nur von Verhältnissen abhängt, die außerhalb desselben liegen, von Temperatur und Druck; es giebt auch verflüssigtes Ammoniak und flüssige, ja feste Kohlensäure. Jene Verbindung zwischen Ammoniak und Kohlensäure, die das Hirschhornsalz bildet, ist aber nur eine ziemlich lose, und so bestreben sich beide Gase, aus der ihnen unbequemen Fessel, die sie zusammen umschlossen hält, zu entkommen. Sie nehmen dabei natürlich den ihnen unter den gewöhnlichen Temperatur- und Druckverhältnissen eigenen gasförmigen Zustand an, das heißt, sie verdunsten und suchen das Weite. Der Geruch nach Ammoniak, den das Hirschhornsalz hat, ist ein Zeugniß dieser Zersetzung; die Kohlensäure macht sich nicht so bemerklich, weil sie geruchlos ist, man kann sie aber natürlich in den Zersetzungsgasen durch einfache Hilfsmittel nachweisen.